Urteil des OLG Stuttgart vom 26.01.2017

verzicht, abgabe, vergleich, kapitalwert

OLG Stuttgart Urteil vom 26.1.2017, 11 U 4/16
Leitsätze
Die Beratungspflicht des Anwaltsmediators erstreckt sich bei gewünschter einvernehmlicher Regelung der
Scheidungsfolgen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Zur Haftung des Anwaltsmediators neben
einem Terminsanwalt, der im Termin den Versorgungsausgleich durch Vereinbarung ausschließt.
Der Senat hat zur Frage der Pflichten und der Haftung des Anwaltsmediators die Revision zugelassen.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 25.07.2016, Az. 2 O 342/15,
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.047,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 26 % und die Beklagte 74 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrags,
wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 43.316,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gegen die
Beklagte wegen einer von ihr begangenen anwaltlichen Pflichtverletzung geltend.
2
Die Eheleute … wollten sich kostengünstig und einvernehmlich scheiden lassen, weshalb sie im März 2010
die durch die Beklagte betriebene Schlichtungsstelle in … aufsuchten und sich dort gemeinsam beraten
ließen. Die Schlichtungsstelle … firmiert auf ihrem Briefkopf wie folgt:
3
„Schlichtungsstelle
Rechtsanwälte und Konfliktbegleiter
Anerkannte Gütestelle am Landgericht Tübingen
Inhaberin: … .
Rechtsanwältin“
4
Nach dem ersten Termin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.03.2010 bei den Eheleuten … deren
Rentenversicherungsnummern und eine Vollmacht zur Einholung der Auskünfte bei den
Versorgungsträgern an. Dieser Aufforderung kamen die Eheleute … umgehend nach. Im Rahmen der
folgenden Schlichtungsgespräche wurde angedacht, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung über die
Vermögensauseinandersetzung und den Zugewinn geschlossen werden solle. Diese sollte außerhalb des
Scheidungsverfahren erfolgen. Der positive Nebeneffekt sei, dass das Scheidungsverfahren abgekürzt und
deshalb eine schnelle und unkomplizierte Scheidung vorgenommen werden könne. Man benötige dann
auch nur einen Rechtsanwalt im Termin und könne sich die Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt sparen.
Die vermögensrechtlichen Ausgleichsansprüche der Eheleute … im Zugewinn beliefen sich nach der
Auseinandersetzung des gemeinsamen Hauses in der Größenordnung von 9.000,00 EUR. Ein weiteres
Gespräch der Beklagten mit den Eheleuten fand im Jahr 2011 statt. Die Beklagte hatte bis dahin keine
Auskünfte bei der Rentenversicherung eingeholt, was sie den Eheleuten … nicht mitteilte. Eine
Scheidungsfolgenvereinbarung war ebenfalls nicht abgeschlossen worden. Zur Abwicklung der
Ehescheidung zog die Beklagte die Rechtsanwältin … hinzu, welche als Verfahrensbevollmächtigte für den
Ehemann der Zeugin … im Scheidungsverfahren auftreten sollte.
5
Am 15.04.2011 sollte unter Teilnahme der Beklagten ein erstes Treffen der Eheleute … mit der Zeugin …
in der Schlichtungsstelle stattfinden, um den Scheidungsantrag durchzusprechen. Da die Zeugin …
kurzfristig verhindert war, fand der Termin ohne sie statt. Die Beklagte nahm die für den Scheidungsantrag
notwendigen Erhebungen bei den damaligen Eheleuten … selbst vor. Am 18.04.2011 holte sich die Zeugin
… das Protokoll vom 15.04.2011 ab. Mit einer E-Mail vom 28.04.2011 erfragte sie die Adressen der
Eheleute, den Trennungszeitpunkt und was „EU-Verzicht“ bedeuten sollte. Die Beklagte beantwortete die
Fragen über E-Mail am selben Tag und gab an, dass ein Verzicht auf Ehegattenunterhalt protokolliert
werden sollte. Ebenfalls mit Datum vom 28.04.2011 gab die Zeugin … der Zeugin … die Kosten des
Scheidungsverfahrens in Höhe von 1.819,00 EUR bekannt und forderte einen Kostenvorschuss von 500,00
EUR an. Am 12.05.2011 rechnete sie die restlichen Kosten ab. Die vereinnahmten Gebühren führte die
Zeugin … mit Ausnahme eines Betrages von 300,00 EUR, welchen sie absprachegemäß für sich behielt, an
die Beklagte ab.
6
Am 04.05.2011 reichte die Zeugin … den Scheidungsantrag unter anderem mit folgendem Inhalt beim
Amtsgericht Reutlingen ein.
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„IV. Unterhalt
…Wir stellen Antrag auf Protokollierung des Verzichts auf nachehelichen Unterhalt.
V. Folgesachen
Der Versorgungsausgleich soll nicht durchgeführt werden. Antragsteller und Antragsgegnerin verzichten
auf den Versorgungsausgleich, da ein Ausgleich bereits im Rahmen des Zugewinns stattgefunden hat….“
8
Der Scheidungsantrag wurde am 12.05.2011 zugestellt. Das Amtsgericht Reutlingen bestimmte den
Scheidungstermin auf den 30.05.2011 mit dem Hinweis, dass für den Ausschluss des
Versorgungsausgleichs eine notarielle Vereinbarung vorzulegen sei oder die Antragsgegnerin im Termin
anwaltlich vertreten sein müsse (Bl. 12 d. Akte Az. 11 F 528/11). Der Scheidungstermin wurde später
verlegt auf den 04.07.2011.
9
Am 21.06.2011 schickte die Beklagte der Zeugin … eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
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„Hallo …, es sollte beantragt werden, den Verzicht auf Ehegattenunterhalt zu protokollieren (bitte NICHT
den VA-Verzicht, es sei denn, es ist zwischen Dir und … anders besprochen worden). Da wir aber den
Vertrag jetzt in Kürze machen, braucht das nicht mehr sein, es wird in den Vertrag aufgenommen
werden.“
11
Durch E-Mails vom 27.06.2011 und 30.06.2011 forderte die Zeugin … die Beklagte auf, die entsprechende
Scheidungsfolgenvereinbarung vorzulegen.
12
Am 01.07.2011 schickte die Beklagte an die Kanzlei …, welche vom Kläger und seiner Frau betrieben wird,
eine E-Mail mit folgendem Inhalt:
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„Betreff: RE: …, … … tatsächlich aber
1. Gibt es den Vertrag … einfach noch nicht. Auch wenn … jetzt schon drei Mal danach gefragt hat, gibt es
ihn lediglich als Entwurf und Tischvorlage zum nächsten Gespräch (Vorauss. nächste Woche Donnerstag),
und dann ist bislang noch nicht gesichert, dass der auch so unterschrieben wird (da gibt es noch ein zu
besprechendes Problem mit Steuernachzahlungen);… Ich bin heilfroh, dass einer von Euch beiden bei den
Terminen dabei sein wird…“
14
In dem am 04.07.2011 vor dem Amtsgericht Reutlingen - Familiengericht - stattfindenden
Scheidungstermin trat die Zeugin … als Verfahrensbevollmächtigte des damaligen Ehemanns der Zeugin …
auf. Kurz vor der Verhandlung kam es auf dem Flur vor dem Sitzungssaal zu einem ersten persönlichen
Kontakt der Zeugin … mit dem Kläger, bei dem keine inhaltlichen Fragen erörtert wurden. Im
Scheidungstermin waren zunächst die Zeugin … und die damaligen Eheleute … anwesend. Nach Stellung
des Scheidungsantrages erklärte die Zeugin … ihre Zustimmung zum Scheidungsantrag. Erst als der
Versorgungsausgleich erörtert wurde, erschien der Kläger im Sitzungssaal. Die Zeugin … erteilte dem
Kläger das Mandat unter Ausschluss jeglicher Haftung für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
15
Darauf erklärten der Kläger für die Zeugin … und die Zeugin … für den damaligen Ehemann der Zeugin …
zu Protokoll des Familiengerichts wie folgt: „Die Beteiligten verzichten auf Durchführung des
Versorgungsausgleichs. Die Anwartschaften zum Versorgungsausgleich werden im Zugewinnausgleich
berücksichtigt.“
16
Im Anschluss verkündete das Amtsgericht den Scheidungsbeschluss, in dem unter Ziffer 2 festgestellt
wurde, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Im Anschluss erweiterte die Zeugin … das Mandat
für den Kläger auch für die Erklärung eines Unterhaltsverzichts sowie des Verzichts auf Rechtsmittel. In
Folge erklärten der Kläger für die Zeugin … und die Zeugin … für den damaligen Ehemann der Zeugin …
jeweils einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und einen Rechtsmittelverzicht. Der Kläger berechnete
der Zeugin … dafür 100,00 EUR brutto.
17
Am 06.07.2011 wurde die Beklagte durch die geschiedenen Eheleute … darüber informiert, dass eine
rechtskräftige Ehescheidung erfolgt sei, und der Versorgungsausgleich rechtskräftig ausgeschlossen worden
sei. Die Beklagte forderte daraufhin neue Vollmachten zur Einholung des Versorgungsausgleichs bei den
vormaligen Eheleute … an. Im Anschluss bat sie die Zeugin …, ihr den Scheidungsantrag zukommen zu
lassen. Die Zeugin … übersandte per E-Mail am 06.07.2011 den Scheidungsantrag an die Beklagte mit
folgendem Hinweis: „Anbei der von Dir formulierte Scheidungsantrag“.
18
Die im Anschluss an die Verhandlung eingeholten Auskünfte zum Versorgungsausgleich mit einer
angegebenen Ehezeit vom … bis … ergaben, dass lediglich die jeweiligen Anrechte bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund auszugleichen gewesen wären. Danach hätte der hälftige Ehezeitanteil des
geschiedenen Ehemannes der Zeugin … 19,8596 Entgeltpunkte, entsprechend einem korrespondierenden
Kapitalwert von 119.620,96 EUR und der hälftige Ehezeitanteil der Zeugin … 4,2099 Entgeltpunkte,
entsprechend einem korrespondierenden Kapitalwert von 25.357,63 EUR betragen. Dies ergibt nach
wechselseitiger Verrechnung einen Saldo zu Gunsten der Zeugin … von 15,6497 Entgeltpunkten, was
einem korrespondierenden Kapitalwert von 94.263,33 EUR entspricht. Bei einem weiteren
Besprechungstermin mit den geschiedenen Eheleuten am 14.11.2011 schlug die Beklagte vor, der
geschiedene Ehemann möge ein Darlehen aufnehmen und eine entsprechende Ausgleichszahlung an die
Zeugin … entrichten, was der geschiedene Ehemann der Zeugin … ablehnte.
19
Die Zeugin … nahm in der Folge den Kläger vor dem Landgericht Tübingen, Az. 2 O 54/13, auf
Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch. Der Kläger verkündete am 10.05.2013,
zugestellt am 15.05.2013, der Beklagten den Streit. Die Beklagte trat dem Rechtsstreit auf Seiten der
damaligen Klägerin, der Zeugin …, als Streithelferin Ziffer 1 am 10.07.2013 bei. Die jetzige Beklagte
verkündete mit Schriftsatz vom 04.07.2013 der Zeugin … den Streit. Die Zeugin … trat dem damaligen
Beklagten und jetzigen Kläger als Streithelferin Ziffer 2 bei. Durch Vergleich vor dem Oberlandesgericht
Stuttgart vom 09.12.2014 (Bl. 342/343 d. beigez. A., Az. d. Landgerichts 2 O 54/13; Az. d.
Oberlandesgerichts 11 U 1/14) verpflichtete sich der Kläger, zur Abgeltung des Schadensersatzanspruchs
64.094,00 EUR an die Zeugin … zu bezahlen. Die Zeugin … trat unter Ziffer 4 des Vergleichs ihre
eventuellen Ersatzansprüche gegen die jetzige Beklagte und damalige Streithelferin Ziffer 1 an den
jetzigen Kläger und damaligen Beklagten ab.
20
Dem Kläger entstanden im damaligen Prozess nach seinen Angaben eigene Rechtsanwaltskosten von
10.317,30 EUR (laut Kostennote vom 21.01.2015, 10.516,98 EUR, Anlage K 1, Bl. 11 d. A.) und an die
Zeugin … zu erstattende Kosten von 6.529,46 EUR (laut Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts
Tübingen vom 02.02.2015, 6.529,14 EUR, Anlage K 2, Bl. 12 d. A.). Die an die Beklagte zu erstattenden
Kosten wurden zunächst durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Tübingen vom 02.02.2015
auf 7.297,34 EUR festgesetzt (Bl. 380-381 d. beigez. A.). Auf die Beschwerde des Klägers hin wurde durch
Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22.03.2016 (Az. 8 W 183/15) die der Beklagten zu
erstattenden Kosten auf 5.824,37 EUR herabgesetzt (vgl. Bl. 421- 425 d. beigez. A.).
21
Der Kläger ließ sich zur gerichtlichen Geltendmachung im vorliegenden Verfahren die auf seine
Haftpflichtversicherung, die …, übergegangen Ansprüche abtreten. Die Klage wurde der Beklagten am
07.01.2016 zugestellt.
22
Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte im Rahmen der Scheidungsgespräche mitgeteilt habe, dass es die
Möglichkeit gebe, den Versorgungsausgleich außerhalb des Scheidungsverfahrens im Zuge einer
Scheidungsfolgenvereinbarung zu regeln. Sie habe dabei betont, dass positiver Nebeneffekt einer
einvernehmlichen außergerichtlichen Regelung sei, dass dadurch das Scheidungsverfahren abgekürzt
werde und die Kosten für einen zweiten Anwalt gespart werden könnten. Die Pflichtverletzung der
Beklagten bestehe bereits darin, dass sie die Eheleute … nicht darüber aufgeklärt habe, wie mit dem
Versorgungsausgleich umzugehen sei. Bei einer ordnungsgemäßen Unterrichtung der Zeugin … durch die
Beklagte hätte die Zeugin … den Kläger nicht beauftragt, für sie einen Verzicht auf den
Versorgungsausgleich zu erklären.
23
Da der Kläger ebenfalls aus anwaltlicher Pflichtverletzung auf den gleichen Schaden hafte und sich durch
Vergleich vom 09.12.2014 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verpflichtet habe, diesen in Höhe von
64.094,00 EUR zu tragen, habe die Beklagte ihm die Hälfte des Vergleichsbetrags und die Hälfte seiner in
diesem Prozess entstandenen Kosten zu erstatten.
24
Da sich die vom Kläger zu tragenden Kosten der Beklagten nach Rechtshängigkeit aufgrund des
Kostenfestsetzungsbeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22.03.2016 um 1.472,97 EUR
verringert haben, hat der Kläger seinen ursprünglichen Antrag auf Zahlung von 44.096,55 EUR am
21.06.2016 in Höhe von 736,50 EUR für erledigt erklärt.
25
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
26
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 43.360,05 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz sei dem 15.01.2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird in Höhe eines Betrages von 736,50
EUR der Rechtsstreit für erledigt erklärt.
27
Hilfsweise,
28
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem Zeitpunkt der Rentenberechtigung
von Frau … fortlaufend die Hälfte der Beiträge zu bezahlen, die an Frau … monatlich hätten bezahlt
werden müssen, um diese so zu stellen, als sei auf ihr Versicherungskonto bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund, Vers.Nr. …, mit Wirkung zum 01.06.2012 ein Betrag von 94.263,33 EUR
einbezahlt worden,
29
- die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.335,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird in Höhe eines
Betrages von 736,50 EUR der Rechtsstreit für erledigt erklärt.
30
Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen und
im Übrigen beantragt,
31
die Klage abzuweisen.
32
Sie ist der Ansicht, dass das Scheidungsverfahren und die damit verbundenen Folgesachen nicht der
Gegenstand des Mediationsvertrages gewesen seien. Der Scheidungsantrag mit dem Verzicht auf die
Durchführung des Versorgungsausgleichs sei nicht von ihr, sondern von der Zeugin … verfasst worden.
Diese habe auch, ohne sie zu informieren, den Kläger gebeten, die Zeugin … im Scheidungsverfahren zu
vertreten und nicht nur einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, sondern einen
umfassenden Rechtsmittelverzicht zu erklären. Dies sei jedoch nie beabsichtigt gewesen. Sie habe darauf
vertrauen dürfen, dass die Zeugin … keine Vereinbarungen im Scheidungstermin schließe.
33
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe keine ihr gegenüber der
Zeugin … obliegende Pflicht aus dem Mediationsvertrag verletzt. Selbst wenn eine Pflichtverletzung
vorläge, sei das Schadensereignis der Beklagten nicht zurechenbar. Wegen der Begründung wird im
Einzelnen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
34
Gegen das ihm am 01.08.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.08.2016 Berufung eingelegt,
welche er mit am 27.10.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt
der Kläger seinen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich wegen mangelhafter Beratung der Zeugin …
aus eigenem und abgetretenem Recht weiter.
35
Soweit das Landgericht eine Haftung der Beklagten aus normativen Gründen ablehne, führt der Kläger
aus, dass dies voraussetzen würde, dass die Pflichtverletzung des Klägers so schwerwiegend gewesen sein
müsste, dass unter wertender Betrachtung der falschen Belehrung der Zeugin … durch die Beklagte keine
Bedeutung mehr zukommen würde. Die Zurechnung eines Fehlers eines Anwalts würde durch ein
Fehlverhalten eines anderen Anwalts regelmäßig nicht ausgeschlossen. Im Übrigen habe die Beklagte auch
in finanzieller Hinsicht eine derart beherrschende Rolle gehabt, dass sie auch für das gerichtliche Verfahren
mitverantwortlich gewesen sei.
36
Der Kläger beantragt,
37
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Tübingen vom 21.06.2016, Az. 2 O 342/15, die Beklagte
zu verurteilen, an ihn 43.316,05 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 15.01.2015 zu bezahlen.
38
Hilfsweise,
39
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem Zeitpunkt der Rentenberechtigung
von Frau fortlaufend die Hälfte der Beiträge zu bezahlen, die an Frau … monatlich hätten bezahlt werden
müssen, um diese so zu stellen, als sei auf ihr Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund, Vers.Nr. …, mit Wirkung zum 01.06.2012 ein Betrag von 94.263,33 EUR einbezahlt worden,
40
- die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.335,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2015 zu bezahlen.
41
Die Beklagte hat beantragt,
42
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
43
Die Zeugin … habe eigenmächtig und ohne Rücksprache mit ihr gehandelt. Sie habe die Zeugin … am
21.06.2011 eindeutig darauf hingewiesen, keinesfalls einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu
protokollieren. Damit habe sie ihren Überwachungspflichten aus dem Mediationsvertrag genügt. Aufgrund
des streng zu trennenden Mandats der Zeugin … von dem Mediationsvertrag der Beklagten fehle es
zumindest an einer normativen Zurechenbarkeit einer eventuellen Verletzung der Überwachungspflicht.
44
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2016 Bezug genommen.
45
Die Akten des Landgerichts Tübingen, Az. 2 O 54/13, und des Amtsgerichts - Familiengericht - Reutlingen,
Az. 11 F 528/11, wurden beigezogen.
II.
46
Die Berufung des Klägers ist zulässig und in Höhe von 32.047,00 EUR teilweise begründet.
47
1. Dem Kläger steht ein Anspruch in Höhe von 32.047,00 EUR gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 426
Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 86 Abs. 1 VVG, § 398 BGB aus Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagte
zu.
48
Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch der Zeugin
… ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 421 BGB.
49
Der Ausgleichsanspruch des § 426 Abs. 1 BGB entsteht als selbständiger Anspruch bereits mit der
Begründung der Gesamtschuld. Nach der Befriedigung des Gläubigers wird aus dem Befreiungsanspruch
ein Anspruch auf Ausgleich des Geleisteten. Der daneben bestehende Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB führt
dazu, dass bei Befriedigung des Gläubigers die Gläubigerforderung für den Zweck des Rückgriffs erhalten
bleibt. Der Anspruch des Klägers ergibt sich vorliegend aus beiden Anspruchsgrundlagen, welche kumulativ
geltend gemacht werden können. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte haben ihre anwaltlichen
Pflichten gegenüber der Zeugin … verletzt und dadurch bei der Zeugin … einen Schaden verursacht, für
den sie jeweils in voller Höhe haften, welchen jedoch ausschließlich der Kläger befriedigt hat.
50
Darüber, dass der Kläger aus Anwaltshaftpflichtverletzung gemäß § 280 BGB auf Ersatz des durch den
Verzicht auf den Versorgungsausgleich entstandenen Schadens gegenüber der Zeugin … haftet, besteht
kein Streit. Soweit die Ansprüche gemäß § 81 VVG durch Zahlung des im Vorprozess vereinbarten
Betrages von 64.049,00 EUR auf den Haftpflichtversicherer des Klägers übergegangen sind, wurden diese
an den Kläger abgetreten.
51
Da die Beklagte und damalige Streithelferin Ziffer 1 dem Vergleich im Vorprozess nur betreffend der
Kostenregelung beigetreten ist, entfaltet der Vergleich bereits aus diesem Grund ihr gegenüber keine
Interventionswirkung, so dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches der Zeugin … gegen
die Beklagte unabhängig vom Vorprozess neu zu prüfen sind.
52
(1) Der Zeugin … steht gegen die Beklagte wegen des unterbliebenen Ausgleichs der
Rentenanwartschaften gem. § 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
53
a) Auf den von der Zeugin … mit der Beklagten abgeschlossenen Mediationsvertrag finden die Grundsätze
der Anwaltshaftung Anwendung. Die Beratung über die Folgesache Versorgungsausgleich war von dem
Mediationsvertrag umfasst.
54
Unstreitig schlossen die damaligen Eheleute … mit der Beklagten als Mediatorin einen Schlichtungs- oder
Mediationsvertrag mit dem Ziel einer einvernehmlichen und kostengünstigen Ehescheidung, bei welchem
eine Regelung über die Vermögensauseinandersetzung getroffen und ein Unterhaltsverzicht erklärt
werden sollte. Dabei hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwältin die rechtliche Beratung der
Eheleute … übernommen, für die psychologische Seite der Beratung war ein anderer Kollege der Kanzlei
zuständig. Bei dem abgeschlossenen „Mediationsvertrag“ handelt es sich damit um einen mehrseitigen
Anwaltsdienstvertrag speziellen Inhalts, bei welchem für die übernommenen Vertragspflichten die
Grundsätze der Anwaltshaftung zur Anwendung kommen. Tritt ein Rechtsanwalt als vermittelnder Dritter
(zum Beispiel als Moderator, Schlichter oder Mediator) auf, handelt es sich um eine anwaltliche Tätigkeit (§
18 BORA). Die Haftung des Anwaltsmediators orientiert sich daher nach allgemeiner Ansicht an den
Grundsätzen der Anwaltshaftung und nicht an denen der Amtshaftung des Richters oder des Notars
(Greger in Greger/Unberath Mediationsgesetz Teil III RN 111; Unberath in Greger/Unberath § 2
Mediationsgesetz RN 85 ff.; Römermann in Hartung/Römermann vor § 51 BRAO RN 11, Rinkler in Zubehör,
RN 181; Leibner NJW 2002, 3521).
55
Die Beratung der Eheleute … betreffend die Folgesache "Versorgungsausgleich" war Teil des
Mediationsvertrages. Dies ergibt sich bereits aus der Aufforderung der Beklagten vom 17.03.2010 an die
Eheleute …, ihr die Rentenversicherungsnummern mitzuteilen und eine Vollmacht zur Einholung der
Auskünfte erteilen, da sie vorher keine weiteren Ergebnisse oder Zahlen liefern könne. Auch die Angaben
der Zeugin … in der Beweisaufnahme erster Instanz bestätigen dies. Danach sei unter anderem beim
Erstgespräch mit der Beklagten Thema gewesen, ein Ungleichgewicht bei der Rente zu Gunsten der
Zeugin …, der Anspruch auf Versorgungsausgleich und die Spezialvollmacht zur Anfrage der Rentenpunkte.
Die Beklagte hat dieser Darstellung nicht widersprochen. Ihr Vortrag, dass nie beabsichtigt gewesen sei,
den Versorgungsausgleich auszuschließen, steht dem nicht entgegen.
56
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Versorgungsausgleich nach der Kernbereichslehre hinter dem
Kindesbetreuungsunterhalt gemeinsam mit dem Alters- und Krankenunterhalt den zweiten Rang bei den
Scheidungsfolgen einnimmt (BGHZ 158, 81; BGH FamRZ 2014, 629) und gemäß § 137 Abs. 2 Satz 2
FamFG grundsätzlich ein Zwangsverbund mit der Scheidung besteht, ist bei einer Beratung, welche die
Beteiligten einer einvernehmlichen Ehescheidung zuführen soll, die Folgesache Versorgungsausgleich
zwingend zu erörtern.
57
b) Die Beklagte ist damit als anwaltliche Mediatorin zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung im
Zusammenhang mit den Zielvorstellungen der Beteiligten verpflichtet. Sie muss gewährleisten, dass das
von den Konfliktparteien angestrebte Ziel auf sicherstem Wege erreicht werden kann. Zwar schuldet sie
keinen Erfolg des Schlichtungsversuchs, aber jedenfalls die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens,
insbesondere die Erteilung richtiger Hinweise (Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 4.
Aufl., § 2 RN 9; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., RN
1776; Unberath in Greger/Unberath § 2 MediationsG, RN 194). Sie trifft auch eine allgemeine Pflicht zur
Beratung der Konfliktparteien (Leibner NJW 2002, 3521).
58
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Mandanten in seiner
Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Er muss den ihm
vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den von seinem Auftraggeber erstrebten
Erfolg herbeizuführen. Dem Mandanten hat der Anwalt diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem
erstrebten Ziel führen können. Er muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche
vorhersehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg
vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte
Entscheidung treffen kann. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt
darlegen und mit seinem Mandanten erörtern (vgl. u.a. BGH NJW 2007, 2485; 1994, 1211, 1212; 1995,
449, 450; NJW-RR 2005, 494; 2000, 791; Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 9 RN 5).
59
Die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der vorgenannten Pflichten durch den Anwalt trifft
grundsätzlich den Mandanten; im Streitfall liegt sie nach Übergang des Anspruchs beim Kläger.
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Hätte die Beklagte die vorgenannten Anforderungen beachtet, dann hätte sie die Auskünfte zum
Versorgungsausgleich wie besprochen einholen müssen, um die Zeugin … über die Höhe ihres
Ausgleichsanspruchs zu informieren.
61
Da sie dies unterlassen hat, hätte sie spätestens im Termin am 15.04.2011 gegenüber der Zeugin …
klarstellen müssen, dass die Auskünfte zum Versorgungsausgleich nunmehr durch das Gericht einzuholen
sind und dass ausschließlich das Gericht die Übertragung der Anwartschaften anordnen kann. Die Zeugin
… betreffend hatte sie insoweit eine besondere Fürsorgepflicht. Sie wusste, dass sich der
Versorgungsausgleich im Saldo zu Gunsten der Zeugin … auswirken würde und dass sie nicht anwaltlich
vertreten sein würde. Ihr war auch bekannt, dass die Zeugin … im Scheidungsverfahren nur auf die von
ihr erteilten Informationen zurückgreifen können wird, da keine weitere Besprechung geplant war. Die
Beklagte hatte als Rechtsanwältin auch grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit ihres Auftraggebers
auszugehen (vgl. BGH NJW 2001, 517, 518 für den Fall eines juristisch vorgebildeten Mandanten).
62
Der Kläger hat den Nachweis geführt, dass die Beklagte diese Beratung der Zeugin … unterlassen hat.
63
Zum Inhalt des Besprechungstermins am 25.04.2011 über den Scheidungsantrag hat die Zeugin …
vorgetragen, dass lediglich die persönlichen Daten und das Einkommen der damaligen Eheleute erhoben
worden seien. Dass die Beklagte keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt habe und der
Versorgungsausgleich durch das Gericht durchzuführen sei, habe ihr die Beklagte nicht mitgeteilt. Sie sei
davon ausgegangen, dass der Versorgungsausgleich auch nach dem Scheidungstermin noch in der zu
treffenden Vereinbarung geregelt werden könne. Die Beklagte hat darauf lediglich erklärt, dass sie nicht
mehr wisse, weshalb sie keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich eingeholt habe. Im Übrigen beruft sie
sich darauf, dass der Versorgungsausgleich nicht von ihrer beratenden Tätigkeit umfasst gewesen sei. Bei
ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 22.12.2016 hat sie zunächst angegeben, dass sie nicht
mehr wisse, ob über den Versorgungsausgleich gesprochen worden sei. Da sie aber eine Kostenaufstellung
für die Ehescheidung an diesem Tag gemacht habe, in der drei Versorgungsanrechte aufgeführt seien,
würde dies dafür sprechen, dass sie mit den Eheleuten … erörtert habe, dass der Versorgungsausgleich
durchgeführt werden solle.
64
Dieser Vortrag der Beklagten genügt einem substantiierten Bestreiten nicht. Angesichts der
Schwierigkeiten beim Nachweis negativer Tatsachen nimmt die Rechtsprechung eine Modifizierung der
Darlegungslast vor. Demnach obliegt es dem Anwalt, die entsprechende Behauptung des Mandanten
substantiiert zu bestreiten, andernfalls gilt dessen Vorbringen als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Erst
nach dem substantiierten Bestreiten hat der Mandant die volle Beweislast für die Unrichtigkeit der
Gegendarstellung des Anwalts. (Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 25 RN 16; BGH NJW 1987, 1322, 1323).
Das Vorbringen der Beklagten genügt den hohen Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nicht, da
sie lediglich aufgrund eines Abrechnungsentwurfs vermutet, dass sie beraten habe. Damit gilt als
zugestanden, dass keine Aufklärung der Zeugin … über die Durchführung des Versorgungsausgleichs im
Scheidungsverfahren erfolgt ist.
65
Die Beklagte hat ihre Überwachungs- und Sorgfaltspflichten aus dem Mediationsvertrag auch betreffend
das Ehescheidungsverfahren verletzt.
66
Der Einwand der Beklagten, dass sie mit dem Scheidungsverfahren als Mediatorin nichts zu tun habe, da
dies ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes der
Zeugin …, der Zeugin …, falle, ist nicht erheblich. Die Beklagte war als Mediatorin beiden Ehegatten
gleichermaßen verpflichtet und daher aufgrund des Interessengegensatzes daran gehindert, den
Scheidungsantrag zu stellen (§§ 2 Abs. 3 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 2 MediationsG). Daher sollte die Zeugin …
als Verfahrensbevollmächtigte des Ehemannes der Zeugin … auftreten. Vorliegend hat jedoch die Beklagte
als Mediatorin anstelle der verhinderten Zeugin … die für den Scheidungsantrag erforderlichen Erhebungen
bei den damaligen Eheleuten … vorgenommen. Anhand des von ihr in diesem Termin aufgenommenen
Protokolls wurde der Scheidungsantrag erstellt, welchen sie sich erst nach Abschluss des
Scheidungsverfahrens vorlegen ließ. Auch unter der Annahme, dass die Zeugin … den Scheidungsantrag
mit dem beabsichtigten Verzicht auf den Versorgungsausgleich formuliert hat, hat die Beklagte dadurch
ihre Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber der Zeugin … verletzt. Eng mit der
rechtsanwaltlichen Beratungspflicht verbunden ist der Grundsatz des sichersten Weges
(Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 13 RN 1). Danach muss der Rechtsanwalt sein Verhalten so einrichten,
dass er Schädigungen seines Auftraggebers vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht
kommen, diejenige zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist (BGH NJW 1988, 486, 487). Die
Beklagte trafen als Mediatorin Fürsorgepflichten für beide Eheleute. Daher hätte sie sich als gewissenhafte
Rechtsanwältin im Interesse ihrer beiden Mandanten den ausformulierten Scheidungsantrag vor
Einreichung bei Gericht vorlegen lassen müssen, um Übertragungsfehler oder Missverständnisse
auszuschließen, da sie die dafür erheblichen Daten aufgenommen hatte. Im Übrigen spricht vorliegend viel
dafür, dass die Beklagte die wesentlichen Teile des Scheidungsantrags selbst formuliert hat. So wird in dem
am 04.05.2011 beim Amtsgericht eingereichten Scheidungsantrag der beabsichtigte Ausschluss des
Versorgungsausgleichs unter Bezugnahme auf eine bereits im Zugewinnausgleich getroffene Regelung
aufgeführt. Zwar hat die Zeugin … mit E-Mail vom 28.04.2011, nachdem sie das Protokoll der Besprechung
des Scheidungsantrages bei der Beklagten abgeholt hatte, noch einige Daten der Eheleute … bei der
Beklagten angefragt, einen geplanten Verzicht auf den Versorgungsausgleich oder einen Vertrag über den
Zugewinn hat sie in dieser E-Mail nicht erwähnt. Es erscheint nicht wahrscheinlich, dass die Zeugin …
einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich im Hinblick auf eine im Zugewinn getroffene Regelung frei
erfunden hat.
67
Die Beklagte hat in ihrer Eigenschaft als Mediatorin mit einer besonderen Vertrauensposition gegenüber
der Zeugin … für die Rechtsanwältin … die Vorbesprechung zur Ehescheidung mit den damaligen
Eheleuten … geführt. Die Besprechung hat in den Räumen der Schlichtungsstelle stattgefunden. Die
Beklagte hat dadurch bei der Zeugin … den Eindruck hervorgerufen, dass sie auch für das
Ehescheidungsverfahren weiter zuständig sei.
68
Dass die Beklagte die vorstehende Pflichtverletzung zu vertreten hat, wird vermutet, § 280 Abs.1 Satz 2
BGB.
69
c) Die Pflichtverletzung der Beklagten ist auch für den Schaden ursächlich geworden, welcher der Zeugin
… entstanden ist.
70
Erfolgt eine anwaltliche Pflichtverletzung durch eine Unterlassung, steht diese haftungsrechtlich nur dann
einer Handlung gleich, wenn in der konkreten Situation eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Die
Kausalität der Unterlassung ist bereits im Vorfeld durch die Pflichtwidrigkeit bestimmt. Danach sind
Unterlassungen kausal, wenn die gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass die
eingetretene Schadensfolge entfiele (Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 19 RN 15).
71
Es spricht eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) dafür,
dass die Zeugin …, wenn sie über die Höhe des bestehenden Ausgleichsanspruchs mit einem Kapitalwert
von 94.263,33 EUR und den Ablauf des gerichtlichen Verfahren informiert gewesen wäre, den Kläger nicht
für die Abgabe eines Verzichts auf den Versorgungsausgleich und einen anschließenden
Rechtsmittelverzicht betreffend den Beschluss des Amtsgerichts mandatiert hätte.
72
Soweit die Beklagte vorträgt, dass letztendlich ihr der Schadenseintritt nicht zugerechnet werden könne,
da dieser ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Klägers, der Zeugin … und der Zeugin … falle,
kann sie damit nicht gehört werden.
73
Für Anwaltsfehler ist typisch, dass sie für sich allein genommen noch nicht zur Schadensentstehung
führen. Damit es zum Schadenseintritt kommt, ist vielmehr ein Hinzutreten weiterer Ursachenbeiträge
erforderlich wie das Verschulden weiterer, später eingeschalteter Anwälte oder eine gerichtliche
Fehlentscheidung. Auch in diesen Fällen hat der Anwalt den Schaden im Rechtssinn „verursacht“ (Fall der
kumulativen Kausalität). Inwieweit bei einem Zusammentreffen des „primären“ Anwaltsverschuldens mit
weiteren Schadensursachen der letztlich erst im „Zusammenwirken“ entstandene Schaden dem Anwalt
haftungsrechtlich (voll) „zugerechnet“ werden kann, ist jeweils gesondert zu untersuchen
(Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 19 RN 21).
74
Nach der Schutzzwecklehre gilt, dass der Anwalt für solche Schäden einzustehen hat, die nicht eine bloß
zufällige ursächliche Verbindung zu seinem Verhalten aufweisen, sondern im Kreis der Gefahren liegen, zu
deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 19
RN 12, BGH NJW 2011, 2649, 2652). Vorliegend ist zwar der endgültige Verlust der Versorgungsanrechte
der Zeugin … auf weitere Ursachen zurückzuführen, diese unterbrechen jedoch den
Zurechnungszusammenhang nicht.
75
Durch die Beauftragung des Klägers durch die Zeugin … und die Abgabe der entsprechenden
Verzichtserklärungen vor Gericht wird der Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen. Führt der
Anwaltsfehler als solcher noch nicht zu einer Schädigung des Mandanten, sondern kommt es zum
Schadenseintritt erst dadurch, dass der Mandant in der Folge selbst Dispositionen trifft, die sich als
schädigend herausstellen, ist ein adäquater Zusammenhang dann zu bejahen, wenn die Maßnahme des
Mandanten eine berechtigte Reaktion auf den Anwaltsfehler darstellt und durch diesen gleichsam
„herausgefordert“ worden ist. Ein eigener selbständiger Willensakt des Mandanten löst die Zurechnung
dann auf, wenn es sich dabei um ein nicht vertretbares, völlig unsachgemäßes Verhalten handelt (BGH
NJW 2002, 1117).
76
Die Zeugin … hätte den Kläger ohne ihre Fehlvorstellung von der Durchführung des Versorgungsausgleichs
und ihre Unkenntnis der Höhe der auszugleichenden Anwartschaften und dem Vertrauen darauf, dass die
Beklagte alles regeln würde, nicht mandatiert und dieser hätte in der Folge auch keine Verzichtserklärung
und keinen Rechtsmittelverzicht den Versorgungsausgleich betreffend abgegeben. Ihr kommt insoweit die
Vermutung zugute, dass sie sich „beratungsgemäß“ verhalten hätte. Ein gänzlich ungewöhnlicher
Geschehensablauf kann in der Mandatierung des Klägers, welcher zumindest für die Abgabe des Verzichts
auf nachehelichen Unterhalt mit Wissen der Beklagten am Termin teilnahm, nicht gesehen werden.
77
Auch dadurch, dass der Kläger, ohne sich näher zu informieren, einen Verzicht auf den
Versorgungsausgleich und einen Rechtsmittelverzicht abgab, wird der Ursachenzusammenhang nicht
unterbrochen. Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen der zweite Anwalt eine Entschließung
trifft, die schlechterdings unverständlich, also gemessen an sachgerechter Berufsausübung sachfremd und
nicht nachvollziehbar erscheint (BGH NJW 2002, 1117, 1120, Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 19 RN 42).
Dass der Kläger auf die Angaben, welche im Scheidungsantrag niedergelegt waren, pflichtwidrig vertraut
hat, unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht. Die Beklagte selbst hat durch ihre mangelnde
Kontrolle die fehlerhaften Angaben im Scheidungsantrag mit zu verantworten, weshalb auch nach der
Schutzzwecklehre genau dieses Verhalten in den Gefahrenbereich fällt, dem die normierte Pflicht dient.
Die Abgabe einer Verzichtserklärung betreffend den Versorgungsausgleich einschließlich eines
Rechtsmittelverzichts durch einen Fluranwalt ist auch nicht unüblich.
78
Soweit die Beklagte ihren Vortrag darauf stützt, dass sie ihren Überwachungspflichten dadurch genügt
habe, dass sie am 21.06.2011 an die Zeugin … eine E-Mail mit der Mitteilung gesendet habe, keinen
Versorgungsausgleichsverzicht zu erklären, kann sie damit nicht gehört werden. Die Anweisung, dass
„bitte NICHT der VA-Verzicht“ protokolliert werden solle mit dem Zusatz, „ Da wir aber den Vertrag jetzt
in Kürze machen, braucht das nicht mehr sein, es wird in den Vertrag aufgenommen werden.“, ist
mehrdeutig und nicht nachvollziehbar. Die eindeutige Aufforderung, keinen Verzicht auf den
Versorgungsausgleich zu protokollieren, wird durch den weiteren Satz relativiert. Dessen Formulierung
legt den Schluss nahe, dass es nicht mehr notwendig sei, den Versorgungsausgleich auszuschließen, da
eine vermögensrechtliche Lösung unmittelbar bevorstehe. Ein Hinweis, dessen Sinn sich nicht erschließen
lässt, da im Falle des Abschlusses einer Scheidungsfolgenvereinbarung, welche den Versorgungsausgleich
mit einbezieht, der Verzicht auf den Versorgungsausgleich erforderlich gewesen wäre. Eine derart
missverständliche Mitteilung genügt jedenfalls nicht, um den später vorgenommenen Verzicht auf den
Versorgungsausgleich ausschließlich dem Verantwortungsbereich der Zeugin … zuzuweisen. Dass die
Zeugin die Beklagte auch in diesem Sinne falsch verstanden hat, wird dadurch belegt, dass diese in der
Folge zweimal die Beklagte aufforderte, den Scheidungsfolgenvertrag vorzulegen. Die Beklagte hat darauf
jedoch nicht reagiert, da kein entsprechender Vertrag vorlag.
79
Angesichts des Vortrages der Beklagten, dass ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich nie Thema
gewesen und die Zeugin … den beabsichtigten Verzicht eigenmächtig in den Scheidungsantrag
aufgenommen habe, belegt diese E-Mail eher das Gegenteil, da dann ein entsprechender Hinweis nicht
erforderlich gewesen wäre.
80
Im Übrigen war die Zeugin … auch die falsche Adressatin der Warnung, da sie ausschließlich die Interessen
des durch einen eventuellen Verzicht begünstigten Ehemanns zu vertreten hatte. Die Beklagte hätte
daher dem Gebot des sichersten Weges folgend die Zeugin … informieren müssen, dass ein entsprechender
Verzicht auf den Versorgungsausgleich nicht vorzunehmen sei.
81
Vorliegend hat das Amtsgericht unter Ziffer 2 des Scheidungsbeschlusses vom 04.07.2011 gemäß § 224
Abs. 3 FamFG den Ausschluss der Versorgungsausgleichs der Ehegatten … festgestellt, da es sich auf die
Angabe im Scheidungsantrag verlassen hat, dass auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden solle, da
dieser in einer vertraglichen Regelung über den Zugewinn berücksichtigt worden sei. Dass das Amtsgericht
sich die Vereinbarung der Beteiligten hätte vorlegen lassen müssen, um beurteilen zu können, ob der
Verzicht auf den Versorgungsausgleich nach § 8 VersAusglG gerichtlich gebilligt werden kann, führt
jedenfalls zu keiner Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Kommt es aufgrund fehlerhafter
Prozessführung des Anwalts durch unvollständigen oder unrichtigen Sachvortrags zu einer für den
Mandanten nachteiligen Entscheidung des Gerichts, so ist ein Zurechnungszusammenhang zwischen
Anwaltsfehler und dem Urteilsschaden immer dann gegeben, wenn das Gericht durch den Fehler zu der
getroffenen Entscheidung veranlasst wurde. Das Hinzutreten eines Fehlers des Gerichts entlastet den
Verursacher nicht. Insbesondere wenn, wie vorliegend, die falschen Angaben im Scheidungsantrag die
gerichtliche Billigung des Verzichts auf den Versorgungsausgleich durch das Amtsgericht geradezu
heraufbeschworen haben (Anwaltshaftungsrecht a. a. O., § 19 RN 55 f.).
82
d) Auf ein Mitverschulden der Zeugin … gemäß § 254 Abs.1 BGB an der Schadensentstehung kann sich die
Beklagte nicht berufen.
83
Die Beweislast für das Verschulden des Geschädigten trägt der Ersatzpflichtige. Für den Beweis des
Mitverschuldens kommt § 286 ZPO zur Anwendung.
84
Wer seine Vertragspflicht zur Erteilung der richtigen Auskunft verletzt hat, kann in der Regel gegenüber
dem Ersatzanspruch des Geschädigten nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil dieser
der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (Anwaltshaftungsrecht a. a. O.,
§ 20 RN 52; BGH NJW 1997, 661; BGH NJW-RR 2003,1064; VersR 2007, 1380, 1382). Da die Zeugin …
aufgrund der mangelnden Information durch die Beklagte und der für sie nicht mehr durchschaubaren
Durchmischung der Mandate irrig davon ausging, dass die Beklagte alles unter Kontrolle habe und den
Versorgungsausgleich regeln werde, kann ihr die Beauftragung des Klägers nicht angelastet werden.
85
Das Verschulden des Klägers kann der Zeugin … auch nicht als Mitverschulden nach §§ 254, 278 BGB
angerechnet werden.
86
Mehrere in derselben Sache beauftragte Rechtsanwälte, gleich ob sie nacheinander oder nebeneinander
tätig werden, führen rechtlich selbständige Mandate aus. Es kann daher keiner der Anwälte in seinem
Pflichtenkreis als Erfüllungsgehilfe des anderen angesehen werden. Der in Anspruch genommene „erste“
Rechtsanwalt kann sich folglich auch nicht auf ein der geschädigten Partei nach § 278 BGB anrechenbares
Mitverschulden des „zweiten“ Rechtsanwaltes berufen (Anwaltshaftungsrecht a. a. O.§ 18 RN 16).
87
e) Der Zeugin … ist durch die Pflichtverletzung der Beklagten ein Schaden dahingehend entstanden, dass
sie im Zeitpunkt des Renteneintritts in die gesetzliche Rentenversicherung die Zahlung des Betrages
geltend machen kann, der erforderlich wäre, um Rentenanwartschaften in Höhe eines Kapitalwertes von
94.263,33 EUR zu begründen. Durch die rechtskräftige Feststellung des Gerichts, dass ein
Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ist die Entscheidung des Amtsgerichts Reutlingen in Rechtskraft
erwachsen. Der Zeugin … ist durch das Unterbleiben des Versorgungsausgleichs ein Schaden dahingehend
entstanden, dass die Übertragung von Entgeltpunkten mit einem zum Zeitpunkt der Entscheidung des
Gerichts korrespondierenden Kapitalwert von 94.263,33 EUR auf ihr Rentenkonto unterblieben ist.
88
Erachtet das Gericht eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich für wirksam, so hat es aufgrund der
nach § 6 Abs. 2 VersAusglG bestehenden Bindungen entsprechend der Vereinbarung zu entscheiden. Ist
der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen worden, hat das Gericht gem. § 224 Abs. 3 FamFG in
der Beschlussformel ausdrücklich festzustellen, dass kein Versorgungsausgleich stattfindet. Als Folge dieser
Feststellung kann nach den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts das Rentenkonto der Zeugin ... um
die entgangenen Rentenanwartschaften nicht mehr erhöht werden. In § 187 Abs. 1 SGB VI werden die
Fälle, in denen im Rahmen des Versorgungsausgleichs Beiträge gezahlt werden, abschließend aufgeführt.
Nach § 187 Abs.1 Nr.1 SGB VI können Beiträge gezahlt werden, um Rentenanwartschaften, die um einen
Abschlag an Entgeltpunkten gemindert worden sind, ganz oder teilweise wieder aufzufüllen. Diese
Vorschrift ist nur anwendbar, wenn eine Entscheidung des Familiengerichts zu einer solchen Minderung
geführt hat. Vorliegend hat der durch die anwaltliche Pflichtverletzung erklärte Verzicht auf den
Versorgungsausgleich gerade umgekehrt bewirkt, dass es nicht zu einer Entscheidung des Familiengerichts
mit Übertragung von Entgeltpunkten gekommen ist. Die weiteren Vorschriften des § 187 Abs.1 Nr. 2 und
Nr. 3 SGB VI sind ebenfalls nicht einschlägig. Da ein Ausgleich des Schadens durch Zahlung des für die
Begründung von Rentenanwartschaften in der entgangenen Höhe erforderlichen Betrags wegen der
Unmöglichkeit der Naturalrestitution (§ 249 BGB) nicht in Betracht kommt, wird eine Geldentschädigung
nach § 251 BGB geschuldet (vgl. BGH FamRZ 2010, 728-732 RN 25). Danach ist die Zeugin … so zu
stellen, als ob zum 01.06.2012, was dem Zeitpunkt der fiktiven Rechtskraft der Ehescheidung bei einer
angenommenen durchschnittlichen Verfahrensdauer von 11 Monaten nach Zustellung des
Scheidungsantrages am 12.05.2011 entspräche, Entgeltpunkte mit einem zum Zeitpunkt der Entscheidung
des Gerichts korrespondierenden Kapitalwert von 94.263,33 EUR auf ihr Rentenkonto übertragen worden
wären.
89
(2) Die Beklagte haftet gemäß §§ 426 Abs.1, 254 BGB auf die Hälfte des der Zeugin … bezahlten
Schadensersatzes von 64.094,00 EUR.
90
Sind an einem Schadensfall mehrere Anwälte beteiligt, die jeweils verschiedene Schadensursachen in
ihrem eigenen Verantwortungsbereich gesetzt haben, so haften sie grundsätzlich als Gesamtschuldner
(BGH NJW 1997, 2168, 2170; 1994, 1211,1212; NJW-RR 2005, 1146, 1147). Dabei ist eine gleichstufige
Haftung gegeben, gleichgültig, ob sie aus Vertrag, Delikt, Gefährdung oder sonstigen Rechtsgründen haften
(Palandt / Grüneberg § 421 RN 11). Bei einer Haftung aus § 280 BGB stellt § 254 BGB eine anderweitige
Bestimmung im Sinne von § 426 Abs.1 dar (BGH NJW 1974, 693 RN 22), weshalb die Schadensaufteilung
mehrerer Ersatzpflichtiger gemäß § 254 BGB zu beurteilen ist (BGH NJW 2014, 2730; WM 2015, 539 ).
Dieser Haftungsmaßstab ändert sich auch nicht durch die Abtretung der Ansprüche der Zeugin … an den
Kläger (Palandt / Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 426 RN 14).
91
Bei der zu treffenden Abwägung ist in erster Linie das Maß der Verursachung und in zweiter Linie das Maß
des Verschulden maßgebend. Dies kann zu einer Schadensteilung, aber auch zur alleinigen Belastung eines
Ersatzpflichtigen führen. Danach erscheint es vorliegend durchaus angemessen, wenn die Beklagte
mindestens in dem vom Kläger geltend gemachten Umfang von 50 % im Innenverhältnis haftet.
92
Der Kläger wäre als Verfahrensbevollmächtigter im Scheidungstermin verpflichtet gewesen, da eine
notarielle Vereinbarung über die Scheidungsfolgen nicht vorlag, diesbezüglich Rücksprache mit der
Beklagten zu halten. Er hat durch die Abgabe der Erklärung, dass auf den Versorgungsausgleich verzichtet
werde, die unmittelbare Ursache für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gesetzt. Die Abgabe eines
Rechtsmittelverzichts erscheint vor dem Hintergrund, dass der Kläger keine gesicherten Informationen
hatte, als besonders vorwerfbar.
93
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte gegenüber der Zeugin … als Mediatorin mindestens
in gleichem Maße verpflichtet war, diese vollständig und korrekt über den Versorgungsausgleich zu
belehren und den von der Rechtsanwältin … nach ihren Vorgaben gefertigten Scheidungsantrag zu
überprüfen.
94
Als besonders schwerwiegend ist bei der Abwägung jedenfalls die federführende und beherrschende Rolle
der Beklagten bei der gesamten Vorbereitung des Scheidungsverfahrens einzustellen.
95
Die Beklagte hatte in ihrer Eigenschaft als Mediatorin, aber auch als für die Rechtsanwältin … Handelnde
als einzige vor dem Ehescheidungstermin persönlichen Kontakt mit den damaligen Eheleuten … . Diese
verließen sich ausschließlich auf die Aussagen der Beklagten. Dass eine vernünftige und sachliche
Besprechung der Rechtslage mit der Zeugin … oder dem Kläger unmittelbar vor dem Scheidungstermin im
Flur des Gerichtsgebäudes nicht möglich war, dürfte angesichts der emotionalen Anspannung der
beteiligten Eheleute auf der Hand liegen.
96
Die Beauftragung der Rechtsanwältin … durch den Ehemann der Zeugin … erfolgte ausschließlich auf
Empfehlung der Beklagten. Die Zeugin … ist in der Kanzlei der Beklagten ausgebildet worden und wurde
von dieser für die Stellung der Scheidungsanträge regelmäßig eingesetzt. Aus dem vorliegenden E-
Mailverkehr geht hervor, dass die Zeugin lediglich Anweisungen der Beklagten umsetzte und keine
eigenständigen Entscheidungen getroffen hat. Die Zeugin … handelte auch nicht als eigenständige und
unabhängige Rechtsanwältin, da es nach der unbestrittenen Aussage der Zeugin … eine Absprache gab,
dass sie das gesamte Honorar für die Scheidung mit Ausnahme eines Betrages von 300,00 EUR an die
Beklagte auszukehren habe. Auch der Kläger erhielt für seine Tätigkeit von der Zeugin … lediglich ein
Honorar von 100,00 EUR brutto für die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts. Die Beklagte hingegen
vereinnahmte sowohl das Honorar für die Mediation als auch das überwiegende Honorar für das
Ehescheidungsverfahren. Sie ist daher auch in wirtschaftlicher Hinsicht als die Beherrschende des
Verfahrens zu sehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.1997, Az. 6 U 122/96, juris, RN 35 für das
Verhältnis von Prozeß- und Verkehrsanwalt, bei beherrschender Position des Verkehrsanwalts).
97
Durch den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, in dem sich der Kläger verpflichtete 64.094,00
EUR anstelle der im Erstprozess ursprünglich beanspruchten Feststellung als Schadensersatz an die Zeugin
… zu bezahlen, ist die Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht erloschen.
98
Der Prozessvergleich hat gem. § 779 BGB eine Doppelnatur, er stellt sowohl eine Prozesshandlung als
auch ein Rechtsgeschäft im materiell-rechtlichen Sinne dar.
99
Nach § 423 BGB wirkt ein zwischen einem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass auch
für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragsschließenden das ganze Vertragsverhältnis aufheben wollten.
Ein entsprechender übereinstimmender Parteiwille muss sich aus dem Inhalt der Willenserklärungen durch
Auslegung feststellen lassen. Im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (BGH NJW 2000, 1003-1005 RN
20). Ein solcher Wille der damaligen Klägerin, dass die Beklagte vom jetzigen Kläger nicht im Rahmen des
Gesamtschuldnerregresses in Anspruch genommen werden soll, ist nicht erkennbar (vgl. BGH NJW 2003,
2980 RN 30).
100 Einwendungen gegen den im Vergleich vor dem Oberlandesgericht vereinbarten Schadensersatz hat die
Beklagte nicht erhoben.
101 Damit liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Vergleichsbetrags gemäß
§§ 426 Abs.1 bzw. Abs. 2 BGB aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte vor.
102 2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatz der hälftigen Kosten des Verfahrens 2 O 54/13; 11 U 1/14
gemäß §§ 426 Abs.1, 280, 398 BGB gegen die Beklagte zu.
103 Der Kläger macht die Hälfte seiner eigenen Verfahrenskosten und der von ihm getragenen Kosten der
Zeugin … (Klägerin des Vorprozesses) und der Beklagten (Streithelferin Ziffer 1 des Vorprozesses) gegen
die Beklagte geltend.
104 § 426 BGB regelt das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern. Er begründet ein gesetzliches
Schuldverhältnis aus dessen Verletzung sich Ansprüche wegen Pflichtverletzung (§ 280 BGB) ergeben
können. Die Gesamtschuldner sind wechselseitig verpflichtet, bei der Befriedigung des Gläubigers
mitzuwirken (BayOLG NJW-RR 99, 590). Der Anspruch auf Mitwirkung besteht schon vor der eigenen
Leistung und setzt die Fälligkeit der Gesamtschuld voraus.
105 Die Prozesskosten aus dem Streit zwischen Gläubiger und leistendem Gesamtschuldner sind jedoch
grundsätzlich nicht ausgleichsfähig. Der Grund dafür liegt darin, dass jeder Gesamtschuldner mit der
Inanspruchnahme auf das Ganze rechnen muss; es fällt daher in seine alleinige Verantwortung, wenn er
den Gläubiger nicht streitlos befriedigt und dann im Prozess unterliegt (BGH NJW 2003, 2980, 2981; NJW
1974, 693, 694; NJW 1971, 884, 885; VersR 1969, 1039, 1040; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 426 RN 24;
Stamm NJW 2003, 2940, 2943).
106 Der Kläger ging vor seiner gerichtlichen Inanspruchnahme durch die Zeugin … davon aus, dass er nicht
hafte. Dass er in diesem Verfahren unterlegen ist, fällt damit in seinen Verantwortungsbereich.
107 In bestimmten Ausnahmefällen sind zwar auch die Prozesskosten ausgleichsfähig. Die Ersatzfähigkeit
ergibt sich dann aus den besonderen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Gestaltung des
Gemeinschaftsverhältnisses oder dem Verhalten eines Gesamtschuldners, der im Innenverhältnis allein
zum Ausgleich verpflichtet ist (BGH VersR 1956, 160, 161; RGZ 160, 148, 151). Eine Ausgleichsfähigkeit
ist z. B. zu bejahen, wenn der Ausgleichsberechtigte den Prozess allein im Interesse des
Ausgleichsverpflichteten geführt hat, und dieser den vom Gläubiger geltend gemachten Schaden im
Innenverhältnis allein zu tragen hat (BGH VersR 1969, 1039, 1040). Gleiches gilt, wenn der eine
Gesamtschuldner seine interne Pflicht zur anteiligen Befriedigung des Gläubigers verletzt hat und dadurch
den in Anspruch genommenen anderen Gesamtschuldner gezwungen hat, ein ungünstiges Prozessrisiko
einzugehen bzw. sich einer offensichtlich begründeten Klage auszusetzen (BGHZ 155, 265, 270 f; BGH
NJW 1971, 884; Ehmann JZ 2004, 250, 254).
108 Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten hat der Kläger jedenfalls nicht vorgetragen. Dass
die Beklagte als beigetretene und informierte Streitverkündete sich an dem Vergleich vor dem
Oberlandesgericht Stuttgart im Vorprozess nicht beteiligte, stellt keine schuldhafte Pflichtverletzung dar.
109 Übergegangene Ansprüche der Zeugin … auf die hälftig von ihr getragenen Verfahrenskosten des
Vorverfahrens gemäß §§ 280 Abs.1, 249, 398 BGB hat der Kläger nicht geltend gemacht.
III.
110 Die Zinsforderung ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges in gesetzlicher Höhe ab Zustellung der Klage
begründet, §§ 280, 286 Abs.1 Satz 2 BGB. Dass zu einem früheren Zeitpunkt Verzug eingetreten ist, hat
der Kläger nicht dargelegt.
111 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 , 97, 91 a ZPO. Eine abweichende Kostenquote für die
Instanzen ergibt sich infolge der beidseitigen Erledigungserklärung über 736,50 EUR für die
Berufungsinstanz nicht, da mangels Gebührensprungs dadurch keine Mehrkosten ausgelöst wurden.
112 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711, 709 Satz 2 ZPO.
113 Die Festsetzung des Streitwerts bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 und 2 GKG.
114 Die Revision wird betreffend der Pflichten und der Haftung des Anwaltsmediators zugelassen, § 543 Abs. 2
ZPO.