Urteil des OLG Zweibrücken vom 17.10.2005

OLG Zweibrücken: gütliche einigung, beendigung, scheidungsverfahren, disposition, quelle, versicherungsträger, verzicht, ehescheidung, anschluss, gebühr

OLG
Zweibrücken
17.10.2005
6 WF 178/05
Gebührenermäßigung bei Verbundurteil in Ehesachen
Aktenzeichen:
6 WF 178/05
1 F 540/04
Amtsgericht Landau in der Pfalz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
R… A…
G…
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S…, …, …,
gegen
P…
G…
Antragsgegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. N…, …, …,
wegen Ehescheidung und Folgesache
hier: Erinnerung gegen den Kostenansatz,
hat der 6. Zivilsenat – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht
Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht
Hengesbach
auf die Beschwerde der Landeskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin am Landgericht Landau in der
Pfalz,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Landau in der Pfalz vom 19. September 2005
ohne mündliche Verhandlung am 17. Oktober 2005
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Landau in
der Pfalz vom 19. September 2005 aufgehoben.
Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenansatz vom 21. Juli 2005 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Ehe der Parteien im Anschluss an den Termin vom 11. Juli
2005 mit Verbundurteil geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich durchgeführt. Die Parteien
haben sodann auf Rechtsmittel sowie auf die Darstellung von Tatbestand und Entscheidungsgründen im
schriftlichen Urteil verzichtet.
Mit Kostenrechnung vom 21. Juli 2005 hat der Kostenbeamte zwei Gebühren aus dem Gesamtstreitwert
angesetzt und eine Ermäßigung nach Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG mit der Begründung
abgelehnt, dass nicht das gesamte Verbundverfahren durch ein Urteil ohne Gründe (§ 313 a ZPO)
beendet wurde. Demgegenüber hat der Antragsteller im Wege der Erinnerung geltend gemacht, infolge
des Rechtsmittelverzichts beider Parteien ermäßige sich die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1311 des
Kostenverzeichnisses zum GKG.
Der Kostenbeamte hat eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin eingeholt, der Erinnerung nicht
abgeholfen und die Sache dem Familiengericht vorgelegt.
Das Familiengericht hat den Kostenansatz aufgehoben und den Kostenbeamten angewiesen, unter
Beachtung seiner Rechtsauffassung die Gerichtskosten neu anzusetzen. Zur Begründung ist ausgeführt,
aus der Formulierung „gesamtes Verfahren“ sei nicht zu schließen, dass der gesamte
Entscheidungsverbund keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalten müsse. Vielmehr
sei die ermäßigte Gebühr nach dem Teilstreitwert für jedes Verfahren des Verbundes anzusetzen, sofern
die Voraussetzungen der Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG vorliegen. Die
Gebührenermäßigung greife auch dann, wenn nur ein Teil der Folgesachen mit Begründung entschieden
werde. Auch der Gesetzesbegründung zu den geänderten Vorschriften des GKG könne nicht entnommen
werden, dass die Ehesache nur im Zusammenhang mit allen Folgesachen privilegiert sei. Auch insoweit
müsse – beschränkt auf den jeweiligen Streitgegenstand – ein gebührenrechtlicher Anreiz gewährt
werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Landeskasse. Ihrer Ansicht nach sind die Voraussetzungen
von Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht gegeben, weil es an einer Erledigung des
gesamten Verfahrens im Sinne des § 313 a Abs. 2 ZPO fehle.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung
vorgelegt. Der Antragsteller schließt sich den Ausführungen des Familiengerichts an.
II.
Die gegen die Aufhebung des Kostenansatzes gerichtete Beschwerde der Landeskasse, über die der
Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO in seiner nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung
entscheidet, ist gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 GKG statthaft und auch verfahrensrechtlich bedenkenfrei,
da das Familiengericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung
stehenden Frage zugelassen hat, § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG.
In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Nach Auffassung des Senats sind bei der hier zu
beurteilenden Sachlage die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1311
Kostenverzeichnis zum GKG nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts lässt sich
Gegenteiliges weder aus der Begründung des Gesetzgebers zum Kostenmodernisierungsgesetz
(KostRMoG) noch aus der früheren Rechtslage herleiten.
1. Als Ermäßigungstatbestand gemäß Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses zum GKG kommt hier nur,
wovon auch das Familiengericht ausgeht, die Nr. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 2 ZPO in Betracht. Das
Amtsgericht hat im Verhandlungstermin vom 11. Juli 2005 ein sog. Stuhlurteil verkündet und die Parteien
haben anschließend auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. hierzu Hartmann, Kostengesetze 34. Aufl. Nr. 1211
KV Rdnr. 9). Allerdings setzt die Ermäßigung danach die Beendigung des
gesamten
einer Folgesache durch ein Urteil, das nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine
Entscheidungsgründe enthält, voraus. Das ist hier nicht der Fall. Denn bezüglich der Folgesache
Versorgungsausgleich enthält das Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe. Diese waren auch
nicht § 1313 a Abs. 2 ZPO durch den Verzicht der Parteien entbehrlich, weil die Ausnahmevorschrift nach
§ 313 a Abs. 4 Nr. 1 ZPO lediglich für den Scheidungsausspruch, nicht aber für die Folgesachen gilt,
insbesondere nicht für den Versorgungsausgleich, bei dem auch die Versicherungsträger Beteiligte sind
(vgl. zu § 313 a Abs. 1 ZPO: OLG Hamm, NJW 1979, 434).
2. Für eine (teilweise) Ermäßigung hinsichtlich des Scheidungsausspruchs unter Berücksichtigung des
Teilstreitwerts – wie vom Amtsgericht angenommen – mag es zwar gute Gründe geben. Nach der
eindeutigen Regelung des Gesetzes vermögen diese Gründe aber die vom Familiengericht vertretene
Ansicht nach geltendem Recht nicht zu stützen.
Zunächst setzt der Wortlaut des Ermäßigungstatbestandes entweder eine Gesamterledigung oder die
Beendigung einer Folgesache voraus. Wie sich der Begründung zu den Nrn. 1310 und 1311 des
Kostenverzeichnisses (Bundestagsdrucksache 15/1971 Seite 161 f) entnehmen lässt, hat der
Gesetzgeber in diesem Zusammenhang gesehen, dass eine vollständige Übertragung des
Pauschalgebührensystems auf Verbundsachen nicht möglich ist. Dabei hat er allerdings nur darauf
abgestellt, dass im Scheidungsverfahren keine gütliche Einigung möglich ist, weil das
Scheidungsverlangen nicht der Disposition der Parteien unterliegt. Entsprechendes gilt aber für den hier
zu beurteilenden Sachverhalt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestands an
der gemäß § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO antragsunabhängigen Durchführung des Versorgungsausgleichs
scheitert. Auch in diesem Fall ist der gebührenrechtliche Anreiz auf die (weiteren) Folgesachen
beschränkt, um – wie in der Begründung des Gesetzgebers ausgeführt – ein Mindestmaß an
Gebührengerechtigkeit und Verfahrenssteuerung zu gewährleisten (vgl. auch Meyer, GKG 6. Aufl. KV
1311 Rdn. 93f.). Im Übrigen sind die Verfahren in Ehesachen bereits allgemein dadurch
gebührenrechtlich privilegiert, dass der Gebührensatz gegenüber den sonstigen bürgerlich-rechtlichen
Streitigkeiten auf 2,0 ermäßigt ist. Sofern jedoch mit der die Scheidung aussprechenden Entscheidung der
Versorgungsausgleich durchgeführt wird, entfällt durch die insoweit erforderliche Darstellung des
Tatbestands und der Entscheidungsgründe, also durch den damit einhergehenden Arbeits- und
Zeitaufwand, die Grundlage für eine (weitere) Ermäßigung auf 0,5 Gebühren. Ob der
Ermäßigungstatbestand einschlägig wäre, wenn ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 313 a
Abs. 2 ZPO über die Scheidung gemäß § 628 Nr. 1 und 2 ZPO vorweg entschieden wird, bedarf hier
keiner abschließenden Entscheidung.
3. Dahinstehen kann schließlich, ob nach der bisherigen kostenrechtlichen Praxis vom GKG a.F. die
Urteilsgebühr um 0,5 ermäßigt wurde, wenn in der
Ehesache auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet wurde und in der Folgesache
Versorgungsausgleich eine begründete Entscheidung zu treffen war. Denn zum einen ist die nunmehr
eingeräumte Gebührenermäßigung weitaus höher (Differenz von 1,5 Gebühren), zum anderen ist die
Rechtslage allein auf Grund der nunmehr geltenden Neufassung des GKG zu beurteilen, die mit den
Nrn. 1310 und 1313 des Kostenverzeichnisses besondere Gebührentatbestände für Ehesachen,
Lebenspartnerschaftssachen und Folgesachen enthält.
4. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.
Morgenroth Euskirchen Hengesbach