Urteil des OLG Zweibrücken vom 26.09.2007

OLG Zweibrücken: lebensversicherung, rückkaufswert, verfahrenskosten, härte, kündigung, prozesskosten, vorsorge, verwertung, auskunft, alter

OLG
Zweibrücken
26.09.2007
6 WF 192/07
Aktenzeichen:
6 WF 192/07
1 F 435/06
Amtsgericht – Familiengericht -
Zweibrücken
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die Regelung der Gesundheitsfürsorge für die gemeinsamen Kinder
S… S…, geboren am … und
M… S…, geboren am …,
an der weiter beteiligt sind:
1. die Mutter der Kinder M… S.., …, …,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte JR K…, B…, K… u. U…, …,
…,
2. der Vater der Kinder U… R… S, …, …,
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. C…, P… u. K…, …, …,
3. das Jugendamt der Stadt Z…, …, …,
zu Az.: …,
hier: Prozesskostenhilfe für die erste Instanz,
hat der 6. Zivilsenat – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht
Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach
auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17. September 2007
gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 5. September 2007 zugestellten Beschluss des
Amtsgerichts – Familiengericht – Zweibrücken vom 4. September 2007
ohne mündliche Verhandlung am 26. September 2007
beschlossen:
I. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird dem
Amtsgericht – Familiengericht – Zweibrücken zurückgegeben, damit über die Antrag auf
Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entschieden werden kann.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde führt zu einem vorläufigen Erfolg. Prozesskostenhilfe kann der Antragstellerin
nicht unter Hinweis auf den Rückkaufswert der bestehenden Kapitallebensversicherung verweigert
werden. Die Sache wird daher dem Amtsgericht – Familiengericht – zur Prüfung der weiteren
Voraussetzungen einer Bewilligung zurückgegeben.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden,
zur Aufbringung der Prozesskosten den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung durch Kündigung zu
realisieren. Richtig ist zwar, dass der derzeitige Rückkaufswert das der Antragstellerin zu belassende
Schönvermögen übersteigt. Nach den Umständen des hier zu beurteilenden Sachverhalts ist es der
Antragstellerin aber nicht zumutbar, die Versicherung zu kündigen. Abgesehen davon, dass dies mit
erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre ist der Fortbestand der Lebensversicherung zur
Sicherung einer angemessenen Altersversorgung der Antragstellerin erforderlich.
Ob der Rückkaufswert einer Lebensversicherung zur Aufbringung von Prozess- bzw. Verfahrenskosten
einzusetzen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt (vgl. etwa OLG Köln FamRZ 2004,
382; OLG Nürnberg FamRZ 2006, 1284 einerseits sowie OLG Naumburg FamRZ 2006 496, OLG Stuttgart
FamRZ 2006, 1850 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur zusätzlichen
Altersvorsorge im Rahmen des Unterhaltsrechts andererseits sowie zur Rechtsprechung Zöller/Philippi,
ZPO 26. Aufl. § 115 Rdnr. 58 c; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe
4. Aufl. Rdnr. 327; Zimmermann, Prozesskostenhilfe 3. Aufl. Rdnr. 149 jew. m.w.N.).
Nach Ansicht des Senats kann die Frage nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr bedarf es jeweils
einer Abwägung, ob im Einzelfall die Realisierung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung zur
Aufbringung der Verfahrenskosten eine unzumutbare Härte darstellt, § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit
§ 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII. Die Auflösung der bestehenden Lebensversicherung ist danach insbesondere
unzumutbar, wenn dadurch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich
erschwert würde. Das ist hier der Fall.
Die Antragstellerin verfügt bislang lediglich über geringfügige Rentenanwartschaften von weniger als
200,00 € monatlich. Sie hat drei Kinder zu versorgen, darunter zwei jüngere Kinder aus der Beziehung mit
dem Antragsgegner. In der Vergangenheit war sie nur teilschichtig beschäftigt, vorübergehend auch
arbeitslos. Seit Mitte Februar 2007 arbeitet sie 30 Stunden wöchentlich, also weiterhin nicht vollschichtig.
Im Hinblick auf das Alter der Kinder ist auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit
einer vollschichtigen Tätigkeit nachgehen wird. Eine angemessene Alterssicherung erscheint danach
keineswegs gewährleistet, so dass es der zusätzlichen Vorsorge bedarf. Das Ablaufdatum der
Versicherung (1. Juni 2026) belegt, dass es sich um eine (zusätzliche) Altersvorsorge handelt. Die
insoweit aufgebrachten monatlichen Beträge sind auch angesichts des (derzeitigen) Einkommens nicht
unangemessen. Zu berücksichtigen ist weiter der bereits vom Amtsgericht erkannte erhebliche
wirtschaftliche Verlust im Falle einer vorzeitigen Kündigung, auch wenn dies für sich allein gesehen keine
Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII zu begründen vermag (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2006, 135;
Hessisches Landesarbeitsgericht NZA-RR 2006, 268). Dabei ist hier aber zu berücksichtigen, dass der
Rückkaufswert den Schonbetrag nur in einem geringen Umfang übersteigt. Es ist daher schon fraglich ist,
ob die Verfahrenskosten überhaupt aus dem Differenzbetrag aufgebracht werden könnten (vgl. dazu
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. September 2005 4 Ta 163/05 Rdnrn. 16 ff. zitiert
nach juris). Denn ausweislich der vorgelegten Auskunft beläuft sich der Wert lediglich auf rund 4.200,00 €.
Weiter fällt ins Gewicht, dass nicht nur dieses Verfahren anhängig ist, sondern ein weiteres mit wesentlich
höherem Streitwert; der aus der Lebensversicherung einzusetzende Betrag wäre also bei weitem nicht
ausreichend, um die Prozesskosten aufbringen zu können. Somit kommt es für die zu treffende
Entscheidung nicht darauf an, ob es der Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich
wäre, zukünftig eine neue Lebensversicherung abzuschließen.
Kann die Antragstellerin demzufolge nicht auf die Verwertung ihrer Lebensversicherung verwiesen
werden, hält es der Senat für angezeigt, die Sache dem Familiengericht zur Prüfung der noch nicht
abschließend erörterten weiteren Voraussetzung der Prozesskostenhilfe zurückzugeben. Dabei wird auch
der Verbleib von Vermögenswerten zu klären sein, die der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11. Januar
2007 im Verfahren 1 F 413/06 im Einzelnen dargestellt hat.
Die Kostenfolgen im Beschwerdeverfahren bestimmen sich nach § 127 Abs. 4 ZPO sowie nach § 131 b
KostO.
Morgenroth Euskirchen Hengesbach