Urteil des OLG Zweibrücken vom 25.08.2000

OLG Zweibrücken: besondere härte, freibetrag, mittellosigkeit, vergütung, verordnung, gleichbehandlung, vormundschaft, mündel, gesetzesentwurf, quelle

BGB-IV/FGG
OLG
Zweibrücken
25.08.2000
3 W 151/00
Die Bestimmung des vom Betreuten einzusetzenden Vermögens ist nach der Neuregelung durch das
Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 gemäß §§ 1836 c Nr. 2 BGB, 88 BSHG
vorzunehmen. Das Schonvermögen ist somit entsprechend den nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1
Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung i.d.F. vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) festgesetzten Beträgen
zu bemessen. Hiernach beläuft sich der dem Betreuten zu belassende Freibetrag nur in den besonderen
Fällen des § 67 und des § 69 a BSHG auf 8000,-- DM. Das gilt auch, wenn Leistungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz bezogen werden. § 25 f Abs. 2 BVG ist insoweit nicht einschlägig.
G r ü n d e: I. Wegen Mittellosigkeit der Betroffenen sind dem Beteiligten zu 1) für den Zeitraum vom 1. Juli
bis 30. September 1999 gemäß §§ 1836 a, 1836 d BGB im Dezember 1999 als Betreuervergütung und
Auslagenersatz 3865,66 DM aus der Staatskasse gezahlt worden. Nach Anhörung des Betreuers hat das
Amtsgericht sodann mit Beschluss vom 25. Januar 2000 gemäß §§ 1836 e BGB, 56 Abs. 1 Satz 2, 69 e
FGG bestimmt, dass die Betroffene einen Betrag von 520,-- DM an die Staatskasse zu erstatten hat.
Insoweit sei ihr Vermögen nach Maßgabe der §§ 1836 c Nr. 2 BGB, 88 BSHG einzusetzen, weil sie über
ein Kontoguthaben von 5 023,22 DM verfüge, was nach Abzug des Schonbetrages von 4 500,-- DM den
festgesetzten Erstattungsbetrag ergebe. Demgegenüber beruft sich die Betroffene darauf, sie erhalte
Leistungen der Fürsorgestelle für Kriegsopfer nach § 26 c Abs. 9 BVG, so dass nach § 25 f BVG ein
Schonbetrag von derzeit 9 141,-- DM in Ansatz zu bringen sei. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Betroffene ihr Ziel weiter. II. 1. Die sofortige
weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 21 Abs. 2, 20, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG).
Nach der Neuregelung in § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG ist in Verfahren über die Vergütung und den Ersatz
von Aufwendungen des Betreuers die sofortige Beschwerde statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie -
wie hier - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat. Die Beschwerdebefugnis der
Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen hat. 2.
Das Rechtsmittel führt in der Sache indes nicht zum Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts
beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1, 550 ZPO). a) Das gilt zunächst, soweit die
Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass ungeachtet der Leistungen nach dem
BVG ein Freibetrag von 4 500,-- DM zu gewähren ist. Allerdings käme es bei dem festgestellten
Kontostand der Betroffenen von ca. 5 000,-- DM auf die Frage eines erhöhten Schonvermögens nach § 25
f Abs. 2 BVG nicht an, wenn der ihr zu belassende Barbetrag ohnehin bei 8 000,-- DM läge (vgl. zur
Rechtsprechung vor der Änderung durch das Betreuungsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 BayObLGZ
1995, 212, 214; FG-Prax 1997, 102; KG FG-Prax 1997, 224 = NJW-RR 1998 436, 437; offengelassen
Senat Beschluss vom 9. Oktober 1998 - 3 W 190/98 - veröffentlicht OLGR 1999, 106, 108 = BtPrax 99, 32,
33). Diese Auffassung ist indes durch das In-Kraft-Treten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes am 1.
Januar 1999 überholt. Das einzusetzende Einkommen und Vermögen des Betreuten ist nunmehr nach §§
1908 i Abs. 1, 1836 c BGB zu bestimmen. Der Betreute hat danach sein Vermögen nach Maßgabe des §
88 BSHG einzusetzen, § 1836 c Nr. 2 BGB. Für die Bestimmung des Schonvermögens gilt somit § 88 Abs.
2 Nr. 8, Abs. 4 BSHG i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung in der Fassung vom 23. Juli 1996
(BGBl. I S. 1088). Hiernach beläuft sich der dem Betroffenen zu belassende Freibetrag nur in den
besonderen Fällen des § 67 und des § 69 a Abs. 3 BSHG auf 8 000,-- DM. Soweit demgegenüber das
Landgericht München (BtPrax 2000, 134, 135; ebenso Palandt/Diederichsen, BGB 59. Aufl. § 1836 c Rdnr.
5; Knittel, BtG § 1836 Anm. 11) an der früheren Rechtsprechung des BayObLG festhält, vermag der Senat
dem nicht zu folgen. Während es bis zum In-Kraft-Treten des Betreuungsrechtsänderungesetzes der
Rechtsprechung überlassen war, Kriterien für die Mittellosigkeit nach § 1835 Abs. 4 BGB zu erarbeiten
(vgl. dazu Senat aaO; Deinert, FamRZ 1999 1187, 1188), enthält die Neuregelung in §§ 1836 c bis 1836 e
BGB Vorschriften, die den Begriff der Mittellosigkeit definieren und der Staatskasse die Möglichkeit
eröffnen, von ihr verauslagte Beträge zur Deckung von Ansprüchen auf Aufwendungsersatz oder
Vergütung im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeiten des Betreuten geltend zu machen (vgl. BT-
Drucks. 13/7158 S. 29). Durch die ab 1. Januar 1999 geltenden gesetzlichen Vorschriften ist auch die
frühere Rechtsprechung überholt, insbesondere verbietet es sich, nach wie vor allgemein von einer
grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Situation von Betreuten mit dem Personenkreis, dem nach der
Durchführungsverordnung der Freibetrag von 8 000,-- DM zusteht, auszugehen (vgl. BayObLG BtPrax
1998, 236, 237 für die Zeit bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung). Ebensowenig ist erkennbar, aus
welchen Gründen es für die Bestimmung des Freibetrages darauf ankommen soll, ob eine hilfebedürftige
Person von sich aus um Hilfe nachsucht oder die Hilfeleistung von Amts wegen erfolgt (so LG München
aa0). Entscheidend ist allein, dass der Gesetzgeber bei Erlass der neuen Vorschriften für das
einzusetzende Vermögen nunmehr auf § 88 BSHG verweist und damit auch die unterschiedlichen
Schonbeträge nach der zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG erlassenen Durchführungsverordnung zur Anwendung
kommen (vgl. die Begründung zum Gesetz BT-Drucks. 13/7158 S. 31). Einzelfälle besonderer Härte sind
nach § 88 Abs. 3 BSHG zu behandeln (vgl. BT-Drucks. aaO; Deinert aa0 1188, 1189; Erman/Holzhauser,
BGB 10. Aufl. § 1836 c Rdnr. 10). Ansonsten kommt die Zubilligung eines Freibetrages in Höhe von 8
000,-- DM nur noch bei Blinden (§ 67 BSHG) und Schwerstpflegebedürftigen (§ 69 a Abs. 3 BSHG) in
Betracht. Soweit der Senat mit seiner Auffassung von derjenigen des Bayerischen Obersten Landgerichts
abweicht, bedarf es im Hinblick auf die zwischenzeitliche Gesetzesänderung keiner Vorlage an den
Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG. Zudem hat das Bayerische Oberste Landgericht in seinem
Beschluss vom 22. Juli 1998 (BtPrax 1998, 236, 237) ausdrücklich offengelassen, ob die Neuregelung
des § 1836 c Nr. 2 BGB zu einer anderen Beurteilung führen werde. Dass hier die Vorinstanzen keine
näheren Feststellungen zur Art der Behinderung der Betroffenen getroffen haben, nötigt nicht zur
Aufhebung und Zurückverweisung der Sache. Die tatsächlichen Grundlagen für die danach
vorzunehmende Beurteilung sind hinreichend geklärt. Weder die Akten noch das Beschwerdevorbringen
geben irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass in der Person der Betroffenen ein Fall der §§ 67, 69 a Abs.
3 BSHG bzw. eine besondere Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG vorliegen könnte. b) Die
angefochtene Entscheidung ist auch nicht deshalb rechtlich zu beanstanden, weil das Landgericht in
Übereinstimmung mit dem Amtsgericht es abgelehnt hat, zugunsten der Betroffenen den Schonbetrag
nach § 25 f Abs. 2 BVG (derzeit 9 286,-- DM vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG § 25 f BVG Rdnr. 6) in
Ansatz zu bringen. Auch insoweit ist die zum früheren Recht ergangene Rechtsprechung (vgl. etwa LG
Duisburg Rpfleger 1993, 196; LG Osnabrück Nds.Rpfleger 1994, 188) überholt (a. A. Deinert, FamRZ
1999, 1187, 1188; Knittel aa0 § 1836 c Rdnr. 11). Ziel der Neuregelung in §§ 1836 c bis 1836 e BGB war
es, finanziell Bedürftigen bei der Bewältigung der durch Vormundschaft oder durch
Betreuungsbedürftigkeit verursachten Kosten in vergleichbarem Umfang öffentliche Hilfe zuteil werden zu
lassen, wie Personen, bei denen sich ähnliche Lebensrisiken aktualisiert haben. Im Interesse
größtmöglicher Gleichbehandlung aller Personengruppen, die finanziell staatlicher Hilfe bedürfen, sollten
Mündel und Betreute in größerem Umfang von den Kosten freigestellt werden (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S.
29 f.). Dieses Bestreben hat der Gesetzgeber durch Heranziehung des Sozialhilferechts gelöst. In den §§
1836 c, 1836 e BGB ist ausdrücklich auf die Vorschriften des BSHG verwiesen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S.
30 f.). Für das einzusetzende Vermögen ist sonach gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB allein § 88 BSHG
maßgebend, nicht hingegen § 25 f BVG. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht im Wege der
Auslegung erreichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt zwar eine lückenfüllende
Gesetzesauslegung und -anwendung in Betracht, wenn sich zweifelslos feststellen lässt, dass der
Gesetzgeber - hätte er die Problematik erkannt - eine entsprechende Regelung getroffen hätte (vgl. zur
Verschmelzung einer GmbH auf ihren minderkaufmännisch tätigen Alleingesellschafter BGH NJW 1998,
2536). Hier ist aber die in § 1836 c Nr. 2 BGB getroffene Regelung unter Heranziehung der
Gesetzesmaterialien eindeutig. In der Begründung zum Gesetzesentwurf wird nicht nur auf die
abgestuften Schonbeträge nach der Durchführungsverordnung zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG hingewiesen.
Darüber hinaus sind auch die Härtefallregelung und der Sonderfall eines erhöhten Schonbetrages nach §
88 Abs. 3 Satz 3 BSHG ausdrücklich angesprochen (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 31). Angesichts der
danach getroffenen klaren und eindeutigen Regelung kommt ein Rückgriff auf § 25 f Abs. 2 BVG nicht in
Betracht. Etwaigen Härten im Einzelfall kann ohne Weiteres durch die Anwendung des § 88 Abs. 3 Satz 1
und 2 BSHG entgegengewirkt werden. Insoweit reicht aber entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde allein der Umstand, dass die Betroffene Leistungen nach dem BVG erhält, nicht aus.
Sonstige Tatsachen, aus denen sich eine unzumutbare Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 1 und 2
BSHG ergeben könnte, sind - wie bereits dargelegt - weder vorgetragen noch ersichtlich. 3. Die
Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Die Anordnung einer
Kostenerstattung gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG ist nicht veranlasst. Den Wert des
Beschwerdegegenstandes hat der Senat entsprechend dem Betrag des festgesetzten
Rückerstattungsanspruchs bestimmt, §§ 25 Abs. 2, 12 Abs. 1 GKG i.V.m. 3 ZPO.