Urteil des OLG Zweibrücken vom 14.08.2006

OLG Zweibrücken: unterhalt, verfahrenskosten, zumutbarkeit, freibetrag, prozesskosten, anteil, quelle, vergleich, einzelrichter, ehescheidung

OLG
Zweibrücken
14.08.2006
5 WF 101/06
5 WF 101/06
41 F 233/03
Amtsgericht Speyer
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
H…
K…-M…,
Antragsgegnerin und Bschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …, …,
gegen
J…
K…
Antragsteller,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …, …,
wegen Ehescheidung und Folgesachen,
hier: Änderung der bewilligten Prozesskostenhilfe,
hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als
Familiensenat
durch den Richter am Oberlandesgericht Kratz als Einzelrichter
auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 25. Juli 2006, eingegangen am 28. Juli 2006
gegen den Beschluss des Rechtspflegers beim Amtsgericht – Familiengericht – Speyer vom 14. Juli 2006,
zugestellt am 19. Juli 2006,
ohne mündliche Verhandlung am 14. August 2006
beschlossen:
Der Beschluss des Rechtspflegers beim Amtsgericht – Familiengericht – Speyer vom 14.
Juli 2006 wird aufgehoben.
G r ü n d e :
I.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen eines Scheidungsverbundverfahrens von dem Antragsteller
nachehelichen Unterhalt geltend gemacht. In erster Instanz wurde ihr ein monatlicher Unterhalt in Höhe
von 285 € durch das Familiengericht zugesprochen. Die in zweiter Instanz alleine anhängige Folgesache
Unterhalt endete mit einem am 31. August 2005 vor dem Berufungsgericht geschlossenen
Prozessvergleich, in dem sich der berufungsführende Antragsteller zur Abgeltung sämtlicher,
nachehelicher Unterhaltsansprüche zur Zahlung von 8.000 €, zahlbar in zwei Teilbeträgen zu je 4.000 €,
verpflichtete. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben. Für das
Berufungsverfahren war der Antragsgegnerin ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Die Ehe der
Parteien ist seit Mai 2005 rechtskräftig geschieden.
Mit dem angegriffenen Beschluss änderte der Rechtspfleger den Prozesskostenhilfe für das
Berufungsverfahren bewilligenden Beschluss und gab der Antragsgegnerin auf, die auf sie entfallenden
Gerichts- und Anwaltskosten aus ihrem – infolge des Prozessvergleichs erhaltenen - Vermögen zu
entrichten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie geltend macht, tatsächlich erst
7.000 € erhalten zu haben. Der Abgeltungsbetrag sei aus dem für 36 Monate geschuldeten Unterhalt
berechnet worden. Diesen Betrag benötige sie für ihren Lebensunterhalt, weil sie nur über ein
monatliches Einkommen in Höhe von 400 € verfüge.
II.
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und in zulässiger Weise, insbesondere rechtzeitig eingelegte,
sofortige Beschwerde führt in der Sache zu dem angestrebten Erfolg. Die Voraussetzungen für die
Abänderung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO sind vorliegend nicht
erfüllt.
Zwar geht der angegriffene Beschluss im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass eine wesentliche
Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse darin liegen kann,
dass die klagende Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, eine vergleichsweise Zahlung
des Gegners auf den Klageanspruch erhalten hat. Sofern der Vermögenszufluss die maßgebliche
Freigrenze der § 115 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG übersteigt, ist er wesentlich und es kommt
damit grundsätzlich in Betracht, die von der Prozesskostenhilfe gedeckten Gerichts- und
Rechtsanwaltskosten nunmehr nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO gegen die Partei geltend zu machen (OLG
Koblenz, OLGR 2004, 670).
Vorstehendes gilt auch, wenn und soweit durch einen Vergleich unterhaltsrechtliche Ansprüche der Partei
geregelt wurden. Auch ein aufgelaufener und später in einem Betrag erhaltener Unterhaltsrückstand ist
Vermögen im Sinne des § 120 ZPO, welches die Partei zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen
hat. Vorliegend hat die Antragsgegnerin bislang einen das Schonvermögen in Höhe von 2.600 € um
4.400 € übersteigenden Betrag tatsächlich erhalten.
Allerdings handelt es sich bei der im Rahmen des § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO zu treffenden Entscheidung
um eine Ermessensentscheidung. Wenn auch der Gesetzgeber durch die Festlegung von
Vermögensfreigrenzen (bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) bereits einen ganz wesentlichen
Umstand für die Frage nach der Zumutbarkeit der Tragung der Verfahrenskosten vorgegeben hat, so
kommen gleichwohl bei der Änderung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe weitere Umstände in
Betracht, die bei der Ermessensentscheidung von Bedeutung sind. Insoweit war vorliegend zu
berücksichtigen, dass es sich bei dem erhaltenen Vermögen um eine Unterhaltszahlung handelt, die nur
zum Teil aus einem Unterhaltsrückstand resultiert, im Übrigen aber auch den zukünftigen Unterhalt der
Antragsgegnerin teilweise sichern soll. Die Antragsgegnerin verfügte in der Vergangenheit nicht über
eigene Geldmittel, mit denen ihr notwendiger Unterhaltsbedarf gedeckt war. Ihr wäre ratenfreie
Prozesskostenhilfe auch dann zu bewilligen gewesen, wenn der Antragsteller den von ihm geschuldeten
Unterhalt rechtzeitig gezahlt hätte, also kein Unterhaltsrückstand aufgelaufen wäre (vgl. OLG Hamm,
FamRZ 1996, 1291). Der über dem Schonbetrag liegende Betrag von 4.400 € reicht angesichts der
aktuellen Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin, die 400 € monatlich verdient, gerade einmal aus,
um deren notwendigen Unterhaltsbedarf für etwa 1 Jahr zu decken (vgl. Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., §
120 Rnr. 17). Von der Antragsgegnerin zu tragende Anwalts- und Gerichtsgebühren für das
Berufungsverfahren würden rund 1.100 € betragen, also immerhin rund ¼ des den Freibetrag
übersteigenden Betrages ausmachen. Es liegt auch nahe, dass die vergleichsweise Einigung der
Parteien über die Kosten des Verfahrens von der Überlegung mitbestimmt war, dass beiden Parteien
Prozesskostenhilfe bewilligt worden war. Nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens hätte der
Antragsteller einen größeren Anteil der durch das Berufungsverfahren verursachten Kosten tragen
müssen. Unter diesen Umständen ist es nicht angemessen, der Antragsgegnerin nachträglich die im
Rahmen der Prozesskostenhilfe übernommenen Kosten aufzuerlegen.
Kratz