Urteil des OLG Zweibrücken vom 15.01.2010

OLG Zweibrücken: bedingte entlassung, örtliche zuständigkeit, bewährung, rücknahme, gewährleistung, quelle, bezirk, anhörung, datum, strafanstalt

OLG
Zweibrücken
15.01.2010
1 AR 2/10
Zuständigkeit für die gemäß § 454 StPO i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Entscheidung über die
bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe
1 AR 2/10
2 StVK 937/09
LG Zweibrücken
StVK 969/09
LG Frankenthal (Pfalz)
6214 Js 18955/08 – 6214 VRs
StA Kaiserslautern
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss
In dem Strafvollstreckungsverfahren gegen
......
wegen Unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen u.a.
hier: Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Müller-Rospert und die Richter am
Oberlandesgericht Burger und Christoffel
am 15. Januar 2010
beschlossen:
Für die gemäß § 454 StPO i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Entscheidung über die Strafaussetzung zur
Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren aus dem Urteil des
Amtsgerichts Kaiserslautern vom 3. März 2009 (6114 Js 18955/08) ist die Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts Zweibrücken zuständig.
Gründe:
Der Verurteilte verbüßte die im Entscheidungssatz näher bezeichnete zweijährige Freiheitsstrafe seit 3.
März 2009 in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken; am 2. Dezember 2009 wurde er in die
Justizvollzugsanstalt Frankenthal (Pfalz) verlegt. Seinen Antrag vom 8. September 2009 auf bedingte
Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt (6. Oktober 2009) hat er am 10. November bei seiner Anhörung
durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken zurückgenommen. Die
Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Frankenthal (Pfalz) und Zweibrücken streiten nunmehr über
die Zuständigkeit für die gemäß § 454 StPO i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Entscheidung über die
bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (4. Februar 2010).
Das Oberlandesgericht Zweibrücken ist als gemeinschaftlich oberes Gericht zur Entscheidung des
Zuständigkeitsstreites berufen (§ 14 StPO). Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Zweibrücken (§ 462a Abs. 1 S. 1 StPO).
Wird eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist nach der letztgenannten Gesetzesbestimmung für alle den
Verurteilten betreffenden nachträglichen Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in
deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt aufgenommen ist, in dem das
Gericht mit der Sache befasst wird. Nach der auch vom Landgericht Zweibrücken angeführten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, liegt die Befassung mit einer
derartigen Nachtragsentscheidung vor, wenn der Vorgang durch die Staatsanwaltschaft einer
Strafvollstreckungskammer vorgelegt wird (BGH StraFo 2003, 431), wenn dort ein Aussetzungsantrag
eingeht oder wenn der gesetzliche Zwei-Drittel-Zeitpunkt des § 57 Abs. 1 StGB verstrichen ist (BGH StraFo
2005, 171).
Diese Voraussetzungen waren hier - entgegen der im Beschluss der Strafvollstreckungskammer
Zweibrücken vom 5. Januar 2010 vertretenen Auffassung – erfüllt, als am 1. Dezember 2009 die
Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken zur Maßnahme nach § 57 Abs. 1 StGB mit
beigefügter Zustimmungserklärung des Verurteilten bei diesem Gericht einging; der Verurteilte war zu
diesem Zeitpunkt noch in Zweibrücken inhaftiert. Die von der Anstalt nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB
eingeholte Einwilligungserklärung des Verurteilten mit einer vorzeitigen Entlassung ergibt zugleich sein
Begehren, zu seinen Gunsten in diesem Sinne zu entscheiden. Sie ist daher hier einem von ihm gestellten
Aussetzungsantrag gleichzustellen. Dies gilt hier umso mehr, da anlässlich der Rücknahme des
Halbstrafengesuchs an den Verurteilten der ausdrückliche Hinweis ergangen war, dass ihm ein erneuter
Entlassungsantrag jederzeit freistehe. Zu einer solchen Antragstellung musste er sich nicht mehr
veranlasst sehen, nachdem er die fragliche, zur Kenntnis des zuständigen Gerichts bestimmte
Zustimmung erklärt hatte. Im Übrigen hätte nach Auffassung des Senats auch die Stellungnahme der
Justizvollzugsanstalt als solche der Strafvollstreckungskammer grundsätzlich Anlass geben können, von
sich aus in diese Angelegenheit tätig zu werden; auch sie hätte daher für eine Befassung im Sinne von
§ 462a Abs. 1 S. 1 StPO ausgereicht.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen es weitergehend für die Befassung einer
Strafvollstreckungskammer ausreichen kann, wenn der von Amts wegen zu beachtende Zeitpunkt nach §
57 Abs. 1 StGB „herannaht“ (vgl. OLG Dresden StraFo 2005, 171; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 29; KK,
StPO 6. Aufl. § 462a Rn. 18), hat der Senat hier nicht zu entscheiden; auch unter diesen Voraussetzungen
käme eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal nicht in Betracht.
Der Senat ist sich bei alledem bewusst, dass die hier getroffene Entscheidung zu einer Zuständigkeit führt,
die dem mit § 462a StPO verfolgten Grundsatz der „Vollzugsnähe“ (vgl. etwa SK-StPO, Stand Oktober
2009 § 462a Rn. 6) eher zuwiderläuft und auch im weiteren Verlauf des Verfahrens zu praktischen
Schwierigkeiten und Verzögerungen führen kann. Die örtliche Zuständigkeit als Ausprägung der
Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) muss sich aber nach festen, abstrakten
und notwendigerweise formalen Regeln richten (vgl. BVerfG NJW 1997, 1497, 1498; KK a.a.O., Einl. Rn.
25), die in vorliegendem Fall zu keinem anderen Ergebnis führen können.
Müller–Rospert Burger Christoffel