Urteil des OLG Zweibrücken vom 16.11.2007

OLG Zweibrücken: wiedereinsetzung in den vorigen stand, befristung, unterhalt, lebensstandard, nettoeinkommen, rechtskraft, einkünfte, datum, gesundheitszustand, ehescheidung

OLG
Zweibrücken
16.11.2007
2 UF 50/07
Aktenzeichen:
2 UF 50/07
5 a 292/06
Amtsgericht
Ludwigshafen a.Rh.
Verkündet am: 16. November 2007
Dahlhauser, Justizsekretärin als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
U r t e i l
In der Familiensache
M… K…
- Antragsgegnerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R…, G…, 6…
gegen
J… K…
- Antragsteller und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin K…, K…, 6…
wegen Ehescheidung u.a.
hier:
hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als
Familiensenat
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling als Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2007
für Recht erkannt:
I.
Ludwigshafen vom 2. Februar 2007 zu seiner Ziff. 3 wie folgt geändert:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung monatlichen
Unterhalt in Höhe von jeweils 137 € zu zahlen. Die Zahlungspflicht endet mit Ablauf des Monats Juli 2012.
II.
III.
IV
G r ü n d e :
I.
Die Parteien schlossen am … die Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Bei Eheschließung
war der am … geborene Antragsteller … alt. Die am … geborene Antragsgegnerin war … Jahre alt. Im
April 2005 trennten sich die Parteien.
Die Antragsgegnerin hatte vor ihrer Ehe mit dem Antragsteller als F… bei der Firma T… gearbeitet und
diese Tätigkeit nach der Eheschließung noch eine zeitlang fortgesetzt. Später reduzierte sie die Tätigkeit
auf eine Halbtagsstelle und stellte sie schließlich aus gesundheitlichen Gründen sowie wegen Insolvenz
ihrer Arbeitgeberin ganz ein. Danach war die Antragsgegnerin während der Ehe nicht mehr oder nur noch
stundenweise als P… berufstätig.
Der Antragsteller arbeitet vollschichtig als D….
In erster Instanz haben beide Parteien die Scheidung ihrer Ehe beantragt. Die Antragsgegnerin hat den
Antragsteller auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 140 € in Anspruch genommen.
Mit Verbundurteil vom 2. Februar 2007, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und
Streitstandes verwiesen wird, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein die Ehe der
Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Insoweit ist das Urteil seit dem 12. Juli
2007 rechtskräftig. Weiter hat das Familiengericht den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab
Rechtskraft der Scheidung, befristet auf die Dauer von zwei Jahren monatlichen Unterhalt von 130 € pro
Monat zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat innerhalb der Berufungsfrist Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung
eines gegen den Unterhaltsausspruch gerichteten Berufungsverfahrens gestellt. Mit Beschluss vom 22.
Mai 2007, der Antragsgegnerin zugestellt am 29. Mai 2007, hat der Senat ihr zum Teil Prozesskostenhilfe
bewilligt. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2007, eingegangen am 5. Juni 2007 hat die Antragsgegnerin
daraufhin Berufung eingelegt, das Rechtsmittel begründet und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
ersucht, die ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2007 zur Wahrung der Fristen für
die Einlegung und Begründung der Berufung bewilligt worden ist.
Die Antragsgegnerin macht geltend, der Erstrichter setze sich in unangemessener Weise mit ihrer
Erkrankung auseinander und berücksichtige nicht, dass sie ein fiktives Nettoeinkommen von 986 € gegen
sich gelten lasse. Zu Unrecht habe der Erstrichter den Unterhaltsanspruch befristet. Der Grund der
Kreditaufnahme habe nicht im Verhalten der Antragsgegnerin gelegen, sondern darin, dass der
Antragsteller seine Autos habe finanzieren müssen. Der Erstrichter verkenne auch die Bedeutung der
langen Ehedauer für die Frage der Befristung. Die Unterschiede im Lebensalter der Parteien rechtfertigten
ebenfalls keine Befristung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das angefochtene Verbundurteil unter Ziff. 3 zu ändern und den Antragsteller zu verurteilen, an sie
monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 137 € beginnend mit dem Monat der Rechtskraft der
Scheidung zum jeweils ersten Werktag eines jeden Monats zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 3. Juli 2007.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 12. Oktober 2007 Bezug genommen.
II.
1.
Begründung keinen förmlichen Bedenken, §§ 233, 234 Abs. 1 und 2, 511, 517, 520 ZPO. In der Sache
führt sie zu einem Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet und deshalb zurückzuweisen.
2.
Antragsteller gemäß § 1573 Abs. 2 BGB allein auf Aufstockungsunterhalt in Anspruch nehmen kann.
Sonstige Unterhaltsansprüche kommen nicht in Betracht. Insbesondere besteht kein Anspruch auf
Unterhalt wegen Krankheit gemäß § 1572 Nr. 1 BGB. Soweit die Antragsgegnerin auf ihren angegriffenen
Gesundheitszustand hinweist, leitet sie daraus keine Rechte her. Sie lässt sich vielmehr fiktive Einkünfte in
Höhe von monatlich 986 € zurechnen, wie die Parteien sie in dem Prozessvergleich zugrundegelegt
hatten, den sie im Trennungsunterhaltsprozess vor dem Senat am 18. August 2006 geschlossen haben (5
a F 271/05 Amtsgericht Ludwigshafen = 2 UF 54/06 Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken). Zudem
hat die Antragsgegnerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 2. November 2006 (Blatt 22
Sonderband UE) und auch im Termin vom 12. Oktober 2007 - insoweit nicht protokolliert - ausdrücklich
erklärt, sie beschränke sich auf die Geltendmachung von Aufstockungsunterhalt.
a.
die zugesprochenen 130 € monatlich, sondern auf einen Monatsbetrag von 137 €.
Die Feststellungen des Erstrichters zum Einkommen des Antragstellers zweifelt die Antragsgegnerin nicht
an. Es ist deshalb von einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers von 2.475 € auszugehen.
Dieses Einkommen ist um die Fünf-Prozent-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen (123,75 €) und
die eheprägenden Verbindlichkeiten von insgesamt 1.111 € auf 1.240,25 € zu bereinigen. Nach Abzug
des Anreizzehntels verbleiben somit 1.116,23 € als bedarfsprägendes Einkommen des Antragstellers.
Das fiktive Nettoeinkommen von monatlich 986 €, das die Antragsgegnerin sich zurechnen lässt, ist
ebenfalls um die Fünf-Prozent-Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen (49,30 €) und das
Anreizzehntel (93,67 €) zu bereinigen, so dass ein Betrag von 843,03 € verbleibt.
Zusammen verfügen die Parteien somit über Nettoeinkünfte von 1.959,26 €. Die Hälfte davon, d. h. ein
Betrag von an 979,63 € ergibt den eheangemessenen Bedarf der Antragsgegnerin, auf den sie sich ihrer
bereinigten Einkünfte von 843,03 € anrechnen lassen muss. Es verbleibt somit ein ungedeckter Bedarf
von monatlich 136,60 €. Gerundet ergibt dies einen Unterhaltsanspruch von
von monatlich 136,60 €. Gerundet ergibt dies einen Unterhaltsanspruch von
137 €, den der Antragsteller aus seinem bereinigten Einkommen von 1.240,25 € zahlen kann, ohne
seinen angemessenen Selbstbehalt von 1.000 € zu gefährden.
b.
befristet. Soweit die Antragsgegnerin dagegen einwendet, eine Befristung habe schon mit Blick auf die
Dauer ihrer Ehe zu unterbleiben, lässt sie unberücksichtigt, dass nach der jüngsten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs allein die lange Ehedauer einer Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs
nicht entgegensteht (BGH FamRZ 2006, 1006; FamRZ 2007, 793; FamRZ 2007, 1232; BGH vom 26.
September 2007 - XII ZR 11/05 und XII ZR 15/05, zit. nach JURIS). Die Entscheidung darüber, ob ein
Unterhaltsanspruch gemäß § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich zu begrenzen ist, richtet sich danach, ob ein
zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Maßgebend dafür sind die individuellen
Umstände des Einzelfalles. In ihre Würdigung ist die Dauer der Ehe zwar mit einzubeziehen. Sie ist aber
lediglich ein Gesichtspunkt unter mehreren, die je nach Lage der sonstigen Umstände selbst bei Ehen mit
einer Dauer von mehr als 20 Jahren zu einer Befristung führen, andererseits aber eine Befristung auch bei
erheblich kürzeren Ehen ausschließen können (BGH aaO).
Bei der im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1973 Abs. 5 BGB gebotenen Gesamtwürdigung
aller Umstände ist vor allem darauf abzustellen, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den
Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als ehebedingter Nachteil darstellt, der einen
dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zu Gunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt (BGH vom
26. September 2007, jew. aaO). Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bietet dabei keine - von
ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie im Sinne einer fortwirkenden
Mitverantwortung des besser verdienenden Ehegatten. Wenn die nacheheliche Einkommensdifferenz
nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen ist, dass beide Ehegatten schon
vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann
es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten im Einzelfall zumutbar sein, nach einer Übergangszeit auf einen
Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem
Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte (BGH aaO m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen unterliegt es keiner Beanstandung, dass der Erstrichter es für unbillig gehalten
hat, der Antragsgegnerin ihren Aufstockungsunterhaltsanspruch auf Dauer zu belassen. Zwar waren die
Parteien bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags am 31. August 2006 (Blatt 8 d.A.) bereits etwas
mehr als 17 Jahre verheiratet. Ihre Ehe war aber kinderlos, so dass jedenfalls keine ehebedingten
Nachteile unter Betreuungsgesichtspunkten entstanden sind, deren Ausgleich durch den
Aufstockungsunterhalt gerechtfertigt sein könnte. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Verlauf der
Ehe ihre zunächst vollschichtig ausgeübte Berufstätigkeit immer weiter reduziert und schließlich nur noch
stundenweise als P… gearbeitet hat, steht einer Befristung ihres Unterhaltsanspruchs ebenfalls nicht
entgegen. Der Sache nach hat die Antragsgegnerin damit den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit von der
Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf die Haushaltsführung verlagert. Auch wenn der Antragsteller betont,
sie dazu nicht gedrängt zu haben, hat er dieses Verhalten - das der Antragsgegnerin ohne Sicherstellung
des Familienunterhalts durch den Antragsteller nicht möglich gewesen wäre - jedenfalls hingenommen.
Es hat die Ehe der Parteien geprägt und zugleich dazu geführt, dass der Antragsgegnerin während der
bestehenden Ehe Nachteile in Form des Verlustes von Erwerbseinkünften erwachsen sind. Diese
Nachteile setzen sich für die Zeit nach Scheitern der Ehe aber nicht mehr fort. Die Antragsgegnerin nimmt
es erklärtermaßen hin, dass ihr ein Erwerbseinkommen von monatlich 986 € zugerechnet wird. Dieses
Einkommen liegt in der Größenordnung dessen, was nach den vom Senat regelmäßig zugrunde gelegten
Erfahrungssätzen eine ungelernte Arbeiterin bei Ausübung einer Vollzeittätigkeit auf der Grundlage eines
Stundenlohns von 8 € brutto verdienen kann. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Einkommen unter
demjenigen liegt, das die Antragsgegnerin ohne die Ehe bei durchgehender Ausübung einer
Vollzeittätigkeit erzielen würde, bestehen nicht. Auch vor Eingehung der Ehe war sie als ungelernte
Arbeiterin tätig. Wie die im Versorgungsausgleichsverfahren eingeholten Rentenauskünfte zeigen,
bewegte sich das Einkommen, das sie im Anschluss an die Eheschließung aus ihrer Vollerwerbstätigkeit
erzielte, in einer ähnlichen Relation zum Einkommen des Antragstellers, wie sie zwischen dem auf der
Basis von 8 €/Stunde errechneten Bruttoeinkommen und den durch die erstinstanzlich vorgelegten
Gehaltsabrechnungen dokumentierten Bruttoeinkünften des Antragstellers besteht. Aus alledem wird
deutlich, dass ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin unter Zugrundelegung des von ihr selbst
ausdrücklich hingenommenen fiktiven Erwerbseinkommens von monatlich 986 € ausgeglichen sind.
Sonstige Umstände, die einer Befristung entgegenstehen könnten, sind weder dargetan noch sonst
ersichtlich.
b.
Erstrichter ausgesprochene Befristung von zwei Jahren allerdings als zu kurz.
Die Übergangszeit, die dem bedürftigen Ehegatten im Rahmen der nach § 1573 Abs. 5 BGB zu treffenden
Billigkeitsentscheidung zu belassen ist, findet ihren Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der
Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (BGH
vom 26. September 2007 - XII ZR 15/05 aaO m.w.N.). Dabei darf die Übergangszeit zwar nicht
schematisch an der Ehedauer ausgerichtet werden. Sie kann kann aber auch nicht gänzlich
unberücksichtigt bleiben (BGH aaO). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als Lebensalter,
Gesundheitszustand und Ausbildung es der Antragsgegnerin schwer machen dürften, eine Möglichkeit zu
finden, mit der sie die Rückführung ihres ohnehin bescheidenen, nach den ehelichen
Lebensverhältnissen bemessenen Lebensstandards auf den vorehelichen Lebensstandard auf andere
Weise ausgleichen kann. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheint es angemessen, die Zeit
der Befristung des Unterhaltsanspruchs auf einen Zeitraum von fünf Jahren zu erstrecken.
3.
Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Reichling
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
1.644 €
Reichling
Pressereferat
Beck-Verlag □
Juris - mit Leitsatz □
- ohne Leitsatz □
Abschriften an Vors. □
BE □
Beis. □
anonym. Abschr. an - Vors. □
BE □
Ausbildung (siehe Aktenumschlag
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(Datum) (Handzeichen)