Urteil des OLG Zweibrücken vom 15.06.2004

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Bürgerliches Recht
OLG
Zweibrücken
15.06.2004
5 UF 20/04
Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft (Übernahme eines Grundstücks)
Aktenzeichen:
5 UF 20/04
1 F 1247/01
AG Kaiserslautern
Verkündet am: 15. Juni 2004
Schöneberger, Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In der Familiensache
W... ...
F...
Beklagter und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ..., ...,
gegen
E... ...
F...
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., ...,
wegen Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft (Übernahme eines
Grundstücks),
hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familien-senat
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter
am Oberlandesgericht Geisert und Kratz
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2004
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
Kaiserslautern vom 23. Dezember 2003 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, seinen Gesamt-
handseigentumsanteil an dem Grundstück ...straße ..., S... (Grundbuch von S..., Blatt
..., Flurstück-Nr. .../1, Hof- und Gebäudefläche zu 437 qm), an die Klägerin zu alleinigem Eigentum
aufzulassen und die Eintragung der Klägerin als Alleineigentümerin im Grundbuch zu bewilligen und zwar
Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 79 000,00 € zur Sicherung eines
eventuellen Anteils des Beklagten am Überschuss des Gesamtguts der Parteien, wobei die
Sicherheitsleistung durch Bürgen ausgeschlossen ist.
2. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn und soweit nicht zuvor die andere
Partei Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision beider Parteien gegen das Urteil wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien haben am 28. Juli 1961 die Ehe miteinander geschlossen. Sie leben seit Oktober 1989
voneinander getrennt. Mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht- Kaiserslautern vom 21. März 1997 ist
die Ehe mittlerweile rechtskräftig geschieden.
Mit notariellem Vertrag vom 6. Oktober 1964 des Notars H... in Kaiserslautern – UR Nr. .../64 – haben die
Eltern der Klägerin dieser ausstattungsweise und zur Anrechnung auf das künftige elterliche Erb- und
Pflichtteilsrecht das im Urteilstenor genannte Grundstück übertragen (nach mittlerweile durchgeführter
Flurbereinigung hat das Grundstück die jetzige Flurstück-Nummer). Das Grundstück wurde in der
Folgezeit mit einem Haus bebaut, das die Klägerin und der Sohn der Parteien bewohnen.
Mit notariellem Vertrag vom 21. Mai 1965 des Notars H... in Kaiserslautern – UR Nr. .../65 – vereinbarten
die Parteien Gütergemeinschaft. Unter anderem ist in dem notariellen Vertrag bestimmt:
„Im Falle einer Auseinandersetzung des Gesamtgutes gebührt der nach Berichtigung der
Gesamtgutsverbindlichkeiten verbleibende Überschuss den Ehegatten zu gleichen Teilen; jeder Ehegatte
kann dabei gegen Ersatz des Wertes alle ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmten
Sachen, wie Kleider, Schmuck und Arbeitsgeräte, sowie diejenigen Gegenstände übernehmen, die er in
die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der Gütergemeinschaft durch Erbfolge, durch
Vermächtnis oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung
erworben hat (§§ 1476, 1477).“
Die Gütergemeinschaft der Parteien ist noch nicht auseinandergesetzt. Die Klägerin begehrt die
Übernahme des im Urteilstenor genannten Grundstücks. Dessen Umsetzung in Geld bedarf es nicht, um
Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigen zu können.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, seinen Gesamthandseigentums-
anteil an dem Grundstück, Grundbuch von S... Bl. ..., Flur-St.-Nr. .../1, Hof- Gebäudefläche, ...straße ...,
437 qm, an sie zu alleinigem Eigentum aufzulassen und ihre Eintragung als Alleineigentümerin im
Grundbuch zu bewilligen.
Der Beklagte hat sich auf einen ihm zustehenden Anspruch auf Wertersatz betreffend seinen
Gesamthandseigentumsanteil an dem verfahrensgegenständliche Grundstück berufen und insoweit ein
Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 23. Dezember 2003 hat das Amtsgericht –Familiengericht- Kaiserslautern den Beklagten
antragsgemäß verurteilt, seinen Gesamthandseigentumsanteil an dem verfahrensgegenständlichen
Grundstück an die Klägerin zu alleinigem Eigentum aufzulassen und deren Eintragung als
Alleineigentümerin im Grundbuch zu bewilligen. Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes
hinsichtlich des Wertersatzes für den Gesamthandseigentumsanteil oder aber den Anteil am
Auseinandersetzungsguthaben hat das Familiengericht als nicht gegeben erachtet. Einmal habe der
Wertersatz für das übernommene Grundstück nicht in natura, sondern durch Anrechnung auf den Anteil
am Überschuss des Gesamtgutes zu erfolgen, zum anderen aber sei vor Auseinandersetzung des
Gesamtgutes ein eventueller Anspruch betreffend das Auseinandersetzungsguthaben jedenfalls nicht
fällig.
Gegen dieses ihm am 8. Januar 2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Februar
2004, eingegangen am selben Tag (Montag), Berufung eingelegt und diese innerhalb gewährter
Fristverlängerung am 2. April 2004 begründet.
Der Beklagte beantragt nach Beschränkung seines Berufungsantrags nunmehr,
ihn nur Zug um Zug gegen Zahlung eines Wertersatzes in Höhe von 79 367,81 € zu verurteilen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob dem Beklagten wegen seines Anspruchs auf
Wertersatz für den zu übertragenden Gesamthandseigentumsanteil bzw. auf Auszahlung des ihm
gebührenden Überschussanteils am Gesamtgut ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.
In der Sache führt das Rechtsmittel nach Beschränkung des Berufungsantrags weitgehend zum Erfolg.
Zutreffend geht das Familiengericht zunächst davon aus, dass die Klägerin nach Beendigung der
zwischen den Parteien mit notariellem Vertrag vom 21. Mai 1965 vereinbarten Gütergemeinschaft durch
die Scheidung der Ehe der Parteien auch bereits vor der endgültigen Auseinandersetzung des
Gesamtguts nach § 1471 Abs. 1 BGB das von ihr in die Gütergemeinschaft eingebrachte
verfahrensgegenständliche Grundstück übernehmen bzw. herausverlangen kann (§ 1477 Abs. 2 Satz 2
BGB). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Familiengerichts muss das herauszugebende
Grundstück auch nicht etwa in Geld umgesetzt werden, um Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigen zu
können (§ 1475 Abs. 3 BGB). Dem Übernahmerecht der Klägerin steht auch weder die zwischenzeitlich
erfolgte Flurbereinigung noch die Bebauung des Grundstücks entgegen. All dies ist außer Streit und
entspricht Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGH, FamRZ 1988, 926; OLG München, FamRZ 1996, 170;
Thiele in Staudinger (2000), § 1477 BGB Rdnr. 10; Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei
Trennung und Scheidung, 3. Aufl., 2. Kapitel Rdnr. 65 m.w.N).
Der in die Gütergemeinschaft eingebrachte Gegenstand kann indes nach § 1477 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB
nur gegen Ersatz des Wertes übernommen werden. Nach
– soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung in obergerichtlicher Rechtsprechung und Literatur steht dem
anderen Ehegatten wegen dieses Anspruchs auf Wertersatz ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1
BGB zu (vgl. nur OLG München, FamRZ 1996, 170; Thiele in Staudinger, aaO, § 1477 Rdnr. 18;
Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1477 Rdnr. 5; Erman/Heckelmann, BGB, 10. Aufl., § 1477 Rdnr. 2;
RGRK/Finke, BGB, 12. Aufl., § 1477 Rdnr. 16; Haußleiter/Schulz, aaO, 2. Kapitel Rdnrn. 68 und 95; Klüber
in Schröder/Bergschneider, FamVermR, Rdnr. 4.797).
Dem steht nicht entgegen, dass das Gesetz eine Zahlungspflicht des übernehmenden Ehegatten an das
Gesamtgut – von Zahlungen zur Deckung von Gesamtgutsverbindlichkeiten abgesehen – nicht vorsieht.
Auch dann, wenn ein Ehegatte sein Übernahmerecht an einem bestimmten Gegenstand des Gesamtguts
vorzeitig, nämlich vor der Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten oder vor der Teilung des übrigen
Gesamtguts, geltend macht, erwächst aus der Ausübung des Übernahmerechts keine Zahlungspflicht an
das Gesamtgut in Höhe des Wertersatzes. Vielmehr gilt unverändert § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der
das Gesamtgut in Höhe des Wertersatzes. Vielmehr gilt unverändert § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der
übernehmende Ehegatte vermag danach den Wertersatz durch Anrechnung auf den ihm nach § 1476
Abs. 1 Satz 1 BGB gebührenden Überschussanteil zu leisten (vgl. BGH, FamRZ 1988, 926). Die
Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes führt dann nach § 274 Abs. 1 BGB zu einer Verurteilung
zur Herausgabe des eingebrachten Gegenstandes Zug um Zug gegen Anrechnung bzw. Verrechnung
des Wertersatzes auf den Überschussanteil bzw. – insoweit ein solcher nicht besteht – auf Leistung an
den anderen Ehegatten (§ 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB). Gegenüber dem Übernahmerecht kann der andere
Ehegatte mithin ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Auszahlung seines
Auseinandersetzungsguthabens ausüben (vgl. Klüber in Schröder/Bergschneider, FamVermR, Rdnr.
4.797).
Unter Beachtung dieser Grundsätze wäre vorliegend die Übernahme des von der Klägerin in das
Gesamtgut eingebrachten Grundstücks – noch – nicht möglich, da der Beklagte außerstande ist, das ihm
grundsätzlich zustehende Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Dies deshalb, weil zwischen den Parteien
der Wert des Gesamtgutes und damit der Umfang des zu verteilenden Überschusses umstritten und
ungeklärt ist. Dessen Berechnung entzieht sich einer auch nur groben Schätzung. In welchem Umfang die
Klägerin den zu leistenden Wertersatz durch Anrechnung auf ihren Anteil am Überschuss des Gesamtguts
bzw. Verrechnung damit zu leisten vermag und ob und in welcher Höhe sie dem Beklagten gemäß § 1476
Abs. 2 Satz 2 BGB als dem anderen Ehegatten verpflichtet bleibt, ist offen.
Dann aber verbleibt es bei der durch den übernehmenden Ehegatten zu erbringenden Sicherheitsleistung
nach § 273 Abs. 3 BGB. Die dem anderen Ehegatten nicht mögliche Ausübung des
Zurückbehaltungsrechts steht dessen Abwendung durch Sicherheitsleistung gleich. Die Zahlung des
vollen oder auch nur hälftigen Wertersatzes für den übernommenen Gegenstand in das Gesamtgut
widerspricht der gesetzlichen Regelung des § 1476 Abs. 2 BGB und den dieser Regelung zugrunde
liegenden berechtigten Interessen des übernehmenden Ehegatten (vgl. dazu BGH, FamRZ 1988, 926,
927). Angesichts des bislang nicht geklärten Anteils der beiden Ehegatten am Überschuss des
Gesamtguts kann andererseits nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin in Höhe des hälftigen
Wertes des von ihr herausverlangten Grundstücks dem anderen Ehegatten nach § 1476 Abs. 2 Satz 2
BGB verpflichtet bleibt, an diesen also in diesem Umfang Wertersatz zu leisten haben wird. Einer
Verurteilung der Klägerin Zug um Zug gegen Zahlung von Wertersatz an den Beklagten verbietet sich
aber, weil der durch die mögliche Verrechnung nicht gedeckte Teil des Wertersatzes nicht feststeht. Da
unstreitig keine Gesamtgutsverbindlichkeiten mehr zu berichtigen sind, ergibt sich bei Annahme des für
die Klägerin ungünstigsten Falles, wenn nämlich
der verbleibende Überschuss ohne Hinzurechnung des Wertersatzes mit Null anzusetzen wäre, ein zu
leistender Wertersatz in Höhe der Hälfte des übernommenen Grundstücks. In diesem Umfang kann der
Beklagte Sicherheitsleistung verlangen.
Der Beklagte behauptet einen Wert des von der Klägerin herausverlangten Grundstücks von
158 000,00 €. In Höhe des hälftigen Wertes von mithin 79 000,00 € ist die Klägerin gehalten, Zug um Zug
gegen Übereignung des Grundstücks Sicherheit zu leisten. Die Art der Sicherheitsleistung bestimmt sich
nach §§ 232 ff BGB mit der Maßgabe, dass nach § 273 Abs. 3 Satz 2 BGB die Sicherheitsleistung durch
Bürgen ausgeschlossen ist.
Der Zug um Zug zu leistenden Sicherheit steht auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242
BGB) entgegen. Ob der Beklagte die Auseinandersetzung des Gesamtgutes bislang nicht betrieben bzw.
daran nicht aktiv mitgewirkt hat, mag dahinstehen. Die Klägerin ihrerseits ist jedenfalls nicht gehindert, die
Auseinandersetzung notfalls prozessual durchzusetzen. Sie hat gegen den Beklagten durchsetzbare
Rechte auf Auskunft und Mitwirkung und mag Auseinandersetzungsklage erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache
einmal grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert. Zur Frage des zu leistenden Wertersatzes bei Ausübung des
Übernahmerechtes gemäß § 1477 Abs. 2 BGB und ungeklärtem Umfang des zu verteilenden
Überschusses am Gesamtgut ist bislang – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch keine Entscheidung
ergangen.
Hoffmann Geisert Kratz
Beschluss:
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO auf einen
Betrag zwischen
79.000.—EUR
festgesetzt.
Hoffmann Geisert Kratz