Urteil des OLG Stuttgart vom 08.04.2008
OLG Stuttgart (besondere härte, zpo, aug, krankheit, verwertung, prozesskosten, einsatz, lebensversicherung, berufsunfähigkeit, württemberg)
OLG Stuttgart Beschluß vom 8.4.2008, 17 WF 66/08
Prozesskostenhilfe: Zumutbarkeit der Beleihung einer Kapitallebensversicherung
Leitsätze
Eine Kapitallebensversicherung, die nicht im Rahmen eines staatlich geförderten Sparplans zum Aufbau einer
zusätzlichen Altersversorgung angespart wird, ist kein i.S. v. § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII
geschütztes Vermögen. Ihre Verwertung zur Zahlung von Prozesskosten ist grundsätzlich möglich.
Der Einsatz solchen Vermögens stellt auch bei fortschreitender Krankheit mit erwartbarer, aber zeitlich nicht
absehbarer Berufsunfähigkeit jedenfalls dann keine besondere Härte i.S. von § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 3 SGB
XII dar, wenn die Partei im Zeitpunkt der Entscheidung noch vollschichtig arbeitet und die anfallenden
Prozesskosten im Verhältnis zum einsetzbaren Vermögen gering sind (hier: 5 %).
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -
Tuttlingen vom 6. Dezember 2007 (2 F 389/07)
a b g e ä n d e r t :
2. Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe
v e r s a g t .
Gründe
1 Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist zulässig (§ 127 Abs. 3 ZPO) und begründet. Der Antragsgegner
hat Vermögen, das er für die Zahlung der Prozesskosten einzusetzen hat. Die Rückkaufwerte seines durch
Lebensversicherungen angesparten Vermögens betragen rund 27.600 EUR. Abzüglich des Schonvermögens
verbleiben ihm rund 25.000 EUR einsetzbares Vermögen, von denen er die auf ihn entfallenden Kosten von rund
1.200 EUR ohne weiteres zahlen kann.
2 Die Verwertung ist ihm auch zumutbar. Die Versicherungen zählen nicht zu den staatlich geförderten Sparplänen
wie die Riesterrente, deren Verwertung nicht Betracht käme (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII).
Angesichts des Verhältnisses zwischen dem vorhandenen Vermögen und dem zu zahlenden Betrag greift
ebenfalls nicht § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 3 SGB XII, wonach Prozesskostenhilfe nicht vom Einsatz eines
Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dadurch der Aufbau einer angemessen Altersvorsorge
erschwert würde. Die Sachlage ist auch nicht wegen der - allerdings nicht belegten - fortschreitenden Krankheit
des Antragstellers anders zu beurteilen. Der Umstand, dass die Krankheit zur Berufsunfähigkeit des
Antragsgegners führen mag, die durch die Lebensversicherungen abgedeckt werden soll, ändert daran nichts.
Einerseits ist dieser Zustand noch nicht eingetreten, denn der Antragsgegner arbeitet noch vollschichtig.
Andererseits gilt im Sozialhilferecht, dass der Bedürftige zunächst - abgesehen von den gesetzlich normierten
Ausnahmen - alle verfügbaren eigenen Mittel einsetzen muss, bevor ihm staatliche Hilfe auf Kosten der
Allgemeinheit zuteil werden können. Da Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe ist, gilt dies auch hier.
3 Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, eine der Lebensversicherungen zu verkaufen. Er kann - das Vermögen
schonend - auch eine Lebensversicherung mit einem Policendarlehen beleihen, das erst bei Vertragsablauf der
Versicherung fällig und für den Fall, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt wird, durch Verrechnung mit der
Leistung aus der Lebensversicherung getilgt wird (OLG Stuttgart OLGR 2007, 1036).