Urteil des OLG Zweibrücken vom 10.03.2005

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Strafrecht
OLG
Zweibrücken
10.03.2005
1 Ss 29/05
Zum Sorgfaltsmaßstab beim Import von Obst (Umfang der stichprobenartigen Untersuchungen auf
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln).
§ 53 LMBG, § 1 RHmV
Zum Sorgfaltsmaßstab beim Import von Obst (Umfang der
stichprobenartigen Untersuchung auf Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln)
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken – 1. Strafsenat – Beschluss vom 10. März 2005 - 1 Ss 29/05 -
1 Ss 29/05
7009 Js 8956/03. 3 OWi
StA Landau in der Pfalz
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren gegen
A. R.
L.
wegen Ordnungswidrigkeit nach dem LMBG
hier: Rechtsbeschwerde
hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Richter am Oberlandesgericht Maurer als Einzelrichter
am 10. März 2005
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom
22. Dezember 2004 mit den Feststellungen aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Landau in der
Pfalz zurückverwiesen.
G r ü n d e :
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von
Lebensmitteln mit überhöhten Pflanzenschutzrückstandsmengen (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 RHmV,
52 Abs. 1 Nr. 1, 53 Abs. 1, Abs. 3 LMBG) zu einer Geldbuße von 1000 € verurteilt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die mit der Sachrüge begründet wird. Die
Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat vorläufigen Erfolg.
Zwar ist es unschädlich, dass die im Urteil aufgeführte Liste der angewendeten Vorschriften teilweise nicht
dem Schuldspruch entspricht (§ 6 Abs. 1 RHmV und § 52 Abs. 1 Nr. 1 LMBG betreffen Straftaten und keine
Ordnungswidrigkeiten;
§ 2 Abs. 1 RHmV regelt zusammengesetzte Lebensmittel und ist daher ebenfalls nicht einschlägig). Die
Aufführung der Liste der Vorschriften nach § 260 Abs. 5 StPO ist weder Bestandteil der Urteilsformel noch
der Urteilsgründe und auf eventuellen Mängeln der Liste kann das Urteil daher nicht beruhen (BGH NStZ-
RR 1997, 166 m.w.N.).
Auch trifft die weitere Kritik der Rechtsbeschwerde nicht zu, das Amtsgericht sei rechtsfehlerhaft vom
Schuldmaßstab der einfachen Fahrlässigkeit ausgegangen, erforderlich sei jedoch das erhöhte Maß der
Leichtfertigkeit. Einschlägig ist bereits § 53 Abs. 1 LMBG, der sich auch auf § 52 Abs. 1 Nr. 6 LMBG
bezieht. Die Schuldform der Leichtfertigkeit betrifft die Hersteller und Händler der Lebensmittel, der
leichtere Grad der einfachen Fahrlässigkeit ist hingegen ausreichend beim Importeur (Zipfel,
Lebensmittelrecht C 100 § 53 Rn. 8 und 16).
Allerdings bilden die getroffenen Feststellungen keine sichere Grundlage für den vom Amtsgericht
angelegten Sorgfaltsmaßstab, wonach der Betroffene eine Untersuchung pro 1000 kg importierter
Aprikosen hätte veranlassen müssen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat aus diesem Grund ebenfalls die
Aufhebung des Urteils beantragt und dies wie folgt begründet:
„Fahrlässig handelt u .a. der, der eine objektiv gebotene Sorgfaltspflicht verletzt. Für den Umgang mit
Lebensmitteln bedeutet dies, dass derjenige, der Lebensmittel in Verkehr bringt, die Sorgfalt anzuwenden
hat, die zur Einhaltung der zum Schutz des Verbrauchers festgelegten Anforderungen an die Lebensmittel
erforderlich und ihm nach den jeweiligen Umständen möglich und zumutbar ist (Zipfel Lebensmittelrecht C
100 Rn 64 ff vor § 51). In diesem Zusammenhang hat die obergerichtliche Rechtsprechung dem Importeur
von Lebensmitteln u.a. eine Pflicht zur stichprobenweise Untersuchung auf Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln im Sinne des § 14 SMBG auferlegt. Danach muss der Umfang der Stichproben so
groß sein, dass das Inverkehrbringen von gesetzwidrigen Lebensmitteln verhindert wird (zuletzt: OLG
Düsseldorf LRE 26, 353). In welchem Umfang und in welcher Dichte die Stichproben durchzuführen sind,
ist dabei anhand der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (Zipfel a.a.O. Rn. 92 vor § 51). Auf der
Grundlage der Bekanntmachung des Bundesministers für Gesundheit über die Sorgfaltspflicht der
Importeure beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln nach § 17 des LMBG vom 5. Dezember 1991
(abgedruckt in Zipfel a.a.O. C 100a) sind Kriterien zur Beurteilung der Sorgfaltspflicht u .a.:
· Art der Lebensmittel
· Wahrscheinlichkeit der Abweichung von der gesetzlich zulässigen Beschaffenheit
· Herkunft der Ware
· Zuverlässigkeit des Lieferanten.
Diesen Vorgaben wird das angefochtene urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe stellen fest, dass bei einer
Umschlagsmenge von 27.500 kg Aprikosen im Jahr ´die vom Betroffenen belegte Untersuchungsfrequenz
´ in seinem Betrieb eindeutig unzulänglich sei. Vielmehr sei eine Untersuchung pro 1000 kg (Aprikosen)
zu fordern. Eine solche Festlegung, die sich alleine an der Gesamtmenge der jährlich importierten Früchte
orientiert, ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt insbesondere weder die Herkunft der Früchte noch die
jeweils gelieferte Menge oder die bisherigen Erfahrungen des Betroffenen mit seinem Lieferanten. Eine
solche Feststellung berücksichtigt auch nicht, ob es im Betrieb des Betroffenen in der Vergangenheit
bereits zu gleich gelagerten Beanstandungen gekommen ist und ob der Betroffene für seinen Betrieb
insgesamt ein überzeugendes und nachvollziehbares Sicherheitskonzept darlegen kann. Das Urteil stellt
lediglich fest, dass der Betroffene eine ´Untersuchungsfrequenz´ belegt habe. Wie diese im Einzelnen
ausgesehen hat und worauf sie sich bezieht, teilt das Amtsgericht nicht mit. Damit ist nicht einmal
überprüfbar, ob die vom Amtsgericht selbst aufgestellte Pflicht zur Untersuchung importierter Aprikosen je
1000 kg Lieferung vom Betroffenen tatsächlich nicht beachtet wurde, bzw. ob der Betroffene insgesamt
unzureichende Kontrollen von Importen der Firma S. F. G. H., S.L.. durchgeführt hat. Wenn das
Amtsgericht allerdings, was im Urteils anklingt, davon ausgegangen ist, dass der Betroffene die von der
Firma S. F. F. G. H., S.L. erhaltenen Früchte gar nicht kontrolliert hat, sondern sich auf die Mitteilungen des
Untersuchungsringes des Deutschen Fruchthandelsverbandes verlassen und im Übrigen im Verfahren
nur Laborbefunde anderer Lieferanten vorgelegt hat, so hätte das Gericht darstellen müssen, warum es
die entgegengesetzte Einlassung des Betroffenen, Importe seien stichprobenweise auf Veranlassung
seines Hauses untersucht worden, zumindest hinsichtlich der Lieferungen der Firma S. F. F. G. H., S.L als
widerlegt ansieht. Jedenfalls ist nach dem Hinweis des Gerichtes auf eine ´belegte
Untersuchungsfrequenz` nicht erkennbar, von welchen Feststellungen das Gericht im Zusammenhang mit
den Lieferungen der Firma S. F. F. G. H., S.L. ausging.“
Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat an. Der
dargelegte Feststellungs- und Begründungsmangel stellt einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, auf dem
das Urteil beruht. Dieses ist somit mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache
ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
M a u r e r