Urteil des OLG Zweibrücken vom 17.05.2002

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Handelsrecht
OLG
Zweibrücken
17.05.2002
3 W 83/02
Gebühr für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats
Aktenzeichen:
3 W 83/02
2 T 892/01
Landgericht Koblenz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Kostenrechnung des Notars D..... in ..... zu UR-Nr. .....vom .....,
an dem beteiligt sind:
1. Notar D.....
Kostengläubiger, angewiesener Beschwerdeführer und angewiesener
Führer der weiteren Beschwerde,
2. der Präsident des Landgerichts Koblenz als vorgesetzte und
anweisende Dienstbehörde des Notars,
3. H.....AG, vertreten durch den Vorstand, .....,
Kostenschuldnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:Rechtsanwalt.....,
wegen Gründung einer Aktiengesellschaft,
hier: Gebühr für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach, Cierniak und Jenet
auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 19./22. April 2002
gegen den ihm in der Zeit nach dem 8. April 2002 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Koblenz vom 19. März 2002
ohne mündliche Verhandlung
am 17. Mai 2002
beschlossen:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
I.
Der Beteiligte zu 1) beurkundete am 16. Juni 2000 die Gründung einer Aktiengesellschaft. In Ziffer IV. der
notariellen Urkunde bestellten die Gründer den ersten Aufsichtsrat. Mit seiner Kostenrechnung vom
20. Juni 2000 hat der Beteiligte zu 1) außer der Gebühr für die Gründung der Gesellschaft sowie Schreib-
und Postauslagen auch eine Gebühr gemäß § 47 KostO für die Bestellung des Aufsichtsrats angesetzt.
Nach Beanstandung des Prüfungsbeauftragten hat der Notar seine Kostenrechnung nicht abgeändert,
sondern auf Anweisung des Beteiligten zu 2) als Aufsichtsbehörde die Entscheidung des Landgerichts
herbeigeführt. Das Landgericht hat die Kostenrechnung bestätigt und die weitere Beschwerde
zugelassen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die wiederum auf Weisung eingelegte
Rechtsbeschwerde des Notars. Er ist der Ansicht, die von ihm erstellte Kostenrechnung sei aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
II.
1. Die weitere Beschwerde des Notars ist statthaft, da sie das Landgericht zugelassen hat (§ 156 Abs. 2
Satz 2 KostO). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 156 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 KostO).
Ob die Zulässigkeit der Weisungsbeschwerde des Notars gemäß § 156 Abs. 6 (Abs. 5 vor der Neufassung
durch Art. 33 Nr. 3 ZPO-RG vom 27. Juli 2001) KostO eine Beschwer der ihm vorgesetzten oder ihn
anweisenden Dienstbehörde erfordert (so Senat JurBüro 1988, 1054; a. A. BayObLGMittBayNot 1994,
169, 170 m. w. N.) bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Präsident des Landgerichts ist der
abweichenden Auffassung des Prüfungsbeauftragten gefolgt und hat dem Beteiligten zu 1) im Hinblick auf
dessen danach unrichtige Kostenberechnung die Weisung zur Anrufung des Landgerichts erteilt. Aus der
Bestätigung der Kostenberechnung durch das Landgericht folgt mithin eine Beschwer der vorgesetzten
Dienstbehörde.
2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg, denn die Entscheidung, soweit sie mit der
Rechtsbeschwerde angefochten ist, beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 156 Abs. 6 Satz 1,
Abs. 2 Satz 3 KostO). Die Mitbeurkundung der Bestellung des ersten Aufsichtsrats durch den Notar
rechtfertigt auch nach Auffassung des Senats den Ansatz der Gebühr gemäß § 47 Satz 1 1. Halbs. KostO.
a) Soweit sich die Vorinstanz mit dem der Gebühr gemäß § 36 Abs. 2 KostO für die Gründung der
Aktiengesellschaft zu Grunde gelegten Geschäftswert befasst und auch insoweit die weitere Beschwerde
zugelassen hat, bedarf es keiner Entscheidung des Senats als Rechtsbeschwerdegericht. Wie die
Kammer bereits zur Erstbeschwerde zutreffend ausgeführt hat, unterliegen nur die in der
Anweisungsverfügung beanstandeten Punkte der Nachprüfung des Gerichts. Das gilt auch im
Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. BayObLGFGPrax 1997, 197, 198). Hier hat der Beteiligte zu 1) unter
Hinweis auf die ihm erteilte Anweisung die Rechtsbeschwerde nur hinsichtlich der gesonderten
Berechnung einer Gebühr für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft eingelegt.
b) Zur Berechnung einer Gebühr für die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bei Gründung einer
Aktiengesellschaft hat das Landgericht in Abgrenzung zur Gründung einer GmbH mit gleichzeitiger
Bestellung eines Geschäftsführers ausgeführt, dass durch den die Wahl des ersten Aufsichtsrats
betreffenden Beschluss eine gesonderte Gebühr nach § 47 KostO ausgelöst werde. § 44 KostO greife
insoweit auch nicht über die Verweisung in § 27 Abs. 3 Satz 1 KostO ein, weil diese Vorschrift nicht zur
Anwendung komme, wenn zu einem Beschluss eine rechtsgeschäftliche Erklärung hinzutrete. Dies ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Im Ansatzpunkt geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass §§ 27 Abs. 3 Satz 1, 44 KostO nicht
eingreifen. Im Unterschied zur GmbH, bei der nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG die Geschäftsführer
entweder im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung berufen werden
(vgl. Senat MittBayNot 1977, 257), geschieht die Bestellung des ersten Aufsichtsrats bei Gründung der
Aktiengesellschaft allein durch Beschluss der Gründer (vgl. etwa MünchKommAktG/Pentz, § 30 Rdnr. 10;
Röhricht in Großkomm. AktG § 30 Rdnr. 4). Bei einem Zusammentreffen mit rechtsgeschäftlichen
Erklärungen – wie hier die Gründung der Aktiengesellschaft – ist § 44 KostO nicht anwendbar; dann
liegen nämlich nicht mehrere Beschlüsse in derselben Verhandlung vor, die Verweisung gemäß § 27
Abs. 3 Satz 1 KostO ist also nicht einschlägig (vgl. Korintenberg/Reimann, KostO 14.Aufl. § 27 Rdnr. 10
und § 44 Rdnr. 6; Göttlich/Mümmler, KostO 14. Aufl. Stichwort „Beschlüsse von Gesellschaftsorganen“
Anm. 3 m. w. N.).
bb) Wird in einem Gesellschaftsvertrag – wie hier – ein Beschluss der Gründerversammlung (hier: Wahl
des ersten Aufsichtsrats) mitbeurkundet, entsteht daher nach ganz überwiegender Ansicht für die
Beschlussfassung eine gesonderte Gebühr gemäß § 47 KostO (vgl. Göttlich/MümmleraaO Stichwort:
„Aktiengesellschaft“ Anm. 1.4 und „Beschlüsse von Gesellschaftsorganen“ Anm. 3; Korintenberg/Reimann
aaO § 27 Rdnr. 99 f; Rohs/Wedewer, KostO 3. Aufl. § 27 Rdnr. 44; Streifzug durch die Kostenordung,
5. Aufl. Rdnr. 709; Beck’sches Notarhandbuch, 2. Aufl. D III Rdnr. 16). Nach anderer Auffassung, die der im
Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz tätige Prüfungsbeauftragte teilt, wird in diesem Fall keine
gesonderte Gebühr nach § 47 KostO ausgelöst (vgl. Waldner, Die Kostenordnung für Anfänger, 5. Aufl.
Rdnr. 284; Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit 21. Aufl. § 148 Rdnr.
6). Nach dieser Meinung soll es an einem bereits errichteten Beschlussorgan fehlen, so dass die
Bestellung lediglich Teil des Gründungsvertrages sei.
cc) Der zuletzt genannten Auffassung vermag der Senat – ebenso wie das Landgericht – indes nicht
beizutreten.
(1) Die Kammer weist in der angefochtenen Entscheidung zunächst zutreffend auf den Unterschied zur
Gründung einer GmbH hin. Wenn dort der Anfall einer gesonderten Gebühr für die Bestellung des
Geschäftsführers verneint wird, hat dies seinen Grund darin, dass – wie bereits dargelegt - § 6 Abs. 3 Satz
2 GmbHG die Bestellung der Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorsieht (vgl. Senat
MittBayNot 1977, 257; Korintenberg/Reimann aaO § 27 Rdnr. 100; Streifzug aaORdnr. 705). Für die
Bestellung des ersten Aufsichtsrats fehlt es an einer entsprechenden Regelung in § 30 AktG.
(2) Erfolgt hingegen bei Gründung einer GmbH die Bestellung des Geschäftsführers durch Beschluss, so
erwächst dem beurkundenden Notar neben der Gebühr des § 36 Abs. 2 KostO zusätzlich die Gebühr nach
§ 47 KostO (vgl. Senat MittBayNot 1988, 141; Korintenberg/Reimann aaO § 27 Rdnr. 100; Streifzug
aaORdnr. 706 jew. m. w. N.). Diese Verfahrensweise stellt grundsätzlich keine unrichtige Sachbehandlung
dar. Seine frühere gegenteilige Auffassung (MittBayNot 1977, 257) hat der Senat mit Beschluss vom
28. März 1988 (MittBayNot 1988, 141) aufgegeben.
(3) Gründe, die eine unterschiedliche gebührenrechtliche Behandlung der Beschlüsse bei Beurkundung
der Gesellschaften rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere fehlt es auch bei Gründung
einer Aktiengesellschaft nicht an einem den Beschluss fassenden Organ; vielmehr tritt an die Stelle der
Gesellschafterversammlung bei der GmbH im Aktienrecht die Gründerversammlung als Organ der
Vorgesellschaft (vgl. zur GmbH Senat MittBayNot 1977, 257; zur Vorgesellschaft der AG BGH NJW 1992,
1824; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 41 Rdnr. 6 f; Kraft in Kölner Kommentar zum AktG 2. Aufl. § 30 Rdnr. 8;
Streifzug aaORdnr. 709). Dabei kommt es nicht darauf an, dass mit der Gründung die Vor-
Aktiengesellschaft erst entsteht und die Bestellung des ersten Aufsichtsrats in derselben Urkunde
geschieht (vgl. Korintenberg/Reimann aaO § 27 Rdnr. 99 f; Göttlich/MümmleraaO Stichwort:
„Aktiengesellschaft“ Anm. 1.4). In diesen Fällen wird nämlich nicht nur die Gesellschaft errichtet, sondern
die Gründerversammlung wird auch als Organ der entstehenden Vorgesellschaft tätig. Für eine
unterschiedliche gebührenrechtliche Behandlung gegenüber den Fällen zeitlich nacheinander
vorgenommener Beurkundungen gibt es keinen Grund. Im Gegenteil erscheint es zweckmäßig, die
zwingende Bestellung des ersten Aufsichtsrats zusammen mit der Gründung zu beurkunden (vgl. Röhricht
aaO § 30 Rdnr. 3).
III.
Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gemäß § 156 Abs. 6 Satz 3 KostO gebühren- und
auslagenfrei. Eine Entscheidung bezüglich der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht geboten, weil
nur der Beteiligte zu 1) am Verfahren der weiteren Beschwerde teilgenommen hat. Einer Festsetzung des
Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf es mithin nicht.
Hengesbach Cierniak Jenet