Urteil des OLG Zweibrücken vom 27.09.2005

OLG Zweibrücken: ordre public, rechtsfähigkeit, niederlassungsfreiheit, neugründung, rechtspersönlichkeit, handbuch, bach, verwaltungsbehörde, bekanntmachung, erwerbszweck

Sonstiges
OLG
Zweibrücken
27.09.2005
3 W 170/05
2 T 406/05
Aktenzeichen:
3 W 170/05
2 T 406/05
Landgericht Koblenz
3.2 AR 23/05
Amtsgericht Neuwied
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Vereinsregistersache
betreffend den nach französischem Recht gegründeten Verein "C.............,
an der beteiligt ist:
Dr. A..............................,
Antragsteller und Beschwerdeführer, auch hinsichtlich der sofortigen weiteren
Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte:Rechtsanwälte .........,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach
und Stutz
auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 9./10. August 2005 gegen den ihm am 8.
August 2005 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 22. Juli 2005
ohne mündliche Verhandlung
am 27. September 2005
beschlossen:
I.
II
EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller, ein deutscher Rechtsanwalt, erstrebt als nach seiner Darstellung
alleinvertretungsberechtigter Präsident des im Beschlusseingang genannten französischen Vereins
dessen Eintragung in das Vereinsregister des für seinen Wohnsitz in Deutschland zuständigen
Amtsgerichts, nachdem die insgesamt sechs Mitglieder des Vereins die Verlegung des satzungsmäßigen
Vereinssitzes nach dorthin beschlossen haben.
Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass der von dem Verfahren betroffene
Verein in Frankreich als "association" französischen Rechts gegründet wurde, dort in Paris seinen
statuarischen Sitz (“siège social“) hat und infolge seiner Anmeldung bei der zuständigen
Verwaltungsbehörde im Gründungsstaat Rechtsfähigkeit erlangt hat.
Ausweislich der Bekanntmachung im Journal Officiel vom 10. November 1973 ist der Zweck des Vereins
die Förderung der Forschung auf den Gebieten der Vorbeugung und der Behandlung von Brustkrebs
("Objet: favoriser le développement de la recherche de la prévention et du traitement du cancer du sein").
Das Amtsgericht – Registergericht – hat die Anmeldung des Vereins zur Eintragung in das deutsche
Vereinsregister zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist beim Landgericht ohne Erfolg
geblieben. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde hält der Antragsteller an der Rechtsmeinung fest,
dass mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu der in Art. 43, 48 EGV
garantierten Niederlassungsfreiheit die weiterhin begehrte Registereintragung des Vereins nicht
abgelehnt werden dürfe.
II.
Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft (§§ 160 a
Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG) und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. In der Sache ist
die Rechtsbeschwerde unbegründet. Die Ablehnung der Eintragung des nach französischem Recht
gegründeten Vereins in das deutsche Vereinsregister durch die Instanzgerichte hält der Rechtskontrolle
im dritten Rechtszug (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
1. Rechtslage nach französischem Recht:
Nach dem Vorbringen des Antragstellers wurde die in Rede stehende "association" in Frankreich im Jahr
1973 gemäß dem Gesetz vom 1. Juli 1901 gegründet und damit entsprechend der allgemeinen Definition
des Art. 1 jenes Gesetzes als Personenvereinigung ohne Gewinnzweck ("à but non lucratif").
Mit der Anmeldung des Vereins bei der zuständigen Verwaltungsbehörde und der Bekanntmachung im
Journal Officiel nach Art. 5, 6 des Vereinsgesetzes von 1901 erlangte dieser die Rechtsstellung einer
"association déclarée" und somit eine beschränkte Rechtsfähigkeit ("petite capacité"); die "association
déclarée“ kann zum Beispiel nicht unentgeltlich erwerben und darf Immobilien ausschließlich zur Erfüllung
ihres satzungsmäßigen Zwecks besitzen (vgl. zum Ganzen: Ferid/Sonnenberger, Das Französische
Zivilrecht, Band 1/1, 2. Aufl. 1994, Rdnrn. 1 D 322 bis 324 und Band 2, 2. Aufl. 1986, Rdnrn. 2 L 27, 28).
2. Rechtslage nach deutschem Recht:
a) Das deutsche internationale Privatrecht enthält keine Regelung des internationalen Vereinsrechts (vgl.
Art. 37 Nr. 2 EGBGB). Die Rechtsfähigkeit eines ausländischen Vereins bestimmt sich nach dem Recht
des Gründungsstaates. Der im Ausland gegründete Verein, der dort Rechtsfähigkeit erlangt hat, gilt
(vorbehaltlich eines etwaigen ordre public-Verstoßes, Art. 6 EGBGB) im Umfang der ihm im
Gründungsstaat zuerkannten Rechtsfähigkeit auch in Deutschland als rechtsfähig. Eines staatlichen
Anerkennungsaktes bedarf es hierfür nicht (Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, Rdnr. 84).
b) Verlegt ein rechtsfähiger Verein mit ausländischem Vereinsstatut und Satzungssitz im Ausland diesen
nach Deutschland, trifft das deutsche Recht keine Bestimmung darüber, dass sich der Verein mit seiner in
dem ausländischen Staat erworbenen Rechtspersönlichkeit hier fortsetzen würde; das deutsche Recht
enthält keine Regelung über die grenzüberschreitende Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland.
Nach deutschem Rechtsverständnis stellt sich die "Einwanderung" des ausländischen Vereins nicht als
rein tatsächlicher Vorgang dar, sondern als Rechtsakt, welcher die künftige Zugehörigkeit des Vereins zur
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland begründet. Deshalb verlangt die herrschende
Auffassung für die Rechtsfähigkeit des Vereins in Deutschland mit Recht dessen Neugründung nach dem
Recht des BGB und anschließende Eintragung in das Vereinsregister (§ 21 BGB) oder Konzessionierung
gemäß § 22 BGB (vgl. Stöber aaO, Rdnr. 85; Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 10. Aufl.
2005, Rdnrn. 511 und 6333 m. w. N.).
c) Vor einer Neugründung unter Beachtung der §§ 56 bis 59 BGB ist danach im Streitfall eine Eintragung
des von dem Verfahren betroffenen Vereins in das deutsche Vereinsregister nicht möglich.
3.
Gemeinschaft nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 1999 (NJW 1999, 2027 – Centros), vom 5. November 2002 (NJW
2002, 3614 – Überseering) und vom 30. September 2003 (NJW 2003, 3331
- Inspire Art) oder aus dem Beschluss des Senats vom 26. März 2003 (3 W 21/03, veröffentlicht u. a. in
OLGR Zweibrücken 2003, 247 und FGPrax 2003, 135).
a) Zunächst fällt der hier interessierende Verein, weil er nach seinem in Frankreich angemeldeten Zweck
und auch nach dem Vortrag im Anmeldungsverfahren gegenüber dem deutschen Registergericht
(Schriftsatz vom 7. März 2005, dort S. 3) rein karitativ tätig ist, schon nicht in den Schutzbereich der durch
Art. 43, 48 EGV (Amsterdamer Fassung) garantierten Niederlassungsfreiheit.
Für die sachliche Anwendbarkeit der sog. Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts ist
entscheidend, dass die ausgeübte Tätigkeit zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EGV zählt. Anders
als bei kommerziellen Unternehmungen, bei denen sich diese Frage regelmäßig nicht stellt, kommt
deshalb für gemeinnützige Einrichtungen – und damit auch für den Idealverein – der Schutz der
Grundfreiheiten nur in Betracht, wenn sie – wie Art. 48 Abs. 2 EGV für die Niederlassungsfreiheit
juristischer Personen nochmals klarstellt - die für die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks
erforderlichen Mittel durch wirtschaftliche Aktivitäten erzielen, die entgeltlich erbracht werden und
zumindest mittelbar einem Erwerbszweck dienen (vgl. dazu jeweils m. w. N.: BFH, BB 2004, 2338, 2341;
Helios, BB 2002, 1893, 1894 f; Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rdnr. 20 [18. EL Mai
2001]).
Dass der von dem vorliegenden Verfahren betroffene Idealverein in diesem Sinne gewinnorientiert als
Wettbewerber zu kommerziellen Unternehmen am Markt auftreten würde, ist aber weder in den
Tatsacheninstanzen vorgetragen worden noch liegen dafür nach dem Akteninhalt sonstige Anhaltspunkte
vor, denen die Tatrichter hätten nachgehen müssen.
b) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten können die vorzitierten und von dem Antragsteller zum
Teil als für ihn vermeintlich günstig in Anspruch genommenen Gerichtsentscheidungen auf die
vorliegende Fallgestaltung ohnehin nicht – auch nicht sinngemäß – übertragen werden. Denn sie
betreffen jeweils die Niederlassungsfreiheit von (kommerziellen) Gesellschaften, die nach dem Recht des
Mitgliedstaates, in dem sie ihren statuarischen Sitz haben, gegründet worden sind und die unter
Beibehaltung ihres satzungsmäßigen Sitzes (Hervorhebung durch den Senat) in einem anderen
Mitgliedsstaat – etwa durch eine Zweigniederlassung – geschäftlich tätig werden wollen.
Darum geht es in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht, weil der von dem Verfahren betroffene
(nicht erwerbsorientierte) Verein seinen statuarischen Sitz vollständig aus Frankreich nach Deutschland
verlegen will, allerdings ohne dabei seine Rechtspersönlichkeit oder seine Eigenschaft als Verein
französischen Rechts zu verlieren. Darauf besteht beim derzeitigen Stand des europäischen
Gemeinschaftsrechts indes kein Rechtsanspruch. Eine Satzungssitzverlegung ist nach ganz herrschender
Meinung – auch nach Auffassung der EU-Kommission – gerade nicht vom Anwendungsbereich der
Niederlassungsfreiheit umfasst (vgl. dazu mit zahlr. Nachw. Heckschen, NotBZ 2005, 315, 319; Triebel/v.
Hase, BB 2003, 2409, 2413 f). Im Gegensatz zu natürlichen Personen werden juristische Personen
(darunter rechtsfähige Vereine) aufgrund der jeweiligen nationalen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten
gegründet. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt,
haben sie keine Realität (EuGH NJW 1989, 2186, 2187 – Daily Mail). Deshalb gewährleistet die
Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EGV den Vereinen nationalen Rechts kein Recht, ihren
Satzungssitz unter Bewahrung ihrer Identität als Verein des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen
anderen Mitgliedsstaat zu verlagern und im Falle der Sitzverlegung nach Deutschland in das deutsche
Vereinsregister eingetragen zu werden (ebenso für den umgekehrten Fall der "Auswanderung" eines
deutschen Vereins durch Verlegung des Satzungssitzes in das EU-Ausland: Reichert aaO, Rdnr. 6337).
4. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 131 Abs. 1 KostO nicht veranlasst.
Den Geschäftswert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde hat der Senat entsprechend der
Wertfestsetzung durch das Landgericht festgesetzt (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 und Abs. 3 KostO).
Petry Simon-Bach Stutz