Urteil des OLG Zweibrücken vom 02.08.2004

OLG Zweibrücken: rücknahme, auflage, absicht, anschlussberufungskläger, quelle, prozesshandlung, drucksache, gefahr, datum, anschlussberufungsbeklagter

OLG
Zweibrücken
02.08.2004
7 U 251/03
Aktenzeichen:
7 U 251/03
2 O 760/00
Landgericht Landau in der Pfalz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
H...R..., ........................................
Kläger, Widerbeklagter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ......................................
gegen
F...& K......GmbH & Co KG
Beklagte, Widerklägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte......
wegen Schadensersatz des Mieters von Gewerberäumlichkeiten
hier: Kostenentscheidung nach Berufungsrücknahme
hat der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht
Burger und die Richterin am Landgericht Bastian-Holler
ohne mündliche Verhandlung am 02. August 2004
b e s c h l o s s e n :
I. Der Kläger, der seine Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Landau in der Pfalz vom 13. November 2003 zurückgenommen hat, wird des eingelegten
Rechtsmittels für verlustig erklärt.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten ist wirkungslos ( § 524 Abs. 4 ZPO ).
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 65 % und die Beklagte
35 % zu tragen.
IV. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf
13.757,98 Euro
( Berufung: 8.928,98 Euro; Anschlussberufung: 4.829.- Euro ) festgesetzt.
V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
Wird ein Berufungskläger durch einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO darauf
hingewiesen, dass die einstimmige Zurückweisung der Berufung beabsichtigt ist, und nimmt er daraufhin
innerhalb der Stellungnahmefrist seine Berufung zurück, fallen die Kosten des Berufungsverfahrens
beiden Parteien im Verhältnis der Werte von Berufung und Anschlussberufung in entsprechender
Anwendung der §§ 97 i.V.m. 92 ZPO zur Last.
Die Anwendung des kostenrechtlichen Grundprinzips, dass der Unterliegende die Kosten seines erfolglos
gebliebenen Angriffsmittels zu tragen hat, ergibt sich vorliegend aus dem Wesen der Anschlussberufung,
mit der zusätzlich zur Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels eine Abänderung der
angefochtenen Entscheidung erstrebt wird ( vgl. BGHZ 80, 146-153), und der gesetzgeberischen
Neugestaltung einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 ZPO mit vorheriger
Hinweispflicht.
Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ( vgl. auch OLG Düsseldorf MDR 2003, 288; OLG
Brandenburg MDR 2003, 1261-1262; OLG Dresden BauR 2003, 1431-1432; OLG Celle – 2. Zivilsenat –
NJW 2003, 2755-2756; a.A.: OLG Celle – 16. Zivilsenat – MDR 2004, 592; OLG Hamburg MDR 2003,
1251) fallen die Kosten der Berufungsinstanz beiden Parteien im Verhältnis der Werte von Berufung und
Anschlussberufung zu Last, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückgewiesen wird. Durch die einstimmige Zurückweisung der Hauptberufung entzieht nämlich das
Gericht, und nicht der Berufungskläger, der Anschließung ihre Wirkung ( § 524 Abs. 4 ZPO ).
Im vergleichbaren Fall einer Anschlussrevision erfolgt bei Nichtannahme der Revision nach der
Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.03.1981
( BGHZ 80, S. 146 -153 ) ebenfalls eine Kostenquotelung im Verhältnis der Werte von Haupt- und
Anschlussrechtsmittel.
Nimmt ein Berufungskläger nun auf einen entsprechenden Hinweis des Senats nach § 522 Abs. 2 ZPO
die eingelegte Berufung zurück, ist es gleichfalls nicht sachgerecht, dem Berufungskläger die Kosten der
Anschlussberufung aufzuerlegen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass derjenige Berufungskläger
kostenmäßig schlechter steht, der aus dem gerichtlichen Hinweis die prozessuale Konsequenz der
Rücknahme zieht, statt einen gerichtlichen Zurückweisungsbeschluss gegen sich ergehen zu lassen.
Dies gilt umso mehr, als nach dem Kostenmodernisierungsgesetz sich die Verfahrensgebühr in der
Berufungsinstanz nach der Berufungsbegründung nur auf 2,0 reduziert ( früher: Reduzierung auf eine 0,5-
Verfahrensgebühr ; vgl. GKG-Kost Verz-E Nr. 1220, 1222 n.F. und Nr. 1220, 1221 a.F.).
Eine Differenzierung danach, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522
Abs. 2 ZPO eine gerichtliche Entscheidung über das Hauptrechtsmittel ergeht, was eine Quotelung
rechtfertigt, dagegen bei einer Zurücknahme der Berufung aufgrund eines Hinweisbeschlusses nach
§ 522 Abs. 2 ZPO ein freier Dispositionsakt der Partei über das Hauptrechtsmittel vorliegt, der zu vollen
Kostenlast führt, überzeugt nicht ( vgl. Jacoby Das Anschlussrechtsmittel und seine Kosten nach dem
Zivilprozessreformgesetz, ZZP 2002, S. 185-213<210>).
Zwar entscheidet der Berufungskläger nach Wegfall des Zustimmungserfordernisses für die Rücknahme
der Berufung nach Beginn der mündlichen Verhandlung immer über das Schicksal der
Anschlussberufung und entzieht bei einer Rücknahme der Entscheidung über die Anschließung den
Boden ( vgl. OLG Oldenburg MDR 2002, 1208-1209; OLG Celle NJW 2003, S. 2755-2756 ; Zöller-
Gummer/Heßler, ZPO, 24. Auflage 2004, § 524 Rn 43 ; Musielak-Ball, 23. Auflage, § 516 Rn 16 ;
Baumbach-Albers, 62. Auflage, § 516 Rn 20 ; Münchener Kommentar zur ZPO-Rimmelspacher, 2.
Auflage, § 524 Rn 64 ). Nach der Gesetzesbegründung zu § 522 Abs. 2 ZPO soll der Berufungsführer
durch den gerichtlichen Hinweis aber gerade die Möglichkeit erhalten, die Kosten durch eine
Berufungsrücknahme möglichst gering zu halten ( Bundestags-Drucksache 14/4722, S. 98 ).
Die Rücknahme stellt in einem derartigen Fall keine in sein freies Belieben gestellte Prozesshandlung des
Berufungsklägers dar, sondern erfolgt aufgrund eines gerichtlichen Hinweises gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
über die Absicht einer einstimmigen Zurückweisung der Berufung ( vgl. dazu auch: Pape Kostenrisiko des
Anschlussberufungsklägers bei einstimmiger Zurückweisung der Berufung, NJW 2003, S. 1150-
1153<1152>).
Soweit der Bundesgerichtshof am 17.12.1951 ( BGHZ 4, 229-244 ) entscheiden hat, dass bei einer
Zurücknahme einer Revision vor Beginn der mündlichen Verhandlung dem Revisionskläger auch die
Kosten einer unselbständigen Anschlussrevision aufzuerlegen sind, steht dies vorliegend einer
Kostenquotelung nicht entgegen, da bei einem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren
zuvor eine gerichtliche Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels mit entsprechendem Hinweis an die
Parteien erfolgt ist, die dann eine Berufungsrücknahme auslöst. Wie in den Fällen des Unwirksamwerdens
einer unselbständigen Anschlussrevision weiß der Anschlussberufungskläger aufgrund der Regelung des
§ 524 Abs. 4 ZPO schon bei Einlegung der Anschlussberufung, dass er mit seinem Rechtsschutzbegehren
nur zum Zuge kommt, wenn die Berufung nicht durch Beschluss zurückgewiesen wird.
Soweit ersichtlich ist die Frage, wie die Kosten in den Fällen einer nach § 524 Abs. 4 ZPO n.F. wirkungslos
gewordenen Anschlussberufung zu verteilen sind, bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Gleiches gilt für die Kostenentscheidung bei der Rücknahme der Hauptberufung nach entsprechendem
Hinweis des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Rechtsbeschwerde
zugelassen ( § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO ).
Dr. Neumüller Burger Bastian-Holler