Urteil des OLG Stuttgart vom 26.10.2015

aufschiebende wirkung, unabhängigkeit, vorläufiger rechtsschutz, einzelrichter

OLG Stuttgart Beschluß vom 26.10.2015, DGH 2/15
Leitsätze
1. Der gerichtliche Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren bei der Geltendmachung
einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der
Dienstaufsicht gem. § 26 Abs. 3 DRiG erschöpft sich in der Feststellung der
Unzulässigkeit der Maßnahme nach § 84 Abs. 2 Satz 2 LRiStAG (vgl. auch § 67 Abs.
4 i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 4 e DRiG). Den dieser Rechtsschutzmöglichkeit im
Hauptsacheverfahren entsprechende vorläufige Rechtsschutz stellt allein der
vorläufige Rechtsschutz nach § 123 VwGO des Inhalts dar, korrespondierend zu
einem Urteilsausspruch im Hauptsacheverfahren nach § 84 Abs. 2 Satz 2 LRiStAG
die vorläufige Unzulässigkeit einer Maßnahme der Dienstaufsicht festzustellen.
2. Eine dem entsprechende einstweilige Anordnung klärt zwischen den
Verfahrensbeteiligten vorübergehend, aber dennoch zunächst verbindlich die
aufgeworfene dienstrechtliche Frage. Eine Entscheidung darüber, welche
Auswirkungen eine solche Feststellung auf etwaige sonstige seitens des betroffenen
Richters angestrengte Verfahren hat, ist der Dienstgerichtsbarkeit sowohl in dem
Hauptsacheverfahren als auch in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren verwehrt.
3. Zur Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch die Aussage in einer
dienstlichen Beurteilung, nach der der beurteilte Vorsitzende Richter am
Verwaltungsgericht, der nach dem Geschäftsverteilungsplan den Vorsitz zweier
Kammern zu führen hat, seine leitende Aktivität als Kammervorsitzender vor allem auf
eine dieser Kammern konzentriere.
Beschluss ist unanfechtbar
Tenor
1. Die Selbstanzeige des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Y und das
diesen betreffende Ablehnungsersuchen des Antragstellers werden für begründet
erklärt.
2. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Dienstgerichts für
Richter bei dem Landgericht Karlsruhe vom 22. Juni 2015 - RDG 1/15 - geändert.
Es wird vorläufig festgestellt, dass die dienstliche Beurteilung des Antragstellers durch
die Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. vom 12. Januar 2015 insoweit unzulässig
ist, als es darin heißt: „Seine leitende Aktivität als Kammervorsitzender konzentriert
Herr X vor allem auf die 22. Kammer.“
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen der Antragsteller 9/10
und der Antragsgegner 1/10.
Gründe
A.
1
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen den Beschluss des
Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe (im Folgenden:
Dienstgericht) vom 22.06.2015 - RDG 1/15 -, mit dem dieses seinen Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen von ihm im Zusammenhang mit
der ihn betreffenden Anlassbeurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts
S. vom 12.01.2015 geltend gemachter Maßnahmen der Dienstaufsicht aus
Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG zurückgewiesen hat.
2
Der Antragsteller ist Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht S. Er steht seit
dem 15.10.1979 im richterlichen Dienst des Antragsgegners. Am 04.09.1992
wurde er zum Richter am Verwaltungsgerichtshof ernannt, zum 15.09.2008
wurde er an das Verwaltungsgericht S. mit der Amtsbezeichnung "Vorsitzender
Richter am Verwaltungsgericht“ versetzt. Dort wurde er zunächst der 12. Kammer
zugewiesen. Ab dem 19.01.2009 wurde er Vorsitzender der 11. Kammer, zudem
übernahm er ab dem 01.01.2009 den Vorsitz der 22. Kammer, einer
Fachkammer für Personalvertretungssachen, besetzt mit dem Vorsitzenden als
Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern.
3
Am 23.07.2014 bewarb sich der Antragsteller um die Stelle eines Vorsitzenden
Richters am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
(Ausschreibungsnummer 4246). Hierauf erstellte die Präsidentin des
Verwaltungsgerichts S. am 10.09.2014 eine dienstliche Anlassbeurteilung,
welche sie indes im Rahmen eines von dem Antragsteller angestrengten
Widerspruchsverfahrens auf schriftliche Bitte des Präsidenten des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wieder aufhob. Unter dem
12.01.2015 verfasste die Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. sodann eine
erneute Anlassbeurteilung, welche mit dem Gesamturteil „entspricht voll den
Anforderungen“ abschließt; deren Inhalt im Einzelnen lässt sich den
beigezogenen Akten entnehmen.
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Mit Schreiben vom 11.02.2015 legte der Antragsteller Widerspruch gegen diese
dienstliche Beurteilung ein, welchen er unter anderem mit einer Beeinträchtigung
seiner richterlichen Unabhängigkeit begründete.
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Hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle eines Vorsitzenden Richters am
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg waren neben der Bewerbung des
Antragstellers drei weitere Bewerbungen eingegangen. Alle drei Mitbewerber
waren besser als der Antragsteller beurteilt worden. Das Justizministerium
Baden-Württemberg entschied, den am besten beurteilten Bewerber dem
Ministerpräsidenten zur Ernennung vorzuschlagen. Der Präsidialrat der
Verwaltungsgerichtsbarkeit stimmte dem am 13.03.2015 zu. Mit Schreiben vom
17.03.2015 teilte das Justizministerium Baden-Württemberg dem Antragsteller
mit, es beabsichtige, den Mitbewerber dem Ministerpräsidenten zur Ernennung
vorzuschlagen. Das Schreiben ging dem Antragsteller am 25.03.2015 zu.
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Unter dem 01.04.2015 legte der Antragsteller Widerspruch gegen das Schreiben
des Justizministeriums vom 17.03.2014 ein. Ebenfalls am 01.04.2015 suchte er
beim Dienstgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Zudem
beantragte er am 07.04.2015 beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Az. 6 K
1719/15) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Justizministerium
Baden-Württemberg erklärte daraufhin, dass es von der Besetzung der
ausgeschriebenen Stelle Abstand nehme, solange über die vor dem
Verwaltungsgericht Stuttgart gestellten Anträge nicht rechtskräftig entschieden
worden sei. Am 05.05.2015 wies der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg den Widerspruch des Antragstellers gegen die dienstliche
Beurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. vom 12.01.2015 zurück.
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Ein auf die Beurteilung vom 12.01.2015 sowie den Widerspruchsbescheid vom
05.05.2015 bezogenes Hauptsacheverfahren nach § 63 Nr. 4 f LRiStAG hat der
Antragsteller beim Dienstgericht unter dem 26.05.2015 (Az. RDG 2/15) anhängig
gemacht. Dieses Verfahren soll sich zugleich auf ein Schreiben der Präsidentin
des Verwaltungsgerichts S. vom 25.02.2015 beziehen, mit welchem diese auf
eine weitere Bewerbung des Antragstellers für eine Stelle eines Vorsitzenden
Richters am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 17.11.2014
(Ausschreibungsnummer 4268) auf ihre dienstliche Beurteilung vom 12.01.2015
verwiesen hatte.
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In dem dienstgerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat der
Antragsteller beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 11.02.2015
gegen die dienstliche Beurteilung vom 12.01.2015 aufschiebende Wirkung hat.
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2. Es wird festgestellt,
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a) dass die Vorlage eines Besetzungsvorschlags an den Präsidialrat
(Ausschreibungsnummer 4246) rechtswidrig war,
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b) dass die Zustimmung des Präsidialrats zu diesem Besetzungsvorschlag
rechtswidrig war.
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3. a) Es wird festgestellt, dass dem Antragsgegner im Hinblick auf die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11.02.2015
die angekündigte Ernennung eines Konkurrenten des Antragstellers untersagt
ist.
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b) Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom
01.04.2015 gegen die mit Schreiben des Antragsgegners vom 17.03.2015
angekündigte Ernennung eines Konkurrenten des Antragstellers aufschiebende
Wirkung hat.
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c) Höchst hilfsweise: Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig untersagt, die Stelle eines Vorsitzenden Richters am
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Ausschreibungsnummer 4246) zu
besetzen, solange über die Widersprüche des Antragstellers vom 11.02.2015
und 01.04.2015 nicht bestands- bzw. rechtskräftig entschieden worden ist.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Mit Beschluss vom 22.06.2015 - RDG 1/15 - hat das Dienstgericht sämtliche
Anträge des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt:
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Alle Anträge seien bereits unzulässig, jedoch habe die Kammer das Begehren
des Antragstellers ergänzend dahingehend ausgelegt, dass er auch die
vorläufige Feststellung begehrt, dass ihn bestimmte Formulierungen in der
dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015 in seiner richterlichen Unabhängigkeit
beeinträchtigen. Bei dieser Auslegung sei der Antrag zwar zulässig, jedoch nicht
begründet.
20
(Zu Nr. 1 des Antrags:) Zwar sei der Rechtsweg zum Richterdienstgericht als
zuständigem Gericht der Hauptsache eröffnet. Denn auch bei einer dienstlichen
Anlassbeurteilung handele es sich nach der ständigen Rechtsprechung des
Dienstgerichts des Bundes um eine „Maßnahme der Dienstaufsicht“ im Sinne
des § 26 Abs. 3 DRiG, gegen die mit der schlichten nachvollziehbaren
Behauptung, sie beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit, das
Richterdienstgericht angerufen werden könne, welches darüber im
Prüfungsverfahren befinde. Der Antragsteller behaupte in seinem Antrag an das
Dienstgericht auch hinreichend nachvollziehbar, dass die dienstliche Beurteilung
der Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. vom 12.01.2015 seine richterliche
Unabhängigkeit beeinträchtige. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO analog sei jedoch nicht statthaft. Denn eine dienstliche Beurteilung eines
Beamten oder Richters sei nach ganz herrschender und überzeugender
Rechtsprechung mangels einer Regelung mit bestimmten unmittelbaren
Rechtswirkungen kein Verwaltungsakt und einem Widerspruch und einem Antrag
auf gerichtliche Entscheidung nach § 82 Satz 1 LRiStAG gegen eine dienstliche
Beurteilung komme somit keine aufschiebende Wirkung zu; eine Missachtung
der aufschiebenden Wirkung scheide insoweit von vornherein aus.
21
Zwar werde die Ansicht, dass einem Widerspruch gegen eine dienstliche
Beurteilung als Maßnahme der Dienstaufsicht generell aufschiebende Wirkung
zukomme, auch in der Literatur vertreten. Dies geschehe jedoch ohne
Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich diese Auffassung mit der
allgemeinen Verweisung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG auf die
Verwaltungsgerichtsordnung vertrage. Nach den Regelungen der VwGO
unterliege es keinem Zweifel, dass eine aufschiebende Wirkung gemäß § 80
Abs. 1 VwGO nur gegenüber einem Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG
vorliegen könne. Für die Anwendung des § 80 Abs. 1 VwGO auf Maßnahmen,
die keine Verwaltungsakte darstellten, gebe auch der Wortlaut des § 63 Nr. 4 f
LRiStAG nichts her. Zwar sei dort einheitlich von Anfechtung die Rede, ohne
dass das Richtergesetz zwischen Verwaltungsakten und sonstigen Maßnahmen
unterscheide. Dieser Begriff knüpfe indes ersichtlich gerade nicht an die
Terminologie der Verwaltungsgerichtsordnung an. Das ergebe sich aus § 84
Abs. 2 Satz 2 LRiStAG, wonach das Gericht in den Fällen des § 63 Nr. 4 f
LRiStAG die Maßnahme eben nicht aufhebe, sondern nur deren Unzulässigkeit
feststelle.
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Die Qualifizierung einer dienstlichen Beurteilung als Verwaltungsakt sei im
Übrigen auch dann, wenn sie als Maßnahme der Dienstaufsicht vor dem
Hintergrund von § 26 Abs. 3 DRiG angegriffen werde, aus den Gründen des Art.
19 Abs. 4 GG nicht erforderlich. Denn dem Antragsteller stehe grundsätzlich die
Möglichkeit offen, vorläufigen Rechtsschutz mit einem Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i. V. m. § 123 VwGO
zu erlangen.
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(Zu Nrn. 2 a) und b):) Der Rechtsweg zum Dienstgericht sei für derartige
Feststellungen nicht eröffnet. Bei der Vorlage eines Besetzungsvorschlags durch
das Justizministerium an den Präsidialrat im Rahmen eines
Stellenbesetzungsverfahrens handele es sich um keine Maßnahme der
Dienstaufsicht. In der Vorlage des Stellenbesetzungsvorschlags könne auch
nicht der Vollzug der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers gesehen
werden. Denn eine dienstliche Beurteilung sei schon begrifflich nicht des
Vollzugs fähig, vielmehr sei erst die eigentliche Auswahlentscheidung eine
eigenständige, auch die Beurteilungen eventueller Mitbewerber
berücksichtigende Entscheidung, welche gegebenenfalls im Wege eines
Konkurrentenverfahrens vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden könne.
Im Übrigen könne ein auf Rückgängigmachung der Vollziehung gerichteter
Antrag nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO in
entsprechender Anwendung mangels Statthaftigkeit keinen Erfolg haben, weil
dieser nämlich das Bestehen eines Verwaltungsakts voraussetze.
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Das Dienstgericht sei auch nicht zur Entscheidung über die Frage berufen, ob
die Zustimmung des Präsidialrats zu dem Besetzungsvorschlag des
Justizministeriums rechtswidrig sei. Denn eine Handlung des Präsidialrats stelle
keine Maßnahme der Dienstaufsicht dar.
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(Zu Nrn. 3 a) und b):) Das Dienstgericht sei weiter nicht zu der Feststellung
berufen, dass dem Antragsgegner im Hinblick auf eine aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs vom 11.02.2015 die angekündigte Ernennung eines
Konkurrenten des Antragstellers untersagt sei. Die beantragte Feststellung
beziehe sich weder auf eine Maßnahme der Dienstaufsicht noch auf den
"Vollzug" einer dienstlichen Beurteilung. Auch ein vom Antragsteller
beanspruchtes umfassendes „Ausnutzungs- und Verwirklichungsverbot“ eröffne
keine Prüfungskompetenz des Dienstgerichts. Dasselbe gelte für die begehrte
Feststellung, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die mit Schreiben
des Antragsgegners vom 17.03.2015 angekündigte Ernennung eines
Konkurrenten aufschiebende Wirkung habe.
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(Zu Nr. 3 c):) Aus vorgenannten Gründen überschreite auch der Antrag, es dem
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen,
die ausgeschriebene Stelle zu besetzen, solange über die Widersprüche des
Antragstellers vom 11.02.2015 und 01.04.2015 nicht bestands- bzw. rechtskräftig
entschieden sei, die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des
Dienstgerichts.
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Das wirkliche Ziel des Antragstellers, das von der Prüfungskompetenz des
Dienstgerichts umfasst sei, sei demgegenüber die vorläufige Feststellung,
wonach Formulierungen und Aussagen, die in der dienstlichen Beurteilung vom
12.01.2015 enthalten seien, ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit
beeinträchtigten. Allein mit dieser Auslegung sei der Hilfsantrag Nr. 3 c) zulässig.
Eine entsprechende Feststellung sei auch geeignet, die Position des
Antragstellers im Stellenbesetzungsverfahren zu verbessern. Zum einen hätte
das Verwaltungsgericht Stuttgart sie in dem bei ihm anhängigen Verfahren gem.
§ 85 Abs. 3 LRiStAG zu berücksichtigen, zum anderen werde davon
ausgegangen, dass der Antragsgegner auch eine im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes als gegen die richterliche Unabhängigkeit verstoßend erklärte
Anlassbeurteilung seiner Besetzungsentscheidung nicht zugrunde legen werde.
Eine vorläufige Feststellung der Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit
durch Formulierungen oder Inhalte der dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015
komme dann in Betracht, wenn sie bereits im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden könne,
dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch
ausgeschlossen werden könne, und der mit der Hauptsache verbundene
Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Feststellungsinteresses zur Folge
hätte.
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Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei gegeben,
weil die Gefahr bestehe, dass das Stellenbesetzungsverfahren abgeschlossen
werde, ohne dass der Antragsteller vorher die Möglichkeit hätte, die Verletzung
seiner richterlichen Unabhängigkeit feststellen zu lassen. Diese Feststellung
obliege gem. § 85 Abs. 3 LRiStAG ausschließlich der
Richterdienstgerichtsbarkeit. Der Antragsteller habe aber nicht glaubhaft
gemacht, dass die dienstliche Beurteilung der Präsidentin des
Verwaltungsgerichts S. vom 12.01.2015 ihn in seiner richterlichen
Unabhängigkeit beeinträchtige, weshalb es an einem Anordnungsanspruch
fehle.
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(Zu der Zahl der geleiteten Kammersitzungen:) Das richterliche Kerngeschäft
beträfen ohne Zweifel die Äußerungen in der dienstlichen Beurteilung, die sich
dazu verhielten, wie viele Kammersitzungen der 11. Kammer der Antragsteller im
Beurteilungszeitraum geleitet habe. Er habe aber nicht dargelegt, wodurch und
weshalb insoweit die Grenze zu einer unzulässigen Bewertung überschritten
worden sei. Er habe keine konkreten Formulierungen bzw. Teile der dienstlichen
Beurteilung benannt, welche objektiv geeignet wären, ihn zu veranlassen, eine
Verfahrens- oder Sachentscheidung zukünftig in einem anderen Sinn als ohne
die Beurteilung zu treffen. Von ihm angesprochene Formulierungen verhielten
sich ausschließlich dazu, wie bzw. in welcher Form er im Beurteilungszeitraum in
den Spruchkörpern tätig geworden sei, nämlich in der
Personalvertretungskammer als Vorsitzender und in der 11. Kammer
hauptsächlich in seinem eigenen Referat, d.h. als konsentierter Einzelrichter
gem. § 87 a Abs. 2 VwGO bzw. als Einzelrichter gem. § 6 VwGO. Hierin sei
lediglich eine Feststellung der Praxis des Antragstellers zu sehen, wogegen
nichts zu erinnern sei. Es obliege aber dem Antragsteller, konkret und
nachvollziehbar darzulegen, welche Formulierungen er als die richterliche
Unabhängigkeit beeinträchtigend verstehe. Es sei auch nicht Aufgabe des
Dienstgerichts, die dienstliche Beurteilung daraufhin zu „untersuchen“, ob
irgendeine Formulierung den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit
beeinträchtigen könnte.
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(Zum Urlaub am 01. und 02.08.2011:) Der Antragsteller sehe seine richterliche
Unabhängigkeit weiter dadurch beeinträchtigt, dass unter falscher Darstellung
des Sachverhalts in der Beurteilung darauf abgestellt werde, dass er am 01. und
02.08.2011 Urlaub genommen habe.
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Im Verfahren vor dem Dienstgericht könne es aber dahin stehen, ob die
Ausführungen einer dienstlichen Beurteilung den Tatsachen entsprechen. Das
Dienstgericht prüfe nämlich nicht, ob der dienstlichen Beurteilung zutreffende
Tatsachen zugrunde gelegt worden seien, sondern nur, ob einzelne
Formulierungen in der Beurteilung die richterliche Unabhängigkeit verletzten.
Insoweit sei die Aussage, dass „der Antragsteller am 01. und 02.08.2011 Urlaub
genommen hat“, nicht als negativ zu bewerten. Es sei bei der entsprechenden
Passage lediglich um die Gestaltung der Urlaubsvertretung durch den
Antragsteller gegangen, nicht aber um den Umstand, dass er überhaupt Urlaub
genommen habe. Eine etwaige unzureichende Gestaltung der Urlaubsvertretung
der 11. Kammer am 01. und 02.08.2011 betreffe aber einen Sachverhalt, der
dem ordnungsgemäßen Geschäftsablauf und nicht dem richterlichen
Kerngeschäft zuzuordnen sei. Soweit es um die Sicherung eines
ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines
Dienstgeschäfts oder um solche Fragen gehe, die dem Kernbereich der
Rechtsprechungstätigkeit so weit entrückt seien, dass sie nur noch als zur
äußeren Ordnung gehörig angesehen werden könnten, unterliege die richterliche
Amtsführung ohne Weiteres der Dienstaufsicht.
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(Zur Anwesenheit des Antragstellers am 04.04.2009:) Entsprechendes gelte für
die gerügten Ausführungen, wonach der Antragsteller am 04.04.2009 trotz
anstehender Eilentscheidungen nicht nach 8.00 Uhr am Verwaltungsgericht
verblieben sei. Auch insoweit prüfe das Dienstgericht nicht, ob der geschilderte
Sachverhalt zutreffend sei. Vorliegend werde dem Antragsteller vorgehalten,
dass - obwohl für ihn absehbar Eilsachen zu erledigen gewesen seien - er nicht
am Gericht geblieben sei und er auch nicht dafür gesorgt habe, dass seine
Kammer für Eilentscheidungen zur Verfügung stehe. In diesem den
ordnungsgemäßen Geschäftsablauf betreffenden Vorhalt könne keine
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit gesehen werden.
33
(Zur Kammerliste:) Soweit der Antragsteller die Schilderung in der dienstlichen
Beurteilung vom 12.01.2015 rüge, wonach er den Mitgliedern der 11. Kammer
die Zuteilungsliste vorenthalten habe, prüfe das Dienstgericht lediglich, ob
Formulierungen oder Darstellungen in der dienstlichen Beurteilung die
richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers verletzten. Insoweit sei aber von
dem Antragsteller weder vorgetragen noch sonst für das Dienstgericht ersichtlich,
inwieweit die entsprechenden Formulierungen ihn dazu veranlassen könnten,
eine Verfahrens- oder Sachentscheidung künftig in einem anderen Sinne als
ohne die Beurteilung zu treffen.
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Der Beschluss des Dienstgerichts ist dem Antragsteller am 01.07.2015 zugestellt
worden.
35
Er hat hiergegen am 14.07.2015 Beschwerde zum Dienstgerichtshof erhoben. Im
Beschwerdeverfahren stellt der Antragsteller die bereits erstinstanzlich gestellten
Anträge (Nrn. 1, 2 a), 2 b), 3 a), 3 b), 3 c)) sowie zusätzlich folgende Anträge:
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3 d) Vorsorglich und höchst hilfsweise wird die vorläufige Feststellung der
Unzulässigkeit folgender Aussagen in der Beurteilung vom 12.01.2015
beantragt:
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aa) Die Beurteilungsbeiträge von Herrn Präsident a.D. K. (Beurteilung Seiten 2,
15 f., 16 f. - jeweils vollständig)
38
bb) „Seine leitende Aktivität als Kammervorsitzender konzentriert Herr X vor
allem auf die 22. Kammer.“ (S. 12)
39
cc) „Eine Aussage zur Verhandlungsführung von Herrn X als Vorsitzender einer
über allgemeine Verwaltungsrechtssachen verhandelnden Kammer in der
Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern kann ich
deshalb nicht treffen.“ (S. 13)
40
dd) „Auf meine Mitteilung, einen Beurteilungsbeitrag meines Vorgängers im
Rahmen seiner Beurteilung einzuholen, ließ er einen Blick auf die - oben
angesprochene - emotionale Seite seiner Persönlichkeit zu, indem er mir
ankündigte, „dagegen aus allen Rohren schießen“ zu wollen. Eine
angemessene Reaktion auf solchermaßen zugespitzte Äußerungen mag
durchaus die Fähigkeit des Gesprächspartners zur Einordnung in den jeweiligen
Kontext der gewählten Formulierung sowie dessen Bereitschaft zur Empathie
und Toleranz fordern. Denkbar erscheint mir, dass der eine oder andere
Gesprächspartner dadurch je nach Situation und Rahmenbedingungen
überfordert sein könnte.“ (S. 14)
41
ee) „Auch während meiner Amtszeit seit dem 01.03.2013 haben die richterlichen
Mitglieder der 11. Kammer - wie unter 7.) bereits dargestellt - weiterhin nicht im
Rahmen des Spruchkörpers zusammengewirkt.“ (S. 17)
42
ff) „Gleichwohl bin auch ich der Auffassung, dass die von meinem Vorgänger
aufgezeigten Sachverhalte fortwirkend Anlass zu Zweifeln an der
Führungskompetenz von Herrn X in Bezug auf die für einen Vorsitzenden
erforderliche Kommunikationsbereitschaft, Integrations- und Motivationskraft
sowie Fähigkeit zur Konfliktlösung innerhalb des richterlichen Spruchkörpers
geben.“ ( S. 17)
43
gg) „Seine Leistung im Beurteilungszeitraum wird geprägt durch seinen Einsatz
als Vorsitzender der Fachkammer für Personalvertretungssachen sowie in
seinem Referat in der 11. Kammer. Zum anderen wurden aber bei der
Zusammenarbeit mit den richterlichen Kollegen in der 11. Kammer auch
verschiedene Defizite im Bereich der Sozialkompetenz mit Folgewirkung auf
seine Führungskompetenz erkennbar. Diese wurden insbesondere anhand der
von Präsident des Verwaltungsgerichts a.D. K. beschriebenen Probleme im
Zusammenhang mit den zwei verschiedenen Kammern mit unterschiedlichen
Richterpersönlichkeiten aufgetretenen Konflikten sichtbar und hindern Herrn X,
als Kammervorsitzender seine beschriebenen hohen fachlichen Fähigkeiten in
vollem Umfang bei der Führung der ihm anvertrauten 11. Kammer fruchtbar
werden zu lassen. Insbesondere fehlt es nach wie vor an einer tragfähigen
Grundlage zur Beurteilung seiner Verhandlungsführung in einem solchen
Spruchkörper.“ (S. 18 f.)
44
hh) „Diese Prognose hat sich aber in der Ausübung des Amts eines
Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht vom 15.09.2008 bis zum
30.06.2014 in Bezug auf Sozial- und Führungskompetenz nicht bestätigt.“ (S.
19)
45
Bezogen auf die bereits erstinstanzlich gestellten Anträge lässt der Antragsteller
nach wie vor geltend machen, dass es sich bei der dienstlichen Beurteilung vom
12.01.2015 um einen Verwaltungsakt handele, weshalb dem hiergegen
eingelegten Widerspruch aufschiebende Wirkung zukomme. Die erforderliche
Qualität als Verwaltungsakt erhalte die Beurteilung gerade durch den durch sie
erfolgenden Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
gebiete gar diese Auslegung. Eine aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs
eröffne sodann die Möglichkeit der Beseitigung rechtswidriger
Vollzugsmaßnahmen durch das Richterdienstgericht. Dieses könne bei
schwerwiegenden Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit auch nicht nur
gem. § 84 Abs. 2 Satz 2 LRiStAG die Unzulässigkeit der Maßnahme feststellen,
sondern auch die gesamte Beurteilung aufheben.
46
Was die vom Dienstgericht als sachdienlich angesehenen Feststellungsanträge
anbetreffe, gehe dieses bei der Beurteilung des Vorliegens eines
Anordnungsgrundes und -anspruchs von einem unzutreffenden Maßstab aus.
47
Zentrale Aussagen der Beurteilung vom 12.01.2015 könnten nicht isoliert
betrachtet werden, sondern nur im Kontext mit der ersten Beurteilung von
10.09.2014. Auf die diesbezügliche Widerspruchsbegründung werde Bezug
genommen.
48
Was die Betätigung des Antragstellers als Vorsitzender der 11. Kammer des
Verwaltungsgerichts S. angehe, knüpfe die dienstliche Beurteilung ausschließlich
an die niedrige Anzahl an Kammersitzungen an. Hierzu sei zu bemerken, dass
bei der konkreten Rechtsfindung alle Mitglieder eines Spruchkörpers hinsichtlich
Aufgabe, Leistung und Verantwortung völlig gleich seien und die einschlägigen
prozessualen Regelungen nicht zur Disposition des Antragstellers stünden. So
könne er, was das Prozessrecht vorgebe, keine Kammersitzungen anberaumen,
wenn ein Einzelrichter zur Entscheidung des Verfahrens berufen sei. Die mit der
dienstlichen Beurteilung monierte Verfahrensweise sei im Übrigen bei dem
Verwaltungsgericht S. seit Jahren allgemein üblich, was sich auch aus der
Altersstruktur des Gerichts ergebe. Entgegen der Auffassung des Dienstgerichts
stellten die diesbezüglichen Formulierungen der dienstlichen Beurteilung vom
12.01.2015 auch nicht lediglich eine bloße Feststellung der Praxis des
Antragstellers dar. Vielmehr würden hierdurch Anforderungen an den Richter
gestellt, die direkt oder indirekt Einfluss auf seine Entscheidung oder seine
Verfahrensgestaltung hätten.
49
Was sein Gespräch mit der Präsidentin des Verwaltungsgerichts wegen der
Einholung eines Beurteilungsbeitrags deren Vorgängers angehe, habe er dieser
gegenüber eine Voreingenommenheit des Amtsvorgängers geltend gemacht und
erläutert. Er habe die Präsidentin gebeten, etwaige Vorhalte nicht unkritisch zu
übernehmen.
50
Die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der
Urlaubsgewährung für den 01. und 02.08.2011 seien erkennbar haltlos.
Entsprechend unberechtigte Vorwürfe in der dienstlichen Beurteilung seien in
dem vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, weil die Ausübung der
Dienstaufsicht keine Herabsetzung der Richterpersönlichkeit erlaube. Dasselbe
gelte für die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner
Anwesenheit am 04.04.2009 und mit der Führung der Kammerliste.
51
Der Antragsgegner beantragt,
52
die Beschwerde zurückzuweisen.
53
Er hält an seiner Auffassung fest, wonach dienstliche Beurteilungen von Richtern
keine Verwaltungsakte darstellten. Im Übrigen habe das Dienstgericht zu Recht
nicht geprüft, ob die gegenständliche dienstliche Beurteilung auf zutreffend
ermittelten Tatsachengrundlagen beruhe, da dies ausschließlich Aufgabe der
Verwaltungsgerichte sei. Ob, wie vom Dienstgericht angenommen, eine
vorläufige Feststellung der Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit nur bei
einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit des Hauptsacheverfahrens getroffen
werden dürfe, könne vorliegend dahingestellt bleiben, weil ein Eingriff in die
richterliche Unabhängigkeit des Antragsstellers bereits abschließend zu
verneinen sei.
54
Was die Zahl der von dem Antragsteller geleiteten Kammersitzungen angehe,
enthalte sich die Beurteilung jeder wertenden Äußerung und jeder Einflussnahme
auf die Praxis. Der Antragsteller verkenne in diesem Zusammenhang, dass dem
Vorsitzenden Richter eines Senats oder einer Kammer durch Gesetz die
Aufgabe zugewiesen sei, einen richtungsgebenden Einfluss auf die
Rechtsprechung seines Spruchkörpers auszuüben, der er aufgrund seiner
Sachkunde, seiner Erfahrung und seiner Menschenkenntnis allein durch geistige
Überzeugungskraft nachkomme. Es sei daher geradezu geboten, in einer
dienstlichen Beurteilung aus Anlass einer Bewerbung um eine Stelle als
Vorsitzender Richter Stellung zu der Fähigkeit des Bewerbers zu nehmen, einen
richtungsweisenden Einfluss in diesem Sinne auszuüben.
55
Was die Urlaubsabwesenheit am 01. und 02.08.2011 angehe, sei zu Recht und
ohne eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit des Antragstellers
beanstandet worden, dass dieser sich nicht in einem stärkeren Maß als
tatsächlich geschehen um eine adäquate bzw. valide Absprache mit der
Vertretungskammer bemüht habe.
56
Hinsichtlich der Situation am Morgen des 04.04.2009 erwarte die beanstandete
Beurteilung von dem Antragsteller lediglich, mit den Unterstützungskräften wegen
des weiteren Vorgehens wegen bereits eingegangener Eilanträge zu
kommunizieren und nicht das Gericht zu verlassen, ohne diesbezüglich
irgendetwas zu äußern.
57
Auch was das Führen der Kammerliste angehe, hätten Beurteilung und
Beurteilungsbeitrag lediglich deutlich gemacht, dass der seinerzeitige Konflikt
seine Ursache auch in der Person des Antragstellers gehabt habe und einfacher
zu lösen gewesen wäre, hätte dieser über eine bessere Kommunikations- und
Integrationsfähigkeit gegenüber seinen Kammerkollegen verfügt.
58
Vorsorglich werde mitgeteilt, dass sich der Antragsteller zwischenzeitlich auf eine
zusätzlich ausgeschriebene Stelle eines Vorsitzenden Richters am
Verwaltungsgerichtshof (Ausschreibungsnummer 4297) beworben habe, wobei
davon ausgegangen werden könne, dass die Präsidentin des
Verwaltungsgerichts S. zur Beurteilung des Antragstellers auf ihre
Anlassbeurteilung vom 12.01.2015 Bezug nehmen werde.
59
Der in dem vorliegenden Verfahren entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan
für das Oberlandesgericht Stuttgart des Jahres 2015 i. V. m. dem Beschluss des
Präsidiums vom 11.08.2014 (Az. 320-3/2014) als zweiter nichtständiger
richterlicher Beisitzer berufene Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Y hat
in einer Selbstanzeige mitgeteilt, er habe sich ebenfalls auf die weitere
ausgeschriebene Stelle eine Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgerichtshof
mit der Ausschreibungsnummer 4297 beworben. Ein Verfahrensbeteiligter könne
daher den Eindruck gewinnen, dass er am Ausgang des Verfahrens nicht mehr
unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden könnte,
weshalb um Entscheidung nach § 48 ZPO gebeten werde.
60
Anschließend hat der Antragsteller Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht
Y wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Herr Y sei in dem weiteren
Besetzungsverfahren sein direkter Konkurrent, und zwischenzeitlich habe die
Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. auch zu seiner erneuten Beurteilung auf
die dienstliche Beurteilung vom 12.01.2015 verwiesen.
61
Mit Beschluss vom 03.08.2015 - 6 K 1719/15 - hat das Verwaltungsgericht
Stuttgart dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagt,
die Stelle eines Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung
getroffen worden ist. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die dienstliche
Beurteilung vom 12.01.2015 leide mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer falschen
bzw. unvollständigen Beurteilungsgrundlage, was den Punkt der Gestaltung der
Urlaubsvertretung am 01. und 02.08.2011 angehe. Gegen den Beschluss hat der
Antragsgegner Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
erhoben (Az. 4 S 1733/15), über die noch nicht entschieden ist.
62
Dem Dienstgerichtshof liegen die einschlägigen Sachakten des Antragsgegners,
eine Kopie der Personalakten über den Antragsteller (Vorgänge bis zum
25.03.2015) und die Verfahrensakten des Dienstgerichts zu den Verfahren RDG
1/15 und RDG 2/15 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstands wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der im Beschwerdeverfahren
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
I.
63
Die Selbstanzeige des nach dem Geschäftsverteilungsplan für das
Oberlandesgericht Stuttgart des Jahres 2015 i. V. m. dem Beschluss des
Präsidiums vom 11.08.2014 (Az. 320 - 3/2014) als zweiten nichtständigen
richterlichen Beisitzer berufenen Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Y
und das diesen betreffende Ablehnungsersuchen des Antragstellers sind
begründet. Hierüber befindet der Senat in der den Beteiligten mitgeteilten, in der
Verfügung des Vorsitzenden vom 25.09.2015 bezeichneten geänderten
Besetzung.
64
Eine Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der
geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu
rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der Richter
tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines
Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven
orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen
vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich ist. Die Besorgnis
der Befangenheit ist dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten
hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller
Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu
zweifeln (BVerwG, Beschluss vom 30.09.2015 - 2 AV 2.15 - juris, Urteil vom
05.12.1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36, Beschluss vom 29.01.2014 - 7 C
13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16).
65
Aufgrund des Umstands, dass sich Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht
Y wie auch der Antragsteller zwischenzeitlich um eine weitere ausgeschriebene
Stelle eines Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg beworben haben und dass in jenem Besetzungsverfahren die
vorliegend streitgegenständliche dienstliche Beurteilung der Präsidentin des
Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.01.2015 erneut zur Beurteilung des
Antragstellers herangezogen worden ist, besteht nach der Auffassung des
Senats hinreichend Anlass zu der Annahme, dass ein Grund vorliegt, der
geeignet ist, bei den Beteiligten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des
zweiten nichtständigen richterlichen Beisitzers zu rechtfertigen (vgl. § 79 Abs. 1
S. 1 LRiStAG i.V.m. §§ 54 Abs. 1 VwGO, 42 Abs. 2 ZPO). Auch wenn in dem
vorliegenden Verfahren nicht das eigentliche Besetzungsverfahren zu der
Ausschreibungsnummer 4297 der Beurteilung des Senats unterliegt, rechtfertigt
doch die besondere Nähe des zweiten nichtständigen richterlichen Beisitzers zu
jenem Verfahren, das dem Besetzungsverfahren mit der Ausschreibungsnummer
4246 hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle sowie der herangezogenen
dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015 entspricht, von einer Besorgnis der
Befangenheit auszugehen, weshalb sowohl die Selbstanzeige als auch das
Ablehnungsersuchen (vgl. § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i.V.m. §§ 54 Abs. 1
VwGO, 42 Abs. 1, 48 ZPO) begründet sind.
66
An die Stelle des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht Y tritt zur
Entscheidung auch im weiteren Verfahren der nach dem
Geschäftsverteilungsplan als zweiter nichtständiger richterlicher Beisitzer
nächstberufene Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Z.
II.
67
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Dienstgerichts
vom 22.06 2015 - RDG 1/15 - ist zwar zulässig, denn sie wurde fristgerecht
erhoben sowie begründet und umfasst auch konkret bezeichnete Anträge (vgl. §
79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i. V. m. §§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO).
68
Sie ist indes nur hinsichtlich des Antrags Nr. 3 d) bb) begründet. Hinsichtlich der
übrigen Anträge ist sie unbegründet und daher zurückzuweisen.
69
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Dienstgerichtshof ist das von
dem Antragsteller in seinem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom
29.07.2015 mitgeteilte, durch die Anträge Nrn. 1 bis 3 d) hh) eingegrenzte
Begehren. Nur insoweit unterstellt der Antragsteller entsprechend der ihm
zukommenden Dispositionsbefugnis (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl.,
§ 81 Rn. 1, § 86 Rn. 2, § 88 Rn. 1) die Entscheidung des Dienstgerichts einer
Überprüfung durch den Dienstgerichtshof. Nach dem Wortlaut der von dem
Antragsteller im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge Nrn. 3 d) aa) bis hh)
bedeutet dies, dass er damit nicht sämtliche ihm seitens des Dienstgerichts
zusätzlich anempfohlenen (Hilfs-)Anträge aufgegriffen hat, mit der Folge, dass
einzelne Teile der erstinstanzlichen Entscheidung unangefochten geblieben sind
(s. dazu noch unten).
70
Sämtliche von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren weiter verfolgten
Anträge knüpfen als Anträge zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes in
entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 bzw. § 123 VwGO an die
dienstgerichtliche Entscheidungskompetenz nach § 63 Nr. 4 f) des baden-
württembergischen Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes (LRiStAG) an.
Danach entscheidet das Dienstgericht „bei Anfechtung einer Maßnahme der
Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 des Deutschen
Richtergesetzes“, wobei die - stattgebende - Urteilsformel in der Hauptsache
allerdings nicht die Aufhebung der betreffenden Maßnahme beinhaltet, sondern
gem. § 84 Abs. 2 Satz 2 LRiStAG dahin geht, dass das Gericht die
Unzulässigkeit der Maßnahme feststellt.
71
Den Regelungen des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes lässt sich zwar
nicht ausdrücklich entnehmen, dass den Dienstgerichten neben den
Entscheidungen in den Verfahren zur Hauptsache auch die Befugnis zukommt,
Entscheidungen in vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu treffen. Aus Gründen
des effektiven Rechtsschutzes hält der Senat solches aber zwingend für
geboten, zumal dem die Bestimmungen des Landesrichter- und -
staatsanwaltsgesetzes keineswegs entgegenstehen. Vielmehr beinhaltet dieses
gerade die umfassende Verweisung auf die Vorschriften der
Verwaltungsgerichtsordnung durch § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG (vgl. Schmidt-
Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6. Aufl., § 62 Rn. 29) und auch die
Bestimmung des § 64 Nr. 1 LRiStAG, wonach der Dienstgerichtshof u.a. über
Beschwerden gegen Beschlüsse des Dienstgerichts entscheidet, bietet
genügend Anhalt hierfür.
72
1. Bei den von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren wie im
erstinstanzlichen Verfahren wortgleich gestellten Anträgen Nrn. 1, 2 a) und b) und
3 a) und b) handelt es sich der Verfahrensart nach um Anträge gem. § 79 Abs. 1
Satz 1 LRiStAG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO in entsprechender Anwendung, die
jeweils letztlich dem weiteren Zweck dienen sollen, der von dem Antragsteller
behaupteten aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die
dienstliche Beurteilung der Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. vom
12.01.2015 im Sinne eines „Ausnutzungs- und Verwirklichungsverbots“
Rechnung zu tragen.
73
Zwar ermöglicht die Vorschrift des § 80 VwGO nicht nur die Anordnung bzw.
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer
Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG,
sondern auch die Gewährung von Eilrechtsschutz etwa bei einer Nichtbeachtung
der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde oder gar die
Rückgängigmachung der Vollziehung (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 176
ff. und Rn.181 ff.). All dieses setzt jedoch auf den vorliegenden Fall bezogen
voraus, dass es sich bei der von dem Antragsteller angegriffenen dienstlichen
Beurteilung vom 12.01.2015 bzw. bei den von ihm aus der Beurteilung
herausgegriffenen einzelnen Formulierungen tatsächlich um Verwaltungsakte im
Rechtssinne handelt.
74
Das Dienstgericht hat dieses für den Senat überzeugend unter Bezugnahme auf
die insoweit herrschende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung verneint,
sodass auf die entsprechenden Ausführungen in der erstinstanzlichen
Entscheidung einschließlich der Ausführungen, die bereits das Vorliegen einer
Maßnahme der Dienstaufsicht verneinen, Bezug genommen werden kann. Die
Beschwerdebegründung hat dem keine stichhaltigen Argumente
entgegengesetzt, die den Senat zu einer anderen Sichtweise veranlassen
könnten. Insbesondere bieten, wie noch zu zeigen sein wird, die
Entscheidungskompetenzen der Dienstgerichtsbarkeit hinreichende
Möglichkeiten, grundrechtlich verbotene Eingriffe in die richterliche
Unabhängigkeit zu unterbinden.
75
Ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang an, dass - wie bereits
oben angesprochen - sich der gerichtliche Rechtsschutz im
Hauptsacheverfahren bei der Geltendmachung einer Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht gem. § 26
Abs. 3 DRiG in der Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme nach § 84
Abs. 2 Satz 2 LRiStAG (vgl. auch § 67 Abs. 4 i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 4 DRiG)
erschöpft. Dabei ist dem Gesetzgeber bewusst gewesen, dass eine Maßnahme
der Dienstaufsicht sowohl in der Gestalt eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 35
VwVfG als auch auf andere Art und Weise ergehen kann. Auch für Maßnahmen
der Dienstaufsicht in der Gestalt eines Verwaltungsaktes sieht das Gesetz aus
Gründen einer einheitlichen Behandlung aller Maßnahmen der Dienstaufsicht
gem. § 26 Abs. 3 DRiG im Rahmen des neben dem verwaltungsgerichtlichen
Rechtsschutz bestehenden dienstgerichtlichen Rechtsschutzes lediglich die
Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme und nicht etwa - wie dies § 84
Abs. 2 Satz 1 LRiStAG in den Fällen des § 63 Nr. 4 Buchst. a bis e und g
LRiStAG ermöglicht - die Aufhebung der angefochtenen Maßnahme vor. Mit der
rechtskräftigen Feststellung des Dienstgerichts steht sodann fest, dass die
betreffende Maßnahme der Dienstaufsicht von Anfang an unwirksam war
(Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 67 Rn. 6).
76
Selbst wenn es sich entsprechend der Auffassung des Antragstellers bei der von
ihm angegriffenen dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015 bzw. einzelner
Formulierungen hieraus um Verwaltungsakte im Rechtssinne handeln sollte,
stünde ihm demnach im dienstgerichtlichen Hauptsacheverfahren allein die
Möglichkeit offen, die Feststellung der Unzulässigkeit der Maßnahme im Wege
eines Feststellungsurteils zu erstreiten. Den dieser Rechtsschutzmöglichkeit im
Hauptsacheverfahren korrespondierenden vorläufigen Rechtsschutz stellt jedoch
gerade nicht der Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 VwGO in unmittelbarer oder
entsprechender Anwendung dar, sondern allein der vorläufige Rechtsschutz
nach § 123 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rn. 4). § 123 Abs. 5 VwGO
stellt dies durch die Regelung klar, dass die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3
VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO gelten. Vorläufiger
Rechtsschutz über § 80 VwGO ist lediglich in der Situation der Anfechtungsklage
statthaft, nicht jedoch in der - vorliegend - dienstgerichtlich allein einschlägigen
Situation einer Feststellungklage.
77
Der Auffassung des Dienstgerichts, wonach die Anträge Nrn. 1, 2 a) und b) und 3
a) und b) bereits nicht statthaft bzw. unzulässig sind, kann danach
uneingeschränkt beigepflichtet werden.
78
2. Der auch im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Antrag Nr. 3 c) gem. § 123
VwGO des Inhalts, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig zu untersagen, die Stelle eines Vorsitzenden Richters am
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Ausschreibungsnummer 4246) zu
besetzen, solange über die Widersprüche des Antragstellers vom 11.02.2015
und 01.04.2015 nicht bestands- bzw. rechtskräftig entschieden worden ist,
überschreitet, wie auch das Dienstgericht zutreffend festgestellt hat, ersichtlich
die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Dienstgerichtsbarkeit und ist
daher unstatthaft.
79
Wie ausgeführt, ist die Kompetenz der Dienstgerichtsbarkeit in dem hier
einschlägigen Prüfungsverfahren nach § 63 Nr. 4 f LRiStAG insoweit begrenzt,
als in einem Hauptsacheverfahren allein die Unzulässigkeit einer Maßnahme der
Dienstaufsicht i.S.v. § 26 Abs. 3 DRiG festgestellt werden kann. Sie beschränkt
sich demnach allein auf die Frage, ob die angegriffene Maßnahme die
richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (vgl. Dienstgerichtshof für Richter bei
dem OLG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2015 - DGH 1/13 - juris, mit weiteren
Nachweisen zu der insoweit ständigen dienstgerichtlichen Rechtsprechung).
Eine Entscheidung darüber, welche Auswirkungen eine entsprechende
Feststellung auf etwaige sonstige seitens des betroffenen Richters angestrengte
Verfahren hat, ist der Dienstgerichtsbarkeit danach sowohl in dem
Hauptsacheverfahren als auch in einem hiermit korrespondierenden vorläufigen
Rechtsschutzverfahren verwehrt. Hierüber zu befinden, ist in erster Linie Aufgabe
der Verwaltungsgerichtsbarkeit, etwa im Rahmen eines klassischen sog.
Konkurrentenstreitverfahrens, wie es der Antragsteller auch selbst parallel zu
dem hiesigen dienstgerichtlichen Verfahren angestrengt hat. Sein vor dem
Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren 6 K 1719/15 gestellter Hilfsantrag ist im
Übrigen dem hier gestellten Antrag Nr. 3 c) nahezu wortgleich.
80
Entgegen der Auffassung des Antragstellers gebietet auch das aus Art. 19 Abs. 4
GG abzuleitende Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nichts
anderes. Denn im Rahmen der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der
Dienstgerichtsbarkeit kann, wogegen im Übrigen auch der Antragsgegner nichts
erinnert, vorläufiger Rechtsschutz über einen Antrag gem. § 79 Abs. 1 Satz 1
LRiStAG i.V.m. § 123 VwGO des Inhalts nachgesucht werden, korrespondierend
zu dem Urteilsausspruch im Hauptsacheverfahren nach § 84 Abs. 2 Satz 2
LRiStAG die vorläufige Unzulässigkeit einer Maßnahme der Dienstaufsicht
festzustellen. Eine dem entsprechende einstweilige Anordnung klärt zwischen
den Verfahrensbeteiligten vorübergehend, aber dennoch zunächst verbindlich
die aufgeworfene dienstrechtliche Frage.
81
Was den zu entscheidenden Fall angeht, hat insoweit der Antragsgegner im
erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 18.05.2015 ausdrücklich erklärt,
er teile die Rechtsauffassung, wonach zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes
des Antragstellers der Ausspruch einer vorläufigen Feststellung der
Unzulässigkeit einer Maßnahme der Dienstaufsicht in Betracht komme. Mit der
Beschwerdeerwiderung hat er zudem ausgeführt, der aufgezeigte Weg sei in
jeder Hinsicht ausreichend, effektiven Rechtsschutz trotz der
„Doppelzuständigkeit“ von Dienst- und Verwaltungsgerichten zu ermöglichen.
Zudem halte sich das Justizministerium Baden-Württemberg selbstverständlich
an gerichtliche Entscheidungen.
82
3. Mit den weiteren von dem Antragsteller zur Entscheidung des
Dienstgerichtshofs gestellten Anträgen Nrn. 3 d) aa) bis hh) auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LRiStAG i.V.m. § 123 VwGO
nimmt dieser für das Beschwerdeverfahren die im erstinstanzlichen Verfahren
durch das Dienstgericht erfolgte sachdienliche Auslegung seines Begehrens auf
und konkretisiert dieses im Einzelnen. Der Senat vermag vor diesem Hintergrund
in den Anträgen Nrn. 3 d) aa) bis hh) keine im Beschwerdeverfahren
grundsätzlich nicht mehr zulässige Antragserweiterung (vgl. dazu Kopp/Schenke,
a.a.O., § 146 Rn. 33) zu sehen. Vielmehr knüpfen die Anträge an die seitens des
Dienstgerichts dem Antragsteller anempfohlenen und sodann tatsächlich
beschiedenen Anträge an und verdeutlichen nunmehr lediglich das wirkliche
Begehren des Antragstellers, von welchem das Dienstgericht allein aufgrund der
Aktenlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung ausgehen konnte.
83
Indes begrenzen die nunmehr im Rahmen der ihm zukommenden
Dispositionsbefugnis von dem Antragsteller selbst ausformulierten Anträge auch
sein dem Dienstgerichtshof zur Entscheidung unterbreitetes Begehren. Soweit in
der Beschwerdebegründung daher auch Ausführungen zu Gesichtspunkten
enthalten sind, welche sich in den Anträgen Nrn. 3 d) aa) bis hh) nicht bzw. nicht
hinreichend konkret wiederfinden, ist der Senat nicht gehalten, sich auch hiermit
noch zusätzlich zu befassen. Dies betrifft insbesondere die allein von der
Beschwerdebegründung, nicht aber von den Anträgen umfassten Komplexe
„Urlaub am 1. und 2.08.2011“, „Anwesenheit des Antragstellers am 04.04.2009“
und „Kammerliste“. Soweit hierüber seitens des Dienstgerichts mit Beschluss
vom 22.06.2015 befunden worden ist, stellt sich dieser Beschluss danach als
nicht angefochten dar.
84
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts
des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder
aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierzu hat der Antragsteller das Vorliegen
sowohl eines Anordnungsgrundes, d.h. die besondere Dringlichkeit der
Angelegenheit, als auch eines Anordnungsanspruchs, also die Berechtigung
seines Begehrens in der Sache, gegenüber dem Gericht glaubhaft zu machen (§
123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
85
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist in dem vorliegenden Fall mit dem
Dienstgericht darin zu erkennen, dass es zur Gewährung effektiven
Rechtsschutzes erforderlich ist, vorläufig darüber zu befinden, ob die dienstliche
Beurteilung den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit
beeinträchtigt. Eine dienstgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache würde
dem Begehren des Antragstellers allein in zeitlicher Hinsicht nicht Rechnung
tragen, und nur das angestrengte vorläufige Rechtsschutzverfahren ist dazu
geeignet, eine Prüfung der geltend gemachten Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit des Antragstellers durch die hierfür zuständige
Dienstgerichtsbarkeit (vgl. dazu BGH Dienstgericht des Bundes, Urteile vom
14.04.1997 - RiZ (R) 1/96 - DriZ 1997, 467 und vom 20.06.2001 - RiZ (R) 2/00 -
NJW-RR 2002, 574) im Rahmen des noch andauernden
Stellenbesetzungsverfahrens zu gewährleisten.
86
Indes hat der Antragsteller nicht für sämtliche unter Nr. 3 d) aufgeführten
Einzelanträge das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht.
Ohne dass es darauf ankommt, welcher konkrete Wahrscheinlichkeitsmaßstab
insoweit Anwendung findet, ist der Senat davon überzeugt, dass eine
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit allein im Hinblick auf den
Antrag Nr. 3 d) bb) eindeutig gegeben ist und eine solche hinsichtlich der übrigen
Anträge eindeutig nicht gegeben sein kann.
87
a) Was den Antrag Nr. 3 d) aa) angeht, fehlt es bereits an einer hinreichend
konkreten Bezeichnung der von dem Antragsteller geltend gemachten
Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit. Mit der Formulierung „Die
Beurteilungsbeiträge von Herrn Präsident a.D. K. (Beurteilung Seiten 2, 15 f., 16 f.
- jeweils vollständig)“ mutet der Antragsteller dem Senat zu, mehrere Seiten eines
bloßen Beurteilungsbeitrags daraufhin zu überprüfen, ob dieser an irgendeiner
Stelle eine entsprechende Beeinträchtigung beinhaltet. Es ist indes, wie bereits
das Dienstgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht die Aufgabe der Dienstgerichte,
längere Passagen einer dienstlichen Beurteilung daraufhin zu „untersuchen“, ob
irgendeine Formulierung den Richter in seiner richterlichen Unabhängigkeit
betrifft. Vielmehr obliegt es diesem, konkret und nachvollziehbar darzulegen,
welche Formulierungen er als beeinträchtigend versteht.
88
Der Antragsteller lässt hier im Übrigen auch jegliche Darlegung dazu vermissen,
ob der von ihm beanstandete Beurteilungsbeitrag konkret seitens der ihn
beurteilenden Präsidentin des Verwaltungsgerichts S. übernommen worden ist
und er damit überhaupt als eine Maßnahme der Dienstaufsicht verstanden
werden kann. Auch die Beschwerdebegründung erhellt dies nicht.
89
b) Hingegen stellt die mit dem Antrag Nr. 3 d) bb) bezeichnete Formulierung auf
Seite 12 der dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015 „Seine leitende Aktivität als
Kammervorsitzender konzentriert Herr X vor allem auf die 22. Kammer“ nach der
Auffassung des Senats eindeutig eine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit des Antragstellers dar. Sie ist daher als eine Maßnahme der
Dienstaufsicht vorläufig als unzulässig festzustellen.
90
Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht“ ist entsprechend dem auf einen
umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck
des § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Es genügt hierfür bereits eine
Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des
Richters auswirkt oder darauf abzielt. Erforderlich ist dabei, dass sich das
Verhalten einer dienstaufsichtführenden Stelle bei objektiver Betrachtung gegen
einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es
also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem
Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist oder ein konkreter Bezug zur
Tätigkeit eines Richters besteht. Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in
irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer
Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser
Richter in bestimmter Richtung auszuwirken (BGH, Urteile vom 04.03.2015 - RiZ
(R) 4/14 - juris und vom 14.02.2013 - RiZ (R) 3/12 - NJW-RR 2013, 1215).
91
Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehören in
erster Linie die eigentliche Rechtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach-
und Verfahrensentscheidungen einschließlich nicht ausdrücklich
vorgeschriebener, dem Interesse der Rechtssuchenden dienender richterlicher
Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters,
Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen
(sog. Kernbereich). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich
entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter
Fehlgriff vor. Dagegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der
Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen
Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäfts oder
um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit so
weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig
angesehen werden können (BGH, a.a.O.).
92
Auch die dienstliche Beurteilung eines Richters und jede dazu abgegebene
Stellungnahme einer übergeordneten dienstaufsichtführenden Stelle, die sich in
irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen oder außerdienstlichen Verhalten
eines Richters befasst, stellen Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26
Abs. 3 DRiG dar, gegen die mit der nachvollziehbaren Behauptung, sie
beeinträchtigten die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht im
Prüfungsverfahren angerufen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2001 -
RiZ (R) 5/00 - NJW 2002, 359; kritisch dazu: Bieler/Lorse, Die dienstliche
Beurteilung, 5. Aufl., S. 361).
93
Eine dienstliche Beurteilung beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit nicht
schon dann, wenn sie die richterliche Amtsführung und spezifisch richterliche
Fähigkeiten bewertet. Das entspricht vielmehr dem Zweck einer solchen
Beurteilung. Sie verletzt die richterliche Unabhängigkeit vielmehr nur dann, wenn
sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig
verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muss die dienstliche
Beurteilung eines Richters sich allerdings auch jeder psychologischen
Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den
Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder
Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen (BGH, Urteil vom 13. Februar
2014 - RiZ(R) 4/13 - juris).
94
Dementsprechend sieht § 5 LRiStAG die dienstliche Beurteilung von Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung von Richtern auf Lebenszeit mit dem Hinweis
vor, dass bei der Beurteilung richterlicher Amtsgeschäfte die sich aus § 26 Abs. 1
und 2 DRiG ergebenden Beschränkungen zu beachten sind und eine
Stellungnahme zum Inhalt richterlicher Entscheidungen unzulässig ist.
95
Der verfassungsrechtlich geschützte Bereich der richterlichen Unabhängigkeit ist
dabei schon dann betroffen, wenn die beanstandete Maßnahme auch als
Einflussnahme auf den Kernbereich richterlicher Tätigkeit verstanden werden
kann. Zulässig sind in einer richterlichen Beurteilung danach nur solche
Formulierungen, die unter keinem Gesichtspunkt direkt oder indirekt nahe legen,
wie der Richter in Zukunft verfahren oder entscheiden soll. Lässt eine
Formulierung mehrere Auslegungen zu, so ist sie auch dann unzulässig im Sinne
des § 26 Abs. 3 DRiG, wenn eine der möglichen - nicht völlig fernliegenden -
Auslegungen geeignet ist, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen
(Sächsisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 03.04.2012 - 66 DG 20/09 -
juris).
96
Ausgehend von diesen Maßgaben, die der Senat teilt, ist hinsichtlich der durch
den Antrag Nr. 3 d) bb) bezeichneten Formulierung eine Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit des Antragstellers festzustellen.
97
Der Satz „Seine leitende Aktivität als Kammervorsitzender konzentriert Herr X vor
allem auf die 22. Kammer“ mag zwar auf den ersten Blick als eine wohlwollende
Beschreibung der beanstandungsfreien Tätigkeit des Antragstellers als
Vorsitzender der Personalvertretungskammer des Verwaltungsgerichts S.
verstanden werden. Solches wird indes bereits durch den zwingenden
Umkehrschluss der Formulierung widerlegt, der nur dahingehend verstanden
werden kann, dass der Antragsteller seine leitende Aktivität als
Kammervorsitzender gerade nicht auf die 11. Kammer konzentriert, also auf die
ihm zugewiesene klassische Kammer eines Verwaltungsgerichts in der
Besetzung mit drei Berufsrichtern sowie - bei der Durchführung mündlicher
Verhandlungen - zusätzlich zwei ehrenamtlichen Richtern.
98
Entgegen den Einlassungen des Antragsgegners wird mit der beanstandeten
Formulierung auch keineswegs nur ein objektiv gegebener Sachverhalt
wiedergegeben oder beschrieben, wie dies durchaus für andere Passagen der
dienstlichen Beurteilung vom 12.01.2015 zutrifft, in denen etwa davon die Rede
ist, dass der Antragsteller in dem gesamten Beurteilungszeitraum in der 11.
Kammer drei Kammersitzungen geleitet habe (S. 8 und 12), dass in der 11.
Kammer sämtliche Mitglieder bevorzugt als Einzelrichter oder Berichterstatter
wirken (S. 12), dass eine Aussage zur Verhandlungsführung des Antragstellers
einer klassischen Kammer mangels entsprechender Kammersitzungen nicht
getroffen werden könne (S. 13) oder dass die Leistung des Antragstellers im
Beurteilungszeitraum durch seinen Einsatz als Vorsitzender der Fachkammer für
Personalvertretungssachen sowie in seinem Referat in der 11. Kammer geprägt
sei (S. 18).
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Vielmehr begründet die Verwendung des Wortes „konzentrieren“ ein Verständnis
des beanstandeten Satzes, nach welchem dem Antragsteller eine willentliche
Beeinflussung im Hinblick auf die Art und Weise seiner „leitenden Aktivität als
Kammervorsitzender“ zugeschrieben wird. Der Satz impliziert nach der
Überzeugung des Senats, der Antragsteller komme bewusst und gewollt seiner
ihm als Vorsitzenden obliegenden Aufgabe zur Leitung der 11. Kammer der
Verwaltungsgerichts S. nicht nach, worin ohne Weiteres zugleich ein
dahingehender Vorhalt verstanden werden kann.
100 Was die Präsidentin des Verwaltungsgerichts unter der leitenden „Aktivität als
Kammervorsitzender“ versteht, erschließt sich dem Senat aus dem
Gesamtzusammenhang der dienstlichen Beurteilung: Damit ist in erster Linie die
Durchführung und Leitung von Kammersitzungen einer klassischen Kammer des
Verwaltungsgerichts gemeint, wie dies in der Beurteilung vielfach angesprochen
wird. Nicht hingegen reicht es aus der Sicht der Beurteilerin hierfür aus, dass der
Antragsteller - wie auf S. 13 der dienstlichen Beurteilung erwähnt - einen Einfluss
auf Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung der 11. Kammer seiner Darstellung
nach informell wahrnimmt, „indem er für eine wechselseitige Information aller
Kammermitglieder über die jeweilige durch die einzelnen Mitglieder der Kammer
durch den Einzelrichter oder Berichterstatter erfolgende Rechtsprechung sorgt“,
denn dieser Vorgehensweise wird von der dienstlichen Beurteilung ersichtlich
keine weitere Bedeutung beigemessen.
101 Alles in allem darf der von dem Antragsteller beanstandete Satz als eine Kritik
daran verstanden werden, dass dieser während des einschlägigen
Beurteilungszeitraums zu wenige Kammersitzungen der 11. Kammer des
Verwaltungsgerichts abgehalten hat.
102 Dass bei diesem Verständnis der Formulierung eine Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit des Antragstellers gegeben ist, dürfte auch der
Auffassung des Antragsgegners entsprechen, weshalb an dieser Stelle lediglich
zusammenfassend darauf hinzuweisen ist, dass die Entscheidung darüber, ob
ein verwaltungsgerichtliches Hauptsacheverfahren bzw. ein Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes vor der Kammer oder vor dem Einzelrichter geführt
wird, zwar nicht die konkrete Sachentscheidung des Verfahrens betrifft, jedoch
gleichwohl als eine die Entscheidungsfindung vorbereitende Weichenstellung
zum Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit rechnet (vgl. Bieler/Lorse,
a.a.O., S. 359 f.).
103 Ob ein bestimmtes verwaltungsgerichtliches Verfahren in Kammerbesetzung
oder durch den Einzelrichter entschieden wird, ist allein prozessrechtlich
determiniert und hat sich jeder Einflussnahme durch die Dienstaufsicht zu
entziehen. Das Verfahren vor dem Einzelrichter kann etwa im Einverständnis der
Beteiligten (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO) erfolgen, das u. U. erst auf die Initiative des
jeweiligen Berichterstatters erteilt wird. Ein Verfahren soll daneben bei Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. nach § 76 Abs.
1 AsylVfG durch Beschluss der Kammer auf einen Einzelrichter übertragen
werden, wobei die Initiative für den Erlass eines entsprechenden
Übertragungsbeschlusses regelmäßig ebenfalls von dem jeweiligen
Berichterstatter des Verfahrens ausgeht. In aller Regel verständigen sich aber
auch die Mitglieder einer Kammer im Vorhinein allgemein darüber, welche
Verfahren vor dem Hintergrund der individuellen Gegebenheiten der
Kammermitglieder für eine Einzelrichterübertragung in Frage kommen und
welche nicht. Diese zum Kern der richterlichen Tätigkeit rechnende Handhabung
beeinflusst, ob die Praxis innerhalb einer Kammer eines Verwaltungsgerichts
eher von Einzelrichtertätigkeit oder eher durch gemeinsame Entscheidungen in
Kammerbesetzung geprägt ist. Diesbezügliche Vorhaltungen durch Maßnahmen
der Dienstaufsicht verbietet der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit.
104 Der von dem Antragsgegner nach den Ausführungen in der
Beschwerdeerwiderung bei dem Antragsteller vermisste richtungsgebende
Einfluss auf die Rechtsprechung seines Spruchkörpers darf danach jedenfalls
nicht - auch - aus der Kritik abgeleitet werden, der Antragsteller leite in der 11.
Kammer des Verwaltungsgerichts S. zu wenige Kammersitzungen.
105 c) Bei der unter der Antragsnummer 3 d) cc) monierten Passage der dienstlichen
Beurteilung vom 12.01.2015 handelt es sich um die Erklärung der Beurteilerin,
dass sie zu einer für sie im Rahmen der Beurteilung relevanten Fragestellung
keine Aussage treffen könne. Die Passage betrifft danach allein den Bereich der
Erkenntnisgewinnung seitens der Beurteilerin, der die richterliche Unabhängigkeit
des Antragstellers nicht berührt.
106 d) Die von dem Antrag Nr. 3 d) dd) erfasste Passage beschreibt und bewertet
zugleich ein bestimmtes Gespräch zwischen der Präsidentin des
Verwaltungsgerichts und dem Antragsteller, wobei eine konkrete Bemerkung des
Antragstellers seitens der Beurteilerin - wortreich umschrieben - kritisiert worden
sein dürfte. Die Gesprächspassage betrifft indes ersichtlich nicht den Bereich der
Entscheidungsfindung durch den Antragsteller, sodass eine Verletzung dessen
richterlicher Unabhängigkeit vor diesem Hintergrund auszuscheiden hat.
107 Die in der Passage anklingende Kritik an dem Antragsteller ist auch nicht etwa
dazu geeignet, diesen in seiner Richterpersönlichkeit herabzuwürdigen, was
ebenfalls im Einzelfall eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit
begründen kann. So ist dem Dienstherrn eine über die zulässige Ausübung der
Dienstaufsicht hinausgehende Missbilligung und Herabsetzung der
Richterpersönlichkeit nicht gestattet (vgl. BGH, Urteile vom 13.02.2014 - RiZ (R)
4/13 - juris, vom 06.10.2011 - RiZ (R) 3 /10 - NJW 2012, 939 und vom 04.06.2009
- RiZ (R) 5/08 - BGHZ 181, 268). Die von dem Antragsteller hier beanstandete
Formulierung ist jedoch derart zurückhaltend, dass sie nicht als Herabsetzung
des Antragstellers verstanden werden kann.
108 e) Die mit dem Antrag Nr. 3 d) ee) beanstandete Formulierung erschöpft sich in
der Darstellung eines Teiles des der dienstlichen Beurteilung zu Grunde gelegten
Sachverhalts, ohne zugleich einen irgend gearteten Vorhalt gegenüber dem
Antragsteller zu formulieren. Eine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit des Antragstellers lässt sich daher insoweit nicht erkennen.
109 f) Die unter Nr. 3 d) ff) des Antrags aufgeführte Passage des Inhalts, „Gleichwohl
bin auch ich der Auffassung, dass die von meinem Vorgänger aufgezeigten
Sachverhalte fortwirkend Anlass zu Zweifeln an der Führungskompetenz von
Herrn X in Bezug auf die für einen Vorsitzenden erforderliche
Kommunikationsbereitschaft, Integrations- und Motivationskraft sowie Fähigkeit
zur Konfliktlösung innerhalb des richterlichen Spruchkörpers geben“, betrifft die
eigentliche Beurteilung insbesondere persönlicher Eigenschaften des
Antragstellers, welche - ohne irgendeinen Bezug zu der konkreten rechtlichen
Entscheidungsfindung durch den Antragsteller aufzuweisen - nicht dessen
richterliche Unabhängigkeit betreffen können.
110 g) Die mit der Nr. 3 d) gg) des Antrags erfasste Passage gibt zum einen lediglich
wiederum einen Teil des der Beurteilung zu Grunde gelegten Sachverhalts
wieder, indem darin die Tätigkeit des Antragstellers als Vorsitzender der
Fachkammer für Personalvertretungssachen sowie als Mitglied der 11. Kammer
erwähnt wird. Im Gegensatz zu der von der Antragsnummer 3 d) bb) erfassten
Passage enthält sich die Beurteilung hier aber jeder Kritik einer konkreten
Verfahrensweise des Antragstellers.
111 Zum anderen befasst sich die Passage mit der zu beurteilenden
Sozialkompetenz des Antragstellers, welche aber keinen Bezug zu dessen
konkreter Rechtsfindung aufweist und auch in ihrer Formulierung wiederum keine
Herabsetzung der Richterpersönlichkeit des Antragstellers darstellt.
112 h) Schließlich stellt auch die unter der Antragsnummer 3 d) hh) aufgeführte
Formulierung keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit des
Antragstellers dar. Denn sie verhält sich allein zu der Frage der Sozial- und
Führungskompetenz des Antragstellers, ohne ihn zugleich dazu zu veranlassen,
in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung zu treffen, und ohne
ihn im Sinne der dienstgerichtlichen Rechtsprechung in unsachlicher Weise in
seiner Richterpersönlichkeit herabzusetzen.
III.
113 Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 1 LRiStAG i.V.m. § 155 Abs. 1
Satz 1 VwGO und berücksichtigt, dass der Antragsteller nur zu einem geringen
Anteil obsiegt hat.
114 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 79 Abs. 1 LRiStAG i.V.m. § 152 Abs. 1
VwGO).