Urteil des OLG Zweibrücken vom 12.08.2004

OLG Zweibrücken: eigentümer, gefährdungshaftung, satzung, verein, eigenschaft, hund, fahrzeug, quelle, unterhalt, farbe

Bürgerliches Recht
OLG
Zweibrücken
12.08.2004
1 U 65/04
Aktenzeichen:
1 U 65/04
4 O 940/03
Landgericht Kaiserslautern
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Hinweisbeschluss
in dem Rechtsstreit
Tierschutzverein ...
Beklagter und Berufungskläger
RAe ....
./.
A.......
Klägerin und Berufungsbeklagte
RAe ....
wegen Schadenersatzes aus Verkehrsunfall
I. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass seine Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 18. März 2004 keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat
beabsichtigt deshalb, das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO – dessen Voraussetzungen auch im
Übrigen vorliegen – zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Klägerin zum Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuge verpflichtet,
weil das Fahrzeug der Klägerin durch ein von dem Beklagten gehaltenen Schäferhund beschädigt wurde (§ 833
Satz 1, 249 BGB).
Das Landgericht hat den Beklagten wegen der von dem Hund ausgehenden Tiergefahr aufgrund einer
Haftungsverteilung von 80 : 20 zu Lasten des Beklagten zum Schadensersatz verurteilt und dabei die Möglichkeit
des Beklagten, sich wegen der Eigenschaft des Hundes als Nutztier zu entlasten (§ 833 Satz 2 BGB), verneint.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten ohne Erfolg.
1. Bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhaltes hat der Senat von den
entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts auszugehen (vgl. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 1. Halbs. ZPO).
Konkrete und entscheidungserhebliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser
Feststellungen begründen könnten und deshalb erneute Feststellungen gebieten würden, sind weder dargetan
noch sonst ersichtlich (vgl. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 2. Halbs., Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2. Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt keine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1
2. Halbs. ZPO).
a) Die Auffassung des Landgerichts, der Beklagte sei Halter des bei dem Unfall vom 19. Juli 2003
tödlich verletzten Hundes im Sinne des § 833 Satz 1 BGB, ist nicht von Rechtsfehlern beeinflusst.
Tierhalter ist, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und wer aus eigenem Interesse für
die Kosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt (BGH NJW-RR 1988, 655,
656). Das Merkmal der Haltereigenschaft dient der Zuordnung der Gefahrenquelle zum
Gefahrenverantwortlichen, also zu derjenigen Person, die das Tier im eigenen Interesse nutzt und über seine
Verwendung und Existenz entscheidet, Deshalb liegt die Haltereigenschaft regelmäßig beim Eigentümer oder der
Person, die sich wie ein Eigentümer verhält (Lorenz, Gefährdungshaftung des Tierhalters, S. 328).
Dies zugrunde gelegt kann die Haltereigenschaft des Beklagten keinen Zweifeln unterliegen. Die
früheren Eigentümer des Tieres haben das Tier in dem vom Beklagten betriebenen Tierheim abgegeben und sich
damit auch ihrer Bestimmungsbefugnis über das Tier entledigt. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien
entscheidet nunmehr allein der Beklagte, ob und an wen das Tier, gegebenenfalls zu welchen Bedingungen,
abgegeben wird. Zwar führt ein vorübergehender Besitzverlust nicht zum Verlust der Haltereigenschaft (BGH
VersR 1978, 515) mit der Folge, dass die Haltereigenschaft eines Tierheimes nicht begründet wird, wenn ein
Tierheim dem Eigentümer entlaufene Tiere vorübergehend aufnimmt, um das Tier seinem Besitzer
zurückzugeben. Eine solche Fallkonstellation lag hier aber ersichtlich nicht vor.
b) Zu Recht hat das Landgericht die Möglichkeit der Entlastung nach § 833 Satz 2 BGB verneint. Bei
dem entlaufenen Schäferhund handelt es sich nicht um ein Nutztier im Sinne dieser Vorschrift.
Die Gefährdungshaftung greift nur bei solchen Haustieren nicht ein, die dem Beruf, der
Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters also einem kommerziellen Zweck zu dienen bestimmt sind
(Münch/Komm/Wagner BGB, 4. Aufl., § 833 Rdnr. 36). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der beklagte Verein hat
keinen kommerziellen Zweck, der durch den Verkauf des Hundes gefördert werden könnte. Dies ergibt sich aus
der Satzung des beklagten Vereines, der sich eine gemeinnützige Zweckbestimmung (§ 2 der Satzung des
Beklagten vom 20. Oktober 2001) gegeben hat. Zwar beabsichtigte der Beklagte, den Hund gegen Zahlung eines
Geldbetrages abzugeben. Hieraus folgt jedoch keine Gewinnerzielungsabsicht, wie sie mit einem Handeltreiben
einhergeht. Die in dieser Form erzielten Einnahmen des Vereins dienen der Aufrechterhaltung des mit Kosten
verbundenen Betriebes des Tierheimes. Wegen dieser Einnahmen hat der Beklagte das Tier nicht angeschafft.
Ihm kommt deshalb die Eigenschaft eines Nutztieres nicht zu. In der Folge kommt es auf die vom beklagten Verein
aufgestellte Behauptung, der vorhandene Zaun biete im allgemeinen ausreichenden Schutz vor dem Entlaufen
der aufgenommenen Hunde, nicht an.
c) Die vom Erstrichter vorgenommene – im Hinblick auf die dem Erstrichter überlassene tatrichterliche
Würdigung nur eingeschränkt im Berufungsverfahren überprüfbare Abwägung der Verursachungsbeiträge (OLG
Hamm, OLGR Hamm 2003, 356) – unterliegt ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die nach der
Neuregelung des Berufungsverfahrens für das Berufungsgericht auf Rechtsfehler beschränkte Prüfung erlaubt
nur eine Nachprüfung der Haftungsabwägung dahin, ob die Vorinstanz alle in Betracht kommenden Umstände
richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Kollidiert ein Fahrzeug
auf der Autobahn nachts mit einem Schäferhund, der wegen seiner Größe und seiner Farbe nicht ohne Weiteres
erkennbar ist, liegt ein Rechtsfehler zum Nachteil des Tierhalters, dem ohnehin generell eine größere
Verantwortung gegenüber dem Kfz-Halter zukommt, wenn ein Tier auf die Straße läuft (Juris, Praxiskommentar, §
833 Rdnr. 32), bei der vorliegend angenommenen Haftungsverteilung nicht vor (vgl. auch zur Haftungsabwägung
in vergleichbaren Fällen: Thür. OLG, Urteil vom 2. Juli 2002, Az.: 8 U 1247/01, OLG Köln, Urteil vom 28. März
2000, Az.: 3 U 127/99, OLG Celle, Urteil vom 26. Januar 2000, Az.: 9 U 130/99, OLG Köln, Urteil vom 5. November
1998, Az.: 1 U 51/98 jew. zitiert nach juris).
II. Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, zu dem Hinweis des Senats bis zum
31. August 2004
nehmen.
Zweibrücken, den 12. August 2004
Pfälzisches Oberlandesgericht – 1. Zivilsenat –
Morgenroth Burger Biehl
Vorsitzende Richterin Richter am Richter am
am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Amtsgericht