Urteil des OLG Stuttgart vom 27.04.2015

lugü, lex fori, gerichtsstandsvereinbarung, agb

OLG Stuttgart Urteil vom 27.4.2015, 5 U 120/14
Internationale Zuständigkeit bei Inanspruchnahme einer schweizer Bank durch
einen deutschen Kapitalanleger auf Schadensersatz: Rechtliche Einordnung
eines Kapitalanlagegeschäfts als Verbrauchergeschäft; Einordnung eines
Unternehmers als Verbraucher; Wirksamkeit einer globalen
Gerichtsstandsvereinbarung
Leitsätze
1. Die Einordnung als Verbrauchergeschäft i. S. von Art. 15, 16 LugÜ - mit der Folge,
dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht wirksam sind - ist bei einem
Kapitalanlagegeschäft nicht von der Höhe des Anlagebetrags abhängig.
Auch bei einer Anlage von 50 Mio EUR kann ein Verbrauchergeschäft vorliegen,
wenn es der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist.
2. Auch ein erfahrener und risikofreudiger Unternehmer, der im Rahmen seiner
beruflichen und gewerblichen Tätigkeit ähnliche Geschäfte bereits als Unternehmer
getätigt hat, ist Verbraucher, wenn er ein derartiges Geschäft später in seinem rein
privaten Vermögensbereich abschließt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Es wurde Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt.
3.
Die Inanspruchnahme externer Beratung - durch einen Steuerberater oder
Rechtsanwalt - steht der Einordnung als Verbrauchergeschäft nicht entgegen.
4.
Zur Abgrenzung gewerblicher und privater Tätigkeit.
5.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung muss sich auf ein bestimmtes Rechtsgeschäft
beziehen.
Eine globale Gerichtsstandsvereinbarung "für alle Verfahren" im Rahmen der
Eröffnung eines Bankkontos bezieht sich nicht auf einen später abgeschlossenen
Kapitalanlageberatungsvertrag.
6.
In der Fax-Rücksendung eines vom Kunden übersandten und unterschriebenen
Kontoeröffnungsantrags durch eine Bank mit Paraphe kann nicht ohne Weiteres eine
Art. 23 LugÜ genügende Vertragserklärung der Bank gesehen werden, die der
Schriftform genügt.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.07.2014 verkündete Zwischenurteil
der 4. Zivilkammer des Landgerichts Ulm wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 2 für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte
darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf
1.000.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem
Anlageberatungsvertrag in Anspruch. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium geht
es um die Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt der internationalen
Zuständigkeit.
2
Die Parteien stehen bzw. standen mindestens seit dem Jahr 2005 in
Geschäftsbeziehung. Hinsichtlich der Umstände des Abschlusses diverser
Konto- bzw. Depotführungsverträge nimmt der Senat auf die - auch graphische -
Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA S. 4ff.) Bezug. Die
Vertragsunterlagen wurden dabei zwischen den Parteien per Telefax versandt.
3
Daneben stehen bzw. standen auch Gesellschaften der vom Kläger beherrschten
X-Gruppe („Drogerie X“), u.a. die X Ltd. & Co. KG, in Geschäftsbeziehung mit der
Beklagten.
4
Die AGB der Beklagten (deren Zugang der Kläger bestreitet; er hat aber
wiederholt Dokumente - Kontoeröffnungsformulare und eine Vollmachtsurkunde -
unterschrieben, die auch eine formularmäßige AGB-
Empfangsbestätigungsklausel enthalten) sehen u.a. eine Klausel zur Wahl von
anwendbarem Recht, Erfüllungsort und Gerichtsstand mit folgendem Wortlaut vor
(Unterstreichung und Fettdruck auch im Original, Kursivdruck nur hier; praktisch
wortlautgleich auch in späteren AGB-Fassungen):
5
AGB 2005 (Bl. 600 d.A.)
6
„18. Anwendbares Recht, Erfüllungsort und Gerichtsstand
7
Alle Rechtsbeziehungen des Kunden mit der Bank unterstehen
schweizerischem Recht.
8
Erfüllungsort, Betreibungsort für Kunden mit ausländischem Wohnsitz und
Gerichtsstand für alle Verfahren ist Basel oder der Ort jener Zweigniederlassung
der Bank, mit welcher die Geschäftsbeziehung geführt wird. Die Bank ist
indessen auch berechtigt (…)“
9
Einen - schriftlichen - Anlageberatungs- bzw. Vermögensverwaltungsvertrag gibt
es hingegen nicht.
10 Der Kläger zeichnete Ende März 2011 50.000 Anteile (zu 50 Millionen EUR) an
dem ... Fund (K4), wobei die Beklagte ihm für dieses Investment einen Kredit in
Höhe von 25 Millionen EUR gewährte. Die andere Hälfte entnahm der Kläger
einem Gesellschafterkonto bei der X KG. Vorausgegangen waren
Beratungsgespräche, für die Herr E. S. (Leiter Private Banking) und Herr Dr. K. H.
(Leiter Privatkunden Deutschland) den Kläger Ende 2010 bzw. Anfang 2011 an
seinem Wohnort in U. aufgesucht hatten.
11 Die Beklagte rechnete den Auftrag unter dem 01.04.2011 (K5) in Höhe von (inkl.
Steuern und Gebühren) 50.078.580,73 EUR ab. Der Zeichnungsschein wurde
nicht an den Fonds weitergeleitet, sondern mit Anteilen aus dem Eigenbestand
der Beklagten bedient (Bl. 335 u. K24, Bl. 409f.). Das Transaktionsentgelt wurde
von einem Privatkonto des Klägers abgebucht.
12 Der Kläger behauptet, zwischen den Parteien sei ein
Kapitalanlageberatungsvertrag zu Stande gekommen, denn die Informationen,
die die Mitarbeiter der Beklagten ihm hätten vermitteln sollen, seien für ihn - für die
Beklagte erkennbar - von wesentlicher Bedeutung für die anstehende
Investitionsentscheidung gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten seien mit der
Empfehlung auf ihn zugekommen, die Anlage zu zeichnen.
13 Inhaltlich geht es bei dieser Anlage um so genannte „Cum-/Ex-Geschäfte“, bei
denen es über Leerverkäufe von Aktien mit bzw. ohne Dividendenbezugsrecht zu
einer mehrfachen Erstattung einer nur einmal gezahlten Kapitalertragssteuer
kommen kann und deren steuerliche Behandlung noch nicht abschließend
geklärt ist.
14 Der Kläger bestreitet, dass ihm die (jeweiligen) AGB bei Vertragsschluss
vorgelegen hätten; die Bestätigungsklauseln habe er nicht zur Kenntnis
genommen.
15 Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei - unabhängig davon - nicht gemäß der
abkommensrechtlich vorgesehenen Form zu Stande gekommen. Zudem betreffe
sie inhaltlich nicht den streitgegenständlichen Anlageberatungsvertrag. Letztlich
sei eine solche Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 17 LugÜ unwirksam, weil
der Kläger die betreffenden Verträge - insbesondere auch den
Anlageberatungsvertrag - im Rahmen privater Vermögensverwaltung und damit
als Verbraucher geschlossen habe. Gemäß Art. 16 LugÜ sei deshalb die an
seinem Wohnort in U. erhobene Klage zulässig. Die ihm zugeschriebenen
„Berater“ seien tatsächlich die Initiatoren des Fonds bzw. Berater der Beklagten
gewesen (B./S.), bzw. erst nach dem Investment von ihm hinzugezogen worden
(B./L.).
16 Die Kapitalanlage habe er als private Vermögensverwaltung getätigt, weswegen
er als Verbraucher anzusehen sei; erst recht gelte dies für die vor der Zeichnung
in Anspruch genommene Anlageberatung. Eine wertmäßige Obergrenze für
Verbraucherverträge gebe es nicht.
17 Eine „Verflechtung“ habe es nur derart gegeben, dass die KG die Haftung für
private Verbindlichkeiten übernommen gehabt habe; dies habe - nach
Beanstandung seitens der Wirtschaftsprüfer der KG - beendet werden sollen. Das
von der Beklagten zur Finanzierung der streitgegenständlichen Anlage gewährte
Darlehen sei dabei allerdings nicht über die KG besichert worden, sondern nur
über die Anlage selbst.
18 Die Umstände der Abwicklung des Anlagegeschäfts seien schon deswegen
irrelevant, weil sie dem Abschluss des Beratungsvertrages und der Erfüllung der
Beratungsverpflichtung zeitlich nachfolgten; maßgeblich seien die Umstände bei
Vertragsschluss, also bei Abschluss des Kapitalanlageberatungsvertrages.
19 Erfüllungsort für die Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag sei U., dort sei die
Beratung tatsächlich erfolgt. Eine Erfüllungsortvereinbarung für den
Anlageberatungsvertrag gebe es nicht; die AGB-Erfüllungsortvereinbarung gehe
insoweit ins Leere.
20 Im Übrigen sei U. auch unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Haftung
maßgeblicher Anknüpfungspunkt.
21 Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts
U..
22 Sie bestreitet das Zustandekommen eines Kapitalanlageberatungsvertrages.
23 Sie bestreitet, dass es sich um ein Verbrauchergeschäft handele und behauptet
dabei, die Investments der X-Gruppe seien durch fach- und sachkundige
Mitarbeiter der X-Gruppe vorbereitet worden, es habe auch externe Berater
gegeben. Es seien zuvor jahrelang großvolumige Investments (Aktienoptionen,
Finanzderivate, Beteiligungen an Dividend Arbitrage Funds) mit Erträgen und
Steuerersparnissen in Millionenhöhe getätigt worden, u.a.:
24
- Optionsgeschäfte mit D.-Aktien
- Cross Currency Swaps mit einem Nennwert von über 1 Milliarde EUR
25 Es habe sich um eines von vielen Investments gehandelt, die die X-Gruppe bei
der Beklagten getätigt habe; der Kläger habe auf dem Zeichnungsschein
bescheinigt, dass er „institutioneller oder professioneller Anleger“ sei.
26 Der Anlagebetrag im streitgegenständlichen Geschäft sei in Höhe von 25
Millionen EUR über ein Darlehen der Beklagten und in Höhe der weiteren Hälfte
über die X KG finanziert worden, nachdem der Kläger kurz zuvor mit einem
vergleichbar strukturierten Produkt einen Millionengewinn erzielt habe.
27 Die Konten seien „im Verbund“ geführt worden (d.h. Finanzierung und
Besicherung sowohl aus dem Privat- als auch aus dem Gesellschaftsvermögen
ohne Trennung; Bl. 63 d.A. und B14). Zu der von dem Kläger später
gewünschten Entflechtung - die wegen der komplizierten Beleihungssituation
nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen wäre - sei es bis zur Beendigung der
Geschäftsbeziehung nicht gekommen.
28 Das Volumen der Investition spreche gegen die Verbrauchereigenschaft, ebenso
die finanziellen Verhältnisse des Klägers und seine - wiederholt bei
Anlagegeschäften zu Tage getretene - Risikobereitschaft, zumal Geschäfte wie
die streitgegenständliche Kapitalanlage nur für institutionelle bzw. professionelle
Anleger gedacht seien.
29 Der Kläger sei ein risikobewusster und risikofreudiger Anleger; er habe sich
offenbar bei Währungswetten übernommen und bei Spekulationen „verzockt“; die
X KG sei hoch verschuldet. Im Zusammenhang mit anderen Anlagen (B17f.,
Zeichnungssumme jeweils 50 Millionen EUR) habe der Kläger nicht um Beratung
durch die Beklagte nachgesucht, sondern sich extern beraten lassen; zum
Abschluss von Anlageberatungsverträgen mit der Beklagten sei es jeweils nicht
gekommen. Auch dem streitgegenständlichen Anlagegeschäft sei eine externe
Beratung des Klägers vorausgegangen; er selbst habe dann das Angebot
unterbreitet, den ... Fund zu zeichnen und zwar knapp vier Monate nach dem
„Beratungsgespräch“. Dementsprechend seien dem Kläger die Risiken des
Investments bekannt gewesen, was sich im Grunde genommen bereits aus einer
- niemals risikolos möglichen - Renditechance von wenigstens 12% ergeben
habe. Der Verkaufsprospekt des ... Fund habe dem Kläger bei Zeichnung
vorgelegen (wie von ihm selbst bei Zeichnung ausdrücklich bestätigt).
30 Die Gerichtsstandsvereinbarung sei im Sinne von Art. 23 LugÜ wirksam; sowohl
die materiell-rechtliche Willenseinigung als auch die formgerechte Abgabe der
Erklärungen habe die Beklagte nachgewiesen.
31 Das Landgericht hat durch Zwischenurteil gemäß § 280 Abs. 1 ZPO die
Zulässigkeit der Klage festgestellt. Es hat Art. 5 des Luganer Übereinkommens
(Erfüllungsort) für einschlägig und eine derogierende Gerichtsstandsvereinbarung
für nicht bewiesen gehalten, weil nicht dargelegt sei, dass dem Kläger die AGB
bei Vertragsschluss vorgelegen hätten und weil zudem die Beklagte keine
formgemäße (Art. 23 LugÜ) Erklärung abgegeben habe.
32 Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen
Klagabweisungsantrag weiter und wiederholt vertiefend ihren erstinstanzlichen
Vortrag.
33 Sie ist insbesondere der Auffassung, es sei von einer wirksamen Derogation der
deutschen Gerichtsbarkeit zu Gunsten der Schweizer Gerichte auszugehen.
Fehlerhaft habe das Landgericht das Zustandekommen einer
Gerichtsstandsvereinbarung in materieller und formeller Hinsicht verneint. Der
Kläger habe sich durch seine Unterschriften mit der in den AGB enthaltenen
Gerichtsstandsvereinbarung einverstanden erklärt und außerdem den Erhalt der
AGB bestätigt. Hieran sei er festzuhalten, zumal bei der gebotenen autonomen
Auslegung des Vereinbarungsbegriffs § 309 Nr. 12 BGB entgegen der
Argumentation des Landgerichts außer Betracht bleiben müsse. Auch formelle
Bedenken griffen nicht, denn die Beklagte habe ihre Vertragserklärungen
schriftlich abgegeben. Eine Unterschrift sei bei Telefax-Übermittlung schon nicht
erforderlich, liege aber vor.
34 Die (wirksame) Gerichtsstandsvereinbarung schließe auch den deliktischen
Gerichtsstand aus.
35 Im Übrigen stehe auch die AGB-Erfüllungsortvereinbarung der Annahme von U.
als Erfüllungsort und damit der unter diesem Gesichtspunkt bejahten
Zuständigkeit der deutschen Gerichte entgegen.
36 Schließlich sei der Kläger nicht als Verbraucher anzusehen.
37 Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 05.11.2014, Bl. 1229 d.A.),
38
unter Abänderung des Zwischenurteils des Landgerichts Ulm vom 31. Juli 2014
im Verfahren 4 O 66/13 die Klage abzuweisen.
39 Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 17.12.2014, Bl. 1292),
40
die Berufung zurückzuweisen.
41 Er verteidigt das Zwischenurteil, weist jedoch bezüglich der im Zwischenurteil
offen gebliebenen Frage des Verbrauchergerichtsstands darauf hin, dass die im
Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 16.01.2014 (Bl. 954ff. d.A.) zum
Ausdruck gekommene Rechtsauffassung - der Kläger trage die Darlegungs- und
Beweislast dafür, dass ein Bezug der streitgegenständlichen Anlage zur
beruflichen Tätigkeit fehle - mit den vom EuGH insoweit vertretenen Grundsätzen
nicht übereinstimme. Nach dem EuGH sei - wortlautgemäß („zu einem Zweck
geschlossen hat, der nicht…“) - grundsätzlich von Verbraucherhandeln
auszugehen. Die übliche Beweislastverteilung gelte nur für den Vortrag der
Partei, die sich auf Art. 15ff. LugÜ (bzw. EuGVO) berufen wolle; Vortrag der
gegnerischen Partei sei von dieser zu beweisen. Ein non liquet sei zu Gunsten
des Verbraucherhandelns aufzulösen.
42 Die Beklagte hat vor dem Bezirksgericht Z. Klage auf Feststellung erhoben, dass
dem Kläger der hier geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Jenes Verfahren
ist zurzeit nach Art. 27 LugÜ ausgesetzt.
43 Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils (§ 540 Abs. 1 ZPO) sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze samt ihrer Anlagen.
II.
44 Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 280 Abs. 2 ZPO), sie wurde form- und
fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO). Sie ist auch
im Übrigen zulässig.
45 Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Aufgrund der gem. § 529 Abs. 1 ZPO
für die Entscheidung zu verwertenden Feststellungen und Tatsachen kommt der
Senat zu dem Ergebnis, dass das Landgericht zu Recht die Zulässigkeit der
Klage festgestellt hat.
1.
46 Zutreffend und von keiner Partei beanstandet hat das Landgericht für die Prüfung
der internationalen Zuständigkeit die Vorschriften des Übereinkommens über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Luganer Übereinkommen, LugÜ) in
der Fassung vom 30.10.2007 herangezogen. Dieses ist inhaltlich, zeitlich (Art. 63
Nr. 1 LugÜ) und geografisch anwendbar.
47 Zur Auslegung des LugÜ kann wegen Regelungsparallelität weitgehend auf die
zur EuGVO (Art. 1 Abs. 1 des 2. Protokolls zu Art. 75 LugÜ) - in geringerem
Umfang auch zu den Vorgängerinstrumenten, insbesondere dem EuGVÜ -
ergangene Rechtsprechung und die diesbezügliche Fachliteratur zurückgegriffen
werden.
2.
48 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist - bereits - gem. Art. 16
Abs. 1 LugÜ zu bejahen, denn der Kläger ist für diesen Rechtsstreit als
Verbraucher anzusehen, so dass sich für seinen Aktivprozess eine Zuständigkeit
des für seinen Wohnort zuständigen Gerichts ergibt.
49 Wann ein die Anwendbarkeit des 4. Abschnitts des LugÜ eröffnendes
Verbrauchergeschäft vorliegt, ist in Art. 15 LugÜ geregelt:
50 Ein Verbrauchergeschäft liegt nach Art. 15 LugÜ dann vor, wenn es zu einem
Zweck geschlossen wird, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit
dieser Person zugerechnet werden kann.
51 Zudem muss es einem der in Art 15 Abs. 1 LugÜ enumerativ aufgezählten
Tatbestände unterfallen.
52 a) privater oder beruflicher bzw. gewerblicher Zweck
53 Maßgeblich für die Zuordnung des Geschäfts zur privaten Sphäre einerseits oder
zur beruflichen bzw. gewerblichen Sphäre andererseits sind Inhalt, Art und Zweck
des Geschäfts sowie die objektiven Umstände bei Vertragsschluss (EuGH, Urt. v.
20.01.2005, C-464/01; Kropholler/v. Hein, EuZVR, 9. Aufl., Rdnr. 10 zu Art. 15
EuGVO). Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich bei dem Beteiligten,
der sich auf die Anwendbarkeit des 4. Abschnitts des LugÜ beruft (BGH, Urt. v.
28.02.2012, XI ZR 9/11, Rdz. 32; Nagel/Gottwald, IZPR, 7. Aufl. § 3 Rdnr. 143). In
Grenzfällen ist - insoweit anders im deutschen materiellen Recht - nicht
maßgeblich, welcher Zweck überwiegt, sondern die prozessualen
Verbraucherschutzvorschriften des LugÜ kommen nur dann zur Anwendung,
wenn der Zuordnung zur beruflich-gewerblichen Sphäre nur ganz untergeordnete
Bedeutung zukommt (EuGH, Urt. v. 20.01.2005, C-464/01; Kropholler/v. Hein,
Rdnr. 10 zu Art. 15). Dabei sind mit Grenzfällen aber nicht Zweifelsfälle gemeint,
sondern die Konstellationen („doppeltem Zweck dienender Vertrag“, Geimer, in:
Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdnr. 3 zu Art. 15 EuGVO), in denen ein Vertrag beiden
Sphären zuzuordnen ist und sich dann - da eine gespaltene Rechtsanwendung
auf ein und denselben Vertrag nicht in Betracht kommt - die Frage stellt, wo die
Grenze gezogen wird. Diese zieht das Abkommensrecht anders als das nationale
Recht; im Fall bleibt dies bedeutungslos, weil ein solcher Mischfall nicht ersichtlich
ist.
54 Die erforderliche Prüfungsintensität bzw. das erforderliche Beweismaß (z.B.
Vollbeweis oder schlüssiger Vortrag) bezüglich der relevanten Tatsachen ist
dabei der lex fori zu entnehmen (EuGH, Urt. v. 07.03.1995, C-68/93 betr. Art. 5
EuGVÜ; Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 94 zu Art. 5 bzw. Rdnr. 69 zu Art 23
EuGVO). Konkret folgt hieraus, dass das Vorliegen eines Verbrauchergeschäfts
zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 ZPO) nachzuweisen ist. Es handelt
sich insoweit nicht um eine so genannte „doppelrelevante Tatsache“ (zu diesen
BGH, Urt. v. 25.11.1993, IX ZR 32/93 = NJW 1994, 1413; Vollkommer, in: Zöller,
ZPO, 30. Aufl., Rdnr. 14 zu § 12), weil die Klage auch begründet sein kann, wenn
der Kläger nicht Verbraucher ist. Hingegen ist der Abschluss des
streitgegenständlichen Geschäfts (also eines Kapitalanlageberatungsvertrags)
schlüssig vorzutragen, denn diese Tatsache ist sowohl für die Zulässigkeit (Art.
15 LugÜ) als auch für die Begründetheit der Klage relevant.
55 Mit diesem rechtlichen Maßstab ordnet der Senat das streitgegenständliche
Geschäft als Verbrauchergeschäft ein.
56 aa) Den Abschluss eines Kapitalanlageberatungsvertrages hat der Kläger
schlüssig vorgetragen, sowohl nach schweizerischem als auch nach deutschem
bürgerlichem Recht.
57
Die Darlegungen des Klägers werden den von der Beklagten selbst eingeführten
Kriterien für den Abschluss eines Anlageberatungsvertrages nach
schweizerischem Recht („aktive und individuelle Mitwirkung einer Fachperson bei
der Planung einer Investition“) gerecht, wohingegen die beklagtenseits zitierte
Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts v. 04.01.2007 nicht
einschlägig ist, denn die dort geschilderte Konstellation, bei der der Kunde „durch
unbedingte Erteilung entsprechender Aufträge oder Weisungen zu erkennen
gibt, dass er Aufklärung und Beratung seitens der Bank weder benötigt noch
wünscht“, lag - nach der wegen Doppelrelevanz maßgeblichen Darstellung des
Klägers - gerade nicht vor. Der beklagten Bank wird nicht angesonnen, den
Kunden anlässlich einer gleichsam ad hoc erteilten Investmentweisung
unverlangt zu warnen, sondern der Kläger trägt vor, er sei eigens aufgesucht
worden, um über die streitgegenständliche Kapitalanlage informiert zu werden
und dies sei sodann nicht oder mangelhaft geschehen.
58
Nach deutschem bürgerlichem Recht kommt ein Anlageberatungsvertrag
regelmäßig dann konkludent zu Stande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage
eines Geldbetrages eine Beratung tatsächlich stattfindet. Schon in der
Empfehlung einer Anlage kann das Angebot zum Abschluss eines
Anlageberatungsvertrages liegen (BGH, Urt. v. 18.04.2013, III ZR 83/12). Auch
dies hat der Kläger schlüssig vorgetragen.
59 bb) Das Geschäft ist als private Vermögensverwaltung und damit als
Verbrauchergeschäft anzusehen. Maßgeblich hierfür sind folgende Umstände:
(1)
60
- Sämtliche relevanten Vertragsunterlagen (sowohl für die Konto- und
Depoteröffnung als auch für die Zeichnung der Anlage) nennen den Kläger
selbst unter seiner Privatanschrift als Vertragspartei.
61
- Die Bank kommuniziert mit ihm als Empfänger (nicht nur als Ansprechpartner),
auch wenn die KG in den Unterlagen auch als (Kopie-) Postanschrift vermerkt
war.
62
- Abgewickelt wurde die Anlage über ein Konto, das für ihn als Privatperson
geführt wird.
63
- Das Finanzierungsdarlehen (in Höhe von 25 Millionen EUR) wurde dem Kläger
persönlich gewährt, nicht einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist.
(2)
64 Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger von Beruf Unternehmer ist und sich
somit auch von Berufs wegen mit Kapitalanlagen befasst.
65
Dass er in Anl. K1 „als Unternehmer referenziert“ sei - wie die Beklagte
formulieren lässt -, ist freilich bedeutungslos, denn im Rahmen der
Selbstauskunft bei der Kontoeröffnung hat der Kläger damit schlicht die Frage
nach seinem Beruf - zutreffend - beantwortet, ohne dass dies Aufschluss über
den objektiven Zweck des konkreten Geschäfts zu geben geeignet wäre.
66
Im Übrigen bedeutet die berufliche Befassung mit Kapitalanlagen eben nicht,
dass auch jedweder Geschäftsabschluss im Rahmen der privaten
Vermögensverwaltung der beruflichen Sphäre zuzuordnen sein muss. Vielmehr
kann derselbe Beteiligte einmal als Unternehmer, einmal als Verbraucher
anzusehen sein (so der EuGH in der Benincasa-Entscheidung vom 03.07.1997,
C-269/95, dort Rdz. 16, betreffend Art. 13 EuGVÜ). Dem entnimmt der Senat,
dass eine erstrebte oder erfolgte unternehmerische Kapitalanlage zu einem
früheren Zeitpunkt es nicht ausschließt, dieselbe Person bei einer späteren
anderen Kapitalanlage als Verbraucher anzusehen.
67 Deswegen kommt es auch nicht darauf an, ob bei früheren Anlagengeschäften
der Kläger um Beratung nachgefragt, bzw. diese erhalten hatte.
(3)
68 Eine „Verflechtung“ beider Sphären sieht der Senat nicht.
69 Es gab wie dargelegt durchaus objektive und formale Kriterien, die die Zuordnung
zur einen oder zur anderen Sphäre überprüfbar und für die Beklagte erkennbar
machten. Im Übrigen ist die Darstellung des Klägers, dass es bei der
„Verflechtung“ nur um die von den Wirtschaftsprüfern monierte Haftung der KG für
private Schulden, die bei der streitgegenständlichen Anlage ohnehin nicht in
Rede steht, gegangen sei, durch die Bezugnahme auf ausschließlich eigene
Unterlagen der Beklagten nicht widerlegt.
70 Der Ausnahmefall, dass für den Vertragspartner die Zuordnung zur privaten
Sphäre nicht erkennbar wird, weil der Verbraucher sie - fahrlässig oder vorsätzlich
- verschleiert, etwa durch Verwendung des geschäftlichen Briefkopfes für eine
private Bestellung (siehe hierzu bspw. Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdnr. 6
zu Art. 15 m. w. Nachw. aus der EuGH-Rspr.), liegt aus den genannten Gründen
nicht vor.
(4)
71 Weder die Vermögensverhältnisse des Kunden noch der Umfang der konkreten
Kapitalanlage noch die Komplexität der Anlage, die gezeichnet bzw. hinsichtlich
der die Beratung erfolgt oder erfolgen soll, sprechen für sich gesehen oder
zusammen gegen eine Einordnung als Verbrauchergeschäft.
72 Diese Aspekte sind nicht geeignet, Aufschluss über den objektiven Zweck des
konkreten Geschäfts zu geben. Im Übrigen würde es auch dem Zweck des Art.
15 LugÜ widersprechen, solche Geschäfte grundsätzlich aus seinem
Anwendungsbereich herauszunehmen, weil auch vermögende Anleger
schutzbedürftig sein können, erst recht, wenn eine komplexe Kapitalanlage in
Rede steht.
73 Entscheidend ist aber, dass eine solche Handhabung dem Anliegen des
Normsetzers zuwider liefe, klare und vorhersehbare Kriterien für die Abgrenzung
zu schaffen, damit die Vorschriften des Abkommens gleichmäßig angewandt
werden können. Die gebotene Abstraktion spricht dagegen, bestimmten
Personen gleichsam aus Statusgründen die Anwendung der
Verbraucherschutzvorschriften zu versagen.
74 Soweit sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf das OLG Hamm
(Urt. v. 14.01.2004, 25 U 23/03 [zu Art. 13 EuGVÜ]) beruft, das dies anders zu
beurteilen scheint, so erlaubt das von dem OLG Hamm in Bezug genommene
EuGH-Zitat (Urt. v. 27.04.1999, C-99/96 = IPRax 2000, 411, 413)
75
„Zu beachten ist, daß der Gerichtshof nicht danach gefragt wird, ob eine Person
in der Situation des Schuldners des Ausgangsverfahrens die weiteren in Artikel
13 des Übereinkommens aufgezählten Voraussetzungen dafür erfüllt, als
Verbraucher im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden zu können.“
76 nicht einmal die Schlussfolgerung, dass der EuGH die Frage offengelassen habe.
Er hat sich vielmehr mit dieser Frage überhaupt nicht befasst, sondern sich auf
die Beantwortung der Vorlagefrage beschränkt.
77 Dass der Kläger die Absicht hatte, mit der streitgegenständlichen Anlage (auch
beträchtlichen) Gewinn zu erzielen, ist solchen Geschäften immanent und
ebenfalls nicht zuständigkeitsschädlich.
(5)
78 Aus den gleichen Gründen kommt es nicht in Betracht, ein Verbrauchergeschäft
deswegen abzulehnen, weil der Kläger ein erfahrener und risikofreudiger Anleger
sei. Wie dargelegt, gebieten es Gründe der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit
und gleichmäßigen Anwendbarkeit der Vorschriften des Abkommens, abstrakt
auf die objektive Stellung des Beteiligten im konkreten Geschäft abzustellen und
nicht auf seine subjektive Befähigung, die im Einzelfall schwer feststellbar sein
kann und für die ein Maßstab fehlt (Krop-holler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 8 zu Art. 15
EuGVO m. Rspr.-Nachw. des Schweiz. Bundesgerichts in Fn. 27).
79 Gehört die Person zu dem abstrakt als schutzbedürftig definierten Personenkreis,
so kommt der Verbrauchergerichtsstand zur Anwendung, auch wenn sich konkret
begründen ließe, dass wegen Sachkunde das typische Schutzbedürfnis nicht
bestand (so das Schweizerische Bundesgericht an der im vorigen Absatz zitierten
Stelle). Auch die Angabe im Zeichnungsschein, der Kläger sei ein professioneller
Anleger, bleibt daher irrelevant, zumal es sich dabei ohnehin nicht um eine an die
Beklagte gerichtete Erklärung handelte.
(6)
80 Die Inanspruchnahme (externer) Beratung spricht nicht gegen die
Verbrauchereigenschaft. Auch ein Verbraucher kann bei dem Rechtsanwalt
seines Vertrauens oder seinem Steuerberater Rat einholen, ohne dass das
Geschäft deswegen der beruflichen bzw. gewerblichen Sphäre zuzuordnen sein
müsste. Gerade bei Kapitalanlagen beträchtlichen Umfangs, hoher Komplexität
und nicht vollständig fehlenden Risikos ist die Hinzuziehung etwa des
Steuerberaters, ggf. auch eines Rechtsanwalts, naheliegend und ohne Relevanz
für die Frage der Einordnung als Verbrauchergeschäft.
81 Überdies - hierauf lässt der Kläger zutreffend hinweisen - kann ohnehin nicht
darauf abgestellt werden, wen der Kläger hinzugezogen hat, nachdem die Anlage
bereits erfolgt, bzw. es sogar schon zum Streit gekommen war. Maßgeblich ist
vielmehr der Zeitraum vor Zeichnung der Anlage, bzw. vor Zustandekommen des
Kapitalanlageberatungsvertrages, und für diesen wird eine externe Beratung, die
auf das streitgegenständliche Geschäft bezogen wäre, auch von der Beklagten
nicht konkret behauptet.
82 Gleiches gilt für die beklagtenseits behauptete Hinzuziehung des
unternehmensinternen Beraterstabs. Ein solches Vorgehen - bezogen auf das
streitgegenständliche Geschäft und zeitlich schon vor Abschluss des
Kapitalanlageberatungsvertrages - ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu
entnehmen. Die Hinzuziehung von Mitarbeitern des Unternehmens für nur
administrative Tätigkeiten wie Erteilung einer Empfangsvollmacht für Post u.ä.
ändert nichts am Privatcharakter.
(7)
83 Dass es sich bei der streitgegenständlichen Anlage um eines von vielen
Investments der X-Gruppe gehandelt habe, erscheint dem Senat zirkelschlüssig,
denn wenn es sich tatsächlich um ein Investment der Gruppe - also einer der X-
Gesellschaften, denn ein Unternehmen des Klägers als Einzelunternehmer gibt
es unstreitig nicht - handeln würde, würde sich die Frage nach dem
Verbrauchergeschäft von vornherein nicht stellen. Nach obigen Ausführungen ist
aber von einem Privatgeschäft des Klägers auszugehen.
84 Das Geschäft wurde auch nicht dadurch zu einem solchen der KG, dass der
Kläger den von ihm selbst bar zu erbringenden (also nicht darlehensfinanzierten)
Teil der Anlage zuvor einem Gesellschafterkonto bei der KG entnommen hatte,
denn unstreitig wurde der Anlagebetrag von dem für ihn privat geführten Konto
bei der Beklagten abgebucht. Wie gesagt, ist für die Abgrenzung der privaten von
der beruflich-gewerblichen Sphäre der objektive Zweck des Geschäfts
maßgeblich, nicht hingegen die Herkunft des eingesetzten Kapitals.
85 Das Vermögen der Gruppe wird durch die streitgegenständliche Anlage in keiner
Weise tangiert.
86 b) Numerus clausus der Verbrauchergeschäfte
87 Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 lit. c) LugÜ (Tätigkeit im Wohnsitzstaat)
liegen vor. Die Mitarbeiter der Beklagten haben zum einen den Kläger in U.
aufgesucht und beraten. Überdies war die Beklagte ohnehin strukturell in
Deutschland gewerblich tätig, denn sie verfügte über eine eigene für
Privatkunden in Deutschland zuständige Abteilung (deren Leiter, Herr Dr. H., an
der Beratung des Klägers beteiligt war).
88 c) Gerichtsstandsvereinbarung
89 Ist ein Verbrauchergerichtsstand begründet, so darf von diesem nur unter den
Voraussetzungen des Art. 17 LugÜ abgewichen werden, die vorliegend nicht
erfüllt sind. Die Vereinbarung wurde - selbst nach dem Vorbringen der Beklagten -
nicht nach Entstehung der Streitigkeit getroffen (Art. 17 Nr. 1 LugÜ), sie soll die
Wahlmöglichkeit des Verbrauchers nicht erweitern (Art. 17 Nr. 2 LugÜ), sondern
ausschließen, und schließlich sieht sie auch nicht die Zuständigkeit der Gerichte
des Staates des gemeinsamen Sitzes oder Aufenthaltsorts (Art. 17 Nr. 3 LugÜ)
vor.
90 Bezogen auf den Verbrauchergerichtsstand greift die
Gerichtsstandsvereinbarung also nicht, ohne dass es darauf ankäme, ob sie
materiell-rechtlich und formell wirksam zu Stande gekommen ist.
3.
91 Nach Vorstehendem nur ergänzend ist auszuführen, dass der Senat dem
Landgericht darin folgt, dass (auch) Art. 5 LugÜ (Erfüllungsort) die Annahme der
internationalen Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Ulm trägt.
92 a) Kapitalanlageberatungsvertrag
93 Der Abschluss eines Kapitalanlageberatungsvertrages ist auch für die Prüfung
des Art. 5 LugÜ eine doppelrelevante Tatsache, so dass insoweit auf obige
Ausführungen Bezug genommen werden kann. Der Kläger hat hierzu schlüssig
vorgetragen.
94 Die Auffassung des Landgerichts (UA S. 22), der Anlageberatungsvertrag
unterfalle Art. 5 Nr. 1 lit. b) LugÜ, vermag der Senat nicht zu teilen, weil das hierfür
vorgesehene Merkmal der Entgeltlichkeit (EuGH, Urt. v. 23.04.2009, C-533/07,
betr. Art. 5 EuGVÜ; Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 43 zu Art. 5 EuGVO) dem
streitgegenständlichen Anlageberatungsvertrag fehlt. Gleichwohl unterfällt der
Vertrag Art. 5 Nr. 1 lit. a) LugÜ.
95 b) Erfüllungsort
96 Abkommensrechtlicher Erfüllungsort ist U., weil die Verpflichtung dort „erfüllt
worden ist“. Der konkret streitgegenständliche Schadensersatzanspruch (der ein
Anspruch auf Geldzahlung ist) wird dabei als Sekundäranspruch nicht
selbstständig angeknüpft (Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdnr. 7 zu Art. 5
EuGVO m. Rspr.-Nachw.), sondern teilt den Erfüllungsort der Hauptpflicht.
97 Auf die in den beklagtenseits vorgelegten Unterlagen über die Führung von
Konten und Depots enthaltene Erfüllungsortvereinbarung kommt es nicht an. Der
Kläger kann die Beklagte insoweit am tatsächlichen Erfüllungsort der Hauptpflicht
in Anspruch nehmen, weil er die dort erbrachte Leistung als vertragsgemäß
angenommen hat (Kropholler/v. Hein, EuZVR, 9. Aufl., Rdnr. 34 zu Art. 5 EuGVO
m. weit. Nachw.).
98 Die Erfüllungsortvereinbarung aus dem Kontokorrentvertrag erstreckt sich zudem
inhaltlich nicht auf Verpflichtungen aus dem - später konkludent
abgeschlossenen - Anlageberatungsvertrag.
99 Schließlich hätte sie - als nur prozessual gedachte Erfüllungsortvereinbarung
ohne tatsächlichen Bezug zur Vertragswirklichkeit (des
Anlageberatungsvertrages) - nur unter den Voraussetzungen Wirksamkeit, die
nach Art. 23 LugÜ auch für die Gerichtsstandsvereinbarung gelten, denn
„abstrakte“ Erfüllungsortvereinbarungen sind - um eine Umgehung zu vermeiden -
an Art. 23 LugÜ zu messen (Kropholler/v. Hein, a.a.O., Rdnr. 36 zu Art. 5 EuGVO
m. weit. Nachw.). Dass sie konkret nur prozessual wirken sollte, ergibt sich neben
der davon abweichenden tatsächlichen Handhabung daraus, dass sie in den
AGB in derselben Klausel wie Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung
verortet ist, diese gleichsam flankieren sollte.
100 c) Gerichtsstandsvereinbarung
101 Der Senat tritt dem Landgericht schließlich auch insofern bei, als dieses davon
ausgegangen ist, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung dem angenommenen
Gerichtsstand konkret nicht entgegen stehe.
102 aa) Zustandekommen
103 (1) materiell-rechtliche Einigung
104 Art. 23 LugÜ regelt ausdrücklich nur die Form, der eine
Gerichtsstandsvereinbarung abkommensrechtlich genügen muss. Streitig ist
hingegen die hiervon zu trennende Frage, ob für das materiell-rechtliche
Wirksamwerden einer Gerichtsstandsvereinbarung autonome Auslegungsregeln
gelten oder ob insoweit ganz oder teilweise das Vertragsstatut (lex causae) oder
das Recht des vereinbarten Gerichtsstands (lex fori prorogati) gilt (siehe zum
Meinungsstand etwa die Nachweise bei Gottwald, in: MüKo-ZPO, 4. Aufl., Rdnr.
22 zu Art. 23 EuGVO).
105 Das Landgericht war der Auffassung, der Begriff sei autonom auszulegen (UA S.
15). Es hat darauf abgestellt, dass die tatsächliche Willenseinigung feststellbar
sein müsse. Bei Abschluss durch Einbeziehung von AGB müssten diese dem
Annehmenden tatsächlich vorgelegen haben. Für seine Würdigung, dies sei nicht
bewiesen, hat es sich auf den Rechtsgedanken des § 309 Nr. 12 BGB gestützt
und die Auffassung vertreten, angesichts des Zwecks von Art. 23 LugÜ, die
tatsächliche Willenseinigung sicher feststellbar zu machen, sei nicht davon
auszugehen, dass zum Nachweis des Vorliegens der AGB eine nicht gesondert
unterschriebene Empfangsbestätigung genügen könne.
106 Der Senat teilt im Ausgangspunkt die Auffassung des Landgerichts, der Begriff
der Gerichtsstandsvereinbarung sei autonom auszulegen (so auch u.a.
Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnrn. 18, 23ff. zu Art. 23 EuGVO, Geimer/Schütze,
EuZVR, Rdnr. 75 zu Art. 23 EuGVO), denn die autonome Auslegung der im
Abkommen verwendeten Begriffe ist der in der Präambel sowie in Art. 1 des 2.
Protokolls nach Art. 75 LugÜ vereinbarte Grundsatz, so dass Rückgriffe auf die
lex causae oder die lex fori in der Regel zu vermeiden sind (BGH, Versäumnisurt.
v. 24.06.2014, VI ZR 347/12, Rdz. 16). Soweit dagegen vorgebracht wird, das
LugÜ enthalte keine Regelungen zum Vertragsschluss, trifft das zwar zu, ist aber
andererseits kein rechtliches, sondern eher ein praktisches Argument, das aus
anderen Zusammenhängen auch bekannt und lösbar ist. Zudem sind Art. 23
LugÜ durchaus Anhaltspunkte für eine sachgerechte Maßstabsbildung zu
entnehmen.
107 Mit Kropholler/v. Hein (EuZVR, Rdnr. 25 zu Art. 23 mit Fn. 74) und dem
Landgericht meint der Senat, dass es (auch materiell-rechtlich) darauf ankommen
muss, ob die Willenseinigung unzweifelhaft festgestellt werden kann. Bei
Verwendung von AGB reicht eine Hinweisklausel in dem Vertrag, wenn die AGB
beigefügt waren.
108 Der Nachweis, dass die AGB dem Kläger vorlagen, ist zur Überzeugung des
Senats geführt, denn der Kläger hat ausdrücklich (mit seinen Unterschriften unter
die diversen Kontoeröffnungsanträge) erklärt, die AGB der Beklagten erhalten zu
haben. Hiergegen mit dem (nicht in allen an das Abkommen gebundenen
Rechtsordnungen verankerten) Rechtsgedanken des § 309 Nr. 12 BGB zu
argumentieren, geht nach Auffassung des Senats über eine autonome
Auslegung hinaus. Ob eine solche „AGB-Quittung“ separat unterschrieben wird
oder die entsprechende Bestätigung sich im Hauptdokument in unmittelbarer
räumlicher Nähe zur Unterschrift befindet, dafür lassen sich Art. 23 LugÜ keine
Vorgaben entnehmen, sondern man würde so gewissermaßen den deutschen
Standard zum Maßstab für die Auslegung des Abkommens machen.
109 Eine abkommensrechtlich ausreichende materiell-rechtliche Willenseinigung ist
anzunehmen, weil ausdrückliche Erklärungen dieses Inhalts von beiden Parteien
abgegeben worden sind.
110 Dass der Kläger entgegen seiner Bestätigung tatsächlich die AGB nicht erhalten
hat, müsste er beweisen.
111 (2) formelle Wirksamkeit
112 Gem. Art. 23 LugÜ ist eine Gerichtsstandsvereinbarung formbedürftig: Sie muss
schriftlich oder halbschriftlich (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a LugÜ), gemäß
Parteigepflogenheiten (lit. b) oder gemäß internationalem Handelsbrauch (lit. c)
geschlossen werden.
113 Vertiefter Erörterung bedarf nur die Frage, ob die Gerichtsstandsvereinbarung
schriftlich gem. lit. a zu Stande gekommen ist. Der Auffassung der Beklagten,
auch Parteigepflogenheiten kämen als Form in Betracht, liegt kein ausreichender
Vortrag zu Grunde: Es gibt keine Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien, die
unbeanstandet in einer anderen Form als schriftlich zu Stande gekommen wäre;
die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.03.2014 (Bl. 998f.)
betreffen nicht eine „Formgepflogenheit“, sondern die „Gepflogenheit“, dass die
Beklagte grundsätzlich nur unter Einbeziehung ihrer AGB abschließe. Welche
konkrete Form die Parteien insoweit gepflegt haben sollen, bleibt damit offen.
114 Auch eine halbschriftliche Vereinbarung ist nicht dargetan, denn es fehlt jeder
Anhaltspunkt für eine einer schriftlichen Bestätigung vorangegangene mündliche
Vereinbarung.
115 a) Da auch das Schriftformerfordernis der autonomen Auslegung unterliegt, ist
zunächst festzuhalten, dass weder eine einheitliche Vertragsurkunde erforderlich
ist, noch die Unterzeichnung mit einer Namensunterschrift (Paraphe kann
ausreichen). Vielmehr müssen lediglich beide Vertragserklärungen schriftlich
abgegeben worden sein (Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 33 zu Art. 23).
116 Bei Einbeziehung von AGB muss der von beiden Seiten unterschriebene
Vertragstext auf die AGB ausdrücklich Bezug nehmen und müssen - s.o. - die
AGB der Gegenpartei des Verwenders bei Vertragsschluss vorliegen (auch
hierzu Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 35 zu Art. 23 m.w.N.).
117 Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, eine
Unterschrift sei entbehrlich, weil Art. 23 Abs. 2 LugÜ die elektronische Form der
Schriftform gleichstellt, so würde diese Sichtweise den Regelungsgehalt von Art.
23 Abs. 2 LugÜ umkehren, indem die Schriftform der elektronischen Form (bei der
mangels vorgeschriebener Signatur eine der Unterschrift vergleichbare
Bekräftigung fehlen kann) gleichgestellt wird. Dass das Hin- und Hersenden von
nicht unterschriebenen Vertragsdokumenten der Form nicht genügt, eine in einer
E-Mail verkörperte Annahmeerklärung (auch ohne Unterschrift) hingegen u.U.
schon, ist kein Wertungswiderspruch, sondern zweckgemäß im Sinne der Klarheit
und Feststellbarkeit der abgegebenen Erklärungen.
118 Im Übrigen ist der Telefaxversand Art. 23 Abs. 1 LugÜ zu unterstellen (so auch
Kropholler/v. Hein, EuZVR, Rdnr. 33 zu Art. 23 EuGVO [an der von der Beklagten
für ihr gegenläufiges Zitat genannten Stelle, ebda. Rdnr. 41, ist vom
Telefaxversand nicht die Rede]). Dass ein nicht unterschriebenes Telefax der
Form des Art. 23 (Abs. 1 oder Abs. 2) LugÜ genügen soll, findet sich im Übrigen
an keiner der beklagtenseits zitierten Literaturstellen.
119 Somit stellt sich in der Tat die vom Landgericht aufgeworfene Frage, ob die
Beklagte eine Erklärung in einer Art. 23 Abs. 1 Satz 3 LugÜ genügenden Form
abgegeben hat.
120 - Der vom LG so genannte „Eröffnungsantrag Dezember 2005“ (B11, Bl. 132
d.A.) bleibt außer Betracht, weil er nicht die Rechtsbeziehungen der Parteien
betrifft, sondern die der Ltd. & Co. KG zur Beklagten.
121 - Dem „Eröffnungsantrag November 2005“ (B10, Bl. 131 Rs.) fehlt die auf ihn
bezogene formgemäße Vertragserklärung der Beklagten. Die auf der Rückseite
in dem abgesetzten Feld rechts unten angebrachte Unterschrift oder Paraphe
(die den Unterschreibenden zudem nicht erkennen lässt) kann nicht zweifelsfrei
als Vertragserklärung der Beklagten angesehen werden. Es handelt sich um
einen - im Geschäftsbetrieb der Banken üblichen - Eingangs-, bzw. Sichtvermerk,
dem keine nach außen gerichtete Erklärungsbedeutung beigemessen werden
kann.
122 Dass die Unterlagen dann - so - an den Kläger zurückgereicht wurden,
dokumentiert das (materielle) Einverständnis der Beklagten mit dem
Zustandekommen des Vertrages samt Gerichtsstandsvereinbarung, führt aber
nicht dazu, dass der Formvorschrift des Art. 23 Abs. 1 lit. a LugÜ genügt wäre.
Ein ggf. eine andere Würdigung zulassendes Begleitschreiben o.ä. ist weder
vorgelegt noch auch nur behauptet worden.
123 Zutreffend hat das Landgericht weiter angenommen, dass die schriftliche
Erklärung nur der Partei, die von der konkreten Gerichtsstandsvereinbarung
benachteiligt würde, hier des Klägers, nicht ausreicht. Art. 23 LugÜ will klare
Verhältnisse schaffen, deswegen ist einhellige Meinung, dass beide
Vertragserklärungen der Schriftform genügen müssen (statt aller Kropholler/v.
Hein, EuZVR, Rdnr. 33 zu Art. 23).
124 - Gleiches gilt für den „Eröffnungsantrag November 2007“ (Bl. 40.6): Der hier
verwendete Stempel („... LIMITED“) kann schon nicht der Beklagten zugeordnet
werden. Eine Erklärungsbedeutung derart, dass der Unterschreibende damit den
Konto- und Depotführungsvertrag zu Stande bringen wollte, ist dem nicht zu
entnehmen. Für den Eingangsvermerk samt Paraphe gelten obige
Ausführungen.
125 - Auch für die Vollmacht (Bl. 40.9) kommt der Senat zu keinem anderen Befund,
wobei es hier noch ferner liegt, dem Visumvermerk Erklärungsbedeutung
gegenüber dem Kläger beizumessen, weil die Bevollmächtigung ein einseitiges
Rechtsgeschäft (hier des Klägers) ist.
126 bb) Einschlägigkeit / Bestimmtheitsgrundsatz
127 Unabhängig davon verbieten schon der Wortlaut der von der Beklagten
verwendeten Klausel und die Umstände des Zustandekommens der
Vereinbarung eine Auslegung, die den streitgegenständlichen
Schadensersatzanspruch in die Derogation einschlösse, zumal seinerzeit der
später konkludent erfolgte Abschluss eines Kapitalanlageberatungsvertrages
nicht einmal absehbar war.
128 Im Übrigen muss nach dem so genannten „abkommensrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatz“ die Gerichtsstandsvereinbarung zwar nicht alle
Ansprüche aufzählen, für die sie gelten soll. Durch die Bindung an ein
„bestimmtes Rechtsverhältnis“ (siehe hierzu EuGH, Urt. v. 10.03.1992, C-214/89,
Rdz. 31ff., betr. Art. 17 EuGVÜ) sollen aber „Globalvereinbarungen“ (insofern
wäre „Konkretisierungsgebot“ möglicherweise der treffendere Begriff) verhindert
werden, die ein Vertragspartner einem anderen sonst kraft überlegener
Verhandlungsmacht aufzwingen könnte. In der genannten EuGH-Entscheidung
wurde eine Vereinbarung betreffend Streitigkeiten zwischen einer Gesellschaft
und ihren Aktionären „als solchen“ für in diesem Sinne bestimmt gehalten. Die
Frage, ob die seinerzeit konkret zur Debatte stehende Klausel dem gerecht
wurde und ob der geltend gemachte Anspruch dem unterfiel, hat der EuGH der
Beantwortung durch das vorlegende Gericht überlassen.
129 Bei der Anlageberatung kraft Anlageberatungsvertrages handelt es sich um ein
grundlegend anderes Rechtsverhältnis als die Konto- und Depotführung kraft
entsprechenden Auftrags. Zu einem Anlageberatungsvertrag kann es und konnte
es auch ohne Kontokorrent- und Depotführungsvertrag kommen.
130 Zudem ist die Formulierung „Gerichtsstand für alle (bzw. „sämtliche“) Verfahren…“
so weit, dass von einer zweckwidrigen und damit unzulässigen
Globalvereinbarung (auch für Streitigkeiten aus noch gar nicht existierenden
Rechtsbeziehungen) ausgegangen werden muss.
131 Aus beiden Gründen geht der Senat davon aus, dass Streitigkeiten wegen
Schadensersatzansprüchen aus Pflichtverletzung im Rahmen eines
Kapitalanlageberatungsvertrages von der in den vorgelegten AGB enthaltenen
Gerichtsstandsvereinbarung nicht erfasst sind.
132 Im Ergebnis teilt der Senat die Einschätzung des Landgerichts, dass eine
formwirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht dargetan ist. Im Übrigen wäre
sie auf den streitgegenständlichen Anspruch nicht anwendbar.
4.
133 Ob darüber hinaus die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch
unter weiteren Gesichtspunkten gegeben ist (naheliegenderweise käme eine
deliktische Tatortzuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 3 LugÜ in Betracht), kann nach
Obigem dahinstehen.
III.
1.
134 Die Kostenentscheidung war angesichts des erfolglosen Rechtsmittels nicht dem
Schlussurteil vorzubehalten, sondern nach § 97 Abs. 1 ZPO zu treffen (Greger, in:
Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdnr. 8 zu § 280 m. w. Nachw.). Hinsichtlich der Kosten war
das Urteil auch für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO), im
Übrigen unterbleibt ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, weil auch das
Berufungsurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.
2.
135 Die Entscheidung beschränkt sich darauf, die anerkannten
Auslegungsgrundsätze zu den Vorschriften des LugÜ auf den konkreten Fall
anzuwenden bzw. die in Rede stehende Derogationsklausel auszulegen. Die
Rechtssache hat - soweit im gegenwärtigen Prozessstadium über sie zu befinden
ist - keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 ZPO).
3.
136 Der Streitwert des Berufungsverfahrens entspricht dem der Klage, auch wenn es
sich um ein Berufungsverfahren in einem Zwischenstreit handelt, denn die
Berufungsklägerin erstrebt mit der Berufung gegen das Zwischenurteil die
Abweisung der Klage (siehe hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.03.1999, 5 U
189/98 = OLGR 1999, 153).