Urteil des OLG Stuttgart vom 17.04.2015

unabhängigkeit, rechtliches gehör, wirksame beschwerde, versuch

OLG Stuttgart Urteil vom 17.4.2015, DGH 2/13
Leitsätze
Nicht rechtskräftig
Tenor
I. Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter bei
dem Landgericht K. vom 04.12.2012 - RDG 6/12 - wird
zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1 Mit seiner Berufung wendet sich der Antragsteller gegen das Urteil des
Dienstgerichts für Richter vom 04.12.2012 - RDG 6/12 -, mit dem dieses seinen
Antrag zurückgewiesen hat, festzustellen, dass der Bescheid der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K. vom 26.01.2012 über einen Vorhalt und eine Ermahnung
gem. § 26 Abs. 2 DRiG unzulässig gewesen seien.
2 Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 12.07.2002, ausgehändigt am
29.07.2002, zum Richter am Oberlandesgericht beim Oberlandesgericht K.
ernannt. Er wurde zunächst dem ... Zivilsenat, zum 01.07.2007 dem ... Zivilsenat in
F. und zum 01.04.2011 dem ... Zivilsenat in F. zugewiesen.
3 Am 30.04.2010 fand ein Gespräch zwischen der Präsidentin des
Oberlandesgerichts, Frau Prof. Dr. H., dem damaligen Vorsitzenden des ...
Zivilsenats, Herrn E., und dem Antragsteller statt, in dem u. a. die
Erledigungszahlen und der Verfahrensbestand im Dezernat des Antragstellers
erörtert wurden und der Antragsteller seine Arbeitsweise und deren Auswirkungen
auf die Erledigungszahlen erläuterte.
4 Mit Verfügung vom 08.06.2011 (Sammelakten 313 III - X. -Sonderprüfung 4a [im
Folgenden: Sammelakten 313 III], AS 1) ordnete die Präsidentin des
Oberlandesgerichts eine Sonderprüfung der Verfahren an, die der Antragsteller bei
seinem Wechsel in den ... Zivilsenat im ... Zivilsenat zurückgelassen hatte. Der
Antragsteller wurde über die Durchführung dieser Sonderprüfung nicht vorher
informiert. Die Sonderprüfung wurde durch den Vizepräsidenten des
Oberlandesgerichts, Herrn S., durchgeführt. Dieser erstellte hinsichtlich 48
hinterlassener Verfahren tabellarische Einzelberichte (Sammelakten 313 III, AS
13/97). Die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung sind Gegenstand
des Parallelverfahrens RDG 7/12 (= DGH 3/13).
5 Am 12.10.2011 erließ die Präsidentin des Oberlandesgerichts folgende Verfügung
(Sammelakten 313 III, AS 145/147), die Gegenstand des Parallelverfahrens RDG
5/12 (= DGH 1/13) ist:
6
„Verfügung vom 12.10.2011
7 1. Vermerk:
8 Nach einem Hinweis des Vorsitzenden des ... Zivilsenats des Oberlandesgerichts
K. auf eine hohe Zahl unzureichend bearbeiteter Verfahren in dem Respiziat ..d
(ROLG X.) hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts K. mit Verfügung vom
08.06.2011 eine Sonderprüfung angeordnet, die inzwischen stattgefunden hat.
Dabei wurde festgestellt, dass ROLG X. in der Zeit seiner Zugehörigkeit zum ...
Zivilsenat ihm dort zugeschriebene Verfahren in großer Zahl zum Teil über Jahre
und teilweise trotz erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit nicht oder
jedenfalls nur völlig unzureichend bearbeitet hat. Die Einzelergebnisse wurden von
Vizepräsident des Oberlandesgericht S. für 48 gravierende Fälle dokumentiert. In
dem Zeitraum von 2008 - 2010 hat ROLG X. lediglich zum Abschluss gebracht:
9
U–Verfahren W-Verfahren
2008 43
23
2009 58
22
2010 48
34
10 Dies Erledigungsleistung entsprach nur etwa 68% der von den Richterinnen und
Richtern des Oberlandesgerichts K. in dem genannten Zeitraum durchschnittlich
erledigten Verfahren. Der Bestand an anhängigen Verfahren im Respiziat des
ROLG X. wuchs deshalb um 67 % von 76 offenen Verfahren zum Ende des
Jahres 2008 auf 127 offene Verfahren zum Ende des Jahres 2010 an.
11 Auch nach seinem Wechsel in den ... Zivilsenat zum April 2011 gelingt es ROLG X.
nicht, in quantitativer Hinsicht auch nur annähernd durchschnittliche Ergebnisse zu
erzielen. Dies hat zur Folge, dass im Respiziat des Richters im ... Zivilsenat
zwischen April und Oktober 2011 ein Zuwachs von 32 im Bestand an anhängigen
U-Verfahren zu verzeichnen ist. Der Zuschreibung von 31 U-, 15 W- und 6 AR-
Sachen steht in dem Zeitraum 01.04.-10.11.2011 eine Erledigung von 9 U-, 11 W-
und 4 AR-Sachen gegenüber.
12 Durch die unzureichende Erledigung der dem Richter durch das Präsidium des
Oberlandesgerichts K. und die senatsinterne Verteilung übertragenen
Amtsgeschäfte hat der Richter neben dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf ein
faires und zügiges Verfahren auch deren Recht auf eine wirksame Beschwerde
verletzt. Soweit er aus nicht mitgeteilten Gründen nicht in der Lage war, die ihm
übertragenen Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und unverzögert zu erledigen, hat
er seine Verpflichtung zur Anzeige dieser Umstände gegenüber dem Präsidium
verletzt und diesem damit die Möglichkeit genommen, durch eine Änderung der
Geschäftsverteilung auf eine unverzögerte Erledigung der
Rechtsprechungsaufgabe hinzuwirken.
13 Es ist beabsichtigt, dem Richter im Rahmen der Dienstaufsicht der Präsidentin des
Oberlandesgerichts die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte
gemäß § 26 Abs. 2 DRiG vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer,
unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen.
14 Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat mit Urteil vom 08.11.2006
- RiZ(R) 2/05 - (NJW-RR 2007, 281 m.w.N.) bekräftigt, dass die Dienstaufsicht
gemäß § 26 DRiG die Befugnis umfasst, dem Richter die ordnungswidrige Art der
Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und ihn zu unverzögerter Erledigung
der Amtsgeschäfte zu ermahnen, soweit nicht die richterliche Unabhängigkeit
beeinträchtigt wird ( 26 Abs. 1 und 2 DRiG). Ein solcher Vorhalt und eine solche
Ermahnung stellen grundsätzlich keine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit dar. Anders ist dies nur zu werten, wenn dem Richter indirekt ein
Pensum abverlangt wird, das sich allgemein, also auch von anderen Richtern, in
sachgerechter Weise nicht mehr erledigen lässt (st. Rspr. vgl. BGH, Urteile vom 16.
September 1987 – RiZ (R) 5/87, NJW 1988, 421, 422 und vom 5. Oktober 2005 –
RiZ (R) 5/04, NJW 2006, 692 f.). Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr zielen Vorhalt
und Ermahnung im vorliegenden Fall darauf, den Richter zu einem
Erledigungspensum anzuhalten, das so im Durchschnitt aller Richterinnen und
Richter des Oberlandesgerichts erbracht wird…“
15 Der Vermerk wurde dem Antragsteller am 18.10.2011 ausgehändigt.
16 Unter dem 26.01.2012 erließ die Präsidentin des Oberlandesgerichts folgenden
Bescheid (Sammelakten 313 III, AS 237/241), der Gegenstand des hiesigen
Prüfungsverfahrens ist:
17 „Vorhalt und Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG
18 Sehr geehrter Herr X.,
die richterliche Unabhängigkeit verbietet nach ganz herrschender und auch von
mir geteilter Ansicht für Richter die Festlegung von Arbeitszeiten. Der von einem
Richter geschuldete Einsatz ist deshalb nach dem durchschnittlichen
Erledigungspensum vergleichbarer Richterinnen und Richter zu bemessen (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982-2 B 12/82 - (NJW 1983,62 – juris Rn. 3 a.E.).
Das Durchschnittspensum unterschreiten Sie seit Jahren ganz erheblich und
jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche. Im Jahr 2011
erledigten Sie sogar weniger Verfahren, als dies der durchschnittlichen Leistung
einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspricht.
19 ... (Tabelle) ...
20 Nach § 26 Abs. 2 DRIG halte ich Ihnen deshalb die ordnungswidrige Art der
Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahne Sie zu ordnungsgemäßer,
unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte. Die von Ihrem Bevollmächtigten
nach Ablauf der Ihnen gewährten Stellungnahmefrist beantragte weitere
Fristverlängerung lehne ich ab. Ich hatte Ihnen die beabsichtigte Maßnahme der
Dienstaufsicht und deren Begründung bereits am 18.10.2011 erläutert und Ihnen,
eine auf Ihr Gesuch verlängerte Stellungnahmefrist bis zum 20.01.2012
eingeräumt. Innerhalb dieser Frist von einem Vierteljahr hatten Sie ausreichend
Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei ist zu sehen, dass Sie den Grund der
Maßnahme, d.h. Ihre unterdurchschnittliche Erledigungsleistung, nicht in Abrede
gestellt, sondern in Ihrer Überlastungsanzeige vom 31.10.2011 ausdrücklich
eingeräumt haben, schon seit 2002 am OLG als Berichterstatter in der Regel
statistisch zu weniger Verfahrenserledigungen beigetragen zu haben, als der
Durchschnitt der Kolleginnen und Kollegen. Auch haben Sie die Ihnen eröffnete
Möglichkeit, dem Präsidium in der Präsidiumssitzung vom 16.12.2011 zu der
Problematik Rede und Antwort zu stehen, nicht genutzt, da das Präsidium Ihrem
Bevollmächtigten aus Rechtsgründen die Teilnahme an der Präsidiumssitzung
nicht gestattet hat.
21 Eine Beeinträchtigung ihrer richterlichen Unabhängigkeit ist mit dieser Maßnahme
der Dienstaufsicht nicht verbunden. Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die
Dienstaufsicht das Recht, Richtern die ordnungswidrige Art der Ausführung der
Amtsgeschäfte vorzuhalten und Sie zu ordnungsgemäßer, unverzögerter
Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Es kann deshalb keinem Zweifel
unterliegen, dass die monatelange Nichtbearbeitung von Teilbereichen eines
richterlichen Dezernats ebenso beanstandet werden kann wie ein
unbefriedigendes Arbeitspensum eines Richters (vgl. BGH Dienstgericht des
Bundes, Urteil vom 22.09.1998 - RiZ 2/97 -‚ DRiZ 1999, 141 <144> m.w.N.; stRspr.;
vgl. auch Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl. 2009, § 26 Rn. 24 a.E.).“
22 Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Anwaltsschreiben vom
24.02.2012 (Sammelakten 313 III, AS 261/263) Widerspruch ein. Diesen wies die
Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012
(Sammelakten 313 III, AS 325/331), dem Antragsteller zugestellt am 30.04.2012,
zurück. Daraufhin reichte der Antragsteller am 29.05.2012 beim Dienstgericht für
Richter beim Landgericht K. Klage ein, mit der er zuletzt in der mündlichen
Verhandlung vom 04.12.2012 beantragt hat,
23 festzustellen, dass der Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts
26.01.2012 und der Widerspruchsbescheid von 20.04.2012 unzulässig sind.
24 Mit Urteil vom 04.12.2012 hat das
Dienstgericht
den Antrag zurückgewiesen, da
die Anordnung der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 26.01.2012 und deren
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 die richterliche Unabhängigkeit des
Antragstellers nicht beeinträchtigten. In der Rechtsmittelbelehrung hat das
Dienstgericht mitgeteilt, dass gegen das Urteil innerhalb eines Monats nach
Zustellung schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden könne. Wegen
der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung der Entscheidung sowie des
Inhalts der Rechtsmittelbelehrung wird auf das Urteil vom 04.12.2012 Bezug
genommen (RDG 6/12, AS 257/305). Das Urteil wurde der
Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 11.01.2013 zugestellt.
25 Mit dem am 11.02.2013 beim Dienstgericht für Richter eingegangenen Schriftsatz
seiner Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag hat der Antragsteller gegen
das Urteil
Berufung
eingelegt. Zu deren Begründung trägt der Antragsteller vor:
26 Infolge der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Dienstgerichts laufe keine
Rechtsmittelfrist, weshalb die Berufung wirksam eingelegt sei. Bei seinen zuletzt in
zweiter Instanz gestellten Anträgen handele es sich nicht um eine Klageänderung,
sondern um eine Konkretisierung seines Rechtsschutzziels.
27 Vorhalt und Ermahnung im Bescheid vom 26.01.2012 seien unzulässig, da sie
einen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit des Antragsstellers
darstellten. Sie seien nicht durch § 26 Abs. 2 DRiG gerechtfertigt, da der
Antragsteller seine Amtsgeschäfte nicht ordnungswidrig ausgeführt habe und die
Ermahnung auch tatsächlich nicht der Erreichung einer ordnungsgemäßen,
unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte diene. Ziel des Vorhalts und der
Ermahnung sei vielmehr, eine Änderung der Rechtsanwendungspraxis des
Antragstellers zu erreichen. Dieser solle nach dem Willen der Dienstaufsicht das
Recht anders anwenden, als es seiner Verantwortung als Richter entspreche. Er
solle sich in seiner Rechtsprechung dem Willen und den Interessen der die
Dienstaufsicht führenden Präsidentin beugen, damit ohne Rücksicht auf die
Qualität „bessere Zahlen“ erzielt würden. Dabei handele es sich um einen direkten
Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers, der nicht durch § 26
Abs. 2 DRiG gedeckt sei und einen Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG darstelle.
Dies habe das Dienstgericht verkannt.
28 Bei einem Richter, dessen hoher persönlicher und zeitlicher Arbeitseinsatz außer
Frage stehe, könne es keine Veränderung von Erledigungszahlen ohne
Veränderung der rechtsprechenden Tätigkeit, der jeweiligen Rechtsanwendung,
geben. Die Zeit pro Fall, die ein Richter benötige, hänge von seiner individuellen
Rechtsanwendung ab, von dem jeweiligen rechtlichen Lösungsweg, vom Umfang
einer Beweisaufnahme, der Sachverhaltsaufklärung, der
Rechtsprechungsrecherche, der Bearbeitungstiefe, Sorgfalt und Gründlichkeit und
vielen anderen Elementen richterlicher Tätigkeit, die alle zur Rechtsanwendung
gehörten. Der Wahrnehmung dieser Realität habe sich das Dienstgericht
verschlossen. Auch die Gegenseite habe in erster Instanz nicht einmal
ansatzweise erläutern können, was die Präsidentin des Oberlandesgerichts bei
Vorhalt und Ermahnung anderes im Sinn gehabt haben könne, als eine Änderung
der Rechtsanwendung durch den Antragsteller zu erreichen.
29 Das Dienstgericht habe die widersprüchlichen Hinweise der Präsidentin auf eine
angebliche „Toleranzschwelle“ übergangen. Der Hinweis der Präsidentin im
Bescheid vom 26.01.2012 auf Zahlen „jenseits aller großzügig zu bemessenden
Toleranzbereiche“ sei in sich sinnlos, da die Präsidentin auf eine Konkretisierung
der Toleranzbereiche ausdrücklich verzichtet habe. Eine solche Konkretisierung
gebe es auch in keinem anderen Schriftstück der Präsidentin.
30 Es gebe im Kollegialgericht kein Erledigungspensum und keine Erledigungszahlen
einzelner Berichterstatter. Denn der einzelne Richter könne, wenn er
Berichterstatter sei, nur zur Erledigung von Verfahren im Kollegium beitragen. Mit
„Erledigungspensum“ und „Erledigungszahlen“ werde dem Berichterstatter eine
Verantwortung für bestimmte Zahlen zugeschrieben, die er aus tatsächlichen
Gründen nicht haben könne.
31 Soweit das Dienstgericht feststelle, dass die Erledigungszahlen des Antragstellers
kontinuierlich seit dem Jahr 2009 abgenommen hätten, gehe es zu seinen Lasten
von einem Sachverhalt aus, für den es keine Grundlage gebe, und zu dem der
Antragsteller nicht gehört worden sei. Erhebliche Schwankungen der
Erledigungszahlen seien bei einem Oberlandesgericht auch bei gleich bleibender
Arbeitsweise völlig normal. Soweit das Dienstgericht spekuliere, es sei zwar mit
unterschiedlichem Zeitaufwand verbunden, wenn Richter im Rahmen ihrer
Bearbeitung zu unterschiedlichen Ergebnissen kämen (z.B. bei Verjährung oder
Verspätung), dies gleiche sich jedoch bei einer größeren Zahl von Fällen wieder
aus, sei diese Spekulation haltlos und erfahrungswidrig. Das Dienstgericht lasse
auch nicht erkennen, auf welche Grundlage es seine Spekulation stütze. Auch sei
der Antragsteller zu dieser erfahrungswidrigen Annahme des Dienstgerichts nicht
gehört worden.
32 Das Dienstgericht habe auch übergangen, dass der Präsidentin aufgrund des
unstreitigen Gesprächs zwischen dem Antragsteller und der Präsidentin vom
30.04.2010, an dem auch der damalige Vorsitzende des ... Zivilsenats, Herr E.,
beteiligt gewesen sei, im Detail bekannt gewesen sei, wie der Antragsteller arbeite,
wie sich seine Arbeitsweise auf die Rechtsprechung auswirke und welche
Auswirkungen sich daraus auf seine Erledigungszahlen ergäben. Sie habe daher
über die konkrete Kenntnis verfügt, dass ein Beitrag des Antragstellers zu höheren
Erledigungszahlen nur durch eine Änderung seiner richterlichen Arbeitsweise
möglich sei.
33 Der Antragsteller habe bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass es beim
Oberlandesgericht K. keine validen Durchschnittszahlen gebe, die irgendeine
Aussage über „Erfolg“ oder „Arbeitseinsatz“ der „Durchschnittsrichter“ zulassen
würden, egal wie man „Arbeitserfolg“ und „Arbeitseinsatz“ verstehen wolle. Es
gebe Zahlen, die auf einer pragmatischen Ebene ein Hilfsmittel für Diskussionen
unter Kolleginnen und Kollegen oder aber auch für Fragen der Geschäftsverteilung
sein könnten, jedoch keine Durchschnittszahlen, denen eine konkrete
Aussagekraft in Bezug auf eine „durchschnittliche“ Arbeitsleistung von
Richterinnen und Richtern zukommen könne. Dies wisse die Präsidentin des
Oberlandesgerichts. Auf Erledigungszahlen, die einem einzelnen Berichterstatter
zugeordnet würden, habe nicht nur dessen Arbeit Einfluss, sondern auch die von
Senat zu Senat unterschiedliche Zusammenarbeit und Mitwirkung der Kolleginnen
und Kollegen. So gebe es Unterschiede z. B. bei Einzelrichterzuweisungen oder
bei der Handhabung von Hinweisen gemäß § 522 ZPO, die sich auf die
Erledigungszahlen auswirkten. Aufgrund dieser Verschiedenheiten am
Oberlandesgericht hätten die Durchschnittszahlen keinen relevanten
Aussagewert, seien damit bereits aus tatsächlichen Gründen als Maßstab generell
ungeeignet und müssten als Grundlage für Maßnahmen der Dienstaufsicht
schlechthin ausscheiden. Die im Vermerk vom 12.10.2011 zugrunde gelegten
Durchschnittszahlen seien zudem nicht valide, weil es jedenfalls bis Ende 2011
eine unterschiedliche Zählweise in den verschiedenen Senaten gegeben habe.
Ebenso würden die Durchschnittszahlen im Bescheid der Präsidentin nicht den
jeweiligen unterschiedlichen Aufwand für die Bearbeitung von AR- und W-
Verfahren berücksichtigen.
34 Soweit das Dienstgericht ausgeführt habe, bei Anwendung des gleichen
Sorgfaltsmaßstabs könnten Kollegen des Antragstellers zu höheren
Erledigungszahlen kommen, handele es sich um eine reine, der Gegenseite
günstige Spekulation, für die eine sachliche Grundlage nicht erkennbar sei.
Natürlich könne allen Richterinnen und Richtern am Oberlandesgericht unterstellt
werden, dass sie ihrer rechtsprechenden Tätigkeit mit der ihren Ansprüchen und
Maßstäben gerecht werdenden Sorgfalt nachkämen. Wie sich diese individuell
unterschiedlichen Sorgfaltsmaßstäbe aber zueinander und zu jenem des
Antragstellers verhielten, sei empirisch nicht nachvollziehbar und belegbar. Habe
man, wie der Antragsteller, den Anspruch an sich selbst, auch scheinbar
nebensächliche Entscheidungen, wie z.B. eine einem nicht völlig gängige
Rechtsmittelbelehrung, auf eine valide und sorgfältig geprüfte Tatsachen- und
Rechtsgrundlage zu stellen, so bedürfe dies unweigerlich eines höheren
Zeitaufwandes, als die unbesehene Übernahme von vorgefundenen
Textbausteinen und der gängigen Textauszüge eines höchstrichterlichen Urteils,
ohne Auseinandersetzung mit dem zu Grunde liegenden Sachverhalt.
35 Soweit das Dienstgericht Ausführungen zur Tätigkeit des Antragstellers im ...
Zivilsenat in der Zeit nach dem streitgegenständlichen Bescheid vom 26.01.2012
gemacht habe, sei nicht nachvollziehbar, welche Bedeutung die Angaben zur
späteren Tätigkeit des Antragstellers haben sollten, wenn allein der frühere
Bescheid vom 26. Januar 2012 im Hinblick auf Verstöße gegen die richterliche
Unabhängigkeit zur Prüfung anstehe.
36 Soweit der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten habe, die Dienstaufsicht
dürfe sich in bestimmten Fällen unter bestimmten Voraussetzungen bei
Einzelrichtern wertend mit bestimmten Zahlen einer Richterin oder eines Richters
beschäftigen, sei Grundlage dieser Entscheidungen, anders als vorliegend, immer
die Feststellung gewesen, dass diese wertende Beschäftigung mit Zahlen im
konkreten Fall keine Auswirkungen auf die Tätigkeiten der Richterin oder des
Richters habe, die dem Bereich der Rechtsanwendung zuzurechnen seien. Der
Bundesgerichtshof habe stets ausdrücklich hervorgehoben, dass bei statistischen
und quantitativen Betrachtungen im Rahmen der Dienstaufsicht darauf zu achten
sei, dass es nicht darum gehen dürfe, einen Richter anzuhalten, mehr Fälle zu
erledigen, weil der Richter nicht dazu veranlasst werden dürfe, auf Kosten der
Qualität die Quantität seiner Arbeit zu steigern. Das Ansinnen der Präsidentin des
Oberlandesgerichts, dass ein Richter seine Rechtsanwendung verändern solle,
damit bestimmte Zahlen erreicht würden, sei ein Angriff auf die Gesetzesbindung
des Richters. Der Antragsteller wende, wie es seinem Auftrag als Richter
entspreche, das Recht nach bestem Wissen und Gewissen an, wie es seiner
Überzeugung vom Gesetz im jeweiligen Einzelfall entspreche. Das Ansinnen der
Präsidentin des Oberlandesgerichts bedeute, dass der Antragsteller sich nach
ihrem Willen von seiner Überzeugung vom Gesetz – also von der
Gesetzesbindung – teilweise lösen solle.
37 Soweit das Dienstgericht hervorgehoben habe, der Antragsteller habe es
versäumt, Besonderheiten seiner Tätigkeit darzustellen, aus denen sich ein
erhöhter Zeitbedarf ergeben könne, habe es übersehen, dass es aus
Rechtsgründen keinen Rechtfertigungsbedarf für den Antragsteller geben könne,
wenn die Dienstaufsicht ihn mit unberechtigten Maßnahmen überziehe. Die
rechtsprechende Tätigkeit des Antragstellers sei keinesfalls nur deshalb
minderwertig gegenüber der Tätigkeit von Kollegen, weil seine Überzeugung vom
Recht in vielen Fällen einen größeren Zeitbedarf bei der Bearbeitung der Fälle
erfordere. Die Präsidentin sei nicht berechtigt, zu entscheiden, welche Art von
Rechtsanwendung sie ohne Rechtfertigung akzeptiere, und welche Art von
Rechtsanwendung von ihr nur bei besonderer Rechtfertigung oder Entschuldigung
des Richters geduldet werde. Auch wenn die Arbeitsweise des Antragstellers der
Präsidentin aus politischen Gründen – wegen des erforderlichen Zeitbedarfs –
nicht gefalle, gebe ihr dies nicht das Recht, eine politisch unerwünschte
Arbeitsweise eines Richters nur im Ausnahmefall bei besonderer Rechtfertigung zu
erlauben.
38 Der Bundesgerichtshof habe zu keinem Zeitpunkt die Auffassung vertreten, ein
Richter sei dienstrechtlich verpflichtet, jeweils einen Durchschnitt von
Fallerledigungen zu erreichen, der von anderen Richterinnen und Richtern am
selben Gericht erreicht werde. Wenn die sachgerechte Bearbeitung in Frage stehe
oder wenn mögliche unterschiedliche Arbeitsweisen einer sachgerechten
Bearbeitung in Frage stünden, könne es nach der Formulierung des
Bundesgerichtshofs keinen einheitlichen Zahlenmaßstab geben. Rechtlich
unhaltbar sei die vorgeblich großzügige Hinnahme eines „Toleranzbereichs“, den
die Präsidentin weder in ihrem Bescheid noch an anderer Stelle konkretisiert habe.
Dies bedeute, dass sie durch einen nicht spezifizierten Toleranzbereich den
Antragsteller für die Zukunft ihrer persönlichen Willkür ausliefern wolle.
39 Das Dienstgericht habe auch verkannt, dass die zitierten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs ausschließlich Sachverhalte beträfen, in denen es um die
Bewertung von Zahlen gegenüber Richterinnen und Richtern am Amtsgericht, also
Einzelrichtern, gegangen sei, also nicht um Richterinnen und Richter, die in einem
Kollegialgericht tätig seien. Der Bundesgerichtshof habe auch nicht die Auffassung
vertreten, dass beliebige, nicht sinnvolle Zahlen einem Richter von der
Dienstaufsicht vorgehalten werden könnten. Gegenstand der vom Dienstgericht
zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs seien immer nur Fälle gewesen,
in denen die Validität der Durchschnittszahlen zumindest grundsätzlich außer
Streit gestanden habe. Im Übrigen habe der Bundesgerichtshof immer wieder
hervorgehoben, dass auch bei einer grundsätzlich vernünftigen und eventuell
zulässigen Bewertung von Zahlen durch die Dienstaufsicht anhand der jeweiligen
Umstände des Einzelfalls zu prüfen sei, ob eine Verletzung der richterlichen
Unabhängigkeit vorliege. Auch diesen Grundsatz habe das Dienstgericht
missachtet.
40 Soweit das Dienstgericht der Auffassung zu sein scheine, dass die fehlende
Sachverhaltserfassung durch die Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit
des Antragstellers nicht beeinträchtigen könne, entspreche dies nicht der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Es möge zwar sein, dass bestimmte
fahrlässige Fehler der die Dienstaufsicht führenden Präsidenten bei der
Sachverhaltserfassung nur im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu prüfen
seien. Es könne jedoch auf der anderen Seite kein Zweifel daran bestehen, dass
vorsätzlich falsche Vorhalte einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit
darstellten.
41 Auch der Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK sei rechtlich fehlerhaft.
42 Gerügt werde auch, dass dem Antragsteller vor dem Bescheid vom 26.01.2012
keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei.
43 Der Antragsteller hat in zweiter Instanz zunächst beantragt,
44 1. das erstinstanzliche Urteil des Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht K.
vom 04.12.2012 aufzuheben und
45 2. entsprechend dem Antrag des Antragstellers in erster Instanz festzustellen,
dass der Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts K. vom 26.01.2012
und der Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 unzulässig sind.
46 Der Antragsteller beantragt nunmehr:
47 1. Das erstinstanzliche Urteil des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht K.
vom 04.12.2012 wird aufgehoben.
48 2. Es wird festgestellt, dass die folgende Maßnahme der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K. – enthalten im Bescheid vom 26.01.2012 nebst
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 – unzulässig ist:
49 Der Versuch der Präsidentin des Oberlandesgerichts K., den Antragsteller unter
Druck zu setzen, damit er in seiner Tätigkeit als Richter am Oberlandesgericht –
entgegen seinem Richteramt und entgegen seinen verfassungsrechtlichen
Pflichten als Richter – seine Rechtsanwendung bzw. seine Beiträge zur
Rechtsanwendung des Senats, in dem er tätig ist, in einer Vielzahl von Fällen
ändert, und damit entgegen seiner richterlichen Überzeugung Recht spricht, um
entsprechend dem Willen der Präsidentin zu mehr Fallerledigungen beizutragen.
50 3. Hilfsweise zu Ziff. 2:
51 Es wird festgestellt, dass die folgende Maßnahme der Präsidentin des
Oberlandesgerichts K. – enthalten im Bescheid vom 26.01.2012 nebst
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 – unzulässig ist:
52 Vorhalt und Ermahnung mit dem Ziel, den Kläger zu einer Änderung seiner
Rechtsanwendung in seiner richterlichen Tätigkeit als Richter am
Oberlandesgericht in einer Vielzahl von Fällen zu veranlassen.
53 4. Hilfsweise zu Ziff. 2 und Ziff. 3:
54 Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts K.
vom 26.01.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 unzulässig sind.
55 Der Antragsgegner beantragt,
56 die Berufung zurückzuweisen.
57 Der Antragsgegner sieht in den zuletzt in zweiter Instanz gestellten Anträgen eine
unzulässige Klageänderung und verteidigt das Urteil des Dienstgerichts als richtig.
58 Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf
die vor dem Dienstgericht für Richter und vor dem Dienstgerichtshof für Richter
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle des
Dienstgerichts für Richter vom 04.12.2012 (RDG 6/12, AS 251/253) und des
Dienstgerichtshofs für Richter vom 14.02.2014 (AS 393/397, Anl. AS 399/463)
sowie vom 17.04.2015 (AS 819/831, Anl. AS 833/843) Bezug genommen.
59 Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 26.01.2012 und den
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 Klage vor dem Verwaltungsgericht
Freiburg erhoben. Das dortige Verfahren ruht.
Entscheidungsgründe
A.
60 Die Berufung des Antragstellers ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG in
Verbindung mit § 124 VwGO in der von 01.01.1991 bis 31.12.1996 gültigen
Fassung (= a. F.) zulässig.
61 Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG gelten für das Prüfungsverfahren nach § 63 Nr.
4 f LRiStAG die Vorschriften der VwGO entsprechend, soweit das LRiStAG nichts
anderes bestimmt. Beim Inkrafttreten dieser unverändert gebliebenen
Verweisungsnorm sah die VwGO a. F. in § 124 die zulassungsfreie Berufung vor.
Diese ersetzte das 6. Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom
01.11.1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung vom 01.01.1997 durch die
Zulassungsberufung (§§ 124, 124 a VwGO n. F.). Nach Rechtsprechung des
BGH handelt es sich bei § 79 Abs. 1 S. 1 LRiStAG zwar grundsätzlich um eine
dynamische Verweisung. Gleichwohl ist aber in Prüfungsverfahren nicht die
Zulassungsberufung an die Stelle der zulassungsfreien Berufung getreten, weil
die Regelungen über die Zulassungsberufung nach Maßgabe der §§ 124, 124 a
VwGO n. F. sowohl mit den Regelungen des LRiStAG als auch des DRiG über
die Ausgestaltung des Rechtszuges bei Prüfungsverfahren unvereinbar sind (vgl.
im Einzelnen: BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 29.03.2000 - RiZ (R)
4/99, juris Rn. 31 ff). Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Dienstgerichts
für Richter im Prüfungsverfahren gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG ist daher das
Rechtsmittel der zulassungsfreien Berufung gemäß § 124 VwGO a. F. gegeben.
62 Da die vom Dienstgericht für Richter im Urteil vom 04.12.2012 gegebene
Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen das Urteil die Zulassung der Berufung
beantragt werden könne, somit fehlerhaft ist, hat die Berufungsfrist gemäß § 124
Abs. 1 VwGO a. F. nicht zu laufen begonnen. Es gilt die Frist des § 58 Abs. 2
VwGO (i. V. m. § 79 LRiStAG). Innerhalb dieser hat der Antragsteller seine
Berufung formgerecht beim Dienstgericht für Richter eingelegt, §§ 79 LRiStAG,
124 Abs. 2 und 3 VwGO a. F..
B.
I.
63 Die in zweiter Instanz neu gefassten Anträge des Antragstellers sind zulässig.
64 1. Mit den zuletzt in zweiter Instanz gestellten Anträgen hat der Antragsteller
keine Klageänderung i. S. v. § 91 VwGO (i. V. m. § 79 Abs. 1 LRiStAG)
vorgenommen, da er mit diesen keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren
eingeführt hat.
65 Wie sich der Begründung der neu gefassten Anträge entnehmen lässt, verfolgt er
mit diesen weiterhin das Ziel, den Bescheid vom 26.01.2012 – Ermahnung und
Vorhalt – sowie den Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 wegen
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit für unzulässig zu erklären. Der
Antragsteller hat in seine neu gefassten Anträge lediglich Ausführungen zu den
von ihm behaupteten subjektiven Zielen der Präsidentin des Oberlandesgerichts
aufgenommen, die diese mit ihrem Bescheid vom 26.01.2012 und dem
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 verfolgt habe („Der Versuch der
Präsidentin...“; „mit dem Ziel“), um deutlich zu machen, worin er die
Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit sieht. Er hat daher weder
seinen Klageantrag inhaltlich geändert, noch einen neuen Lebenssachverhalt in
das Verfahren eingeführt, so dass keine Klageänderung vorliegt.
Streitgegenstand ist auch in zweiter Instanz auf der Basis der neu gefassten
Anträge nach wie vor der bereits in erster Instanz aufgrund desselben
Lebenssachverhalts verfolgte Prüfungsantrag nach §§ 63 Nr. 4 f ; 84 Abs. 2 S. 2
LRiStAG.
66 Der Antragsteller hat lediglich Formulierungen in den Antrag aufgenommen, die
sein Rechtsschutzziel verdeutlichen sollen. Dies führt nicht zur Unzulässigkeit der
neu gefassten Anträge. Im Prüfungsverfahren ist gem. § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO
erforderlich, dass der Antragssteller den Gegenstand des Begehrens bezeichnet,
also deutlich macht, was er mit seinem Antrag begehrt (Kopp/Schenke, VwGO,
2014, § 82 Rn. 7). Diesen Anforderungen genügen die neu gefassten Anträge
des Antragstellers. Sie entsprechen auch dem Erfordernis des bestimmten
Antrags gem. § 82 Abs. 1 S. 2 VwGO, da diesem genügt ist, wenn – wie hier –
das Ziel der Klage bzw. des Antrags hinreichend erkennbar ist (Kopp/Schenke,
ebd., § 82 Rn. 10).
67 2. Durch seine neu gefassten Anträge kann der Antragsteller allerdings nicht
erreichen, dass das Gericht die von ihm gewählten Formulierungen zur
Konkretisierung seines Rechtsschutzbegehrens im Falle eines begründeten
Antrags in die Entscheidungsformel aufnimmt. Denn der Inhalt der
Entscheidungsformel im Prüfungsverfahren wird durch § 84 Abs. 2 S. 2 LRiStAG
zwingend und abschließend geregelt: Bei einem zulässigen und begründeten
Prüfungsantrag stellt das Richterdienstgericht (lediglich) die Unzulässigkeit der
jeweiligen – objektiven – Maßnahme der Dienstaufsicht fest. Ausführungen zu
den Umständen, aus denen sich die Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit ergibt, können nicht in die Entscheidungsformel aufgenommen
werden.
68 3. Da mit den einzelnen neu gefassten Anträgen keine unterschiedlichen
Streitgegenstände in das Verfahren eingefügt werden, sondern lediglich ein und
dasselbe Rechtsschutzziel mit unterschiedlichen Formulierungen näher
konkretisiert wird, liegt auch kein echtes Eventualverhältnis der einzelnen Anträge
vor, das zur Folge hätte, dass die einzelnen Anträge vom Gericht jeweils nur
stufenweise für den Fall zu prüfen wären, dass der jeweils vorhergehende Antrag
keinen Erfolg hat. Vielmehr hat das Gericht umfassend und ohne Beschränkung
durch die konkretisierenden Antragsformulierungen des Antragstellers zu prüfen,
ob die angegriffenen Maßnahmen der Dienstaufsicht – der Bescheid vom
26.01.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 – aufgrund des
zugrunde zu legenden Sachverhalts eine Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit darstellen.
II.
69 Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Dienstgericht den Antrag
des Antragstellers, festzustellen, dass der Bescheid der Präsidentin des
Oberlandesgerichts vom 26.01.2012 und deren Widerspruchsbescheid vom
20.04.2012 unzulässig seien, zurückgewiesen.
70 1. Zutreffend geht das Dienstgericht davon aus, dass der Antrag des
Antragstellers gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG i. V. m. § 26 Abs. 3 DRiG zulässig ist.
71 Wie das Dienstgericht richtig ausführt, handelt es sich bei dem Bescheid der
Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 26.01.2012 um eine Maßnahme der
Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 DRiG. Die erforderliche Antragsbefugnis
des Antragstellers ist gegeben, das Vorverfahren durchgeführt. Auf die
zutreffenden Ausführungen des Dienstgerichts im Urteil vom 04.12.2012
(Entscheidungsgründe, S. 11/12, Abschnitt I) wird Bezug genommen.
72 2. Der Antrag gem. § 63 Nr. 4 f LRiStAG i. V. m. § 26 Abs. 3 DRiG ist jedoch, wie
das Dienstgericht zu Recht feststellt, unbegründet. Der Antragsteller wird durch
den Bescheid vom 26.01.2012 und den diesen bestätigenden
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 nicht in seiner richterlichen
Unabhängigkeit beeinträchtigt.
73 a) Die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte im Prüfungsverfahren
gemäß § 63 Nr. 4 f LRiStAG i. V. m. § 26 Abs. 3 DRiG beschränkt sich allein auf
die Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche
Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die Vereinbarkeit der Maßnahme mit anderen
Gesetzen, Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätzen nachzuprüfen, ist allein
den Verwaltungsgerichten vorbehalten (ständige Rechtsprechung seit: BGH -
Dienstgericht des Bundes -, Urteil vom 31.01.1984, RiZ (B) 3/83, juris Rn. 16 ff;
vgl. etwa Urteile vom 16.09.1987, RiZ (R) 5/87, juris Rn. 17; vom 10.08.2001, RiZ
(R) 5/00, juris Rn. 33; vom 08.11.2006, RiZ (R) 2/05, juris Rn. 24, 25; vom
06.10.2011, RiZ (R) 7/10, juris Rn. 25; vom 03.12.2014, RiZ (R) 1/14, juris Rn.
35).
74 b) Der Bescheid vom 26.01.2012 und der diesen bestätigende
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 beeinträchtigen den Antragsteller nicht in
der richterlichen Unabhängigkeit, § 26 Abs. 3 DRiG.
75 aa) Nicht jede Maßnahme der Dienstaufsicht stellt einen Eingriff in die richterliche
Unabhängigkeit dar. Der Dienstaufsicht entzogen ist allein die eigentliche
Rechtsfindung. Dabei sind alle ihr auch nur mittelbar dienenden – sie
vorbereitenden und ihr nachfolgenden – Sach- und Verfahrensentscheidungen in
den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit einzubeziehen (BGH -
Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom 10.01.1985, RiZ (R) 7/84, juris Rn. 16 =
BGHZ 93, 238 - 245; vom 16.09.1987, RiZ (R) 5/87, juris Rn. 15). Eine
Maßnahme der Dienstaufsicht ist wegen Beeinträchtigung der richterlichen
Unabhängigkeit unzulässig, wenn sie in diesem Bereich auf eine direkte oder
indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter entscheiden oder verfahren soll;
insoweit muss sich die Dienstaufsicht auch jeder psychologischen Einflussnahme
enthalten (BGH, Urteil vom 16.09.1987, ebd.). Auch der Versuch, den Richter in
einer Weise zu einer bestimmten Art der Erledigung zu veranlassen, die seine
Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, ist mit der richterlichen Unabhängigkeit nicht
zu vereinbaren (BGH, ebd.).
76 Indessen geht das Gesetz in § 26 Abs. 1 DRiG selbst davon aus, dass die
richterliche Amtstätigkeit in Teilbereichen der Dienstaufsicht zugänglich ist, und
gibt der dienstaufsichtsführenden Stelle in § 26 Abs. 2 DRiG ausdrücklich die
Befugnis, dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung von
Amtsgeschäften vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer und unverzögerter
Erledigung zu ermahnen. Dies wäre unvollziehbar und gegenstandslos, wenn die
richterliche Tätigkeit der Dienstaufsicht schlechthin entrückt wäre. Nach der
ständigen Rechtsprechung des BGH - Dienstgericht des Bundes - unterliegt
daher die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die
Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, um die äußere Form der
Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich
der Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren
Ordnung gehörig anzusehen sind (BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom
10.01.1985, a. a. O., Rn. 16; vom 16.09.1987, a. a. O., Rn. 15). Der Vorhalt und
die Ermahnung im Sinne von § 26 Abs. 2 DRiG stellen grundsätzlich keine
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar und sind daher zulässige
Maßnahmen der Dienstaufsicht (BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom
08.11.2006 - RiZ (R) 2/05, juris Rn. 21; vom 03.12.2009, RiZ (R) 1/09, juris Rn.
35). Durch einen Vorhalt und eine Ermahnung wird die richterliche
Unabhängigkeit nach ständiger Rechtsprechung des BGH - Dienstgericht des
Bundes - nur dann beeinträchtigt, wenn
77 - versucht wird, durch diese Maßnahmen auf den Inhalt der vom Richter zu
treffenden Entscheidungen Einfluss zu nehmen,
- sie den Versuch darstellen, den Richter anzuhalten, sein Amt in einer
bestimmten Richtung auszuüben,
- durch die Maßnahmen Einfluss auf die Entscheidung über die Reihenfolge der
Bearbeitung der Amtsgeschäfte genommen wird, oder
- auf den Richter ein unzulässiger Erledigungsdruck ausgeübt wird, was jedoch
nur dann der Fall ist, wenn dem Richter ein Pensum abverlangt wird, das sich
allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht mehr
erledigen lässt, da ein solcher Erledigungsdruck auf die Aufforderung zu einer
sachwidrigen Bearbeitung hinausliefe
78 (BGH, Urteile vom 05.10.2005 - RiZ (R) 5/04, juris Rn. 17, 18, 21; vom
08.11.2006, RiZ (R) 2/05, juris Rn. 17 - 21; vom 03.12.2009, juris Rn. 35 ff).
79 bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
80 (1) Der Bescheid vom 26.01.2012 und der diesen bestätigende
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 haben inhaltlich mit der Rechtsprechung
des Antragstellers nichts zu tun und lassen dessen Entscheidungsfreiheit
unberührt. Sie enthalten keinerlei direkte oder indirekte Weisungen, in konkreten
Verfahren eine bestimmte Verfahrens- oder Sachentscheidung zu treffen. Sie
enthalten auch keinerlei Ausführungen, durch die der Antragsteller beeinflusst
werden soll, sein Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben oder seine
Amtsgeschäfte in einer bestimmten Reihenfolge zu bearbeiten.
81 Das bloße allgemeine Anhalten zu vermehrten Erledigungen – auf das sich die
Ausführungen im Bescheid vom 26.01.2012 und dem bestätigenden
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 beschränken – ist mit der richterlichen
Unabhängigkeit vereinbar. Denn dem Richter wird dadurch nicht nahegelegt, sein
Amt in einer bestimmten Richtung auszuüben (BGH, Urteil vom 16.09.1987, RiZ
(R) 4/87, juris Rn. 16). Ebenso wenig bedeutet die bewertende Erfassung von
Rückständen und Erledigungszahlen, wie sie hier im Bescheid vom 26.01.2012
erfolgt ist, für sich allein den Versuch, den Richter auf eine bestimmte Art der
Bearbeitung festzulegen (BGH, ebd.). Vielmehr geht es bei den Rückständen und
Erledigungszahlen zunächst um einen äußeren Befund. Rückstände sind
gleichbedeutend mit Unzuträglichkeiten in der Laufzeit der Prozesse. Dem
entgegenzuwirken ist legitime Aufgabe der Justizverwaltungen. Es besteht kein
hinreichender Grund, ihnen dabei jegliche Einflussnahme auf die Richter, und
zwar auch mit den Mitteln der Dienstaufsicht einschließlich der Erfassung und
Bewertung der Zahl der Erledigungen, von vornherein zu verwehren (BGH, ebd.).
82 Auch der Vergleich der Erledigungszahlen des Richters mit denjenigen anderer
Richter stellt für sich genommen keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit
dar (ständige Rspr., vgl. BGH - Dienstgericht des Bundes -, Urteile vom
03.10.1977, RiZ (R) 1/77, juris Rn. 18; vom 31.01.1984, RiZ (R) 1/83, juris Rn. 15,
17; vom 16.09.1987, RiZ (R) 4/87, juris Rn. 16; vom 10.08.2001, RiZ (R) 5/00,
juris Rn. 41). Gleiches gilt für den hier vorgenommenen Vergleich mit einem
Durchschnittswert der Erledigungen, der auf der Basis der Erledigungszahlen
einer Mehrzahl von Richtern errechnet worden ist und daher ebenfalls einen
Vergleich mit den Erledigungszahlen anderer Richter beinhaltet. Der vom Richter
zu leistende Arbeitseinsatz bestimmt sich grundsätzlich nach dem ihm
verliehenen konkreten Richteramt und den ihm in der richterlichen
Geschäftsverteilung zugewiesenen Aufgaben. Allerdings sind Richter nicht
verpflichtet, sämtliche ihnen nach dem Geschäftsverteilungsplan übertragenen
Aufgaben in vollem Umfang sofort und ohne Beschränkung ihres zeitlichen
Einsatzes zu erledigen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2012 - 2
BvR 610/12 und 2 BvR 625/12, juris Rn. 17). Vielmehr orientiert sich nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die von einem Richter zu
erbringende Arbeitsleistung pauschalierend an dem Arbeitspensum, das ein
durchschnittlicher Richter vergleichbarer Position in der für Beamte geltenden
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewältigt (BVerfG, ebd.; BVerwGE 78,
211, 213 f; BVerwG, Beschluss vom 21.09.1982 - 2 B 12/82, juris Rn. 3).
Überschreitet das zugewiesene Arbeitspensum die so zu bestimmende
Arbeitsleistung – auch unter Berücksichtigung zumutbarer Maßnahmen wie z.B.
eines vorübergehenden erhöhten Arbeitseinsatzes – erheblich, kann der Richter
nach pflichtgemäßer Auswahl unter sachlichen Gesichtspunkten die Erledigung
der ein durchschnittliches Arbeitspensum übersteigenden Angelegenheiten
zurückstellen. Die richterliche Unabhängigkeit bleibt dabei gewährleistet, indem
der Richter nach entsprechender Anzeige der Überlastung für die nach
pflichtgemäßer Auswahl zurückgestellten Aufgaben und die dadurch begründete
verzögerte Bearbeitung dienstaufsichtsrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen
werden kann (BVerfG, a. a. O., juris Rn. 18). Bleibt umgekehrt die Arbeitsleistung
des Richters hinter der so zu bestimmenden durchschnittlichen Arbeitsleistung –
also dem Arbeitspensum, das ein durchschnittlicher Richter vergleichbarer
Position innerhalb der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit bewältigt –
erheblich zurück, liegt regelmäßig ein Fall der verzögerten Erledigung der
Amtsgeschäfte i. S. v. § 26 Abs. 2 DRiG vor. Stellt aber somit die Leistung eines
durchschnittlichen Richters in vergleichbarer Position einen wesentlichen
Maßstab für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Erledigung der
Amtsgeschäfte dar, so begegnet es unter dem Gesichtspunkt der richterlichen
Unabhängigkeit keinen Bedenken, wenn die Erledigungszahlen eines Richters im
Rahmen der Dienstaufsicht mit denen anderer Richter vergleichbarer Position
oder einem aus diesen Erledigungszahlen gebildeten Durchschnittswert
verglichen werden.
83 Ob dieser Vergleich bzw. Durchschnittswert im konkreten Einzelfall auf der Basis
zutreffender Tatsachen gebildet, richtig ermittelt und korrekt angewendet worden
ist und ob er unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten
Einzelfalls hinreichende Aussagekraft besitzt, ist keine Frage, die im Verfahren
vor den Richterdienstgerichten zu klären wäre, sondern allein eine Frage der
sachlichen Richtigkeit und allgemeinen Rechtmäßigkeit der auf der Basis eines
solchen Vergleichs bzw. Durchschnittswerts getroffenen Maßnahmen der
Dienstaufsicht. Über diese aber haben allein die Verwaltungsgerichte zu
entscheiden.
84 (2) Durch beide Bescheide wird auf den Antragsteller auch kein unzulässiger
Erledigungsdruck ausgeübt, denn ihm wird kein Pensum abverlangt, das sich
allgemein, also auch von anderen Richtern in sachgerechter Weise nicht mehr
erledigen lässt.
85 Die Präsidentin des Oberlandesgerichts hat dem Antragsteller lediglich
vorgehalten, dass (1.) seine Erledigungszahlen deutlich hinter den
Erledigungszahlen zurückbleiben, die sich bei Zugrundelegung der
Erledigungszahlen der am Oberlandesgericht K. tätigen Richter als Durchschnitt
ergeben, und dass (2.) die Zahl seiner überjährigen Verfahren den
Durchschnittswert der beim Oberlandesgericht K. tätigen Richter deutlich
übersteigt. Da sich die von der Präsidentin des Oberlandesgerichts genannten
Durchschnittswerte nur dann ergeben können, wenn eine erhebliche Zahl der
Richter, die am Oberlandesgericht K. tätig sind, diese Erledigungs- und
Rückstandszahlen erreicht oder sogar überschreitet (Erledigungszahlen) bzw.
unterschreitet (Rückstandszahlen), wird dem Antragsteller durch den Vorhalt nicht
ein Pensum abverlangt, das im Allgemeinen, also auch von den anderen
Richtern, die am Oberlandesgericht K. tätig sind, nicht erreicht wird. Dass dem
Antragsteller durch den Vorhalt und die Ermahnung nicht ein allgemein
unerreichbares Pensum abverlangt wird, ergibt sich im Übrigen schon daraus,
dass die Erledigungszahlen des Antragstellers unstreitig deutlich hinter
denjenigen seiner Senatsmitglieder – die denselben senatsbezogenen
Einflüssen ausgesetzt sind – zurückbleiben. Im Übrigen hat der Antragsteller in
seiner Überlastungsanzeige vom 31.10.2011 (Sammelakten 313 III, AS 187/189)
selbst eingeräumt, dass er schon seit 2002 „in der Regel statistisch zu weniger
Verfahrenserledigungen beigetragen habe, als der Durchschnitt der Kolleginnen
und Kollegen“, woraus sich ebenfalls ergibt, dass das ihm abverlangte Pensum
von anderen Richtern bewältigt wird, von ihm also kein Arbeitspensum gefordert
wird, das generell nicht zu bewältigen ist.
86 (3) Das Vorbringen des Antragstellers – das er zur Konkretisierung seines
Rechtsschutzziels auch in die Formulierung seiner neu gefassten Anträge Ziff. 2
und 3 aufgenommen hat –, die Präsidentin habe durch den Bescheid vom
26.01.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 versucht, Druck auf
ihn auszuüben, mit dem Ziel, dass er seine Rechtsanwendung in einer Vielzahl
von Fällen ändere, um zu mehr Fallerledigungen beizutragen, ist nicht geeignet,
eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu begründen.
87 (a) Der Bescheid vom 26.01.2012 und der Widerspruchsbescheid enthalten, wie
bereits ausgeführt, keine Aussagen, denen sich ein Versuch der Präsidentin
entnehmen lässt, den Antragsteller dahingehend zu beeinflussen, in konkreten
Verfahren eine bestimmte Verfahrens- oder Sachentscheidung zu treffen,
generell in einer bestimmten Richtung zu entscheiden oder die Verfahren in einer
bestimmten Reihenfolge zu bearbeiten. Beide Bescheide enthalten auch keine
Äußerungen, mit denen ihm ein Pensum abverlangt wird, das auch andere
Richter bei sachgerechter Bearbeitung nicht bewältigen können, und die deshalb
auf eine Aufforderung zur sachwidrigen Bearbeitung hinauslaufen. Nur vor diesen
Eingriffen in die Entscheidungsfreiheit des Richters schützt die richterliche
Unabhängigkeit. Mit ihr vereinbar sind hingegen Dienstaufsichtsmaßnahmen, die
sich – wie hier der Vorhalt und die Ermahnung nach § 26 Abs. 2 DRiG – darauf
beschränken, die Erledigungs- und Bestandszahlen des Richters mit denen
anderer Richter zu vergleichen, hieraus wertende Schlussfolgerungen für die
Frage zu ziehen, ob der Richter seine Amtsgeschäfte ordnungsgemäß und
unverzögert i. S. v. § 26 Abs. 2 DRiG erledigt, und ihn ggf. allgemein zu
vermehrten Erledigungen anzuhalten, ohne ihm aber irgendwelche Vorgaben für
die von ihm zu treffenden Verfahrens- und Sachentscheidungen und die
Reihenfolge der Bearbeitung zu machen oder ihm ein Pensum abzuverlangen,
das auch andere Richter bei sachgerechter Bearbeitung nicht erbringen können,
also einen unzulässigen Erledigungsdruck auszuüben.
88 (b) Soweit der Antragsteller auf die Absicht der Präsidentin abstellt, ihn durch den
Bescheid vom 26.01.2012 und den Widerspruchsbescheid zu einer Änderung
seiner Rechtsanwendung zu bewegen, damit so seine Erledigungszahlen
gesteigert würden, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es für die Frage der
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit allein darauf ankommt, ob die
beanstandete Maßnahme objektiv geeignet ist, einen Richter direkt oder indirekt
zu veranlassen, eine konkrete Verfahrens- oder Sachentscheidung künftig in
einem anderen Sinne zu treffen (BGH, Urteil vom 31.01.1984, RiZ (R) 3/83, juris
Rn. 8; Urteil vom 03.12.2014 RiZ (R) 1/14, juris Rn. 40). In ihrem Bescheid vom
26.01.2012 und dem Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 hat sich die
Präsidentin aber jeglicher direkter oder indirekter Weisungen enthalten, die dem
Antragsteller objektiv hätten Anlass geben können, konkrete Sach- oder
Verfahrensentscheidungen zukünftig in einem bestimmten anderen Sinne zu
treffen. Die bloße allgemeine Aufforderung, zukünftig so zu arbeiten, dass
Rückstände oder Verfahrensbestände des eingetretenen Ausmaßes vermieden
und die Erledigungszahlen gesteigert werden, stellt keine derartige konkrete
sach- oder verfahrensbezogene Weisung und daher keine Beeinträchtigung der
richterlichen Unabhängigkeit dar (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1987, RiZ (R) 4/87,
juris Rn. 16).
89 Die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers wird daher durch beide
Bescheide nicht beeinträchtigt.
90 c) Ob der Bescheid vom 26.01.2012 und der diesen bestätigende
Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 aus anderen Gründen als wegen der
Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit fehlerhaft sind, ist nicht
Prüfungsgegenstand im richterdienstgerichtlichen Verfahren, sondern allein von
den Verwaltungsgerichten zu entscheiden. Nicht von den Richterdienstgerichten,
sondern von den Verwaltungsgerichten ist daher etwa zu klären,
91 - ob der Vorhalt und die Ermahnung im Bescheid vom 26.01.2012 sachlich
gerechtfertigt sind und die für beide Maßnahmen gegebene Begründung im
Tatsächlichen zutrifft,
- ob die dem Antragsteller vorgehaltenen Durchschnittszahlen zutreffend ermittelt
worden sind, im konkreten Einzelfall einen geeigneten Maßstab für die Bewertung
der Ordnungsmäßigkeit der Ausführung seiner Amtsgeschäfte darstellen und ob
dieser Maßstab richtig angewendet worden ist, und
- ob die getroffenen dienstaufsichtlichen Maßnahmen dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.
92 All dies sind Fragen, die die sachliche Richtigkeit und allgemeine Rechtmäßigkeit
der Bescheide vom 26.01.2012 und 20.04.2012 betreffen, nicht aber die Frage,
ob die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt ist. Sie sind daher allein im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären (vgl. speziell zu Vorhalt und
Ermahnung gem. § 26 Abs. 2 DRiG: BGH, Urteile vom 16.09.1987, RiZ (Z) 5/87,
Rn. 70; vom 05.10.2005 - RiZ (R) 5/04, juris Rn. 26; vom 08.11.2006, RiZ (R)
2/05, juris Rn. 25).
93 Die vom Antragsteller erhobenen Einwände,
94 - die ihm vorgehaltenen Durchschnittszahlen seien falsch ermittelt worden, nicht
valide und nicht aussagekräftig,
- der von der Präsidentin des Oberlandesgerichts zugebilligte Toleranzspielraum
sei nicht ausreichend bestimmt,
95 sind daher für das Prüfungsverfahren irrelevant. Auch die Frage, ob dem
Antragsteller vor dem Erlass des Bescheids vom 26.01.2012 ausreichend
rechtliches Gehör gewährt worden ist, betrifft allein die formelle Rechtmäßigkeit
des Bescheids, nicht aber die Frage der Verletzung der richterlichen
Unabhängigkeit und ist daher im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zu
klären.
96 Soweit der Antragsteller meint, die von ihm behaupteten Fehler bei der
Sachverhaltserfassung seien der Prüfungsbefugnis der Richterdienstgerichte
allenfalls bei einem fahrlässigen, nicht aber bei einem vorsätzlichen Handeln der
Dienstaufsicht entzogen, steht seine Auffassung in eindeutigem Widerspruch zur
ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
97 d) Keinen Erfolg hat der Antragsteller mit seiner Rüge, der Bescheid vom
26.01.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 seien willkürlich und
stellten deshalb eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit dar.
98 Es kann dahingestellt bleiben, ob allein der Verstoß einer
Dienstaufsichtsmaßnahme gegen das allgemeine Willkürverbot einen Eingriff in
die richterliche Unabhängigkeit darstellen kann, was der BGH - Dienstgericht des
Bundes - bislang offengelassen hat (BGH, Urteil vom 08.11.2006 – RiZ (R) 2/05,
juris Rn. 26), denn ein solcher Verstoß kommt vorliegend nicht in Betracht. Soweit
der Antragsteller geltend macht, die Bescheide seien ohne eine ausreichende
Tatsachengrundlage und unter Verletzung rechtlichen Gehörs getroffen worden,
geht es allein um Fragen der sachlichen Richtigkeit und allgemeinen
Rechtmäßigkeit der Bescheide, die allein von den Verwaltungsgerichten zu
klären sind. Sonstige Gesichtspunkte, die für einen Verstoß gegen das
allgemeine Willkürverbot sprechen könnten, hat der Antragsteller weder
vorgebracht noch sind solche ersichtlich.
99 Aus diesen Gründen hat das Dienstgericht den Prüfungsantrag gemäß § 63 Nr. 4
f LRiStAG in Verbindung mit § 26 Abs. 3 DRiG zu Recht zurückgewiesen, so
dass die Berufung des Antragstellers – auch, soweit dieser den Prüfungsantrag
nach § 63 Nr. 4 f LRiStAG durch seine Antragsformulierungen in den zuletzt
gestellten Anträgen Ziff. 1 bis 4 näher konkretisiert hat – als unbegründet
zurückzuweisen ist.
C.
100 Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 1 LRiStAG i. V. m. § 154 Abs. 2
VwGO, die Entscheidung über die Revisionszulassung auf § 79 Abs. 2 LRiStAG i.
V. m. § 80 DRiG.