Urteil des OLG Zweibrücken vom 19.07.2002

OLG Zweibrücken: zustellung, bad, eigentümer, verwalter, anfechtungsfrist, kostenvorschuss, sicherstellung, einzahlung, sachprüfung, rechtsverletzung

Wohnungseigentumsrecht
OLG
Zweibrücken
19.07.2002
3 W 131/02
Kein Kostenvorschuss im Beschlussanfechtungsverfahren
Aktenzeichen:
3 W 131/02
2 T 63/01
Landgericht Bad Kreuznach
2 UR II 22/00.WEG
Amtsgericht Bad Kreuznach
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage ................................
an dem beteiligt sind:
1. R..........
W..................
Antragstellerin und Beschwerdeführerin, auch hinsichtlich der sofortigen weiteren Beschwerde,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte.......................,
2. die
übrigen Wohnungseigentümer
11 der Eigentümerliste), die diesem Beschluss beigefügt ist,
Antrags- und Beschwerdegegner, auch hinsichtlich der sofortigen weiteren Beschwerde,
3. B.........
H.............
Verwalter der Wohnungseigentumsanlage,
Verfahrensbevollmächtigte zu 2) und 3): Rechtsanwälte .......................
wegen Beschlussanfechtung,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am Oberlandesgericht
Hengesbach und Cierniak
auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 19. Juni 2002
gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 7. Juni 2002 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Bad Kreuznach vom 28. Mai 2002
ohne mündliche Verhandlung
am .19. Juli 2002
beschlossen:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und
das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Bad Kreuznach zurückverwiesen.
2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf
1.195,33 € festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit ihrem am 6. Oktober 2000 beim
Amtsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Beteiligte zu 1) von den übrigen Wohnungseigentümern,
vertreten durch den Verwalter, mehrere in der Eigentümerversammlung vom 8. September 2000 gefasste
Beschlüsse für ungültig zu erklären. Auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 16. Oktober 2000, für die
weitere Bearbeitung des Antrags seien eine vollständige Wohnungseigentümerliste, eine ausreichende
Anzahl von Abschriften für diese Wohnungseigentümer sowie näher bestimmte Vorschüsse für Zustellung
je Eigentümer und das Verfahren erforderlich, hat die Beteiligte zu 1) erst mit einem am 25. Januar 2001
beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz reagiert und die geforderten Unterlagen eingereicht sowie
den Vorschuss gezahlt. Die Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer erfolgte sodann am 2. bzw.
3. Februar 2001.
Das Amtsgericht hat über die Anträge sachlich entschieden und sie zurückgewiesen; die Beschwerde ist
ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Landgerichts ergibt sich dies bereits daraus, dass die Beteiligte
zu 1) die Antragsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG versäumt hat. Nachdem zwischen Eingang des Antrags
und der Zustellung nahezu 4 Monate gelegen hätten, könne letztere nicht mehr als „demnächst erfolgt“
angesehen werden. Insoweit gehe es zu Lasten der Beteiligten zu 1), dass sie den vom Amtsgericht zu
Recht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO geforderten Verfahrenskostenvorschuss nicht alsbald eingezahlt
habe.
Mit ihrer hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1) ihre Anfechtungsanträge
weiter. Gegenüber den Ausführungen des Landgerichts macht sie in erster Linie geltend, im
Beschlussanfechtungsverfahren sei eine Vorschussanforderung nicht zulässig.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45
Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 FGG). Insbesondere unterliegt es nach der Wertfestsetzung durch
das Landgericht keinen Bedenken, dass der in § 45 Abs. 1 WEG vorausgesetzte Wert des
Beschwerdegegenstandes erreicht ist.
2. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht
auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Denn die Erwägungen des
Landgerichts zur Versäumung der Anfechtungsfrist halten der dem Senat obliegenden rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass die materielle Ausschlussfrist des
§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG entsprechend § 270 Abs. 3 ZPO (jetzt: § 167 ZPO) mit der Einreichung des
Antrags bei Gericht nur gewahrt ist, soweit seine Zustellung demnächst erfolgt. Richtig ist zwar, dass in
Rechtsprechung und Literatur die Zustellung an die übrigen Beteiligten zum Teil nicht für erforderlich
gehalten wird (vgl. AG Neuss WE 1996, 38; KG WuM 1991, 369; Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 23
WEG Rdnr. 27 und § 43 WEG Rdnr. 14). Insoweit folgt der Senat aber – ebenso wie bereits das
Landgericht – der Auffassung des Bundesgerichtshofs unter Hinweis auf die Kommentierung bei
Staudinger (vgl. BGH NJW 1998, 3648; OLG Köln ZMR 2001, 661). Auch wenn das WEG-Verfahren
grundsätzlich nach den Vorschriften des FGG zu behandeln ist, handelt es sich um so genannte echte
Streitsachen, die als solche den zivilprozessualen Streitigkeiten sehr nahe stehen (vgl.
Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 44 Rdnr. 3). Die ordnungsgemäße Beteiligung der Gegenseite
gebietet daher – wie auch im Zivilprozess – eine Zustellung (vgl. Wenzel, in: BUB u.a., WEG § 43 Rdnr. 42
und Vorbem. zu §§ 43 ff. Rdnr. 28).
b) Nicht gefolgt werden kann hingegen der Ansicht des Landgerichts, soweit dieses die verspätete
Zahlung des Verfahrensvorschusses – entsprechendes muss für den Auslagenvorschuss gelten (vgl.
BayObLGZ 1971, 288, 291 ff.) – der Beteiligten zu 1) zugerechnet hat. Entgegen der Auffassung der
Kammer besteht nämlich im WEG‑Beschlussanfechtungsverfahren grundsätzlich keine allgemeine
Vorschusspflicht. Die Anforderung des Vorschusses durch das Gericht erweist sich hier somit als
vermeidbare Verzögerung im Geschäftsablauf; eine solche geht nicht zu Lasten der Beteiligten zu 1) als
Antragstellerin (vgl. etwa BGH NJW 1984, 242; MDR 2000, 897; NJW 2001, 885, 887; OLG Köln ZMR 01,
661, 662; OLG Hamm NZM 2002, 562).
aa) Ob das Beschlussanfechtungsverfahren in Wohnungseigentumssachen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO
von der Einzahlung bzw. Sicherstellung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden kann, ist
allerdings – was die Kammer nicht verkennt – umstritten (vgl. zum Meinungsstreit zusammenfassend
BayObLG NJW-RR 2001, 1234). Dass als Folge der verzögerten bzw. ausbleibenden Zahlung die
Anfechtungsfrist – wie hier – ohne Fristsetzung und vorherigen Hinweis (vgl. dazu AG Kerpen WuM 1996,
446; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 48 Rndr. 74; v. Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518, 519) als
versäumt anzusehen ist, wird jedoch – soweit ersichtlich – nur in der Kommentierung von
Niedenführ/Schulze (WEG 5. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rdnr. 129) vertreten. Ansonsten entspricht es einhelliger
obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Fortgang des Beschlussanfechtungsverfahrens grundsätzlich
nicht von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden kann (vgl. BayObLG NJW-
RR 2001, 1234, 1235 und BayObLGZ 1971, 289, 293; OLG Köln ZMR 2001, 661, 662 und WE 1995, 241;
OLG Düsseldorf WE 1998, 308, 309 und 309, 310; KG NJW-RR 1998, 370, 371; Wenzel aaO § 48
Rdnr. 6). Dem schließt sich der Senat an. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KostO gilt die Vorschusspflicht u.a. nicht,
wenn das Verlangen nach vorheriger Zahlung oder Sicherstellung der Kosten nicht angebracht erscheint.
Davon ist für das Beschlussanfechtungsverfahren auszugehen, weil es ansonsten dem Anfechtenden
durch Nichtzahlung möglich wäre, die Bestandskraft eines Eigentümerbeschlusses in der Schwebe zu
halten. Verzögerungen über die Anfechtungsfrist hinaus wären aber mit den schützenswerten Interessen
der übrigen Eigentümer, alsbald Klarheit über die Wirksamkeit eines Beschlusses zu erhalten, nicht zu
vereinbaren (vgl. BayObLGZ 1971, 289, 292; NJW-RR 2001, 1233, 1234; OLG Düsseldorf WE 1998, 308,
309, 310). Das gilt auch, sofern bei verzögerter Zahlung eine Zurückweisung des Antrags in
entsprechender Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO a.F. bzw. § 167 ZPO n.F. erfolgen kann. Denn auch in
diesem Fall werden die übrigen Wohnungseigentümer u.U. erst nach einem längeren Zeitraum von der
Anfechtung in Kenntnis gesetzt werden.
bb) Ob etwas anderes im Fall des Setzens einer nur kurzen Beibringungsfrist für die Vorschusszahlung mit
Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtbeachtung (vgl. AG Kerpen WuM 1996, 446; Bärmann/Pick/Merle,
WEG 8. Aufl. § 48 Rndr. 74; v. Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518, 519) gelten könnte, kann
dahingestellt bleiben; denn hier hat das Amtsgericht der Beteiligten zu 1) weder eine Frist zur Zahlung des
Vorschusses gesetzt noch hat es auf die Rechtsfolgen einer Säumnis hingewiesen.
c) Soweit darüber hinaus bei Nichteinzahlung des geforderten Kostenvorschusses in Ausnahmefällen das
Anfechtungsrecht verwirkt sein soll (vgl. etwa KG NJW-RR 1998, 370, 371; BayObLG NJW-RR 2001,
1233, 1235; Niedenführ/Schulze aaO Vor. §§ 43 ff. Rdnr. 130), liegt ein solcher Sachverhalt ersichtlich
nicht vor. Der Kostenvorschuss ist etwa drei Monate nach Aufforderung durch das Amtsgericht eingezahlt
worden. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Beteiligte zu 1) das Verfahren über einen
langen Zeitraum hinweg nicht weiter betrieben hat. Ungeachtet dessen wird auch in diesen Fällen ein
vorheriger Hinweis auf die Rechtsfolge für erforderlich gehalten (vgl. KG und BayObLG jew. aaO). Ein
solcher ist – wie bereits dargelegt – nicht erfolgt.
d) Schließlich rechtfertigt das Ausbleiben der neben dem Kostenvorschuss geforderten Unterlagen
(Eigentümerliste und Abschriften für diese Eigentümer) ebenfalls nicht die Annahme einer der Beteiligten
zu 1) zuzurechnenden Verzögerung. Insoweit lässt sich schon kein ursächlicher Zusammenhang mit der
verspäteten Zustellung feststellen. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht bei
Vorlage der Liste und der Abschriften die Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer früher
veranlasst hätte. Ausweislich der Verfügung vom 16. Oktober 2000 ist die weitere Bearbeitung von der
Erfüllung sämtlicher Voraussetzung abhängig gemacht. Mithin hat sich die verspätete Vorlage der Liste
bzw. der Abschriften nicht auf die Verzögerung der Zustellung ausgewirkt, so dass offen bleiben kann, ob
hier nicht die Zustellung einer Ausfertigung der Antragsschrift an den Beteiligten zu 3) als Verwalter
ausgereicht hätte, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG (vgl. BGH NJW 1981, 282, 283; OLG Köln OLGR 2002, 215).
3. Die Rechtsverletzung nötigt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Da bisher das
Landgericht nicht in eine Sachprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse eingetreten ist, hält es
der Senat für geboten, die Sache zur Klärung der Tatsachen und erneuter Entscheidung nach dorthin
zurückzuverweisen. Dabei wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden
sein.
III.
Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48
Abs. 3 WEG in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Wertfestsetzung des Landgerichts bestimmt.
Dury Hengesbach Cierniak
Liste der Wohnungseigentümer ......................................
Wohnungsgrundbuch Blatt ...... – Liegenschaftsbuch ........ – .........................
Vorname
Name
Anschrift
1
M.............
S..........
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2
H..... U..... und H.....
P.........
......................................
3
A....... und U.....
B.........
......................................
4
D.... G.......
R.........
......................................
5
W..... und I......
K.........
......................................
6
W.......
W........
......................................
7
H......-J.......
T.........
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8
E................
R.........
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9
R................
W........
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10
K................
E.........
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11
B................
H.........
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