Urteil des OLG Stuttgart vom 17.04.2015

unabhängigkeit des richters, verfügung, wirksame beschwerde, präsidium

OLG Stuttgart Urteil vom 17.4.2015, DGH 3/13
Richterdienstrecht: Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung
hinsichtlich der Erledigungszahl und des Verfahrensbestands eines Dezernats
Leitsätze
Nicht rechtskräftig
Tenor
I. Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei
dem Landgericht K. vom 04.12.2012 - RDG 7/12 - wird
zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Mit seiner Berufung wendet sich der Antragsteller gegen das Urteil des
Dienstgerichts für Richter vom 04.12.2012 - RDG 7/12 -, mit dem dieses seinen
Antrag zurückgewiesen hat, festzustellen, dass die mit Verfügung vom 08.06.2011
erfolgte Anordnung der Sonderprüfung und deren Durchführung unzulässig
gewesen seien.
2 Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 12.07.2002, ausgehändigt am
29.07.2002, zum Richter am Oberlandesgericht beim Oberlandesgericht K.
ernannt. Er wurde zunächst dem ... Zivilsenat, zum 01.07.2007 dem ... Zivilsenat in
F. und zum 01.04.2011 dem ... Zivilsenat in F. zugewiesen.
3 Am 30.04.2010 fand ein Gespräch zwischen der Präsidentin des
Oberlandesgerichts Frau Prof. Dr. H., dem damaligen Vorsitzenden des ...
Zivilsenats, Herrn E., und dem Antragsteller statt, in dem u. a. die
Erledigungszahlen und der Verfahrensbestand im Dezernat des Antragstellers
erörtert wurden und der Antragsteller seine Arbeitsweise und deren Auswirkungen
auf die Erledigungszahlen erläuterte.
4 Unter dem 08.06.2011 fertigte der Präsidialrichter Richter am Oberlandesgericht B.
folgenden Vermerk (Sammelakten 313 III - X. -Sonderprüfung 4a [im Folgenden:
Sammelakten 313 III], AS 3):
5 „1. Vermerk:
6 Anruf von VROLG Dr. L. gegen 14.30 Uhr: Herr Dr. L. kündigt an, in einem der
ursprünglich von ROLG X. im ... Zivilsenat als BE bearbeiteten Verfahren
möglicherweise das Präsidium zu der Frage anzurufen, ob dieses Verfahren mit
dem Wechsel des ROLG X. in die Zuständigkeit des ... Zivilsenats übergegangen
ist. Bei dieser Gelegenheit berichtet VROLG Dr. L., dass sich in dem von ROLG X.
hinterlassenen Verfahrensbestand eine große Zahl völlig unzureichend geförderter
Verfahren befinde. Zum Teil sei über mehrere Monate versäumt worden, die
Verfahren zu fördern.“
7 Mit folgender Verfügung vom 08.06.2011 (Sammelakten 313 III, AS 7) ordnete die
Präsidentin des Oberlandesgerichts eine Sonderprüfung der Verfahren an, die der
Antragsteller bei seinem Wechsel in den ... Zivilsenat im ... Zivilsenat
zurückgelassen hatte:
8 „
Verfügung vom 08.06.2011
9 1. Aus Anlass einer telefonischen Mitteilung des Vorsitzenden Richters am
Oberlandesgericht Dr. L. vom 8.6.2011 über die hohe Anzahl unzureichend
bearbeiteter Altverfahren in dem vom Richter am Oberlandesgericht X.
zurückgelassenen Verfahrensbestand wird eine Dezernatssonderprüfung über
diese Verfahren in dem nun von Richter am Landgericht M. (..d) geführten
Dezernat durchgeführt. Sämtliche am 1.4.2011 nach dem Wechsel des BE ROLG
X. im ... Zivilsenat verbliebene Akten sollen zum Oberlandesgericht nach K.
verschafft werden.“
10 Der Antragsteller wurde über die Durchführung dieser Sonderprüfung nicht vorher
informiert. Die Sonderprüfung wurde durch den Vizepräsidenten des
Oberlandesgerichts, Herrn S., durchgeführt. Dieser erstellte hinsichtlich 48
hinterlassener Verfahren tabellarische Einzelberichte (Sammelakten 313 III, AS
13/97).
11 Am 12.10.2011 erließ die Präsidentin des Oberlandesgerichts folgende Verfügung
(Sammelakten 313 III, AS 145/147), die Gegenstand des Parallelverfahrens RDG
5/12 (= DGH 1/13) ist:
12
„Verfügung vom 12.10.2011
13 1. Vermerk:
14 Nach einem Hinweis des Vorsitzenden des ... Zivilsenats des Oberlandesgerichts
K. auf eine hohe Zahl unzureichend bearbeiteter Verfahren in dem Respiziat ..d
(ROLG X.) hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts K. mit Verfügung vom
08.06.2011 eine Sonderprüfung angeordnet, die inzwischen stattgefunden hat.
Dabei wurde festgestellt, dass ROLG X. in der Zeit seiner Zugehörigkeit zum ...
Zivilsenat ihm dort zugeschriebene Verfahren in großer Zahl zum Teil über Jahre
und teilweise trotz erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit nicht oder
jedenfalls nur völlig unzureichend bearbeitet hat. Die Einzelergebnisse wurden von
Vizepräsident des Oberlandesgericht S. für 48 gravierende Fälle dokumentiert. In
dem Zeitraum von 2008 - 2010 hat ROLG X. lediglich zum Abschluss gebracht:
15
U–Verfahren W-Verfahren
2008 43
23
2009 58
22
2010 48
34
16 Dies Erledigungsleistung entsprach nur etwa 68% der von den Richterinnen und
Richtern des Oberlandesgerichts K. in dem genannten Zeitraum durchschnittlich
erledigten Verfahren. Der Bestand an anhängigen Verfahren im Respiziat des
ROLG X. wuchs deshalb um 67 % von 76 offenen Verfahren zum Ende des Jahres
2008 auf 127 offene Verfahren zum Ende des Jahres 2010 an.
17 Auch nach seinem Wechsel in den ... Zivilsenat zum April 2011 gelingt es ROLG X.
nicht, in quantitativer Hinsicht auch nur annähernd durchschnittliche Ergebnisse zu
erzielen. Dies hat zur Folge, dass im Respiziat des Richters im ... Zivilsenat
zwischen April und Oktober 2011 ein Zuwachs von 32 im Bestand an anhängigen
U-Verfahren zu verzeichnen ist. Der Zuschreibung von 31 U-, 15 W- und 6 AR-
Sachen steht in dem Zeitraum 01.04.-10.11.2011 eine Erledigung von 9 U-, 11 W-
und 4 AR-Sachen gegenüber.
18 Durch die unzureichende Erledigung der dem Richter durch das Präsidium des
Oberlandesgerichts K. und die senatsinterne Verteilung übertragenen
Amtsgeschäfte hat der Richter neben dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf ein
faires und zügiges Verfahren auch deren Recht auf eine wirksame Beschwerde
verletzt. Soweit er aus nicht mitgeteilten Gründen nicht in der Lage war, die ihm
übertragenen Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen, hat
er seine Verpflichtung zur Anzeige dieser Umstände gegenüber dem Präsidium
verletzt und diesem damit die Möglichkeit genommen, durch eine Änderung der
Geschäftsverteilung auf eine unverzögerte Erledigung der
Rechtsprechungsaufgabe hinzuwirken.
19 Es ist beabsichtigt, dem Richter im Rahmen der Dienstaufsicht der Präsidentin des
Oberlandesgerichts die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte
gemäß § 26 Abs. 2 DRiG vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter
Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.
20 Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat mit Urteil vom 08.11.2006
- RiZ(R) 2/05 - (NJW-RR 2007, 281 m.w.N.) bekräftigt, dass die Dienstaufsicht
gemäß § 26 DRiG die Befugnis umfasst, dem Richter die ordnungswidrige Art der
Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und ihn zu unverzögerter Erledigung
der Amtsgeschäfte zu ermahnen, soweit nicht die richterliche Unabhängigkeit
beeinträchtigt wird ( 26 Abs. 1 und 2 DRiG). Ein solcher Vorhalt und eine solche
Ermahnung stellen grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit dar. Anders ist dies nur zu werten, wenn dem Richter indirekt ein
Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern, in
sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (st. Rspr. vgl. BGH, Urteile vom 16.
September 1987 – RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 –
RiZ (R) 5/04, NJW 2006, 692 f.). Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr zielen Vorhalt
und Ermahnung im vorliegenden Fall darauf, den Richter zu einem
Erledigungspensum anzuhalten, das so im Durchschnitt aller Richterinnen und
Richter des Oberlandesgerichts erbracht wird…“
21 Der Vermerk wurde dem Antragsteller am 18.10.2011 ausgehändigt.
22 Unter dem 26.01.2012 erließ die Präsidentin des Oberlandesgerichts folgenden
Bescheid (Sammelakten 313 III, AS 237/241), der Gegenstand des
Parallelverfahrens RDG 6/12 (= DGH 2/13) ist:
23 „Vorhalt und Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG
24 Sehr geehrter Herr X.,
die richterliche Unabhängigkeit verbietet nach ganz herrschender und auch von
mir geteilter Ansicht für Richter die Festlegung von Arbeitszeiten. Der von einem
Richter geschuldete Einsatz ist deshalb nach dem durchschnittlichen
Erledigungspensum vergleichbarer Richterinnen und Richter zu bemessen (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982-2 B 12/82 - (NJW 1983,62 – juris Rn. 3 a.E.).
Das Durchschnittspensum unterschreiten Sie seit Jahren ganz erheblich und
jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche. Im Jahr 2011
erledigten Sie sogar weniger Verfahren, als dies der durchschnittlichen Leistung
einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspricht.
25 ... (Tabelle) ...
26 Nach § 26 Abs. 2 DRIG halte ich Ihnen deshalb die ordnungswidrige Art der
Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahne Sie zu ordnungsgemäßer,
unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte. Die von Ihrem Bevollmächtigten
nach Ablauf der Ihnen gewährten Stellungnahmefrist beantragte weitere
Fristverlängerung lehne ich ab. Ich hatte Ihnen die beabsichtigte Maßnahme der
Dienstaufsicht und deren Begründung bereits am 18.10.2011 erläutert und Ihnen,
eine auf Ihr Gesuch verlängerte Stellungnahmefrist bis zum 20.01.2012
eingeräumt. Innerhalb dieser Frist von einem Vierteljahr hatten Sie ausreichend
Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei ist zu sehen, dass Sie den Grund der
Maßnahme, d.h. Ihre unterdurchschnittliche Erledigungsleistung, nicht in Abrede
gestellt, sondern in Ihrer Überlastungsanzeige vom 31.10.2011 ausdrücklich
eingeräumt haben, schon seit 2002 am OLG als Berichterstatter in der Regel
statistisch zu weniger Verfahrenserledigungen beigetragen zu haben, als der
Durchschnitt der Kolleginnen und Kollegen. Auch haben Sie die Ihnen eröffnete
Möglichkeit, dem Präsidium in der Präsidiumssitzung vom 16.12.2011 zu der
Problematik Rede und Antwort zu stehen, nicht genutzt, da das Präsidium Ihrem
Bevollmächtigten aus Rechtsgründen die Teilnahme an der Präsidiumssitzung
nicht gestattet hat.
27 Eine Beeinträchtigung ihrer richterlichen Unabhängigkeit ist mit dieser Maßnahme
der Dienstaufsicht nicht verbunden. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die
Dienstaufsicht das Recht, Richtern die ordnungswidrige Art der Ausführung der
Amtsgeschäfte vorzuhalten und Sie zu ordnungsgemäßer, unverzögerter
Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Es kann deshalb keinem Zweifel
unterliegen, dass die monatelange Nichtbearbeitung von Teilbereichen eines
richterlichen Dezernats ebenso beanstandet werden kann wie ein
unbefriedigendes Arbeitspensum eines Richters (vgl. BGH Dienstgericht des
Bundes, Urteil vom 22.09.1998 - RiZ 2/97 -‚ DRiZ 1999, 141 <144> m.w.N.; stRspr.;
vgl. auch Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 26 Rn. 24 a.E.).“
28 Gegen die Anordnung der Sonderprüfung mit Verfügung vom 08.06.2011 und
deren Durchführung legte der Antragsteller mit Anwaltsschriftsatz vom 29.05.2012
Widerspruch ein und ergänzte dessen Begründung mit Schriftsatz vom
26.06.2012. Diesen Widerspruch wies die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit
Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 (Sammelakten 2000 III/So - X. – 3, AS
17/19), dem Antragsteller zugestellt am 02.08.2012, zurück. Daraufhin reichte der
Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.08.2012, beim Dienstgericht für Richter
eingegangen am 03.09.2012, Klage ein, mit der er zuletzt in der mündlichen
Verhandlung vom 04.12.2012 beantragt hat,
29 festzustellen, dass die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung betreffend
die richterliche Tätigkeit des Antragstellers im ... Zivilsenat des Oberlandesgerichts
K. und der Widerspruchsbescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts K. vom
27.07.2012 unzulässig sind.
30 Mit Urteil vom 04.12.2012 hat das
Dienstgericht
den Antrag zurückgewiesen, da
die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung und der
Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 die richterliche Unabhängigkeit des
Antragstellers nicht beeinträchtigten. In der Rechtsmittelbelehrung hat das
Dienstgericht mitgeteilt, dass gegen das Urteil innerhalb eines Monats nach
Zustellung schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden könne. Wegen
der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung der Entscheidung sowie des
Inhalts der Rechtsmittelbelehrung wird auf das Urteil vom 04.12.2012 Bezug
genommen (RDG 7/12, AS 159/191). Das Urteil wurde der
Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 11.01.2013 zugestellt.
31 Mit dem am 11.02.2013 beim Dienstgericht für Richter eingegangenen Schriftsatz
seiner Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag hat der Antragsteller gegen
das Urteil
Berufung
eingelegt. Zu deren Begründung trägt der Antragsteller vor:
32 Infolge der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Dienstgerichts laufe keine
Rechtsmittelfrist, weshalb die Berufung wirksam eingelegt sei. Bei seinen zuletzt in
zweiter Instanz gestellten Anträgen handele es sich nicht um eine Klageänderung,
sondern um eine Konkretisierung seines Rechtsschutzziels.
33 Die Sonderprüfung habe nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem
späteren Bescheid vom 26.01.2012 gestanden. Sie sei heimlich – hinter dem
Rücken des Antragstellers – erfolgt und willkürlich gewesen. Die Sonderprüfung
habe allein dazu dienen sollen, den Antragsteller einzuschüchtern. Ziel der
Präsidentin des Oberlandesgerichts sei es gewesen, den Antragsteller durch
Druck dazu zu veranlassen, seine Arbeitsweise grundlegend zu ändern und damit
das Recht anders anzuwenden, als es seiner Verantwortung als Richter
entspreche. Er habe sich in seiner Rechtsprechung dem Willen und den
Interessen der Dienstaufsicht beugen sollen, damit „bessere Zahlen“ erzielt
würden. Dabei handele es sich um einen direkten Angriff auf die richterliche
Unabhängigkeit des Antragstellers, der nicht von § 26 Abs. 2 DRiG gedeckt sei
und einen Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG darstelle.
34 Das Dienstgericht habe den Sachvortrag des Antragstellers übergangen und
fehlerhaft wiedergegeben:
35 Der Antragsteller habe bis zur Übergabe des Vermerks vom 12.10.2011 am
18.10.2011 keine Kenntnis von der Anordnung und Durchführung der
Sonderprüfung gehabt, so dass die Heimlichkeit der Durchführung dieser
Maßnahme außer Streit stehe.
36 Ebenfalls außer Streit stehe, dass das Telefongespräch zwischen dem
Vorsitzenden des ... Zivilsenats, Herrn L., und dem Präsidialrichter, Herrn Dr. B.,
vom 08.06.2011 keine Informationen ergeben habe, die Anlass für die
Sonderprüfung gewesen seien oder einen solchen Anlass hätten geben können.
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts sei zu jedem Zeitpunkt vollständig
informiert gewesen über die Anzahl der im Dezernat des Antragstellers
anhängigen Verfahren, deren Alter und die Verzögerungsgründe. Diese
Informationen hätten der Präsidentin zur Verfügung gestanden aufgrund des
ausführlichen Gesprächs vom 30.04.2010 mit dem Antragsteller und dem
damaligen Vorsitzenden des ... Zivilsenats, Herrn E., – dessen Verlauf durch den
Vermerk des Antragstellers vom 06.11.2011 (Auszug: Bl. 279/287) dokumentiert
werde – und aufgrund der jederzeit verfügbaren statistischen Daten sowie aus
einem ständigen persönlichen Austausch der Präsidentin mit Herrn E.. Der Hinweis
in dem Vermerk vom 08.06.2011 auf „völlig unzureichend bearbeitete Verfahren“
sei inhaltsleer. Die „völlig unzureichende Bearbeitung“ sei keine Information,
sondern eine schon aus sich heraus unzutreffende Bewertung. Der Antragsgegner
habe zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, welche Informationen im Telefongespräch
vom 08.06.2011 für die Präsidentin neu und sachlicher Anlass für die
Sonderprüfung gewesen seien. Unzutreffend sei, dass das Telefongespräch vom
08.06.2011 in irgendeinem Zusammenhang mit einem Dezernatswechsel im ...
Senat gestanden habe. Der Berichterstatterwechsel habe bereits am 01.04.2011
stattgefunden; zum selben Zeitpunkt sei auch Herr L. als Vorsitzender in den Senat
eingetreten. Die Spekulation des Dienstgerichts, dass das Telefongespräch „im
Kontext mit der Übernahme des Dezernats“ durch einen abgeordneten Richter
gestanden habe, sei falsch und habe keine Grundlage im Sachvortrag der
Parteien. Jeder Richter am Oberlandesgericht wisse, dass bei einem
Dezernatswechsel alle „Zahlen“ sowie eine eventuelle besondere Dringlichkeit
bestimmter Verfahren sofort, in der Regel schon vor dem Dezernatswechsel,
besprochen würden. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Zahlen des
Antragstellers im ... Zivilsenat schon lange vorher von der Verwaltung genau
beobachtet worden und insbesondere Gegenstand des Gesprächs am 30.04.2010
gewesen seien. Im Übrigen habe Herr E. noch am 19.01.2011 die üblichen
Meldungen über die mehr als zwei Jahre anhängigen Verfahren auch für das
Dezernat des Antragstellers abgegeben. Soweit das Dienstgericht spekuliere, dass
es als ausgeschlossen erscheine, dass die Dienstaufsicht im Zeitpunkt der
Anordnung der Sonderprüfung alle relevanten Umstände, die die Arbeit eines
Richters beträfen, kenne, sei dies im Zusammenhang des vorliegenden Falls
verfehlt.
37 Aus diesem gesamten Sachverhalt folge zwingend, dass es vor dem 08.06.2011
eine Absprache zwischen Frau Prof. Dr. H. und Herrn Dr. B. – möglicherweise
unter Einbeziehung von Herrn L. und des Vizepräsidenten Herrn S. – gegeben
haben müsse, wonach aus anderen Gründen, nämlich um den Antragsteller unter
Druck zu setzen, eine heimliche Sonderprüfung gegen den Antragsteller habe
durchgeführt werden sollen. Gegenstand dieser vorherigen Absprache sei auch
das Telefongespräch vom 08.06.2011 mit der Anfertigung des entsprechenden
Vermerks gewesen, um einen Vorwand für die Maßnahme aktenkundig machen
zu können.
38 Die Spekulationen und Ausführungen des Dienstgerichts, eine „Dienstnachschau“
diene der Ermittlung des Grundes, weshalb Verfahren nicht ohne Verzögerung
bearbeitet würden, und es sei vorliegend darum gegangen, durch die
Sonderprüfung den „Grad der Verzögerung“ der Verfahren zu ermitteln, habe mit
dem unstreitigen Sachverhalt nichts zu tun. Im Übrigen könne der Grad der
Verzögerung nur dann eine Relevanz haben, wenn ab einer bestimmten
„Liegezeit“ eines Verfahrens eine ordnungswidrige Tätigkeit des Berichterstatters
anzunehmen sei. Dies jedoch sei nicht der Fall, insbesondere dann nicht, wenn
sich aus dem jährlichen Rückstandsbericht des Vorsitzenden – hier: vom
19.01.2011 – keine ungewöhnlichen Informationen ergeben würden. Fehlerhaft
und unvollständig seien die Tatsachenfeststellungen des Dienstgerichts auch
insoweit, als es den Vortrag des Antragstellers, dass es keine Beschwerden von
Anwälten und Verfahrensbeteiligten gegeben habe, nicht als unstreitig eingeordnet
habe; nicht erwähnt habe, dass die Sonderprüfung kein Ergebnis im Sinne einer
Dienstpflichtverletzung ergeben und die Sonderprüfung für den späteren Bescheid
vom 26.01.2012 keine Rolle gespielt habe; und die Ziele der Präsidentin, die sich
insbesondere aus dem Bescheid vom 26.01.2012 ergäben, nicht wiedergegeben
habe.
39 Auch die rechtliche Würdigung des Dienstgerichts sei fehlerhaft. Es liege ein
Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit vor.
40 Das rechtliche Gehör des Antragstellers sei vor der Anordnung unstreitig verletzt
worden. Auch die Heimlichkeit der Sonderprüfung stelle einen Verstoß gegen die
richterliche Unabhängigkeit dar. Die Sonderprüfung sei auch willkürlich gewesen,
da es für sie keinen sachlichen Anlass gegeben habe. Weder die Gegenseite noch
das Dienstgericht hätten nachvollziehbar festgestellt, welche konkreten
Informationen, die der Präsidentin noch nicht bekannt gewesen seien, durch die
Sonderprüfung hätten möglicherweise gewonnen werden sollen. Das zeitweilige
Nichtbearbeiten von Verfahren sei nicht ordnungswidrig. Es sei bemerkenswert,
dass die angeblichen Ergebnisse der Sonderprüfung von der Präsidentin des
Oberlandesgerichts später nicht verwertet worden seien. Dies sei nur dann
erklärbar, wenn die Sonderprüfung allein eine der Einschüchterung dienende
Demonstration der Macht gegenüber dem Antragsteller habe sein sollen. Soweit
das Dienstgericht meine, eine Sonderprüfung könne geboten sein, wenn mögliche
Änderungen der Geschäftsverteilung zu prüfen seien, folge es unreflektiert der
Argumentation der Gegenseite, die abwegig sei. Denn im GVG sei nicht
vorgesehen, dass die Präsidentin eines Gerichts zur Unterstützung der Tätigkeit
des Präsidiums dienstrechtliche Sonderprüfungen gegen einen Richter vornehmen
könne.
41 Auch der Hinweis des Dienstgerichts auf Art. 6 Abs. 1 EMRK sei verfehlt.
42 Der Antragsteller hat in zweiter Instanz zunächst beantragt,
43 1. das erstinstanzliche Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht K.
vom 04.12.2012 aufzuheben und
44 2. entsprechend dem Antrag des Antragstellers in 1. Instanz festzustellen, dass die
Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung betreffend die richterliche
Tätigkeit des Antragstellers im ... Zivilsenat des Oberlandesgerichts K. und der
Widerspruchsbescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts K. vom 27.07.2012
unzulässig sind.
45 Er beantragt nunmehr:
46 1. Das erstinstanzliche Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht K.
vom 04.12.2012 wird aufgehoben.
47 2. Es wird festgestellt, dass die folgende Maßnahme der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K., nebst dem Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012,
unzulässig ist:
48 Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung im Jahr 2011 durch die
Präsidentin des Oberlandesgerichts, in Kenntnis der Tatsache, dass es für die
Sonderprüfung keinen sachlichen Anlass der Dienstaufsicht gab, mit dem Ziel der
Einschüchterung des Antragstellers, damit dieser in seiner Tätigkeit als Richter am
Oberlandesgericht – entgegen seinem Richtereid und entgegen seinen
verfassungsrechtlichen Pflichten als Richter – seine Rechtsanwendung bzw. seine
Beiträge zur Rechtsanwendung des Senats, in dem er tätig ist, in einer Vielzahl
von Fällen ändert, und damit entgegen seiner richterlichen Überzeugung Recht
spricht, um entsprechend dem Willen der Präsidentin zu mehr Fallerledigungen
beizutragen.
49 3. Hilfsweise zu Ziff. 2:
50 Es wird festgestellt, dass die folgende Maßnahme der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K., nebst dem Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012,
unzulässig ist:
51 Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung im Jahr 2011 durch die
Präsidentin des Oberlandesgerichts, in Kenntnis der Tatsache, dass es für die
Sonderprüfung keinen sachlichen Anlass der Dienstaufsicht gab, mit dem Ziel
dass der Antragsteller in seiner Tätigkeit als Richter am Oberlandesgericht –
entgegen seinem Richtereid und entgegen seinen verfassungsrechtlichen
Pflichten als Richter – seine Rechtsanwendung bzw. seine Beiträge zur
Rechtsanwendung des Senats, in dem er tätig ist, in einer Vielzahl von Fällen
ändert, und damit entgegen seiner richterlichen Überzeugung Recht spricht, um
entsprechend dem Willen der Präsidentin zu mehr Fallerledigungen beizutragen.
52 4. Hilfsweise zu Ziff. 2 und Ziff. 3:
53 Es wird festgestellt, dass die folgende Maßnahme der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K., nebst dem Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012,
unzulässig ist:
54 Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung im Jahr 2011, für die es keinen
sachlichen Anlass der Dienstaufsicht gab, die dazu diente, den Antragsteller zu
einer Änderung seiner Rechtsanwendung in seiner richterlichen Tätigkeit als
Richter am Oberlandesgericht in einer Vielzahl von Fällen zu veranlassen.
55 5. Hilfsweise zu Ziff. 2, Ziff. 3 und Ziff. 4:
56 Es wird festgestellt, dass die Anordnung und die Durchführung der Sonderprüfung
betreffend die richterliche Tätigkeit des Antragstellers im ... Zivilsenat des
Oberlandesgerichts K. und der Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 unzulässig
sind.
57 Der Antragsgegner beantragt,
58 die Berufung zurückzuweisen.
59 Der Antragsgegner sieht in den zuletzt in zweiter Instanz gestellten Anträgen eine
unzulässige Klageänderung und verteidigt das Urteil des Dienstgerichts als richtig.
60 Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf
die vor dem Dienstgericht für Richter und vor dem Dienstgerichtshof für Richter
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle des
Dienstgerichts für Richter vom 04.12.2012 (RDG 7/12, AS 153/155) und des
Dienstgerichtshofs für Richter vom 14.02.2014 (AS 397/401, Anl. AS 403/467)
sowie vom 17.04.2015 (AS 817/831, Anl. AS 833/843) Bezug genommen.
61 Der Antragsteller hat gegen die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung
und den Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 Klage vor dem
Verwaltungsgericht Freiburg erhoben. Das dortige Verfahren ruht.
Entscheidungsgründe
A.
62 Die Berufung des Antragstellers ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG in
Verbindung mit § 124 VwGO in der von 01.01.1991 bis 31.12.1996 gültigen
Fassung (a. F.) zulässig.
63 Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG gelten für das Prüfungsverfahren nach § 63 Nr.
4 f LRiStAG die Vorschriften der VwGO entsprechend, soweit das LRiStAG nichts
anderes bestimmt. Beim Inkrafttreten dieser unverändert gebliebenen
Verweisungsnorm sah die VwGO a. F. in § 124 die zulassungsfreie Berufung vor.
Diese ersetzte das 6. Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom
01.11.1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung vom 01.01.1997 durch die
Zulassungsberufung (§§ 124, 124 a VwGO n. F.). Nach Rechtsprechung des
BGH handelt es sich bei § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG zwar grundsätzlich um eine
dynamische Verweisung. Gleichwohl ist aber in Prüfungsverfahren nicht die
Zulassungsberufung an die Stelle der zulassungsfreien Berufung getreten, weil
die Regelungen über die Zulassungsberufung nach Maßgabe der §§ 124, 124 a
VwGO n. F. sowohl mit den Regelungen des LRiStAG als auch des DRiG über
die Ausgestaltung des Rechtszuges bei Prüfungsverfahren unvereinbar sind (vgl.
im Einzelnen: BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 29.03.2000 - RiZ (R)
4/99, juris Rn. 31 ff). Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Dienstgerichts
für Richter im Prüfungsverfahren gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG ist daher das
Rechtsmittel der zulassungsfreien Berufung gemäß § 124 VwGO a. F. gegeben.
64 Da die vom Dienstgericht für Richter im Urteil vom 04.12.2012 gegebene
Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen das Urteil die Zulassung der Berufung
beantragt werden könne, somit fehlerhaft ist, hat die Berufungsfrist gemäß § 124
Abs. 1 VwGO a. F. nicht zu laufen begonnen. Es gilt die Frist des § 58 Abs. 2
VwGO (i. V. m. § 79 LRiStAG). Innerhalb dieser hat der Antragsteller seine
Berufung formgerecht beim Dienstgericht für Richter eingelegt, §§ 79 LRiStAG,
124 Abs. 2 und 3 VwGO a. F..
B.
I.
65 Die in zweiter Instanz neu gefassten Anträge des Antragstellers sind zulässig.
66 1. Mit den zuletzt in zweiter Instanz gestellten Anträgen hat der Antragsteller keine
Klageänderung i. S. v. § 91 VwGO (i. V. m. § 79 Abs. 1 LRiStAG) vorgenommen,
da er mit diesen keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt hat.
67 Wie sich der Begründung der neu gefassten Anträge entnehmen lässt, verfolgt er
mit diesen weiterhin das Ziel, die beanstandete Maßnahme der Dienstaufsicht –
Anordnung der Sonderprüfung am 08.06.2011 und deren Durchführung – sowie
den Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 wegen Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit für unzulässig zu erklären. Der Antragsteller hat in
seine neu gefassten Anträge lediglich Ausführungen zu dem von ihm
behaupteten Kenntnisstand der Präsidentin des Oberlandesgerichts („in Kenntnis
der Tatsache“) und deren von ihm behaupteten subjektiven Zielen, die sie mit der
Sonderprüfung verfolgt habe („mit dem Ziel“, „die dazu diente“), sowie seine
Bewertungen des objektiven Sachverhalts („keinen sachlichen Anlass der
Dienstaufsicht“) aufgenommen, um deutlich zu machen, worin er die
Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit sieht. Der Antragsteller hat
daher weder seinen Antrag inhaltlich geändert, noch einen neuen
Lebenssachverhalt in das Verfahren eingeführt, so dass keine Klageänderung
vorliegt. Streitgegenstand ist auch in zweiter Instanz auf der Basis der neu
gefassten Anträge nach wie vor der bereits in erster Instanz aufgrund desselben
Lebenssachverhalts verfolgte Prüfungsantrag nach §§ 63 Nr. 4 f, 84 Abs. 2 S. 2
LRiStAG.
68 Der Antragsteller hat lediglich Formulierungen in den Antrag aufgenommen, die
sein Rechtsschutzziel verdeutlichen sollen. Dies führt nicht zur Unzulässigkeit der
neu gefassten Anträge. Im Prüfungsverfahren ist gem. § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO
erforderlich, dass der Antragssteller den Gegenstand des Begehrens bezeichnet,
also deutlich macht, was er mit seinem Antrag begehrt (Kopp/Schenke, VwGO,
2014, § 82 Rn. 7). Diesen Anforderungen genügen die neu gefassten Anträge
des Antragstellers. Sie entsprechen auch dem Erfordernis des bestimmten
Antrags gem. § 82 Abs. 1 S. 2 VwGO, da diesem genügt ist, wenn – wie hier –
das Ziel der Klage bzw. des Antrags hinreichend erkennbar ist (Kopp/Schenke,
ebd., § 82 Rn. 10).
69 2. Durch seine neu gefassten Anträge kann der Antragsteller allerdings nicht
erreichen, dass das Gericht die von ihm gewählten Formulierungen zur
Konkretisierung seines Rechtsschutzbegehrens im Falle eines begründeten
Antrags in die Entscheidungsformel aufnimmt. Denn der Inhalt der
Entscheidungsformel im Prüfungsverfahren wird durch § 84 Abs. 2 S. 2 LRiStAG
zwingend und abschließend geregelt: Bei einem zulässigen und begründeten
Prüfungsantrag stellt das Richterdienstgericht (lediglich) die Unzulässigkeit der
jeweiligen – objektiven – Maßnahme der Dienstaufsicht fest. Ausführungen zu
den Umständen, aus denen sich die Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit ergibt, können nicht in die Entscheidungsformel aufgenommen
werden.
70 3. Da mit den einzelnen neu gefassten Anträgen keine unterschiedlichen
Streitgegenstände in das Verfahren eingeführt werden, sondern lediglich ein und
dasselbe Rechtsschutzziel mit unterschiedlichen Formulierungen näher
konkretisiert wird, liegt auch kein echtes Eventualverhältnis der einzelnen Anträge
vor, das zur Folge hätte, dass die einzelnen Anträge vom Gericht jeweils nur
stufenweise für den Fall zu prüfen wären, dass der jeweils vorhergehende Antrag
keinen Erfolg hat. Vielmehr hat das Gericht umfassend und ohne Beschränkung
durch die konkretisierenden Antragsformulierungen des Antragstellers zu prüfen,
ob die angegriffenen Maßnahmen der Dienstaufsicht – die Anordnung und
Durchführung der Sonderprüfung und der diesbezügliche Widerspruchsbescheid
vom 27.07.2012 – aufgrund des zugrunde zu legenden Sachverhalts eine
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit darstellen.
II.
71 Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Dienstgericht den Antrag
des Antragstellers, festzustellen, dass die Anordnung und Durchführung der
Sonderprüfung und der Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 unzulässig
seien, zurückgewiesen.
72 1. Zutreffend geht das Dienstgericht davon aus, dass der Antrag des
Antragstellers gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG i. V. m. § 26 Abs. 3 DRiG zulässig ist.
73 Wie das Dienstgericht richtig ausführt, handelt es sich bei der Anordnung und
Durchführung der Sonderprüfung und deren Bestätigung durch den
Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 um Maßnahmen der Dienstaufsicht im
Sinne von § 26 Abs. 3 DRiG. Die erforderliche Antragsbefugnis des Antragstellers
ist gegeben. Das Vorverfahren ist durchgeführt, der Prüfungsantrag fristgerecht
eingereicht worden. Auf die zutreffenden Ausführungen des Dienstgerichts im
Urteil vom 04.12.2012 (Entscheidungsgründe, S. 8/9, Abschnitt I) wird Bezug
genommen.
74 2. Der Antrag ist jedoch, wie das Dienstgericht zu Recht feststellt, unbegründet.
Denn der Antragsteller wird durch die Anordnung der Sonderprüfung mit
Verfügung vom 08.06.2011, deren Durchführung und den Widerspruchsbescheid
vom 27.07.2012 nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.
75 a) Die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte im Prüfungsverfahren
gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG i. V. m. § 26 Abs. 3 DRiG beschränkt sich allein auf
die Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche
Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit anderen
Gesetzen, Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätzen nachzuprüfen, ist allein
den Verwaltungsgerichten vorbehalten (ständige Rechtsprechung seit: BGH -
Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 31.01.1984, RiZ (B) 3/83, juris Rn. 16 ff;
vgl. etwa Urteile vom 16.09.1987, RiZ (R) 5/87, juris Rn. 17; vom 10.08.2001, RiZ
(R) 5/00, juris Rn. 33; vom 08.11.2006, RiZ (R) 2/05, juris Rn. 24, 25; vom
06.10.2011, RiZ (R) 7/10, juris Rn. 25; vom 03.12.2014, RiZ (R) 1/14, juris Rn. 35).
76 b) Die Anordnung der Sonderprüfung vom 08.06.2011, deren Durchführung und
die Bestätigung dieser Maßnahmen durch den Widerspruchsbescheid vom
27.07.2012 beeinträchtigen den Antragsteller nicht in seiner richterlichen
Unabhängigkeit.
77 aa) Nicht jede Maßnahme der Dienstaufsicht stellt einen Eingriff in die richterliche
Unabhängigkeit dar. Der Dienstaufsicht entzogen ist allein die eigentliche
Rechtsfindung. Dabei sind alle ihr auch nur mittelbar dienenden – sie
vorbereitenden und ihr nachfolgenden – Sach- und Verfahrensentscheidungen in
den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit einzubeziehen (BGH -
Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom 10.01.1985, RiZ (R) 7/84, juris Rn. 16 =
BGHZ 93, 238 - 245; vom 16.09.1987, RiZ (R) 5/87, juris Rn. 15; vom 15.11.2007,
RiZ (R) 4/07, juris Rn. 29). Eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist wegen
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit unzulässig, wenn sie in
diesem Bereich auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der
Richter entscheiden oder verfahren soll; insoweit muss sich die Dienstaufsicht
auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten (BGH, Urteil vom
16.09.1987, ebd.). Auch der Versuch, den Richter in einer Weise zu einer
bestimmten Art der Erledigung zu veranlassen, die seine Entscheidungsfreiheit
beeinträchtigt, ist mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht zu vereinbaren (BGH,
ebd.).
78 Indessen geht das Gesetz in § 26 Abs. 1 DRiG selbst davon aus, dass die
richterliche Amtstätigkeit in Teilbereichen der Dienstaufsicht zugänglich ist, und
gibt den dienstaufsichtsführenden Stellen in § 26 Abs. 2 DRiG ausdrücklich die
Befugnis, dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung von
Amtsgeschäften vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer und unverzögerter
Erledigung zu ermahnen. Dies wäre unvollziehbar und gegenstandslos, wenn die
richterliche Tätigkeit der Dienstaufsicht schlechthin entrückt wäre. Nach der
ständigen Rechtsprechung des BGH - Dienstgericht des Bundes - unterliegt
daher die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die
Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, um die äußere Form der
Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich
der Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren
Ordnung gehörig anzusehen sind (BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom
10.01.1985, a. a. O., juris Rn. 16; vom 16.09.1987, a. a. O., juris Rn. 15).
79 Der Vorhalt und die Ermahnung im Sinne von § 26 Abs. 2 DRiG stellen
grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar und
sind daher zulässige Maßnahmen der Dienstaufsicht (BGH - Dienstgericht des
Bundes -, Urteile vom 08.11.2006 - RiZ (R) 2/05, juris Rn. 21; vom 03.12.2009,
RiZ (R) 1/09, juris Rn. 35). Gleiches gilt für die Geschäftsprüfung. Nach ständiger
Rechtsprechung des BGH - Dienstgericht des Bundes - sind die
dienstaufsichtsführenden Stellen im Rahmen der ihnen auch gegenüber Richtern
zustehenden Beobachtungsfunktion, die Ausfluss der nach § 26 DRiG zulässigen
Dienstaufsicht ist, befugt, sich durch routinemäßige oder aus besonderem Anlass
erfolgende Geschäftsprüfungen Klarheit darüber zu verschaffen, ob
organisatorische Entlastungsmaßnahmen oder gezieltere dienstaufsichtliche
Maßnahmen angezeigt sind. Macht der Dienstvorgesetzte von dieser
Beobachtungsfunktion durch die Durchführung einer routinemäßigen oder aus
besonderem Anlass erfolgenden Geschäftsprüfung Gebrauch, ohne dabei und
dadurch irgendeinen Einfluss oder Druck gegenüber der sachlichen und
persönlichen Unabhängigkeit des Richters auszuüben oder einen solchen
Anschein hervorzurufen, so stellt dies keine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit dar (vgl. BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom
21.10.1982, RIZ (R) 6/81, juris Rn. 117; vom 18.08.1987 - RiZ (R) 2/87, juris Rn.
14; vom 19.09.1986, RiZ (R) 1/86, juris Rn. 7; vom 14.09.1990, RIZ (R) 1/90, juris
Rn. 19).
80 Die Anordnung und Durchführung einer Geschäftsprüfung beeinträchtigt – wie
jede andere Maßnahme der Dienstaufsicht auch – die richterliche Unabhängigkeit
nur dann, wenn der Dienstvorgesetzte durch ihre konkrete Ausgestaltung und
Durchführung versucht,
81 - auf den Inhalt der vom Richter zu treffenden Entscheidungen Einfluss zu
nehmen,
- den Richter anzuhalten, sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben,
- die Entscheidung über die Reihenfolge der Bearbeitung der Amtsgeschäfte zu
beeinflussen,
- oder auf den Richter einen unzulässigen Erledigungsdruck auszuüben, was
jedoch nur dann der Fall ist, wenn dem Richter ein Pensum abverlangt wird, das
sich allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht
mehr erledigen lässt, da ein solcher Erledigungsdruck auf die Aufforderung zu
einer sachwidrigen Bearbeitung hinausliefe
82 (vgl. zu Geschäftsprüfung/Vorbericht: BGH, Urteil vom 14.09.1990, RiZ (R) 1/90,
juris Rn. 24; vom 03.12.2014, RiZ (R) 1/14, juris Rn. 40; zu Vorhalt und
Ermahnung: BGH, Urteile vom 05.10.2005 - RiZ (R) 5/04, juris Rn. 17, 18, 21; vom
08.11.2006, RiZ (R) 2/05, juris Rn. 17 - 21; vom 03.12.2009, juris Rn. 35 ff; zur
Beurteilung: BGH, Urteil vom 16.09.1987 – RiZ (R) 4/87, juris Rn. 13, 18).
83 bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Antragsteller durch die
Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung und den diese Maßnahmen
bestätigenden Widerspruchsbescheid nicht in der richterlichen Unabhängigkeit
beeinträchtigt worden.
84 (1) Durch die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung wurden dem
Antragsteller keine direkten oder indirekten Weisungen erteilt für die von ihm zu
treffenden Entscheidungen, die diesbezügliche Verfahrensgestaltung und die
Reihenfolge der Bearbeitung. Es wurde auf ihn auch kein psychischer Einfluss
dahingehend ausgeübt, in einer bestimmten Richtung zu entscheiden, einzelne
Verfahren in einer vorgegebenen Weise zu gestalten oder aber die Verfahren in
einer bestimmten Reihenfolge zu bearbeiten. Hinsichtlich derjenigen Verfahren,
die Gegenstand der Sonderprüfung waren – nicht abgeschlossene Verfahren im
... Zivilsenat –, scheidet eine solche Einflussnahme schon deshalb aus, weil der
Antragsteller für deren Bearbeitung infolge seines Senatswechsels bei
Anordnung der Sonderprüfung gar nicht mehr zuständig war. Aber auch
hinsichtlich der Verfahren, die er aktuell im ... Zivilsenat zu bearbeiten hatte,
stellten die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung – die sich nicht auf
Verfahren im ... Zivilsenat bezog – weder eine direkte oder indirekte Weisung
noch eine sonstige Form der Einflussnahme zu einer bestimmten inhaltlichen
Entscheidung, Verfahrensgestaltung oder Reihenfolge der Bearbeitung dar. Im
Zusammenhang mit der Anordnung, der Durchführung und der nachträglichen
Bekanntgabe der Sonderprüfung wurden dem Antragsteller überhaupt keine
diesbezüglichen direkten oder indirekten Vorgaben gemacht. Bei vernünftiger
Betrachtung konnte bei ihm daher nicht der Eindruck entstehen, er solle durch die
Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung dahingehend beeinflusst
werden, in Zukunft bestimmte Sach- oder Verfahrensentscheidungen zu treffen
oder generell in einer bestimmten Richtung zu entscheiden oder die einzelnen
Verfahren in einer bestimmten Reihenfolge zu bearbeiten.
85 (2) Dass durch die Anordnung und Durchführung der Geschäftsprüfung ein
unzulässiger Erledigungsdruck ausgeübt worden wäre, dergestalt, dass dem
Antragsteller im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen ausdrücklich oder im
Wege der sonstigen Einflussnahme ein Pensum abverlangt worden wäre, das
sich allgemein, also auch von anderen Richtern bei sachgerechter Bearbeitung
nicht bewältigen lässt, ist nicht ersichtlich. Im Zusammenhang mit der Anordnung
und Durchführung der Geschäftsprüfung ist keine Äußerung gefallen, der der
Antragsteller bei vernünftiger Betrachtungsweise die direkte oder indirekte
Aufforderung entnehmen konnte, ein Pensum zu erledigen, das allgemein nicht
zu bewältigen war.
86 (3) Das Vorbringen des Antragstellers – das er zur Konkretisierung seines
Rechtsschutzziels auch in seine neu gefassten Anträge Ziff. 2 bis 4
aufgenommen hat –, für die Durchführung der Sonderprüfung habe kein
sachlicher Anlass bestanden, diese sei vielmehr willkürlich durchgeführt worden,
um ihn einzuschüchtern, damit er seine Rechtsanwendung ändere und hierdurch
zu mehr Fallerledigungen beitrage, ist nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit zu begründen.
87 (a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestand für die Sonderprüfung
objektiv ein sachlicher Anlass. Der Antragsteller hatte zum 01.04.2011 – also nur
rd. 2 Monate vor der Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung – den ...
Zivilsenat verlassen und dort eine erhebliche Zahl von Verfahren hinterlassen, die
er längere Zeit nicht bearbeitet hatte, und die nun vom Referatsnachfolger, dem
abgeordneten Richter am Landgericht Dr. M., fortgeführt werden mussten. Auf
eben diese zurückgelassenen Verfahren beschränkte sich die Prüfung. Bei
dieser Sachlage aber bestand bei objektiver Betrachtung ein sachlicher Anlass
für die Durchführung der Sonderprüfung, da durch diese Informationen gewonnen
werden konnten, die für die Feststellung relevant waren, ob für den zur Erprobung
abgeordneten Dezernatsnachfolger infolge des Dezernatszustands, den der
Antragsteller hinterlassen hatte, eine unzumutbare Belastung bestand, der durch
geeignete Entlastungsmaßnahmen abgeholfen werden musste, wie auch zur
Klärung der Frage, ob hinsichtlich der hinterlassenen Verfahren eine
ordnungswidrige Ausführung der Amtsgeschäfte vorlag, die Anlass zu
Dienstaufsichtsmaßnahmen gegen den Antragsteller nach § 26 Abs. 2 DRiG bot.
88 (b) Soweit der Antragsteller geltend macht, für die Sonderprüfung habe deshalb
kein sachlicher Anlass bestanden, weil die Präsidentin aufgrund des Gesprächs
vom 30.04.2010, der Rückstandsmeldungen und Hausstatistiken sowie eines
ständigen Austausches mit Vorsitzendem Richter am OLG E. bereits über alle
relevanten Informationen verfügt habe, wendet er der Sache nach ein, dass die
Sonderprüfung nicht erforderlich gewesen sei. Dieser Einwand ist für das
Prüfungsverfahren vor den Richterdienstgerichten unerheblich.
89 Im Prüfungsverfahren ist von den Richterdienstgerichten allein zu entscheiden,
ob durch die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung die richterliche
Unabhängigkeit beeinträchtigt worden ist, nicht aber, ob die Geschäftsprüfung als
Maßnahme der Dienstaufsicht aus anderen Gründen formell oder materiell
rechtswidrig war. Die Frage, ob die Sonderprüfung angesichts der Informationen,
die der Präsidentin des Oberlandesgerichts zur Verfügung standen, zur
Ausübung der Dienstaufsicht erforderlich war und ob sie dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprach, ist allein eine Frage der allgemeinen
Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme. Über diese haben allein die
Verwaltungsgerichte, nicht die Richterdienstgerichte zu entscheiden.
90 (c) Der Vortrag des Antragstellers, die Präsidentin habe ihn mittels der
Sonderprüfung durch Einschüchterung zur Änderung seiner Rechtsanwendung
bewegen wollen, damit er zu mehr Fallerledigungen beitrage, ist nicht geeignet,
eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu begründen.
91 Die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung als solche war, wie bereits
ausgeführt, bei objektiver Betrachtung nicht geeignet, den Antragsteller
dahingehend zu beeinflussen, in konkreten Verfahren eine bestimmte
Verfahrens- oder Sachentscheidung zu treffen, generell in einer bestimmten
Richtung zu entscheiden oder die Verfahren in einer bestimmten Reihenfolge zu
bearbeiten. Durch die Anordnung und Durchführung der Prüfung als solche
wurde ihm auch kein Pensum abverlangt, das auch andere Richter bei
sachgerechter Bearbeitung nicht bewältigen können. Nur vor diesen Eingriffen in
die Entscheidungsfreiheit des Richters aber schützt die richterliche
Unabhängigkeit.
92 (d) Soweit der Antragsteller auf die Absicht der Präsidentin abstellt, ihn durch die
Sonderprüfung zu einer Änderung seiner Rechtsanwendung zu bewegen, damit
so seine Erledigungszahlen gesteigert würden, ist im Übrigen darauf
hinzuweisen, dass es für die Frage der Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit allein darauf ankommt, ob die beanstandete Maßnahme objektiv
geeignet ist, einen Richter direkt oder indirekt zu veranlassen, eine konkrete
Verfahrens- oder Sachentscheidung künftig in einem anderen Sinne zu treffen
(BGH, Urteil vom 31.01.1984, RiZ (R) 3/83, juris Rn. 8; Urteil vom 03.12.2014 RiZ
(R) 1/14, juris Rn. 40). Hieran fehlt es, da die Anordnung und Durchführung der
Sonderprüfung keinerlei direkte oder indirekte Weisungen beinhaltete, die dem
Antragsteller objektiv hätten Anlass geben können, in Zukunft konkrete Sach-
oder Verfahrensentscheidungen in einem bestimmten anderen Sinne zu treffen.
93 (e) Unerheblich ist auch das Vorbringen des Antragstellers, es müsse vor dem
08.06.2011 eine Absprache zwischen der Präsidentin des Oberlandesgerichts
und dem Präsidialratsrichter Dr. B. – möglicherweise unter Einbeziehung von
Herrn L. und des Vizepräsidenten Herrn S. – gegeben haben, wonach „aus
anderen Gründen, nämlich um diesen (= den Antragsteller) unter Druck zu
setzen, eine heimliche Sonderprüfung gegen den Antragsteller durchgeführt
werden sollte“, wobei Gegenstand dieser vorherigen Absprache auch „das
Telefongespräch vom 08.06.2011 mit der Anfertigung eines Vermerks“ gewesen
sei, „um einen Vorwand für die Maßnahme aktenkundig machen zu können“.
Entscheidend für die Frage, ob die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt
worden ist, ist nicht, welche subjektive Zielsetzung die Beteiligten mit einer
bestimmten Dienstaufsichtsmaßnahme „im Geheimen“ verfolgt haben.
Maßgeblich ist allein, ob diese objektiv bei vernünftiger Betrachtung geeignet war,
Einfluss auf den Inhalt der richterlichen Entscheidung, die konkrete
Verfahrensgestaltung oder die Reihenfolge der Bearbeitung zu nehmen oder
einen unzulässigen Erledigungsdruck auszuüben. Dafür ist hier, wie bereits
ausgeführt, nichts ersichtlich.
94 (4) Eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit liegt auch nicht
deshalb vor, weil der Antragsteller vor der Durchführung der Sonderprüfung nicht
über deren Anordnung informiert worden ist.
95 Aus dem Unterlassen dieser Information gegenüber dem Antragsteller resultiert
keine Einflussnahme auf den Inhalt der von ihm zu treffenden Entscheidungen,
die Reihenfolge der Bearbeitung und auch keine Ausübung eines unzulässigen
Erledigungsdrucks. Allein der Umstand, dass eine Geschäftsprüfung nicht vorher
angekündigt worden ist, begründet grundsätzlich keine Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit (BGH, Urteil vom 18.08.1987, RiZ (R) 2/87, juris Rn.
20). Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb, weil sich die
Geschäftsprüfung allein auf solche Verfahren bezog, für deren Bearbeitung der
Antragsteller zum Zeitpunkt der Geschäftsprüfung gar nicht mehr zuständig war,
weil er den Senat gewechselt hatte, so dass eine Einflussnahme auf die
Entscheidung dieser Verfahren oder auf die Reihenfolge von deren Bearbeitung
von vornherein ausschied.
96 Ob hinsichtlich der Durchführung der Geschäftsprüfung ein Verstoß gegen den
Grundsatz rechtlichen Gehörs in Betracht kommt – was angesichts des
Ausscheidens des Antragstellers aus dem ... Zivilsenat fraglich erscheint –, ist
eine Frage der allgemeinen Rechtmäßigkeit der Dienstaufsichtsmaßnahme, über
die allein die Verwaltungsgerichte, nicht aber die Richterdienstgerichte zu
entscheiden haben.
97 Soweit der Antragsteller sich auf die Entscheidung des BGH - Dienstgericht des
Bundes - vom 21.10.1982, RiZ (R) 6/81, juris Rn. 118, bezieht, in der der BGH
ausgeführt hat, der dortige Antragsteller sei durch die Durchführung einer
Geschäftsprüfung ohne sein Wissen in seiner richterlichen Unabhängigkeit
betroffen worden, ist darauf hinzuweisen, dass der dort entschiedene Fall mit dem
hiesigen nicht vergleichbar ist. Die dort verfahrensgegenständliche
Geschäftsprüfung bezog sich – anders als im vorliegenden Verfahren – auf das
aktuell von dem Richter verwaltete Referat. Sie erfolgte außerdem weder
routinemäßig noch bestand für sie irgendein besonderer äußerer Anlass, zumal
dort gerade erst zwei Monate vorher eine außerordentliche Geschäftsprüfung
durchgeführt worden war. Mit dieser Konstellation ist der hiesige Fall nicht einmal
ansatzweise zu vergleichen.
98 (5) Keinen Erfolg hat der Antragsteller mit seiner Rüge, der Bescheid vom
12.10.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 seien willkürlich und
stellten deshalb eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar.
99 Es kann dahingestellt bleiben, ob allein der Verstoß einer
Dienstaufsichtsmaßnahme gegen das allgemeine Willkürverbot einen Eingriff in
die richterliche Unabhängigkeit darstellen kann, was der BGH - Dienstgericht des
Bundes - bislang offengelassen hat (BGH, Urteil vom 08.11.2006 – RiZ (R) 2/05,
juris Rn. 26), denn ein solcher Verstoß kommt vorliegend nicht in Betracht. Soweit
der Antragsteller geltend macht, die Durchführung der Sonderprüfung sei nicht
erforderlich gewesen, weil die Präsidentin über alle Informationen verfügt habe,
geht es allein um Fragen der allgemeinen Rechtmäßigkeit der Sonderprüfung, die
allein von den Verwaltungsgerichten zu klären sind. Sonstige Gesichtspunkte, die
für einen Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot sprechen könnten, hat der
Antragsteller weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich.
100 Mangels Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch die Anordnung
und Durchführung der Geschäftsprüfung sowie deren Bestätigung durch den
Widerspruchsbescheid hat das Dienstgericht daher den Prüfungsantrag gemäß §
63 Nr. 4 f LRiStAG in Verbindung mit § 26 Abs. 3 DRiG zu Recht zurückgewiesen,
so dass die Berufung des Antragstellers – auch, soweit dieser den
Prüfungsantrag nach § 63 Nr. 4 f LRiStAG durch seine Antragsformulierungen in
den zuletzt gestellten Anträgen Ziff. 1 bis 5 näher konkretisiert hat – als
unbegründet zurückzuweisen ist.
C.
101 Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 1 LRiStAG i. V. m. § 154 Abs. 2
VwGO, die Entscheidung über die Revisionszulassung auf § 79 Abs. 2 LRiStAG i.
V. m. § 80 DRiG.