Urteil des OLG Zweibrücken vom 17.07.2002
OLG Zweibrücken: gemeinschaftliches testament, letztwillige verfügung, eigenhändiges testament, einheit, quelle, rechtssicherheit, nachlass, datum, wiedergabe, kritik
Nachlassrecht
OLG
Zweibrücken
17.07.2002
3 W 82/02
Gemeinschaftliches Testament; getrennte Urkunden
Aktenzeichen:
3 W 82/02
2 T 11/02
Landgericht Koblenz
6 VI 363/01
Amtsgericht Betzdorf
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Erteilung eines Erbscheins über die Erbfolge nach der am ........... in
.........................verstorbenen
I...........
H...........
zuletzt wohnhaft:..............................,
an dem beteiligt sind:
1. E.........
M........
Antragstellerin und Beschwerdeführerin, auch hinsichtlich der weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte..........................,
2. E........
G.........
3. B........
K..........
4. U.......
U...........
5. D.......
R...........
6. W.......
M...........
7. Dr. M..
M...........
8. Dr. E....
M...............
Antragsgegner und Beschwerdegegner, auch hinsichtlich der weiteren Beschwerde,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury und die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach
und Cierniak
auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 28. Februar/1. März 2002
gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 8. Februar 2002
ohne mündliche Verhandlung
am 17. Juli 2002
beschlossen:
1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf
3 000,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e:
Die weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthaft, an keine Frist gebunden und auch im
Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20, 21
FGG).
In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer
Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Betzdorf vom 22. November 2001 zu Recht zurückgewiesen. Denn die Ablehnung des Antrags auf
Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin der Erblasserin ausweist, ist nicht zu
beanstanden.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, dass die Erblasserin ihr eigenhändiges
Testament vom 29. November 1987, in dem sie die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin eingesetzt hatte, durch
das notarielle Testament vom 5. September 2000 wirksam widerrufen hat. Sie war dabei nicht durch ein
gemeinschaftliches Testament in ihrer Testierfreiheit beschränkt.
Hierzu hat das Landgericht ausgeführt, dass die von der Erblasserin am 29. November 1987 und von
ihrem vorverstorbenen Ehemann am 6. Oktober 1987 inhaltsgleich errichteten letztwilligen Verfügungen
nicht als ein gemeinschaftliches Testament im Sinne von § 2265 BGB anzusehen seien. Nur ein solches
Testament hätte jedoch wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 Abs. 1 und 2 BGB
enthalten können, an die die Erblasserin gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB gebunden gewesen
wäre. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass ein gemeinschaftliches Testament im Sinne von
§ 2265 BGB nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Eheleute in zwei getrennten Urkunden testiert
haben. Das ist richtig, denn die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden
wird allgemein für zulässig erachtet (BayObLG FamRZ 1991, 1485, 1486; FamRZ 1993, 240, 241;
Palandt/Edenhofer, BGB 61. Aufl. Einf. vor § 2265 Rdnr. 9).
b) Haben Eheleute ihren letzten Willen – wie hier – ohne Bezugnahme aufeinander in getrennten
Schriftstücken niedergelegt, liegt ein gemeinschaftliches Testament jedoch nur dann vor, wenn ihr Wille,
gemeinsam letztwillig über ihren Nachlass zu verfügen, zu einer gemeinschaftlichen Erklärung geführt hat,
die aus den beiden Einzeltestamenten selbst nach außen erkennbar ist. Diese – vom Senat geteilte –
Auffassung beruht auf der Erwägung, dass sich nur auf diese Weise sowohl eine unnötige Formstrenge
vermeiden als auch die der Rechtssicherheit entsprechende zuverlässige Wiedergabe des Willens des
Erblassers sicherstellen lässt (BGHZ 9, 113, 115 ff.; Senat, FamRZ 2001, 518; BayObLG, jew. aaO; OLG
Köln OLGZ 1968, 321, 322 ff.; OLG Celle OLGZ 1969, 84, 87; OLG Frankfurt am Main OLGZ 1978, 267,
268 ff.; OLG Hamm OLGZ 1979, 262, 265 f.; Soergel//Wolf, BGB 12. Aufl. vor § 2265 Rdnr. 7;
Palandt/Edenhofer aaO). Die Ausführungen von Pfeiffer (FamRZ 1993, 1266), auf die sich die
Rechtsbeschwerde beruft, geben dem Senat schon deshalb keinen Anlass zu einer Abweichung von der
gefestigten Rechtsprechung, weil dort die auch von den Gerichten vertretene Andeutungstheorie nicht in
Frage gestellt wird (aaO S. 1271). Die von der weiteren Beschwerde hervorgehobene Kritik an der
Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. Februar 1991 – BReg.1 a Z 66/90
(FamRZ 1991, 1485) knüpft lediglich an die Umstände des dort entschiedenen Einzelfalles an (vgl. Pfeiffer
aaO; ebenso Soergel/Wolf aaO § 2265 Rdnr. 3).
aa) Das Landgericht hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, aus dem Inhalt der eigenhändigen Testamente vom
6. Oktober und 29. November 1987 den Schluss zu ziehen, die Eheleute hätten gemeinschaftlich testiert.
Eine gemeinschaftliche Erklärung ist nämlich, auch wenn man alle von der Rechtsbeschwerde
angeführten Umstände zusammennimmt, den beiden Testamenten der Ehegatten selbst nicht zu
entnehmen. Dass sie am selben Ort in einem zeitlichen Abstand von knapp acht Wochen errichtet worden
sind und sich nach Inhalt und Fassung in allen wesentlichen Punkten gleichen, ist angesichts der
entscheidenden Tatsache, dass die Eheleute nicht als gemeinschaftlich handelnd (erklärend) aufgetreten
sind, unerheblich. Nach außen sind die beiden Testamente selbständige Einzelverfügungen geblieben
und in keiner Weise – jedenfalls nicht aus den Urkunden selbst erkennbar – als Einheit anzusehen. Jeder
Ehegatte hat sein Testament für sich ohne Bezugnahme auf die letztwillige Verfügung des anderen
errichtet. So haben beide Eheleute etwa die Worte „ich“ und „mein gesamtes Vermögen“ verwendet (vgl.
BGHZ aaO S. 117; BayObLG FamRZ 1991, 1485, 1486; FamRZ 1993, 240, 241; OLG Köln OLGZ 1968,
321, 322; OLG Hamm OLGZ 1979, 262, 266 f.).
bb) Geben – wie hier – Einzeltestamente von Eheleuten selbst keinen Anhalt dafür, dass es sich um ein
gemeinschaftliches Testament handelt, kommt es nach der vom Senat geteilten Auffassung der
Rechtsprechung nicht darauf an, ob der Wille der Ehegatten, ein gemeinschaftliches Testament zu
errichten, auf andere Weise, d.h. durch außerhalb der Testamente liegende Umstände, erweisbar ist (vgl.
die Zitate unter Ziff. 1.b). Insoweit kommt es auf die von der weiteren Beschwerde vorgetragenen Indizien
für eine übereinstimmende Willensbildung der Eheleute nicht an.
2. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Verfahren der weiteren
Beschwerde ist nicht veranlasst, weil der Senat neben der Beteiligten zu 1) niemand am Verfahren
förmlich beteiligt hat.
Den Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Senat nach §§ 131 Abs. 2,
30 Abs. 2 Satz 1 KostO in Anlehnung an die unbeanstandete Wertfestsetzung der Vorinstanz bestimmt.
Dury Hengesbach Cierniak