Urteil des OLG Zweibrücken vom 12.11.2007

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OLG
Zweibrücken
12.11.2007
1 W 54/07
Aktenzeichen:
1 W 54/07
1 O 201/03
Landgericht Zweibrücken
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
A... A... GmbH
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., ..., ...,
gegen
... Versicherung AG
Regionaldirektion ..., ..., ...,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., ..., ...,
wegen Leistungen aus Kaskoversicherung,
hier: Kostenfestsetzung,
hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Richter am Amtsgericht Dr. Holler als Einzelrichter
auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 4. Oktober 2007
gegen den Beschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Zweibrücken vom 21. August 2007
am 12. November 2007
beschlossen:
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf
2.873,08 €
festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Das am 4. Oktober 2007 beim Erstgericht eingelegte „Rechtsmittel“ gegen den am 19. September 2007
zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. August 2007 ist als sofortige Beschwerde (§ 104 Abs.3
S. 1 ZPO) verfahrensrechtlich bedenkenfrei.
In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde der Erfolg jedoch versagt:
Der Rechtpfleger hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Kosten der
Sachverständigengemeinschaft H..., ... und ..., die von der Klägerin im Kostenfestsetzungsantrag vom 29.
Mai 2007 als „Liquidation des Sachverständigen H... vom 27. März 2007 – netto – 6.987,70 €“ geltend
gemacht wurden, gekürzt. Sowohl die Kürzung der in Ansatz gebrachten 50,1 Stunden um 12 Stunden auf
38,1 Stunden, als auch der von 120,00 € auf 90,00 € reduzierte Stundenssatz und die von 1,10 € auf
0,36 € vorgenommene Kürzung der Fahrtauslagen für 392 Kilometer sind zu Recht erfolgt:
Gem. § 91 ZPO hat die unterlegende Partei der obsiegenden Partei die ihr „erwachsenen Kosten zu
erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig
waren.“ In Ausnahmefällen können dazu auch die Kosten für Privatgutachten gehören. Vorliegend sind
diese nicht dem Grunde, aber der Höhe nach streitig. Dazu gilt folgendes:
Aus dem Prozessrechtsverhältnis folgt die Pflicht jeder Partei, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig
zu halten, wie sich dies mit der Wahrnehmung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt, damit im
Falle des Obsiegens der Gegner nicht übermäßig belastet wird (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom
2. Mai 2007 – XII ZB 156/06 – zitiert nach Juris mit Fundstellenhinweis u. a. NJW 2007, 2257 bis 2258).
Für den Einsatz von Privatgutachtern haben der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom
25. Januar 2007 – VIIZB 74/06 – zitiert nach Juris mit Fundstellenhinweis u. a. NJW 2007, 1532 f.) und der
3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken (Beschluss vom 11. Dezember 1996 – 3 W
152/96 – NJW-RR 1997, 613 f.) ausgeführt, dass für die Entschädigung von Privatgutachtern das JVEG
(früher ZSEG) nicht unmittelbar, wohl aber als Richtlinie, heranzuziehen sei.
In Übereinstimmung mit dem angefochten Beschluss des Rechtspflegers und seiner
Nichtabhilfeentscheidung vom 26. Oktober 2007, wonach ein höherer Zuschlag auf die JVEG- Sätze als
die vorgenommenen 20 % nicht gerechtfertigt sei, ist -nur ergänzend- auszuführen :
1.a) Dass zu dem vom Rechtspfleger angesetzten Stundensatz in Höhe von 90,00 €
Privatsachverständige nicht zu gewinnen wären, hat die Klägerin weder belegt (§ 103 Abs.2 S.2 ZPO)
noch glaubhaft gemacht (§ 104 Abs.2 S.1 ZPO). Aus dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom
07. Dezember 2004 zur Beauftragung des Sachverständigen H... ergeben sich schon keine Hinweise zur
Vereinbarung einer Vergütung. Was somit als „übliche Vergütung“ gemäß § 632 Abs. 2 BGB zu zahlen ist,
fällt in die Risikosphäre der Klägerin. Dies gilt um so mehr, weil keine Vergleichsangebote vorgelegt
wurden.
b) Ein Stundensatz von 90,00 € ergibt bei einer 40 Stunden Arbeitswoche einen Monatsverdienst von
14.400,00 €. Dieser wird der Ausbildung eines Dipl.-Ingenieurs und eines Dipl.-Physikers, wie die
Gutachter H... und Mücke auf ihrer Rechnung als Qualifikation angeben, gerecht:
Das vergleichbare Gehalt eines technischen Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst, z. B. als
Akademischer Rat an einer Universität, ausgehend von einer Besoldung nach A13/A14 oder einer
Eingruppierung in Entgeltgruppe 13/15 des Tarifvertrages öffentlicher Dienst liegt lebens- und
dienstaltersmäßig sowie abhängig von „Entwicklungsstufen“ zwischen 2.817,00 € und 4.610,00 € brutto.
Selbst wenn man die Arbeitszeit eines freiberuflichen Sachverständigen durch Fortbildung und
Akquisitionstätigkeit um 20 % reduziert und für seine Kranken- und Altersvorsorge einen Zuschlag von 30
% auf den Stundenlohn gewährt, verbleibt ein Monatseinkommen ausgehend von einem Stundensatz von
90,00 € in Höhe von 8.064,00 € monatlich:
128 Stunden (40 Wochenstunde abzügl. 20%) x 90,- € = 11.520,- €
./. 30 % - 3.456,- €
=========
8.064,- €
Diese Vergleichsberechnung zeigt auch unter Berücksichtigung von Vorhaltekosten für
Geschäftsausstattung und Personal sowie der Risikovorsorge, dass die angesetzten 90,00 € nicht zu
wenig sind. Eine Existenzgefährdung – wie von der Sachverständigengemeinschaft angeführt – liegt
damit nicht auf der Hand.
c) Dessen ungeachtet vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, dass zu den Sätzen des JVEG
Sachverständige für Privatgutachten nicht gefunden werden können. Im Gegenteil ist gerichtsbekannt,
dass - insbesondere erstinstanzlich – viele Sachverständige geradezu um ihre Bestellung bei Gericht
werben. Dass ihre Nachfrage für Privatgutachten geringer sein sollte, wenn ihnen dabei ein Zuschlag von
20 % gewährt wird, ist nicht ersichtlich. Bonitätsbedenken bei einem anderen Schuldner als der
Staatskasse kann durch Vorschuss und/oder Sicherheitsleistung begegnet werden. Der Imagegewinn, als
Gerichtsgutachter tätig zu sein, wird durch die Motivation, ein Gerichtsgutachten zu erschüttern,
ausgeglichen.
2.) Aus den gleichen Gründen ist im angefochtenen Beschluss auch der Kilometersatz von 1,10 € auf
0,36 € zu Recht begrenzt worden. Aus der konkreten Tätigkeit der Privatgutachter ist nicht ersichtlich, dass
– etwa zum Transport umfangreicher Untersuchungsgeräte – ein Spezialfahrzeug oder zumindest ein
besonders großes Fahrzeug benötigt wurde. Die Angabe „Unfalleinsatzfahrzeug mit teuerer Messtechnik
und Elektronik“ ist unsubstantiiert.
Die angesetzten 0,36 € sind vor dem Hintergrund vergleichbarer Sätze im RVG VV Nr. 7003 (0,30 € für
Rechtsanwälte) angemessen.
3.) Vom Leistungsumfang hat der Rechtspfleger mit ausführlicher Begründung 12 Stunden
Gutachtertätigkeit gestrichen:
Weder in der Rechnung vom 27. März 2007 noch in dem weiteren Vorbringen werden die strittigen
Leistungen von der Klägerin nachvollziehbar beschrieben. Der Senat kann und muss sich zur weitern
Begründung daher auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss beziehen.
II.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auf den Betrag von 2.873,08 € entspricht
der –von der Klägerin angefochtenen- Absetzung im Kostenfestsetzungsverfahren (6.987,70 € - 4.114,62
€).
3. Ein Anlass, die Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs.1 Nr.2, Abs.3 ZPO) zuzulassen besteht nicht. Der
Bundesgerichtshof hat bereits (grundsätzlich) im Beschluss vom 25. Januar 2007 - aaO - entschieden,
dass für die Kostenerstattung bei prozessbegleitend eingeholten Privatgutachten das JVEG keine
Erstattungsgrenze darstellt. Die Feststellung der Erstattungsfähigkeit ist vielmehr eine Frage des
Einzelfalles unter Beachtung örtlicher Gegebenheiten, wie der Verfügbarkeit geeigneter
Sachverständiger.
Dr. Holler