Urteil des OLG Stuttgart vom 24.01.2017

treu und glauben, widerrufsrecht, darlehensvertrag, verbraucher

OLG Stuttgart Urteil vom 24.1.2017, 6 U 96/16
Verwirkung des Widerrufsrechts eines zuvor beendeten Verbraucherdarlehensvertrages
Leitsätze
Zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts eines zuvor beendeten Verbraucherdarlehensvertrages
Tenor
In dem Rechtsstreit
wegen Darlehenswiderruf
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts
Stuttgart vom 7.4.2016 werden zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 79 % und die Beklagte 21 %.
4. Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
__________________
Streitwert des Berufungsverfahrens: 65.000 EUR
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des Widerrufs zweier grundschuldgesicherter
Darlehensverträge, die der Kläger zur Finanzierung des Erwerbs eines Einfamilienhauses aufgenommen hat.
1.
2 Der Kläger schloss mit der Beklagten unter dem 6.2.2008 den Darlehensvertrag Nr. ...090 über einen
Nettokredit von 122.000 Euro (Anl. B1). Dem Vertrag war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:
3 Am 1.3.2008 schlossen die Parteien den weiteren Darlehensvertrag Nr. ...483 über einen Nettokredit von
78.000 Euro aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Anl. B2) mit folgender Widerrufsbelehrung:
4 Die den Verträgen jeweils beigefügte „Information für Verbraucher zum Darlehensvertrag“ enthielt am Ende
folgenden weiteren Hinweis:
5 Nach dem in erster Instanz unstreitig gebliebenen Sachvortrag des Klägers kamen die Verträge ohne einen
persönlichen Kontakt zwischen ihm und der Beklagten zustande. Die Unterlagen erhielt der Kläger über
einen von der Beklagten unabhängigen Berater, dem diese seinerseits von der Beklagten ausschließlich per
Post übermittelt worden waren. Der Kläger meint, die Verträge seien deshalb ausschließlich über
Fernkommunikationsmittel geschlossen worden.
6 Im Jahr 2012 löste der Kläger das Darlehen mit der Endnummer 483 über 78.000 Euro vorzeitig ab. In
diesem Zusammenhang schloss er mit der Beklagten am 5.7.2012 eine Aufhebungsvereinbarung (Anl. B5),
in deren Vollzug er an die Beklagte ein Aufhebungsentgelt in Höhe von 11.322,76 EUR zahlte.
7 Der Kläger persönlich widerrief mit Schreiben vom 5.12.2014 beide Darlehensverträge (Anl. B7).
8 Mit der Klage macht er geltend, die Verträge seien wirksam widerrufen. Die erteilten Belehrungen seien
insbesondere in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist fehlerhaft. Da die Beklagte sich nicht an das Muster
der BGB-InfoV gehalten habe, könnten die Belehrungen auch nicht als gesetzeskonform gelten. Die
weiteren in der Information für Verbraucher beigefügten Hinweise zum Widerrufsrecht würden von den
Widerrufsbelehrungen abweichen und seien verwirrend. Er begehrt in Bezug auf das Darlehen mit der
Endnummer 090 die Feststellung, dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis
gewandelt hat (Antrag 1 a)). Ferner verlangt er im Wege der Stufenklage (Antrag 1b)) die Erteilung einer
Abrechnung, aus der sämtliche von ihm gezahlten Beträge (Zins und Tilgung) mit Zahlungseingang
hervorgehen, und auf Grundlage dieser Abrechnung die Zahlung eines Nutzungsersatzes in Höhe von 5 % p.
a. auf sämtliche von ihm geleisteten Beträge seit deren Zahlungseingang.
9 In Bezug auf das Darlehen mit der Endnummer 483 macht er die Erstattung der geleisteten
Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 11.322,76 EUR nebst Prozesszinsen (Antrag 2) sowie - beide
Darlehen betreffend - vorgerichtlicher nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.507,82 EUR
nebst Prozesszinsen (Antrag 3) geltend.
10 Die Beklagte meint, die Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß, weil sie gemäß § 14 BGB-InfoV
Vertrauensschutz genieße. In Bezug auf das Darlehen mit der Endnummer 483 stehe bereits die getroffene
Aufhebungsvereinbarung dem Widerruf entgegen. Im Übrigen verstoße die Ausübung des Widerrufsrechts
gegen Treu und Glauben und erfülle insbesondere den Tatbestand der Verwirkung. Selbst bei wirksamem
Widerruf des Darlehens mit der Endnummer 483 scheide eine Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung
aus, soweit sie den Betrag in Höhe von 8.798,80 EUR an die KfW weitergeleitet habe. Insofern sei sie
entreichert.
11 Hinsichtlich des Darlehens mit der Endnummer 090 hat die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass das Gericht
den Widerruf für wirksam hält, die Aufrechnung erklärt und zwar gegenüber einem Anspruch des Klägers
auf Rückzahlung erbrachter Zinsleistungen mit dem Anspruch auf Wertersatz für die Überlassung der
Darlehensvaluta und gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von erbrachten
Tilgungsleistungen mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta. Ferner hat sie sich mit einer
Hilfswiderklage verteidigt, die unter der Bedingung erhoben ist, dass das Gericht den Feststellungsantrag
zur Wirksamkeit des Widerrufs des Darlehens mit der Endnummer 090 für begründet hält. Gerichtet ist die
Hilfswiderklage auf die Erstattung der zum 31.1.2016 offenen Darlehensvaluta - unstreitig 54.871,02 Euro -
nebst Verzugszinsen seit dem 12.01.2015.
12 Der Kläger hält die Hilfswiderklage für unzulässig und unbegründet. Letzteres weil die Richtigkeit des von
der Beklagten angegebenen Saldos mit Nichtwissen zu bestreiten sei. Im Übrigen bestehe hinsichtlich der an
die Beklagte gezahlten Beträge ein Zurückbehaltungsrecht.
13 Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
2.
14 Das Landgericht hat die Klage in Bezug auf den Darlehensvertrag mit der Endnummer 090 abgewiesen, weil
der Widerruf verspätet sei. Der Kläger sei ordnungsgemäß belehrt worden. Die Beklagte könne sich auf den
Vertrauensschutz gemäß § 14 BGB-InfoV berufen. Ebenfalls unbegründet sei der Antrag auf Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, weil eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich sei, insbesondere kein
kausaler Verzugsschaden vorliege.
15 Begründet sei die Klage jedoch, soweit der Kläger die Erstattung des Entgelts für die Aufhebung des
Darlehensvertrages mit der Endnummer 483 verlange, da der Widerruf dieses Vertrages wirksam erklärt sei
und die Ausübung des Widerrufsrechts auch nicht gegen Treu und Glauben verstoße.
3.
16 Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt.
17 Der Kläger verfolgt seine teilweise abgewiesene Klage in vollem Umfang weiter. Das Landgericht sei
unzutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Belehrung zu dem
Darlehensvertrag mit der Endnummer 090 auf die Schutzwirkung gemäß § 14 BGB-InfoV berufen könne.
Schon angesichts des äußeren Erscheinungsbildes der nicht durch eine andere Schriftart oder einen Rahmen
drucktechnisch hervorgehobenen Belehrung und des Umstandes, dass diese einen im Muster nicht
vorgesehenen Einschub mit der Adresse des Darlehensnehmers enthalte, fehle es an der notwendigen
Übereinstimmung mit der Musterbelehrung. Auch den Belehrungszusatz zum Widerrufsrecht mehrerer
Darlehensnehmer sehe das Muster nicht vor. Unberücksichtigt habe das Landgericht den Umstand gelassen,
dass der Vertrag im Wege der Fernkommunikation geschlossen worden sei. Die Abweisung der Klage auf
Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sei ebenfalls rechtsfehlerhaft erfolgt, weil sich die Beklagte
wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung bei Mandatierung des Prozessbevollmächtigten
in Verzug befunden habe.
18 Soweit das Landgericht seiner Klage stattgegeben hat, verteidigt er das Urteil gegen die Berufung der
Beklagten.
19 Der Kläger beantragt:
20 1. Das am 7.4.2016 verkündete und am 20.4.2016 zugestellte Urteil des Landgerichts Stuttgart - 14 O
420/15 - wird hinsichtlich des Tenors 2.) und 3.) aufgehoben und der Klage stattgegeben.
21 2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
22 Die Beklagte beantragt:
23 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 7.4.2016 - 14 O 420/15 -
im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
24 Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
25 2. Die Berufung des Klägers wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
26 Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Widerrufsbelehrung zu dem Darlehen mit der
Endnummer 483 ordnungsgemäß erfolgt sei, die einvernehmliche Aufhebung des Vertrages das
Widerrufsrecht entfallen lasse und der Kläger mit der Ausübung eines Widerrufsrechts jedenfalls gegen Treu
und Glauben verstoße. Zudem sei das Landgericht nicht auf die geltend gemachte Entreicherung
eingegangen.
27 Soweit der Kläger sich auf die Vorschriften über Fernabsatzverträge stütze, sei nicht behauptet, dass auch
der Kontakt zwischen dem Kläger und dem eingeschalteten Berater ausschließlich über
Fernkommunikationsmittel zustande gekommen sei. Habe es aber einen persönlichen Kontakt zu dem
Vermittler gegeben, scheide ein Fernabsatzvertrag aus. Selbst wenn aber ein Fernabsatzvertrag vorliegen
würde, wäre die Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV gleichwohl gegeben.
28 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze
verwiesen.
II.
29 Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen,
dass hinsichtlich des Darlehensvertrages mit der Nr. ...090 vom 6.2.2008 im Zeitpunkt des Widerrufs die
dafür geltende Frist gemäß § 355 Abs. 2 BGB bereits abgelaufen war. Auch kann der Kläger die Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht verlangen.
1.
30 Maßgeblich sind die bei Abschluss des Vertrages geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG - Vertretungsänderungsgesetz vom
23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 und § 22
Abs. 2 EGBGB).
2.
31 Die äußere Gestaltung der Belehrung steht mit dem Deutlichkeitsgebot in Einklang, nach dem der
Verbraucher durch eine entsprechende Ausgestaltung der Vertragsunterlagen auf sein Widerrufsrecht
unübersehbar hinzuweisen ist. Das setzt voraus, dass sich die Belehrung aus dem Text des Vertrages
deutlich heraushebt und so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringt (BGH v. 23.6.2009 - XI ZR
156/08, Rn. 24; v. 25.4.1996 - X ZR 139/94; v. 27.4.1994 - VIII ZR 223/93; v. 20.12.1989 - VIII ZR 145/88;
v. 7.5.1986 - I ZR 95/84).
32 Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Schriftgröße ist ausreichend und steht der Lesbarkeit des Textes
nicht entgegen. Die drucktechnische Hervorhebung ist dadurch gewährleistet, dass die Belehrung auf einer
gesonderten Seite abgedruckt und durch durchgehende horizontale Linien abgesetzt ist. Zudem weist die
Überschrift „Widerrufsbelehrung“ in einer im Vergleich zum übrigen Vertragstext deutlich größeren Schrift
unübersehbar auf den Belehrungstext hin. Dadurch, dass lediglich der Darlehensvertrag selbst und die
Anlage zum Verbraucherdarlehensvertrag mit einer Überschrift in gleicher Größe versehen ist, wird die mit
der Überschrift „Widerrufsbelehrung“ verbundene Hervorhebung nicht entscheidend gemindert. Genauso
wenig schadet die Tatsache, dass auch der Darlehensvertrag zu Beginn und am Ende mit einer horizontalen
Linie versehen ist. Nach dem Gesamteindruck des Vertrages besteht kein Zweifel, dass ein durchschnittlicher
Verbraucher die erteilte Widerrufsbelehrung nicht übersehen wird.
3.
33 Inhaltlich genügt eine Widerrufsbelehrung zwar nicht den Anforderungen gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB,
wenn sie den Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung"
beginne (BGH v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 18; v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08 Rn. 13, 15; v. 29.04.2010
- I ZR 66/08 Rn. 21; v. 1.12.2010 - VIII ZR 82/10 Rn. 12; v. 2.2.2011 - VIII ZR 103/10 Rn. 14; v. 28.06.2011
- XI ZR 349/10 Rn. 34). Soweit die Beklagte den Text der Musterbelehrung vollständig und unverändert
übernommen hat, genießt die Belehrung aber den Schutz des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV.
a)
34 Ein Unternehmer kann die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs mit Erfolg geltend machen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular
verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung
sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Greift der Unternehmer
hingegen in das ihm zur Verfügung gestellte Muster durch eigene Bearbeitung ein, tritt die Wirkung des § 14
Abs.1 BGB-InfoV nicht ein und zwar unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen Änderungen
(BGH v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15 ; v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Rn. 37 ff.; v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08; v.
1.3.2012 - III ZR 83/11; v. 18.3.2014 - II ZR 109/13).
b)
35 In der Belehrung der Beklagten ist der Text der bis 31.3.2008 geltenden Musterbelehrung unter den
Überschriften „Widerrufsrecht“ und „Widerrufsfolgen“ inhaltlich unverändert wiedergegeben. Die Beklagte
hat den Text des Musters keiner inhaltlichen Bearbeitung unterzogen.
36 aa) Der räumlich abgesetzte Zusatz "bei mehreren Darlehensnehmern kann jeder Darlehensnehmer seine
Willenserklärung gesondert widerrufen" am Ende einer Widerrufsbelehrung steht der Schutzwirkung des §
14 Abs. 1 BGB-InfoV für die ansonsten nach Muster erteilte Belehrung nicht entgegen. Der Zusatz ist auch
inhaltlich nicht zu beanstanden, weil er die Rechtslage zutreffend wiedergibt (BGH v. 11.10.2016 - XI ZR
482/15; OLG Stuttgart v. 27.9.2016 - 6 U 46/16).
37 bb) Selbst wenn dem Kläger darin gefolgt wird, dass die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung
finden, steht dies der Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht entgegen. Soweit der
Gestaltungshinweis Nr. 8 der Musterbelehrung „bei einem Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1 BGB“ eine
zusätzliche Information zu dem Erlöschenstatbestand in § 312 d Abs. 3 BGB vorsieht, gilt dies bei einem im
Fernabsatz geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag nicht. Denn der Gestaltungshinweis knüpft an ein
Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB an. Gemäß § 312 d Abs. 5 S.1 BGB besteht das
Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 1 BGB bei Fernabsatzverträgen, bei denen dem Verbraucher bereits
aufgrund des § 495 BGB ein Widerrufsrecht zusteht, aber nicht. Zwar erklärt § 312 d Abs. 5 S. 2 BGB in
diesem Fall die Regelung zum Fristbeginn gemäß § 312 d Abs. 2 BGB für anwendbar, nicht aber die
Bestimmung über das vorzeitige Erlöschen in § 312 d Abs. 3 BGB, auf die sich der Gestaltungshinweis
bezieht (so auch OLG Frankfurt v. 29.12.2014 - 23 U 80/14 Rn. 19; OLG Düsseldorf, v. 12.6.2015 - 22 U
17/15 -, Rn. 56). Die Vorgaben der Musterbelehrung sind in diesem Punkt eindeutig und wurden von der
Beklagten zutreffend umgesetzt.
38 cc) Auch die äußere Gestaltung der Belehrung steht der Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht
entgegen.
39 Unschädlich ist insbesondere der Umstand, dass die Beklagte unter der Überschrift „Widerrufsbelehrung“ in
einem gesonderten Feld Name und Anschrift des Darlehensnehmers sowie die Nummer des Darlehenskontos
nennt. Der Unternehmer darf gemäß § 14 Abs. 3 BGB-InfoV in Format und Schriftgröße von dem Muster
abweichen und Zusätze wie die Firma oder sein Kennzeichen anbringen. Die nähere Bezeichnung des in
Bezug genommenen Vertrages unter Angabe der Darlehensnehmer und der Kontonummer steht einer
solchen bloßen Kennzeichnung gleich, weil sie der Individualisierung der Beteiligten und des betroffenen
Geschäftsvorgangs dienen. Die Gesetzlichkeitsfiktion bleibt deshalb erhalten, wenn der Unternehmer die
Widerrufsbelehrung im Text einem konkreten Verbrauchervertrag zuordnet (BGH v. 12.7.2016 - XI ZR
564/15 Rn. 23).
40 Sowohl der Verzicht auf eine Einrahmung als auch deren individuelle Gestaltung lassen die Schutzwirkung
gemäß § 14 Abs. 1 BGB unberührt (BGH v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15 Rn. 23).
41 dd) Soweit der Kläger die zusätzlichen Angaben zum Widerrufsrecht auf Seite 2 der Information für
Verbraucher moniert, folgt daraus kein Belehrungsmangel.
42 Die erteilten Hinweise greifen nicht in den aus dem Verordnungsmuster übernommenen Belehrungstext ein
und stellen deshalb keine Bearbeitung des Musters dar. Inhaltliche Abweichungen, die den mit der
Widerrufsbelehrung erteilten Informationen widersprechen oder diese unklar machen würden, sind mit den
Hinweisen nicht verbunden. Beim Leser kann auch nicht die Fehlvorstellung entstehen, es handle sich dabei
um eine abschließende Information über das Widerrufsrecht, vielmehr wird ausdrücklich darauf verwiesen,
dass nähere Angaben der gesonderten Widerrufsbelehrung zu entnehmen sind.
4.
43 Selbst wenn der Darlehensvertrag im Fernabsatz geschlossen wurde, sind auch die weiteren Bedingungen
für den Beginn der Widerrufsfrist gemäß §§ 312 d Abs. 5 und Abs. 2 BGB gegeben. Insbesondere hat die
Beklagte ihre Pflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB erfüllt. Dass die mit dem Vertrag erteilten Informationen
unvollständig wären, macht der Kläger nicht geltend.
5.
44 Da der Widerruf danach unwirksam war, hat das Landgericht die zulässige Feststellungsklage zu Recht als
unbegründet abgewiesen. Zutreffend hat es daneben auch über die Stufenklage insgesamt durch ein
abweisendes Endurteil entschieden, da bereits die Prüfung des Auskunfts- oder Abrechnungsanspruchs
ergibt, dass dem Hauptanspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen die materiell-rechtliche Grundlage
fehlt (vgl. dazu BGH v. 28.11.2001 - VIII ZR 37/01 Rn. 20; Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 254 ZPO, Rn.
9).
6.
45 Ferner hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
zutreffend verneint. In Bezug auf das Darlehen vom 6.2.2008 folgt dies bereits daraus, dass kein Recht zum
Widerruf des Vertrages bestand. Ungeachtet der Frage, ob der zweite Darlehensvertrag widerruflich war,
steht dem Kläger auch insoweit kein Ersatzanspruch zu.
a)
46 Einem Schuldnerzug der Beklagten und einem daraus abgeleiteten Schadensersatzanspruch (§§ 280, 286
BGB) steht entgegen, dass die Ansprüche des Klägers aus einem Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht
einredefrei waren. Im Rückgewährschuldverhältnis, in dem die Leistungen gemäß §§ 348, 320 BGB Zug um
Zug zu erfüllen sind, kommen weder Unternehmer noch Verbraucher in Verzug, solange die Einrede der
ausstehenden Gegenleistung besteht, ohne dass diese Einrede erhoben werden müsste (Bülow/Artz,
Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 Rn. 172). Es ist nicht dargetan, dass der Kläger vor Mandatierung
seines Anwalts die Gegenansprüche der Beklagten durch eine Aufrechnung zum Erlöschen gebracht oder die
Beklagte in Annahmeverzug gesetzt hat.
b)
47 Auch soweit man in der Erteilung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine echte Pflichtverletzung im
Sinne von § 280 BGB sehen will, läge in den Kosten der Beauftragung des Klägervertreters nur dann eine
kausale Folge der Pflichtverletzung, wenn der Kläger im Falle der ordnungsgemäßen Belehrung seine
Willenserklärung vor Ablauf von 14 Tagen widerrufen hätte, weil er nur in diesem Falle wegen der jetzt
erfolgten Belastung mit den Kosten des Klägervertreters finanziell schlechter stünde, als er gestanden hätte,
wenn die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung erfüllt hätte. Dem Vortrag des Klägers lässt
sich jedoch schon nicht entnehmen, dass er bei ordnungsgemäßer Belehrung innerhalb von 14 Tagen nach
Abgabe seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung widerrufen hätte.
III.
48 Die Berufung der Beklagten hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Widerruf des
Darlehensvertrages vom 1.3.2008 (mit der Endnummer 483) zutreffend als wirksam erachtet.
1.
49 Auch dieser Vertrag ist anhand der bei Abschluss geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG - Vertretungsänderungsgesetz vom
23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 und § 22
Abs. 2 EGBGB) zu beurteilen.
2.
50 Dem Kläger stand bei Erklärung des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB zu, weil die
Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung noch nicht abgelaufen war (§ 355 Abs. 2 BGB) und die
vorzeitige Beendigung des Vertrages den Widerruf nicht ausschließt.
a)
51 Eine Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn sie den
Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne (BGH v.
9.12.2009 - VIII ZR 219/08 Rn. 13, 15; v. 29.04.2010 - I ZR 66/08 Rn. 21; v. 1.12.2010 - VIII ZR 82/10 Rn.
12; v. 2.2.2011 - VIII ZR 103/10 Rn. 14; v. 28.06.2011 - XI ZR 349/10 Rn. 34).
b)
52 Die Widerrufsbelehrung ist nicht gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-InfoV als gesetzeskonform zu behandeln, da
die Beklagte den Text der Musterbelehrung gemessen an dem bereits oben unter II. 3. a) dargelegten
Maßstab einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat.
53 Die den Klägern erteilte Widerrufsbelehrung entspricht nicht vollständig dem Muster und wurde einer
inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, weil der Belehrungstext unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“
als „Sammelbelehrung“ ausgestaltet ist und damit von den Vorgaben des Gestaltungshinweises Nr. 9 der
Musterbelehrung abweicht. Kombiniert der Darlehensgeber in seiner Belehrung über verbundene Verträge
den allgemein geltenden Hinweis zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit mit der Information über die
besonderen Kriterien des Verbunds beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines
grundstücksgleichen Rechts, stellt dies einen Eingriff in die Musterbelehrung dar, der die Schutzwirkung
gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV entfallen lässt (BGH v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15 Rn. 27).
c)
54 Der Umstand, dass die Parteien den Darlehensvertrag einvernehmlich aufgehoben haben, steht dem
späteren Widerruf nicht entgegen. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses und die beiderseits
vollständige Leistungserbringung lässt das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers nicht entfallen (BGH v.
11.10.2016 - XI ZR 482/15 Rn. 28; v. 24.11.2009 - XI ZR 260/08; v. 7.5.14 - IV ZR 76/11; v. 29.7.15 - IV ZR
384/14, Rn. 30). Als Rechtsgrund für die ausgetauschten Leistungen besteht das durch den Vertrag
begründete Rechtsverhältnis fort und kann auch nach Beendigung noch widerrufen werden. Durch die
Aufhebungsvereinbarung wurde auch kein selbständiger, von den ursprünglichen Vertragsbeziehungen
losgelöster Schuldgrund geschaffen, der durch den Widerruf nicht berührt wäre. Der Annahme, dass mit der
Aufhebungsvereinbarung ein neuer Schuldgrund geschaffen wurde, der das Widerrufsrecht der Kläger
abschneiden würde, steht zudem entgegen, dass die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts zum
Schutz des Verbrauchers halbzwingend sind (§ 506 Abs.1 BGB).
3.
55 Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass der Kläger den Widerruf erst im Jahr 2014 nach
vorheriger Ablösung des Kredits widerrufen hat.
a)
56 Der Widerruf erfolgte nicht rechtsmissbräuchlich.
57 Selbst wenn der Widerruf des Verbrauchers von dem Motiv getragen ist, sich nach langer Zeit wegen des
gegenwärtig niedrigen Zinsniveaus von dem Darlehensvertrag zu lösen, steht das der Ausübung des
Widerrufsrechts nicht entgegen. Da das Gesetz es dem freien Willen des Verbrauchers überlässt, ob und aus
welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem Schutzzweck der das Widerrufsrecht
gewährenden gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach §
242 BGB geschlossen werden (BGH v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15 Rn. 23). Es kommt in diesem
Zusammenhang auch nicht darauf an, wie gravierend der Mangel der Widerrufsbelehrung war und ob er sich
im Fall des Klägers überhaupt konkret ausgewirkt hat, denn nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit des Widerrufs nicht voraus, dass der Mangel der Belehrung
ursächlich dafür war, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Das
Gesetz knüpft unabhängig davon, ob der Verbraucher durch die unzureichende Belehrung tatsächlich einer
Fehlvorstellung über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung eines Widerrufsrechts unterlag, allein
an die objektive Gesetzeswidrigkeit der Widerrufsbelehrung die Sanktion eines nicht befristeten
Widerrufsrechts des Verbrauchers. Entscheidend ist, dass die erteilte Belehrung generell - ohne Rücksicht
auf die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers im Einzelfall - geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung
seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH v. 23.6.2009 - XI ZR
156/08 Rn.25). Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei
ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das Ziel des
Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das
Widerrufsrecht anzuhalten (BGH v. 13.1.1983 - III ZR 30/82).
58 Es stellt danach keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist von der Ausgestaltung des Widerrufsrechts durch
das Gesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung gedeckt, wenn ein Verbraucher dieses Recht nach
längerer Zeit ausübt, obwohl er nicht konkret durch den Mangel der Belehrung an der fristgerechten
Ausübung gehindert war. Genauso wenig handelt er missbräuchlich, wenn er, nachdem er von seinem
Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, sich durch Widerruf von dem nachteilhaft gewordenen Vertrag zu
lösen (Senat v. 24.11.2015 - 6 U 140/14; 6.10.2015 - 6 U 148/14).
b)
59 Unter den gegebenen Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalles können auch die Voraussetzungen
einer Verwirkung des Widerrufsrechts nicht festgestellt werden.
60 Der Einwand der Verwirkung kommt auch gegenüber dem Widerrufsrecht gemäß § 495 BGB in Betracht und
setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des
Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Das Widerrufsrecht ist verwirkt,
wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei
objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr
geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH v.
11.10.2016 - XI ZR 482/15; v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15 Rn. 40; v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15 Rn. 37).
61 Zwar ist angesichts des Vertragsschlusses im Jahr 2008 ein erhebliches Zeitmoment gegeben, an dem
erforderlichen Umstandsmoment fehlt es jedoch. Der vorliegende Sachverhalt rechtfertigt nicht die
Feststellung, dass sich die Beklagte wegen der Untätigkeit des Klägers über einen gewissen Zeitraum hin bei
objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte, dass er sein Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen
würde. Der Einwand der Verwirkung lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Beklagten infolge der
späten Ausübung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer Nachteil entstanden wäre. Der bloße Zeitablauf
vermag den Vorwurf, der Kläger handle illoyal, nicht zu begründen (vgl. BGH v. 18.10.2004 - II ZR 352/02,
Rn. 24).
62 aa) Dass der Kläger das Darlehen bis zu dessen vorzeitiger Ablösung vertragsgemäß bedient hat, macht den
Widerruf nicht treuwidrig. Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann
der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des
Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden, und zwar
ungeachtet der Frage, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt.
Das Risiko, dass ein Fehler der Widerrufsbelehrung erst nachträglich aufgedeckt wird, trägt nicht der
Verbraucher, sondern die Bank. Die Bank wird dadurch nicht unbillig belastet. Es ist ihr während der
Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine Nachbelehrung
des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 39-41).
63 Solange der Darlehensnehmer selbst nicht davon ausgeht, den Vertrag widerrufen zu dürfen, liegt in der
Vertragserfüllung auch kein widersprüchliches Verhalten (vgl. dazu Senat v. 6.12.2016 - 6 U 95/16, juris).
64 bb) Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Darlehensvertrag auf Wunsch des Klägers
vorzeitig beendet wurde, steht hier nicht fest, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, der Kläger würde
den Darlehensvertrag nicht mehr widerrufen.
65 (1) Dem Einwand der Verwirkung steht allerdings nicht entgegen, dass die Beklagte es unterlassen hat, dem
Kläger nach Ablösung des Darlehens eine Nachbelehrung zu erteilen, denn eine solche war nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach Vertragsbeendigung nicht mehr sinnvoll möglich (BGH v.
11.10.2016 XI ZR 482/15 Rn. 30; v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15 Rn. 41) und konnte deshalb von der
Beklagten nicht mehr erwartet werden. Deshalb kann bei einem beendeten Darlehensvertrag das Vertrauen
des Darlehensgebers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte
Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach. Das gilt in besonderem
Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrages auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH
v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15 Rn. 41; v. 11.10.2016 XI ZR 482/15 Rn. 30), sodass bei der gebotenen
tatrichterlichen Würdigung der für das Umstandsmoment erheblichen Gesichtspunkte die vorzeitige
Beendigung des Darlehensvertrages und die Tatsache, dass diese auf Wunsch des Darlehensnehmers erfolgt
ist, in die Betrachtung miteinzubeziehen sind.
66 Zur Annahme der Verwirkung müssen sich aus dem Sachverhalt besondere, auf dem Verhalten des
Berechtigten beruhende Umstände ergeben, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der
Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15; v. 12.7.2016
- XI ZR 501/15 Rn. 40; v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15 Rn. 37). Dass bereits die auf Wunsch des
Darlehensnehmers erfolgte vorzeitige Beendigung des Vertrages dieses notwendige Tatbestandsmerkmal
ausfüllen soll, ergibt sich aus den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht.
67 (2) Die Feststellung, dass die Beklagte aus dem gesamten Verhalten des Klägers den Schluss ziehen durfte,
von dem auch nach Vertragsbeendigung fortbestehenden Widerrufsrecht werde kein Gebrauch mehr
gemacht, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht treffen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
der Vertrag auf Wunsch des Klägers vorzeitig abgewickelt wurde, rechtfertigte das Verhalten des Klägers aus
Sicht der Beklagten nicht die Annahme, er würde ein bestehendes Widerrufsrecht nicht mehr ausüben.
68 Diesen Schluss konnte die Beklagte aus dem Verhalten des Klägers nicht ziehen, weil sie damit rechnen
musste, dass dem Kläger sein Widerrufsrecht bei Ablösung des Kredits und auch in der Zeit danach nicht
bekannt war. Für die Beklagte bestand kein Anlass, zu unterstellen, dass der Kläger das Bestehen eines
Widerrufsrechts geprüft oder auch nur in Betracht gezogen hat. Aus der maßgeblichen Sicht der Bank ist
das Fortbestehen des Widerrufsrechts für den Verbraucher gerade dann nicht ohne weiteres erkennbar,
wenn die Widerrufsbelehrung - wie hier - den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH v.
12.7. 2016 - XI ZR 564/15 Rn. 40). Es gab für die Beklagte auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der
Kläger sei insoweit rechtlich beraten gewesen.
69 Zwar ist der Einwand der Verwirkung nicht generell ausgeschlossen, wenn dem Berechtigen sein Recht nicht
bekannt ist (BGH v. 16.3.2007 - V ZR 190/06; v. 27.6.1957 - II ZR 15/56). Soweit die Verwirkung aber an
das Tatbestandsmerkmal geknüpft wird, dass der Verpflichtete aus dem Verhalten des Berechtigten das
Vertrauen geschöpft hat, dieser werde sein Recht nicht mehr ausüben, spricht es gegen die Annahme dieses
Vertrauenstatbestandes, wenn der Schuldner davon ausgehen muss, dass der Berechtigte von den ihm
zustehenden Ansprüchen nichts weiß (vgl. BGH v. 15.9.1999 - I ZR 57/97, Rn. 24; Grüneberg in: Palandt,
BGB, 76. Aufl., § 242 Rn. 95 und Rn. 107). Da aus Sicht der Beklagten zu unterstellen war, dass der Kläger
die Aufhebungsvereinbarung geschlossen und erfüllt hat, ohne einen Widerruf überhaupt in Erwägung
gezogen zu haben, gab es keinen Grund für die Annahme, der Kläger übe sein Widerrufsrecht bewusst nicht
aus. Es gab auch keine aus dem Verhalten des Klägers abzuleitenden Anhaltspunkte dafür, dass er
mutmaßlich auch dann nicht widerrufen werde, wenn er von seinem Gestaltungsrecht später Kenntnis
erlangen würde. Aus Sicht der Beklagten war vielmehr naheliegend, dass der Kläger nur deshalb zum
Abschluss der Aufhebungsvereinbarung bereit war, weil ihm nicht bekannt war, dass er sich auch ohne
Vorfälligkeitsentschädigung von dem Vertrag lösen konnte, und er dieses trotz der Vertragsbeendigung
fortbestehende Recht möglicherweise geltend machen würde, würde er davon erfahren.
70 Die Beklagte musste deshalb in Rechnung stellen, dass die Bereitschaft des Klägers, den Kredit gegen ein
Aufhebungsentgelt vorzeitig zurückzuzahlen, Ausdruck der Vorstellung war, an den Vertrag unwiderruflich
gebunden zu sein. Insofern hatte das Versprechen des Klägers, mit der Vorfälligkeitsentschädigung das
Interesse der Beklagten an der weiteren Erfüllung des Vertrages auszugleichen, in Bezug auf die Frage, ob
er sein Widerrufsrecht noch ausüben würde, hier keine weitergehende Aussagekraft als sein vertragstreues
Verhalten während der Vertragslaufzeit, aus dem der Darlehensgeber - wie oben ausgeführt - kein
schutzwürdiges Vertrauen herleiten kann. Es müssten deshalb hier weitere Umstände hinzutreten, um aus
der Ablösung des Kredits durch den Kläger, der sich in Unkenntnis seines Widerrufsrechts vertragstreu
verhalten hat, einen Verstoß gegen Treu und Glauben herleiten zu können (vgl. auch BGH v. 29.7.2008 - XI
ZR 387/06 Rn. 18 zu einem Bereicherungsanspruch). Sollte die Beklagte also abweichend von ihrem eigenen
Rechtsstandpunkt die Möglichkeit eines Widerrufs in Betracht gezogen haben, mag sie gehofft haben, dass
der Kläger nicht widerrufen würde. Ein darauf gerichtetes schutzwürdiges Vertrauen konnte sie aber auf
sein Verhalten nicht gründen und sie durfte sich deshalb auch nicht darauf einrichten, dass der Widerruf
unterbleiben würde.
71 Anders könnte der Fall zu beurteilen sein, wenn die Beklagte aus dem Verhalten des Klägers hätte schließen
dürfen, dass ihm die Möglichkeit des Widerrufs bekannt sei. Hätte der Kläger vor diesem Hintergrund die
vorzeitige Beendigung des Vertrages gewünscht und wäre er nach Ablösung des Kredits längere Zeit untätig
geblieben, könnte der Schluss der Beklagten, mit einem Widerruf müsse nicht mehr gerechnet werden,
berechtigt sein. So liegt der Fall indes nicht.
72 Da es danach von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt, welche Bedeutung der vorzeitigen
Vertragsbeendigung in Bezug auf den notwendigen Vertrauenstatbestand beigemessen werden kann, teilt
der Senat nicht die Auffassung, dass das Umstandsmoment im Sinne einer tatsächlichen Vermutung
regelmäßig zu bejahen sei, wenn der Verbraucher das Darlehen unter Zahlung einer
Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig ablöse und nach der Ablösung eine gewisse Zeit - etwa sechs Monate -
verstreiche (so OLG Schleswig v. 6.10.2016 - 5 U 72/16).
c)
73 Der Einwand der Verwirkung lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Beklagten aufgrund der späten
Ausübung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer Nachteil entstanden wäre.
74 Dem Sachvortrag der Beklagten kann nicht entnommen werden, dass sie sich in der Erwartung, der Vertrag
habe Bestand, so eingerichtet hat, dass ihr ein unzumutbarer Nachteil entstanden wäre. Die Tatsache, dass
der Darlehensgeber die Ansprüche des Darlehensnehmers aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis
erfüllen muss, ist die regelmäßige gesetzliche Konsequenz des Widerrufs und stellt deshalb keinen
unzumutbaren Nachteil dar (BGH, v. 12.7.2016 - XI ZR 564/15 zum Rechtsmissbrauch). Ob sich ein solcher
Nachteil aus der Freigabe der für das Darlehen bestellten Sicherheiten ergeben kann, muss nicht
entschieden werden, denn eine Freigabe ist hier angesichts des noch laufenden weiteren
Darlehensvertrages noch nicht erfolgt. Ungeachtet dessen ist hier auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte
zur Realisierung ihrer Ansprüche aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis auf die Grundschuld angewiesen
wäre. Dass die Erfüllung ihrer Ansprüche angesichts der Vermögenssituation des Klägers gefährdet wäre, ist
nicht behauptet. Zudem könnte die Beklagte die Erfüllung durch Erklärung der Aufrechnung gegen die
betragsmäßig höheren Rückabwicklungsansprüche des Klägers bewirken, ohne dass sie die Sicherheiten
benötigen würde. Auch im Übrigen ist ein unzumutbarer Nachteil der Beklagten als Folge des späten
Widerrufs nicht dargetan.
75 Es kann deshalb offen bleiben, ob der Einwand der Verwirkung ohne Rücksicht auf einen konkreten
Vertrauenstatbestand berechtigt sein kann, wenn dem Verpflichteten während der Zeit der Untätigkeit des
Berechtigten und als deren Folge ein unzumutbarer Nachteil entstanden ist. Das kommt in Betracht, weil die
beiderseits vollständige und beanstandungsfreie Vertragsabwicklung dazu führen kann, dass der Gläubiger
eines Rückabwicklungsanspruchs auf die Belange des Schuldners ausnahmsweise Rücksicht nehmen muss,
etwa wenn die Rückabwicklung existenzgefährdende Auswirkungen hat (BGH v. 29.7. 2008 - XI ZR 387/06
Rn. 18 zu einem Bereicherungsanspruch).
76 Da hier weder festzustellen ist, dass die Beklagte schutzwürdiges Vertrauen in das Unterbleiben des
Widerrufs bilden durfte, noch ein unzumutbarer Nachteil dargetan ist, kann auch die Frage auf sich beruhen,
ob ein solcher Nachteil ein notwendiges Merkmal des Verwirkungstatbestandes ist - wovon der Senat bislang
ausgegangen ist (vgl. zuletzt Senat v. 27.9.2016 - 6 U 46/16 -, Rn. 77 und 84 mit weiteren
Rechtsprechungsnachweisen) - oder ob es sich dabei lediglich um einen der Gesichtspunkte handelt, die im
Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung für das Eingreifen der Verwirkung sprechen können.
4.
77 Da der Kläger den Darlehensvertrag wirksam widerrufen hat, kann er die Erstattung des geleisteten
Aufhebungsentgelts verlangen (§§ 357 Abs.1 S.1 B, 346 BGB). Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf eine
Entreicherung. Das Aufhebungsentgelt ist in Erfüllung einer sich aus den Darlehensvertrag ergebenden
Verpflichtung erbracht und deshalb nach Widerruf des Darlehensvertrages als empfangene Leistung nach §§
357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 BGB zur erstatten (BGH v. 11.10.2016 - XI ZR 482/15 Rn. 32). Danach besteht
kein Raum für die Anwendung des Entreicherungseinwandes gemäß § 818 Abs. 3 BGB. Soweit der
Rückgewährschuldner die empfangene Leistung nicht mehr gegenständlich herausgeben kann, schuldet er
gemäß § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz.
78 Der Anspruch auf Prozesszinsen folgt aus §§ 288, 291 BGB.
IV.
79 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs.1 S.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80 Der Streitwert des Berufungsverfahrens entspricht dem vom Landgericht zutreffend festgesetzten Wert
(65.000 EUR). Da über die Hilfswiderklage nicht zu entscheiden war, bleibt sie bei der Wertfestsetzung
unberücksichtigt (§ 45 Abs. 1 GKG).
81 Der Einwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers, bei der Bewertung des Feststellungsantrags sei die
Sicherungsgrundschuld mit zu berücksichtigen, ist nicht berechtigt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs
bestimmt sich der Streitwert einer Feststellungsklage, die darauf gerichtet ist, dass durch den Widerruf eines
Verbraucherdarlehensvertrags dieser gemäß den §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 ff. BGB rückabzuwickeln ist,
nach den bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Gestellte Sicherheiten hat der Bundesgerichtshof
nicht berücksichtigt (BGH v. 12.1.2016 - XI ZR 366/15).
82 Das Argument des Prozessbevollmächtigten der Kläger, eine unmittelbare, bei der Wertbemessung zu
berücksichtigende Folge des Widerrufs sei es auch, dass die Grundschulden herauszugeben seien, verfängt
nicht, denn der Anspruch auf Rückgabe der Sicherheiten ist durch die Tilgung der gesicherten Forderung
aufschiebend bedingt (BGH v. 5.11.1976 - V ZR 5/75; v. 13.5.1982 - III ZR 164/80), und durch den Widerruf
geraten die gesicherten Forderungen gerade nicht vollständig in Wegfall. Die Sicherungsabrede erfasst
vielmehr auch ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung regelmäßig nicht nur die eigentlichen
Erfüllungsansprüche, sondern auch diejenigen, die als typische Folgeansprüche für den Fall einer sich im
Laufe der Vertragsabwicklung herausstellenden Unwirksamkeit des Vertrages entstehen und damit auch die
Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis (BGH v. 16.5.2006 - XI ZR
48/04, v. 28.10.2003 - XI ZR 263/02, v. 26.11.2002 - XI ZR 10/00). Allein durch den Widerruf gelangt
folglich kein durchsetzbarer Anspruch auf Freigabe der Grundschulden zur Entstehung. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass die Voraussetzungen einer Klage auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung (§ 322 Abs.
2 BGB) gegeben sind. Ein Anspruch auf Rückgabe der Grundschuld kann ferner nicht aus den §§ 1144, 1192
Abs. 1 BGB hergeleitet werden (a.A. OLG Stuttgart v. 14.7.2016 - 7 U 60/16). Der Anspruch auf
Aushändigung der Urkunden gemäß § 1144 BGB - der auf Grundschulden entsprechend anwendbar ist -
knüpft an das Befriedigungsrecht des Gläubigers gemäß § 1142 BGB an (Herrler in: Palandt, BGB, 76. Aufl.,
§ 1144 Rn. 2), das neben der Fälligkeit der Grundschuld deren Ablösung nach ihrem Nominalwert
voraussetzt (BGH v. 28.9.1989 - V ZB 17/88 Rn. 26), sodass die Erfüllung der gesicherten schuldrechtlichen
Verbindlichkeit den Anspruch aus § 1144 BGB nicht zu begründen vermag (Wolfsteiner in: Staudinger, BGB
(2015), § 1142, Rn. 27). Dass der Kläger bereit wäre, zur Erlangung der Sicherheit die Grundschuld in voller
Höhe abzulösen, kann nicht unterstellt werden, zumal keinerlei Anlass für die Annahme besteht, die
Beklagte würde die Sicherheiten im Rahmen einer Rückabwicklung nicht freigeben, wenn die Wirksamkeit
des Widerrufs feststünde. Bei der Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der beantragten
Feststellung stellt die Freigabe der Grundschuld deshalb kein zu berücksichtigendes Ziel dar.
83 Die Revision wird im Hinblick auf das divergierende Urteil des OLG Schleswig vom 6.10.2016 - 5 U 72/16 -
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.