Urteil des OLG Zweibrücken vom 10.12.2009

OLG Zweibrücken: eintritt des versicherungsfalles, grobe fahrlässigkeit, sicherheitsvorschrift, gefahr, versicherungsnehmer, versicherer, obliegenheit, verhütung, sorgfalt, entstehung

Bürgerliches Recht
Privatversicherungsrecht
OLG
Zweibrücken
10.12.2009
1 U 166/09
Leistungsfreiheit wegen eines Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschrift nach § 7 Nr. 1 a AFB 87 in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG a.F. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles § 14 Nr. 1
AFB 87 und 61 VVG
Aktenzeichen:
1 U 166/09
3 O 67/07
Landgericht Frankenthal (Pfalz)
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Hinweisbeschluss
in dem Rechtsstreit
M… M…
Kläger und Ber.Kläger
RAe …
./.
R… V… AG
Beklagte und Ber.Beklagte
RAe …
wegen Feststellung
I.
Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 20. August 2009 keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat beabsichtigt
deshalb, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO – dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorliegen –
zurückzuweisen.
1.
Feststellungen der Erstrichter zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbs. ZPO). Konkrete Anhaltspunkte für
Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen, die erneute Feststellungen gebieten würden
(§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbs. ZPO), bestehen nicht.
2.
2.1.
die Sicherheitsvorschrift nach § 7 Nr. 1 a AFB 87 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG a.F. wegen grob
fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 14 Nr. 1 AFB 87 und 61 VVG.
Entgegen der Auffassung der Berufung hat der Kläger zumindest grob fahrlässig gegen gesetzliche oder
behördliche Schutzvorschriften im Sinne von § 7 Nr. 1 AFB 1987 verstoßen. Hierbei reicht ein Verstoß gegen
Unfallverhütungsvorschriften von Berufsgenossenschaften aus, selbst wenn sie nicht polizeiliche (im engeren
Sinne) und genau gesehen auch nicht einmal behördliche, sondern nur körperschaftliche Sicherheitsvorschriften
sind, denn den AFB 1987 liegt ein weiterer, allgemein ordnungsrechtlicher Polizei– und Behördenbegriff
zugrunde (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. § 7 AFB 30 Rn. 5 und BGH VersR 1970, 1121 m.w.N.). Auch trägt der
Versicherungsnehmer nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 die Beweislast, wenn er einwendet, er habe die
Sicherheitsvorschrift weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt (vgl. Prölss/Martin aaO § 7 AFB 1987 Rn. 1
m.w.N.). Im Übrigen gilt die gleiche Beweislastverteilung wie bei § 7 AFB 30 (vgl. BGH VersR 1997, 485). Im
vorliegenden Fall hat der Kläger unstreitig gegen die Berufsgenossenschaftlichen Regeln für Sicherheit und
Gesundheit bei der Arbeit „BGR 157 ff. Instandhaltung“ verstoßen. Denn ausweislich Ziffern 5.2.1. der Vorschrift
können Zündquellen auch Schweiß– oder Schleiffunken sein. Ausweislich Ziffer 5.2.2 ist sicherzustellen, wenn
sich Zündquellen bei Arbeiten an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren nicht vermeiden lassen, dass sich die im
Kraftstoffsystem befindlichen oder daraus austretenden Kraftstoffdämpfe nicht entzünden können. Hierbei kann
die Gefahr des Entzündens von Kraftstoffdämpfen oder Gasen beseitigt werden
- durch den Ausbau des Kraftstoffbehälters nach vorherigem Abdichten der
Anschlüsse und Abdichten der Kraftstoffleitung,
- Füllen des Behälters und der Leitungen mit Stickstoff oder anderen
inerten Gasen oder,
- Abdecken des Behälters oder der Kraftstoffleitungen gegen Funkenflug
und Strahlungswärme.
Die Gefahr des Nachlaufens von Kraftstoff bei beschädigter Leitung kann z.B. durch Abklemmen der Leitung
in ihrem flexiblen Bereich beseitigt werden. Unstreitig hat der Kläger keine dieser Sicherungsmaßnahmen vor
dem Abtrennen des Auspuffes durch die „Flex“ ergriffen. Da der Kläger als Kfz–Meister unstreitig über den
„Großen Schweißbrief“ verfügt, müssen ihm die Sicherheitsvorschriften beim Umgang mit Verbrennungsmotoren
auch zwangsläufig bekannt gewesen sein. Soweit der Kläger ausführt, dass ihm keine Vorschrift bekannt sei, die
regele, wie genau ein Auspuff mittels Flex entfernt werden müsse, so mag dies – auf den speziellen Fall
zugeschnitten – zutreffend sein. Jedoch ist davon auszugehen, dass im Rahmen einer Schweißausbildung auch
die berufsgenossenschaftlichen Regelungen zur Verhütung von Bränden allgemein bekannt gegeben werden. Im
Übrigen ist der Kläger nach § 7 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 AFB 87 verpflichtet, dies nachzuweisen, wenn er einwendet, er
habe die Sicherheitsvorschrift weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt (vgl. Prölss/Martin aaO § 7 AFB 87
Rn. 1, Prölss/Baumgärtel, Beweislast, § 7 AFB 87 Rn. 1, Martin, Sachversicherungsrecht, M II. 16).
Dies hat der Kläger jedoch ersichtlich nicht getan. Auch nach Auffassung des Senates ist zumindest von
grober Fahrlässigkeit des Klägers auszugehen. Grob fahrlässig handelt, wer nach den gesamten Umständen die
erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im ggf. jedem
hätte einleuchten müssen. Auf der subjektiven Seite setzt die Annahme grober Fahrlässigkeit voraus, dass die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer Acht
gelassen worden ist. Gerade das Trennschleifen in unmittelbarer Nähe zum gefüllten Benzintank und relativer
Nähe zur Kraftstoffleitung, ohne den Benzintank zuvor entleert zu haben, Schutzbleche angebracht zu haben,
oder die Kraftstoffleitung abgeklemmt zu haben, stellt auch in subjektiver Hinsicht einen besonders groben
Sorgfaltsverstoß dar (Urteil OLG Hamm vom 08.12.1989, 20 U 319/89). Gegenteiliges hat der Kläger nicht
substantiiert dargetan. Von einer Kenntnis der einschlägigen Sicherheitsvorschrift ist beim Kläger angesichts
seiner Berufsausbildung auszugehen. Bereits von einem Laien kann erwartet werden, dass er brennbare und
leicht entzündliche Flüssigkeit im unmittelbaren Einwirkungsbereich einer Trennschleifmaschine aus
Sicherheitsgründen entfernt oder andere Schutzmaßnahmen ergreift (vgl. OLG München Urteil vom 10.07.1991, 3
U 2047/91). Insoweit kann das Verhalten des Klägers, der keinerlei Schutzmaßnahmen ergriffen hat,
schlechterdings nicht nachvollzogen werden. Soweit der Kläger behauptet, dass niemand im KFZ-gewerbe so
verfährt, so mag dies ein ganz allgemein üblicher grober Sorgfaltsverstoß sein, kann den Kläger aber hier nicht
entlasten. Denn der Sorgfaltsmaßstab kann nicht dadurch verschoben werden, dass sich eine gesamte Branche
leichtfertig verhält. Ob der Kläger die mit seinem Handeln verbundene Gefahr ohne grobe Fahrlässigkeit nicht
erkannt oder falsch eingeschätzt hat, ist unerheblich (vgl. BGH NJW-RR 1997, 407).
Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Versicherer beweisen muss, dass der Schaden auf der schuldhaften
Verletzung der Sicherheitsvorschrift beruht. Es reicht vielmehr der Nachweis, dass der Schaden im Schutzbereich
der verletzten Vorschrift liegt (vgl. BGH NJR-RR 1997, 407 und VersR 1978, 433). Die Gefahr vorbeugenden
Obliegenheiten nach § 7 Nr. 1a und Nr. 2 AFB 87 i.V. mit
§ 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG
bezwecken und bewirken
erfahrungsgemäß, sofern sie beachtet werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalles verhindert oder erschwert
wird. Die Vereinbarung der Leistungsfreiheit bei obliegenheitswidrigem Verhalten hat auch für den
durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar den Sinn, den Versicherer und die Gemeinschaft der
Versicherten vor dem erhöhten Risiko zu schützen, das im allgemeinen mit der Verletzung einer solchen
Obliegenheit verbunden ist (vgl. BGH
VersR 1976, 531
und
VersR 1978, 433
, 434). Die Sanktion der
Leistungsfreiheit trifft den Versicherungsnehmer deshalb bereits dann, wenn er durch die Verletzung der
Obliegenheit eine Gefahrenlage geschaffen hat, die generell die Wahrscheinlichkeit vergrößert, dass sich das
versicherte Risiko verwirklicht. Anders als bei der Leistungsfreiheit nach
§ 61 VVG
braucht der Versicherer hier
nicht zu beweisen, dass das generell gefahrenträchtige Verhalten des Versicherungsnehmers für den Eintritt des
Versicherungsfalles ursächlich gewesen ist. Vielmehr ist es nach
§ 6 Abs. 2 VVG
Sache des
Versicherungsnehmers, die Leistungsfreiheit durch den Nachweis auszuräumen, dass die
Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht ursächlich gewesen ist.
Demgemäß muss der Versicherer nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der
Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant eine Obliegenheit verletzt hat, die bezweckt und bei abstrakter,
vom Einzelfall losgelöster Betrachtung auch geeignet ist, den Eintritt eines Versicherungsfalles der vorliegenden
Art mindestens zu erschweren. Der vom Versicherungsnehmer zu führende Kausalitätsgegenbeweis ist nur dann
erbracht, wenn mit Sicherheit festzustellen ist, dass sich die Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den
Eintritt des konkreten Versicherungsfalles ausgewirkt hat (vgl. BGH VersR 1976, aaO und VersR 1978, aaO).
Im streitigen Versicherungsfall hat sich ein Risiko verwirklicht, das vom Schutzbereich der verletzten
Obliegenheiten umfasst wird. Die berufsgenossenschaftlichen Schutzvorschriften über den Umgang mit
feuergefährlichen Stoffen beim Trennschleifen dienen zweifellos dem Brandschutz und der Verhütung von
Gefahren. Sie sind erfahrungsgemäß auch geeignet, der Entstehung von Bränden vorzubeugen. Denn die
Unfallverhütungsvorschriften sind Ausdruck der Erfahrung, dass gerade beim „Flexen“, was unter Entwicklung
hoher Wärmeenergie geschieht, in der näheren Umgebung der Arbeitsstelle durch die zum Glühen gebrachten
Metallteilchen Brände entstehen können.
Im vorliegenden Fall hat sich auch gerade die Gefahr realisiert, vor der die Vorschriften schützen sollen. Der
Brand hat sich im Einwirkungsbereich der Gefahrenstelle ereignet, für die die Vorschrift bestand, im unmittelbaren
zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den Flex–Arbeiten des Klägers.
Den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis hat der Kläger nicht geführt. Ihm obliegt es, die fehlende
Kausalität seines Verhaltens für den eingetretenen Schaden konkret darzutun und zu beweisen. Hier hat der
Kläger lediglich ganz allgemein behauptet, dass der Brand auch ausgebrochen wäre, wenn er die einschlägigen
Sicherheitsvorschriften beachtet hätte. Dieses Vorbringen ist jedoch in seiner Allgemeinheit unsubstantiiert, da
nicht erkennbar wird, welche anderen möglichen Alternativursachen für die Entstehung des Brandes
verantwortlich gewesen sein sollen. Auf das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten kommt es
daher angesichts der fehlenden konkreten Darlegung nicht an. Somit kann auch dahinstehen, ob dem Gutachter
die erforderliche Sachkunde fehlte, da das Urteil nicht darauf beruht.
2.2.
Sachverständigengutachtens besteht mangels Rechtsschutzinteresse nicht.
Zwar kann grundsätzlich ein Anspruch des Versicherten auf Vorlage des von der Versicherung zur
Schadensklärung eingeholten Gutachtens nicht verneint werden.
Unabhängig von dem Streit der Parteien über das Fortbestehen des Versicherungsvertrages wegen des
mangelnden Nachweises einer qualifizierten Mahnung nach § 39 VVG a.F. besteht ein Herausgabeanspruch
bereits deshalb nicht, weil feststeht, dass dem Kläger wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalles kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Denn es existieren keine
Regulierungsansprüche, deren Höhe klärungsbedürftig wäre.
II.
6. Januar 2010
zu den Hinweisen des Senates Stellung zu nehmen.
Zweibrücken, den 10. Dezember 2009
Pfälzisches Oberlandesgericht
- 1. Zivilsenat -
Morgenroth Klüber Weber
Vorsitzende Richterin Richter am Richterin am
am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Landgericht