Urteil des OLG Zweibrücken vom 27.03.2003

OLG Zweibrücken: strafverfahren, aufwand, maurer, belastungszeuge, kontaktaufnahme, gebühr, quelle, verfügung, höchstbetrag, versicherung

OLG
Zweibrücken
27.03.2003
1 AR 80/02
§ 68 b StPO, §§ 91, 97 Abs. 1, 99 Abs. 1, 102 Abs.
2 BRAGO
Die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistandes ist in entsprechender Anwendung der §§ 97 Abs. 1,
91 BRAGO zu vergüten. Erfordert der Beistand selbst einen außergewöhnlichen Betreuungsaufwand, so
ist eine Pauschvergütung nach den Grundsätzen des § 102 Abs. 2, 99 Abs. 1 BRAGO gerechtfertigt;
handelt es sich um einen wesentlichen Belastungszeugen in einem Großverfahren, der in ein
Zeugenschutzprogramm gestellt ist, kann die Pauschvergütung den Höchstsatz gemäß § 91 Nr. 3 BRAGO
überschreiten.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken – 1. Strafsenat – Beschluss vom 27. März 2003 - 1 AR 80/02 -
1 AR 80/02 -1-
5326 Js 29581/99
StA Frankenthal
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
E.
T
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
hier: Antrag auf Festsetzung einer Pauschvergütung für den gerichtlich beigeordneten Zeugenanwalt
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht
Maurer und Ruppert
am 27. März 2003
beschlossen:
Gemäß § 99 BRAGO wird der Antragstellerin, Rechtsanwältin G. H., ......... ..................., als gerichtlich
beigeordnetem Beistand des Zeugen U. G. eine Pauschvergütung von 500 € (fünfhundert Euro) bewilligt.
Gründe:
In einem Strafverfahren vor der II. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz), das u.a. – wie der
Senat aus verschiedentlicher Befassung mit der Sache weiß – durch die Konfliktverteidigung des
Angeklagten äußerst komplex seit über einem Jahr verhandelt wird, und das der Kammervorsitzende auf
Anfrage als außerordentlich schwierig und umfangreich bewertet hat, ist die Antragstellerin gemäß § 68 b
StPO als Beistand für einen Zeugen beigeordnet worden. Wegen des Umfangs und der besonderen
Schwierigkeit ihrer Tätigkeit hat sie Pauschvergütung beantragt. Der Bezirksrevisor ist diesem Begehren
aus tatsächlichen Gründen entgegengetreten, da auf die Sachakten derzeit nicht zurückgegriffen werden
kann und eine besonders aufwendige Betreuungstätigkeit des Beistandes nicht festzustellen sei. Dem
Antrag war hingegen stattzugeben.
Die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistandes findet bisher in den Gebührenvorschriften der BRAGO
keine Berücksichtigung, ist jedoch in entsprechender Anwendung der §§ 102 Abs. 2, 97 ff BRAGO zu
vergüten (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 27; OLG Köln Rpfleg 2002, 95; Gebauer/Schneider BRAGO
§ 102 Rn 7)). Da der betreute Zeuge kein Verfahrensteilnehmer im üblichen Sinn wie der Angeklagte, der
Nebenkläger oder Privatkläger ist und lediglich im Zusammenhang mit seiner Vernehmung anwaltlichen
Beistand benötigt, ist der Gebührentatbestand des § 91 BRAGO heranzuziehen, der auf die Entgeltung
einzelner Tätigkeiten zugeschnitten ist; umfasst diese Leistung nicht lediglich die Beratung oder
schriftliche Beiträge, sondern den Beistand in Vernehmungen des Zeugen in Vorbereitung oder in der
Hauptverhandlung selbst, so kommt Nr. 2 der Vorschrift zur analogen Anwendung (vgl. OLG Köln aaO;
andere Lösungen vertreten z.B. OLG Hamm StV 2001, 126; OLG Bamberg StraFO 2001, 108; LG
Würzburg StV 2001, 127).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist zunächst zu beachten, dass sich die
Beiordnung des Zeugenanwalts auf alle Vorgänge bezieht, welche die prozessuale Beanspruchung des
Zeugen in diesem Strafverfahren betreffen, also auch die Vorbereitung der Zeugenbefragung und
wiederholte Vernehmungen, da diese jeweils keine eigene Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2
BRAGO darstellen (vgl auch. Griesbaum NStZ 1998, 439). Demnach würde sich die Pflichtgebühr als eine
Verfahrensgebühr für den gesamten Einsatz der beigeordneten Antragstellerin gemäß §§ 97 Abs. 1, 91
Nr. 2 (analog) BRAGO auf 100 € errechnen. Gemessen an Umfang und Schwierigkeit der Leistungen der
Zeugenanwältin wäre dies keine angemessene Vergütung, so dass ihrem Antrag gemäß §§ 102, 99
BRAGO zu entsprechen ist. Zwar kann dabei nicht auf die vom Vorsitzenden bescheinigte besondere
Schwierigkeit des gesamten Großverfahrens abgestellt werden, da der Antragstellerin lediglich die
Betreuung des Zeugen in einem Verfahrensabschnitt oblag. Nach anwaltlicher Versicherung und Kenntnis
des Senats von der Strafsache lag der Aufwand für den Zeugenbeistand jedoch deutlich über dem der
üblichen Einzeltätigkeiten, auf die der Gebührentatbestand des § 91 Nr. 2 BRAGO abstellt:
Der zu beratende Zeuge, dem ein Aussageverweigerungsrecht zur Verfügung stand, hat den Angeklagten
– dadurch zugleich sich selbst – erheblich belastet und stellt offensichtlich ein wichtiges
Überführungsmittel im Sinne der Anklage dar; seine Aussagen werden auch Auswirkungen auf sein
eigenes Strafverfahren haben. Als Belastungszeuge gilt er als erheblich gefährdet und befindet sich
deshalb im Zeugenschutzprogramm. Eine Erläuterung weiterer Einzelheiten dieses Schutzes, die den
besonderen Aufwand der Betreuung mit begründen, verbietet sich aus dem Anlass der Maßnahme. Die
beigeordnete Zeugenanwältin war jedenfalls bei jeder Kontaktaufnahme außerhalb der
Hauptverhandlung auf die Vermittlung des Landeskriminalamtes angewiesen. Sie war zudem an drei
Hauptverhandlungstagen im Termin anwesend. Alle Gerichtstermine fanden unter starker Polizeikontrolle
statt; während der Verhandlung und in den Pausen standen Zeuge und Beistand unter besonderem
Polizeischutz.
Unter diesen außergewöhnlich belastenden Umständen erscheint eine Pauschvergütung der Arbeit des
Zeugenbeistandes angemessen, die mit 500 € ausnahmsweise den Höchstbetrag der Gebühr des
Wahlanwalts von 325 € (§ 91 Nr.2 BRAGO) überschreitet.
Dr. Ohler Maurer Ruppert