Urteil des OLG Stuttgart vom 06.12.2016

treu und glauben, darlehen, widerrufsrecht, verwirkung

OLG Stuttgart Urteil vom 6.12.2016, 6 U 95/16
Treuwidrigkeit eines Widerrufs nach Annahme des Widerrufsrechts durch den
Darlehensnehmer und seiner vorbehaltlosen Weiterzahlung (widersprüchliches Verhalten)
Leitsätze
Zur Treuwidrigkeit des Widerrufs nach Annahme des Widerrufsrechts durch den Darlehensnehmer und seiner
vorbehaltlosen Weiterzahlung (widersprüchliches Verhalten)
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9.2.2016
aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung abwenden durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
________________________________
Streitwert: In erster Instanz bis 320.000 Euro, in der Berufungsinstanz bis 95.000 Euro.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten um die Widerruflichkeit von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen.
2 Die Kläger schlossen mit der beklagten Bank zunächst im Juni 2007 zwei grundpfandrechtlich gesicherte
Verbraucherdarlehen über 144.000 Euro und 47.000 Euro. Ein drittes, im Juli 2009 abgeschlossenes
Darlehen war in erster Instanz nicht streitgegenständlich.
3 Die Kläger sind der Auffassung, die ihnen zu den beiden ersten Darlehen identisch erteilten
Widerrufsbelehrungen hätten den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, indem über den Fristbeginn
unzureichend dahin belehrt worden sei, dass die Widerrufsfrist „frühestens“ mit dem Erhalt der Belehrung
beginne. Auf den Schutz des § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie im
Belehrungsabschnitt über finanzierte Geschäfte in Abweichung vom entsprechenden Gestaltungshinweis
des Musters der BGB-InfoV den (allgemeinen) zweiten Satz nicht durch den (speziellen) zweiten Satz für
den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ersetzt, sondern beide Sätze
kumuliert habe.
4 Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.10.2014 (Anlage K 2) meinten die Kläger gegenüber der Beklagten, sie
könnten daher die Darlehensverträge noch widerrufen und baten um ein Vergleichsangebot zur Fortführung
der Darlehen mit geänderten Konditionen. Dass künftige Zahlungen nur noch unter Vorbehalt erfolgen
würden, erklärten sie dabei nicht. Mit Schreiben vom 31.10.2014 (Anlage K 3) vertrat die Beklagte die
Auffassung, den Klägern stehe ein Widerrufsrecht nicht zu und lehnte es ab, ein Vergleichsangebot zu
unterbreiten. Nach dem Wortlaut des Eingangssatzes ihres Antwortschreibens ging die Beklagte dabei
davon aus, dass die Kläger mit ihrem Schreiben vom 21.10.2014 den Widerruf bereits erklärt hätten, was
tatsächlich nicht der Fall war. Weitere schriftliche Kontakte gab es in der Folge nicht, bis die Kläger mit
Schreiben vom 20.5.2015 (Anlage K 4) ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten
Willenserklärungen widerriefen.
5 Mit ihrer Klage haben die Kläger in erster Instanz die Feststellung begehrt, dass sich die ersten beiden
Darlehen durch ihren Widerruf in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt hätten, außerdem die
Verurteilung der Beklagten zur Erteilung einer Schlussabrechnung, aus der sich ihre Zahlungen ergeben
sollten, sowie die Verurteilung der Beklagten, nach Abrechnung die für die Darlehen bestellte
Sicherungsgrundschuld freizugeben und erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen verzinst mit 5%-Punkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz zurückzuzahlen, Zug um Zug gegen Erstattung der „verzinsten
Darlehenssumme“. Daneben haben sie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten verlangt.
6 Die Beklagte hält die Widerrufsbelehrungen für ordnungsgemäß und meint, ihr komme hilfsweise die
Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV zugute. Jedenfalls aber sei die Ausübung des Widerrufsrechts verwirkt
oder rechtsmissbräuchlich.
7 Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die
tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
8 Das Landgericht hat die begehrte Feststellung bezüglich der Umwandlung in
Rückabwicklungsschuldverhältnisse getroffen, außergerichtliche Anwaltskosten zugesprochen und die Klage
im Übrigen abgewiesen. Die Widerrufsbelehrungen genügten mit der Formulierung „frühestens“ den
gesetzlichen Anforderungen nicht. Auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht
berufen, sie habe inhaltlich in das Muster eingegriffen, indem sie entgegen Gestaltungshinweis 9 des
Musters im Abschnitt zum finanzierten Geschäft den dortigen allgemeinen zweiten Satz nicht durch den für
Grundstücksgeschäfte vorgesehenen alternativen Satz ersetzt, sondern die Sätze kumuliert habe. Das
Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt oder rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Dagegen bestehe kein Anspruch
auf eine Schlussabrechnung und der auf Freigabe der Sicherheit gerichtete Antrag habe schon keinen
vollstreckungsfähigen Inhalt, da die angebotene Zug-um-Zug-Leistung nicht bestimmt sei.
9 Dagegen richtet sich - nach Rücknahme ihrer zunächst gleichfalls eingelegten, u. a. auf die Einbeziehung des
dritten Darlehens gerichteten Berufung durch die Kläger nur noch - die Berufung der Beklagten, die unter
Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation weiterhin die volle Abweisung der
Klage erreichen will.
10 Die Beklagte beantragt:
11 Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom
09.02.2016 - 8 O 267/15 - im Kostenpunkt aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
12 Die Kläger beantragen
13 Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
14 Sie verteidigen im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil im noch streitgegenständlichen, zusprechenden
Teil als richtig.
15 Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die
eingereichten Schriftsätze verwiesen. Der nachgelassene Schriftsatz der Kläger vom 4.11.2016 und die
nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 7.11.2016 und der Kläger vom 16.11.2016
einschließlich persönlicher Stellungnahme des Klägers zu 1) gaben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung
wiederzueröffnen.
II.
16 Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
1.
17 Das Landgericht hat zwar zutreffend und mit zutreffender Begründung angenommen, dass die
streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügten, dass sich die
Beklagte auch nicht auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV berufen kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli
2016 - XI ZR 564/15 -, Rn. 25, juris) und dass daher die Widerrufsfrist im Jahr 2015 nicht abgelaufen war.
2.
18 Weiter zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass das Widerrufsrecht bei den
vorliegenden, nicht vollständig abgewickelten Darlehensverträgen nicht verwirkt ist.
19 Insbesondere konnte die Beklagte allein aufgrund des laufend vertragstreuen Verhaltens der Kläger ein
schutzwürdiges Vertrauen darauf, die Kläger würden ihre auf Abschluss der Verträge gerichteten
Willenserklärungen nicht widerrufen, nicht bilden und es kommt auch nicht darauf an, wie gewichtig der
Fehler in der Widerrufsbelehrung ist; das Risiko, dass ein Fehler der Belehrung erst später aufgedeckt wird,
trägt die Bank, nicht der Verbraucher. Die Bank wird dadurch auch nicht unbillig belastet. Denn es ist ihr
während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar, durch eine
Nachbelehrung des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 -
XI ZR 564/15 -, Rn. 39 ff., juris).
3.
20 Abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung ist die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger
jedoch nach den Umständen des Falles rechtsmissbräuchlich.
a)
21 Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus
sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, obwohl die Voraussetzungen einer
Verwirkung nicht vorliegen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen
Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob
insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit
Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen
aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 12. Juli
2016 - XI ZR 564/15 -, Rn. 43, juris, m. w. N.). Eine Rechtsausübung kann insbesondere unzulässig sein,
wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit
dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig
schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 40 v. 15.
November 2012 - IX ZR 103/11, Rn. 12, juris; v. 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, Rn. 20, juris). Das kann bei
Vorliegen entsprechender - besonderer - Umstände auch dann der Fall sein, wenn ein besonderer
Vertrauenstatbestand nicht begründet worden ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 242 Rn. 49; BGH,
Urteil vom 20. März 1986 - III ZR 236/84 -, Rn. 47, juris).
b)
22 Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger als
rechtsmissbräuchlich.
aa)
23 Die Kläger gingen spätestens seit Oktober 2014 davon aus, dass sie die beiden streitgegenständlichen
Darlehensverträge widerrufen könnten und spätestens infolge des klägerischen Schreibens vom 21.10.2014
hatte auch die Beklagte hiervon Kenntnis. Gleichwohl bedienten die Kläger das streitgegenständliche
Darlehen nach diesem Zeitpunkt und nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2014 erklärt hatte,
ein Widerrufsrecht bestehe ihrer Auffassung nach nicht, weiter. Irgendeinen Vorbehalt bezüglich der
weiteren Zahlungen erklärten sie weder mit Schreiben vom 21.10.2014 noch bei den einzelnen Zahlungen,
auch dass es mündliche Kontakte gegeben hätte, kann nicht zugrunde gelegt werden.
bb)
24 Damit veränderte sich die Sachlage mit Blick auf das nach Treu und Glauben zulässige Verhalten ab diesem
Zeitpunkt maßgeblich:
25 Denn während die vertragstreue Bedienung der Darlehen vor diesem Zeitpunkt unter dem Gesichtspunkt
von Treu und Glauben als neutral erscheint, stellt es sich als widersprüchliches Verhalten dar, wenn die
Kläger trotz der nach ihrer eigenen Mitteilung bestehenden Annahme, sie könnten ihre auf den
Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen widerrufen und sich so von den Verträgen ohne Nachteile
lösen, zunächst weiter leisteten, um dann doch den Widerruf zu erklären und die Rückabwicklung der
Verträge zu verlangen.
26 Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es dabei nicht maßgeblich darauf an, ob die Beklagte das
klägerische Schreiben vom 21.10.2014 dahin verstanden hatte, dass die Kläger den Widerruf bereits erklärt
hätten: Denn die Widersprüchlichkeit des klägerischen Verhaltens liegt darin, dass sie trotz der ihrer
eigenen Auffassung nach bestehenden Lösungsmöglichkeit vom Vertrag diesen zunächst vorbehaltlos weiter
bedient haben, um dann im Widerspruch hierzu aus der Widerruflichkeit des Vertrages - sei sie bereits
ausgenutzt gewesen, sei sie nur bekannt gewesen - doch noch Rechtsfolgen abzuleiten. Aus dem gleichen
Grund bleibt es auch ohne Relevanz, dass die Kläger vor Erklärung ihres Widerrufs zur Zahlung der Raten
rechtlich verpflichtet waren; infolge der ihrer eigenen Einschätzung nach bestehenden Lösungsmöglichkeit
vom Vertrag ändert auch das nichts daran, dass ihr Verhalten als widersprüchlich erscheint.
27 Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht im Übrigen die in § 814 Alt. 1 BGB getroffene gesetzgeberische
Entscheidung. Denn auch wenn diese Vorschrift keine unmittelbare Anwendung findet, ist doch der dieser
Norm zugrunde liegende Gedanke einschlägig: Wer in Kenntnis der Möglichkeit, nicht zu leisten, gleichwohl
leistet, verhält sich widersprüchlich, wenn er sich später doch darauf beruft, zur Leistung nicht verpflichtet
gewesen zu sein. Das gilt vorliegend nicht nur bezüglich der einzelnen Raten, sondern bezüglich der
Geltendmachung von Rechtsfolgen der Widerruflichkeit im Ganzen.
28 Und erst recht zutreffend erscheint dieses Ergebnis, wenn man zuletzt hinzunimmt, dass zwar für
Gestaltungsrechte kein allgemeiner Grundsatz gilt, wonach Verwirkung bereits nach einem kurzen
Zeitablauf eintritt, dass es jedoch Treu und Glauben bei Gestaltungsrechten verlangen können, dass der
Berechtigte im Interesse der anderen Vertragspartei alsbald Klarheit darüber schafft, ob er beabsichtigt,
seine Rechte auszuüben, und damit nicht länger zögert als notwendig (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1969 - III ZR
198/65, WM 1969, 721, 723 v. 18. Oktober 2001 - I ZR 91/99 -, Rn. 21, juris). Dieser - wiederum in § 314
Abs. 3 BGB gesetzgeberisch anerkannte - Gesichtspunkt wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Kläger
u. U. zunächst eine Anschlussfinanzierung finden oder das Prozessrisiko abwägen mussten, wie sie
vortragen. Denn beides hätte sie nicht daran gehindert, der Beklagten durch Erklärung eines Vorbehalts
deutlich zu machen, dass sie trotz ihres scheinbaren Festhaltens an den Verträgen nach wie vor in
Erwägung zogen, aus deren Widerruflichkeit Rechtsfolgen für sich herzuleiten.
cc)
29 Gegen dieses Ergebnis greifen auch die weiteren, zuletzt mit Schriftsätzen vom 4.11.2016 und vom
21.11.2016 vorgetragenen Argumente der Kläger nicht durch.
30 So kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte das Verhalten der Kläger im Verfahren nicht unter diesen
Gesichtspunkt gerügt haben, oder ob die Beklagte das Verhalten der Kläger entsprechend verstanden hat.
Denn prozessual ist der im Verhalten der Kläger liegende Verstoß gegen § 242 BGB von Amts wegen zu
berücksichtigen. Und in der Sache hängt die Widersprüchlichkeit des klägerischen Verhaltens und die
Rechtsmissbräuchlichkeit der Ausübung des Widerrufsrechts - wie im Fall des § 814 BGB und anders als im
Fall der Verwirkung - nach den Gesamtumständen vorliegend nicht maßgeblich davon ab, ob die Beklagte
das Verhalten der Kläger entsprechend verstanden und besonderes Vertrauen in diese Richtung entwickelt
hat.
31 Auch läuft entgegen der Auffassung der Kläger im Fall der Behandlung des klägerischen Verhaltens als
rechtsmissbräuchlich nicht das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie leer. Dieses
begründet nicht ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bis drei Monate nach dem 21. März 2016, sondern
setzt ein solches Widerrufsrecht voraus; es schließt nicht aus, dass dessen Ausübung im Einzelfall
rechtsmissbräuchlich ist.
32 Zuletzt greift auch der Gedanke nicht durch, dass die Beklagte die Kläger hätte nachbelehren können. Denn
der Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit knüpft in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht nur und
nicht in erster Linie daran an, dass die Beklagte sich in der Unsicherheit befunden hätte, ob die Kläger
widerrufen würden. Schwerer wiegt die Widersprüchlichkeit des klägerischen Verhaltens, die jedoch
unabhängig davon vorliegt, ob die Beklagte hätte nachbelehren können; denn die Beklagte hatte infolge des
Verhaltens der Kläger gerade keinen Anlass für eine Nachbelehrung.
33 Ohne dass es daher darauf ankommen würde, ist die Möglichkeit der Nachbelehrung im Übrigen speziell im
vorliegenden Fall auf Grundlage des klägerischen Vortrags auch deshalb kein erhebliches Argument, weil die
Beklagte danach ja geglaubt hätte, die Kläger hätten den Widerruf bereits erklärt; dann kam eine
Nachbelehrung aber erst recht nicht mehr in Betracht.
4.
34 Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht entgegen der Auffassung
des Landgerichts nicht.
35 Dass sich die Beklagte vor Beauftragung ihres späteren Prozessbevollmächtigten in Verzug befunden hätte,
ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar, zumal er vor Erklärung des Widerrufs beauftragt worden ist.
36 Und die Erteilung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung genügt aus Kausalitätsgründen nicht: Denn auch
soweit man in der Erteilung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine echte Pflichtverletzung im Sinne
von § 280 BGB sehen will, läge in den Kosten der Beauftragung des Klägervertreters nur dann eine kausale
Folge der Pflichtverletzung, wenn die Kläger im Falle der ordnungsgemäßen Belehrung ihre Willenserklärung
vor Ablauf von 14 Tagen widerrufen hätten, weil sie nur in diesem Falle wegen der jetzt erfolgten Belastung
mit den Kosten des Klägervertreters finanziell schlechter stünden, als sie gestanden hätten, wenn die
Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung erfüllt hätte. Dem Vortrag der Kläger lässt sich jedoch
schon nicht entnehmen, dass sie bei ordnungsgemäßer Belehrung innerhalb von 14 Tagen nach Abgabe ihre
auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen hätten.
37 Auch insoweit ist daher auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
III.
1.
38 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, soweit die Kläger ihre Berufung zurückgenommen haben und
daher ihrer Berufung verlustig sind, auf § 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39 Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Es handelt sich um die Anwendung von in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschiedenen Grundsätzen auf den Einzelfall.
2.
40 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat im Interesse einer einheitlichen
Rechtsprechung anwendet, richtet sich der Wert einer Feststellungsklage wie der vorliegenden nach der
Hauptforderung, die der Verbraucher gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Das sind nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die geleisteten Zins- und Tilgungsbeträge. Ein Anspruch auf
Nutzungsentschädigung bleibt als Nebenforderung außer Betracht (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 -
XI ZR 366/15 -, juris v. 4. März 2016 - XI ZR 39/15 -, juris).
a)
41 Der Senat schätzt die auf die ersten beiden Darlehen bis zur Berufungseinlegung geleisteten Zahlungen der
Kläger, die danach den Streitwert der Berufung der Beklagten bestimmen, auf rund 70.600 Euro.
42 Die - erst im Termin zur mündlichen Verhandlung - zurückgenommene Berufung der Kläger, die im
Wesentlichen auf die Feststellung gerichtet war, dass sich auch das dritte von den Klägern aufgenommene
Darlehen in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt habe, ist nach der zitierten Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs mit rund 18.500 Euro zu bewerten, der auf Erteilung einer Schlussrechnung
gerichtete Antrag fällt wertmäßig nur unerheblich ins Gewicht.
43 Damit ergibt sich insgesamt für die Berufungsinstanz ein Streitwert in der Streitwertstufe bis 95.000 Euro.
b)
44 Die von den Klägern bis zur Klageerhebung auf die beiden in erster Instanz allein streitgegenständlichen
Darlehen geleisteten Zahlungen schätzt der Senat auf rund 65.100 Euro. Der in erster Instanz gestellte
Antrag auf Freigabe der zur Sicherheit bestellten Grundschulden ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, die der Senat wiederum im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung anwendet, mit
deren Nominalwert von 240.000 Euro zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 04. März 2016 - XI ZR 39/15 -
, Rn. 4, juris). Die in erster Instanz weiter begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur
Rückzahlung von Zins und Tilgung hat keinen eigenen Wert neben dem Feststellungsantrag zum
Rückabwicklungsschuldverhältnis (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 33/15 -, juris), der auf
Erteilung einer Schlussrechnung gerichtete Antrag fällt wiederum nicht erheblich ins Gewicht.
45 Der Streitwert in erster Instanz liegt damit insgesamt in der Stufe bis 320.000 Euro, die abweichende
Festsetzung durch das Landgericht ist gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.