Urteil des OLG Zweibrücken vom 11.03.2002

OLG Zweibrücken: entlastung, versammlung, beschlussfähigkeit, miteigentümer, abstimmung, beirat, belastung, genehmigung, anfechtung, verwalter

Sonstiges
Wohnungseigentumsrecht
OLG
Zweibrücken
11.03.2002
3 W 184/01
Aktenzeichen:
3 W 184/01
5 T 72/00
Landgericht Frankenthal (Pfalz)
2 e UR II 96/99.WEG
Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Teil- und Wohnungseigentumsanlage.....,
an dem beteiligt sind:
1. K..... S....., ....., .....
- Miteigentümer und Beschwerdeführer, auch hinsichtlich der
sofortigen weiteren Beschwerde -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte .....
2. die übrigen Miteigentümer gemäß der der Antragsschrift vom 19. Juli 1999
beigefügten Eigentümerliste (Bl. 30-39 d.A.), vertreten durch die Verwalterin, die
Beteiligte zu 3),
3. D...... mbH, vertreten durch
den Geschäftsführer .....L.....W....., .....,
......, als Verwalterin der Teil- und Wohnungseigentumsanlage
- Antragsgegner und Beschwerdegegner, auch hinsichtlich der
sofortigen weiteren Beschwerde -
wegen Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgericht Dury und die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach
und Jenet
auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 6. August 2001
gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 26. Juli 2001 zugestellten Beschluss der
5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16. Juli 2001
ohne mündliche Verhandlung
am 11. März 2002
b e s c h l o s s e n:
1. Der angefochtene Beschluss wird im Kostenpunkt und, soweit der Antrag hinsichtlich TOP 3
a des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom 25. Juni 1999 zurückgewiesen worden
ist, geändert :
Auch in diesem Umfang wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts
Ludwigshafen am Rhein vom 13. Juni 2000 der vorgenannte Beschluss der
Wohnungseigentümerversammlung für ungültig erklärt.
2. Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges
haben der Beteiligte zu 1) 1/4 und die Beteiligten
zu 2) und 3) 3/4 zu tragen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Gerichtskosten beider Beschwerdeinstanzen zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen
weiteren Beschwerde wird auf 45 140,52 DM
(23 079,98 €) festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Miteigentümer einer Teil- und Wohnungseigentumsanlage. In der
Eigentümerversammlung vom 25. Juni 1999 wurde u.a. unter TOP 3 a über die Genehmigung des durch
die Beteiligte zu 3), Verwalterin der Anlage, vorgelegten Jahresabschlusses für 1998 sowie – in
demselben Abstimmungsvorgang – die Entlastung von Verwaltung und Beirat abgestimmt. Bei der
Versammlung waren 76,31% (7 631,0576/10 000stel) der Wohnungsanteile vertreten. 6 914,7143/10
000stel davon wurden durch den Wohnungseigentümerbeirat repräsentiert, dessen Mitglieder durch die
Eigentümer schriftlich bevollmächtigt waren. Im Rahmen der Abstimmung wurden für 7 324,6283/10
000stel der Anteile„Ja“-Stimmen und für 306,4293/10 000stel „Nein“-Stimmen abgegeben.
Der Beteiligte zu 1) hält die Abstimmung für unwirksam und hat beantragt, den
Wohnungseigentümerbeschluss (u.a.) insoweit für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat diesen
Antrag abgewiesen, das Landgericht die hierauf gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu
beanstanden (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 21, 27, 29 Abs. 1, 2 und 4 FGG). Der nach § 45 Abs. 1
WEG erforderliche Beschwerdewert ist erreicht. Er bestimmt sich im vorliegenden Fall nach dem
vermögenswerten Interesse des Beteiligten zu 1) als Rechtsmittelführer an der von ihm begehrten
Änderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts. Maßgebend ist mithin diejenige Belastung,
die ihn trifft, wenn es bei der angefochtenen Entscheidung verbleibt (vgl. BGH NJW 1992, 3305). Da die
durch die angefochtene Beschlussfassung, TOP 3 a, gegen ihn festgesetzten nicht umlagefähigen Kosten
bereits 1 500.- DM übersteigen, ist der hier maßgebliche Beschwerdewert unzweifelhaft erreicht. Auf die
von den Beteiligten zu 2) und 3) aufgeworfene Frage, wie der Beteiligte zu 1) sein Rechtsmittel
begründet, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
2. Auch in der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz, den
im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde allein noch zur Prüfung stehenden Beschluss der
Eigentümerversammlung zu TOP 3 a nicht für ungültig zu erklären, beruht auf einer Verletzung des
Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO). Mit der von den Parteien aufgeworfenen Frage, ob der Anspruch
auf Wohngeld gemäß TOP 3 a der Tagesordnung verwirkt war, braucht sich der Senat dabei nicht zu
befassen. Denn der Beschluss ist bereits deshalb in seiner Gesamtheit ungültig, weil er in einer insoweit
nicht beschlussfähigen Versammlung gefasst worden ist.
a. Allerdings ist die Entscheidung des Landgerichts nicht bereits als verfahrensfehlerhaft aufzuheben.
Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass die Kammer die Entscheidung unter Mitwirkung zweier
Richter getroffen hat, die an der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2000 nicht teilgenommen
haben. Anders als im Zivilprozess (§ 309 ZPO) schadet es in Wohnungseigentumssachen nicht, wenn die
abschließende Entscheidung von Richtern erlassen wird, die nicht mit der Besetzung in der mündlichen
Verhandlung identisch sind. Denn die mündliche Verhandlung ist im Verfahren nach dem
Wohnungseigentumsgesetz nicht die alleinige Grundlage der Entscheidung; schriftliches Vorbringen ist
vielmehr in jedem Fall zu berücksichtigen
(vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2001 - 3 W 102/01 -; BayObLGZ 1990, 173, 175; BayObLG NJW-
RR 1991, 140 f; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 44 Rdnr. 26 m.w.N.).
b. Das Landgericht ist davon ausgegangen, die Wohnungseigentümerversammlung vom 25. Juni 1999
sei beschlussfähig gewesen. Zwar hätten die Mitglieder des Verwaltungsbeirats an der Beschlussfassung
über ihre eigene Entlastung nicht mitwirken dürfen; dies habe sich jedoch nicht auf die Wirksamkeit der
Genehmigung des Jahresabschlusses 1998 ausgewirkt. Zudem sei nicht dargetan, ob und inwieweit sich
eine verbotene Stimmabgabe auf das Abstimmungsverhältnis ausgewirkt habe.
Diese Entscheidung kann nicht aufrechterhalten werden. Nach § 25 Abs. 3 WEG ist die
Wohnungseigentümerversammlung zur Entscheidung über die Jahresabrechung und Entlastung von
Verwalter und Beirat nur beschlussfähig, wenn die erschienenen stimmberechtigten
Wohnungseigentümer mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch
eingetragenen Größe dieser Anteile, vertreten. Die Vorschrift stellt also auf die Stimmberechtigung der
Mitglieder ab. Die Beschlussfähigkeit besteht aber nicht für die Versammlung generell, sie ist vielmehr vor
jeder einzelnen Beschlussfassung erneut zu prüfen (vgl. BayObLG NJW-RR 1987, 595, 596;
WuM1980,329).
Legt man dies zugrunde, so bestand keine Beschlussfähigkeit für die Abstimmung zu TOP 3 a in der
fraglichen Wohnungseigentümerversammlung, nachdem dieser auch die Entlastung des
Wohnungseigentümerbeirats zum Gegenstand hatte. Denn ausweislich der Feststellungen unter TOP 1
des durch die Beteiligte zu 3) erstellten Protokolls und der von den Antragsgegnern mit
Antragserwiderungsschriftsatz vom 25. August 1999 vorgelegten Auflistung (Bl. 54 f. d.A.) waren von den
7 631,0576/10 000stel der in der Versammlung repräsentierten Wohnungsanteile 6 914,7143/10 000stel
durch zwei bevollmächtigte Mitglieder des Wohnungseigentümerbeirats vertreten. Es kann aber keinem
Zweifel unterliegen, dass ein Mitglied des Eigentümerbeirats bei der Beschlussfassung über dessen
Entlastung gemäß § 25 Abs. 5 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Die – soweit ersichtlich – bislang
ausschließlich zu dem Stimm-
recht des Verwalters, der zugleich Wohnungseigentümer ist, vorherrschende Auffassung (vgl. Senat, WE
1998, 504, 505; BayObLG aaO.; Bärmann/Pick/Merle aaO. § 25 Rdn. 109 und § 28 Rdn. 115 m.w.N.) hat
für diesen Fall angesichts der vergleichbaren persönlichen Interessenkollision gleichfalls zu gelten (vgl.
Bärmann/Pick/Merle, aaO. § 29 Rdn. 108; Staudinger/Bub, BGB 12. Aufl., § 29 WEG Rdn. 71). Das
Stimmrechtsverbot der Beiratsmitglieder erfasst auch die Ausübung von Stimmrechtsvollmachten anderer
Wohnungseigentümer (vgl. Senat aaO.; BayObLG aaO.). Danach ist davon auszugehen, dass sämtliche 6
914,7143/10 000stel durch die beiden bevollmächtigten Beiratsmitglieder ausgeübten Stimmrechte von
der Beschlussfassung über die Entlastung des Beirats ausgeschlossen waren, insoweit also keine
Beschlussfähigkeit bestand.
Ist der Beschluss über die Entlastung – wie hier - noch mit weiteren Abstimmungspunkten verbunden, so
erstreckt sich der Stimmrechtsausschluss auch darauf. Denn innerhalb ein und desselben
Abstimmungsvorgangs ist eine Aufspaltung der Beschlussfähigkeit nach unterschiedlichen
Abstimmungsinhalten ausgeschlossen. Sie widerspräche dem Bedürfnis nach einer klaren und
eindeutigen Regelung der Stimmrechtsfragen. Entschließt sich deshalb - wie im vorliegenden Fall - die
Wohnungseigentümerversammlung über Entlastung von Verwalter, Beirat und über die
Jahresabrechnung in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang zu beschließen, so zieht die
Beschlussunfähigkeit nach § 25 Abs. 3 WEG wegen des Entlastungsbeschlusses die Ungültigkeit der
Beschlussfassung insgesamt nach sich (vgl. BayObLG aaO.; WE 1989, 64, 65; Bärmann/Pick/Merle aaO.;
a.A. Staudinger/Bub, aaO. § 28 WEG Rdn. 542).
Der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung zu TOP 3 a ist danach unter
entsprechender Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen für ungültig zu erklären. TOP 3 ist damit
insgesamt für ungültig erklärt.
3. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Sie entspricht der Billigkeit unter
Beachtung des sachlichen Ausgangs des Verfahrens. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des
Beteiligten zu 1) kommt nicht in Be-
tracht. Diese ist – auch im Falle des vollständigen Obsiegens einer Partei – nur in Ausnahmefällen unter
Billigkeitserwägungen in Betracht zu ziehen (vgl. Bärmann/Pick/Merle aaO. § 47 Rdn. 31). Ein solcher liegt
hier nicht vor.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf §
48 Abs. 3 WEG. Dabei hat der Senat auf die durch den Jahresabschluss 1998 für den Beteiligten zu 1)
entstehende finanzielle Belastung abgestellt und hierzu 25 % des Gesamtvolumens der Abrechnung
hinzugezählt (vgl. Senat OLGR 2000, 156, 157; Staudinger/Wenzel aaO. § 48 Rdn. 20 m.w.N.). Eine
weitere Erhöhung des Geschäftswerts im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Entlastungen erschien dem
Senat nicht angemessen, da ein über die Anfechtung des Jahresabschlusses hinausgehendes
gesondertes Interesse des Beteiligten zu 1) hieran nicht erkennbar ist.
Dury Hengesbach Jenet