Urteil des OLG Stuttgart vom 03.06.2008

OLG Stuttgart (vermögensrechtliche angelegenheit, beschwerde, beurkundung, aug, vertrag, gegenstand, gesellschaft, einfluss, beschwerdeführer, vorschrift)

OLG Stuttgart Beschluß vom 3.6.2008, 8 W 180/08
Notarkosten: Geschäftswert bei Beurkundung eines im wesentlichen durch eine
Ergebnisabführungsvereinbarung bestimmten Unternehmensvertrages
Leitsätze
Bei der Beurkundung eines Unternehmensvertrages, der im wesentlichen durch die
Ergebnisabführungsvereinbarung bestimmt wird, ist vom Vorliegen eines Geschäftes mit unbestimmtem Geldwert
auszugehen. Bei der Wertberechnung ist nicht die Vorschrift des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 24 KostO zugrunde zu
legen, sondern der Geschäftswert nach §§ 41 c Abs. 1, 41 a Abs. 4 Nr. 1 KostO anzusetzen.
Tenor
1. Die gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14. März 2008 gerichtete weitere
Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 wird
zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Entscheidung
über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.
Wert der weiteren Beschwerde: 15.597,36 EUR
Gründe
I.
1
Durch notarielle Niederschrift vom 7.3.2006 (Urkundenrolle-Nr. ...) beurkundete der Beteiligte Ziff. 1 einen
zwischen der Beteiligten Ziff. 2 als Untergesellschaft und der Beteiligten Ziff. 3 als Obergesellschaft
abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Mit Rechnung vom 8.3.2006
(Kostenrechnung ...) brachte er für seine Tätigkeit einen Gesamtbetrag von netto 13.652,45 EUR zzgl. MwSt.,
brutto 15.802,04 Euro in Ansatz. Der Kostennote lag ein Geschäftswert von 4.500.000 EUR zugrunde. Der
Geschäftswert wurde anhand des auf fünf Jahre hochgerechneten Gewinns für das abgelaufene Jahr 2005
nach Maßgabe der §§ 30 Abs. 1, 24 KostO bestimmt.
2
Der Bezirksrevisor des Landgerichts hat im Rahmen der Prüfung der Amtstätigkeit des Notars die Festsetzung
des Geschäftswerts unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Stuttgart vom 24.8.1993 (8 WF 94 /91)
beanstandet. Der notariell beurkundete Vertrag habe für die beherrschte Gesellschaft satzungsgleiche Wirkung,
so dass nicht von einer vermögensrechtlichen Angelegenheit ausgegangen werden könne. Die Bewertung habe
deswegen auf der Grundlage des §§ 41 a Abs. 4 Nr. 1 KostO mit einem Wertansatz von 25.000 EUR zu
erfolgen. Dem trat der Beteiligte Ziff. 1 unter Bezugnahme auf die Literatur entgegen, wo überwiegend die
Meinung vertreten werde, dass die Beurkundung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eine
vermögensrechtliche Angelegenheit darstelle.
3
Mit Schreiben vom 13.7.2007 hat der Präsident des Landgerichts den Beteiligten Ziff. 1 gem. § 156 Abs. 6
KostO angewiesen, die Entscheidung der Beschwerdekammer des Landgerichts Stuttgart zu dem
beanstandeten Kostenansatz betreffend die Urkunde UR-Nr.163/2006 herbeizuführen. Entsprechend dieser
Weisung hat der Beteiligte Ziff. 1 mit Schreiben vom 24.1.2008 die Entscheidung der Beschwerdekammer des
Landgerichts Stuttgart beantragt.
4
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.3.2008 die Kostenrechnung des Beteiligten Ziff. 1 vom 8.3.2006 zu
der Urkunde vom 7.3.2006 (Urkundenrolle Nr. 163/2006) abgeändert und den von der Kostenschuldnerin zu
entrichtenden Betrag auf insgesamt 204,68 EUR inkl. Mehrwertsteuer festgesetzt. Die weitere Beschwerde
wurde zugelassen.
5
Das Landgericht ist der Ansicht, dass der vom Beschwerdeführer eingesetzte Geschäftswert für den
beurkundeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht nach § 30 KostO i. V. m. § 24 KostO,
sondern gem. § 41 c Abs. 1, § 41 a Abs. 4 Nr. 1 KostO zu bestimmen sei. Entscheidend sei, ob dem Vertrag
insgesamt ein bestimmter Geldwert beigemessen werden könne. Dies setze voraus, dass mit der
Ergebnisabführungsvereinbarung wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen i. S. des § 24 Abs. 1 KostO
vorlägen. Das seien solche, die sich in gleichen oder nahezu gleichen Zwischenräumen aus demselben
Rechtsgrund wiederholen. Im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages hänge der abzuführende
wirtschaftliche Ertrag jedoch von einer Vielzahl von unvorhersehbaren und dem Einfluss der
Vertragsschließenden weitgehend entzogenen Umständen ab, was bei den typischerweise § 24 Abs. 1 KostO
unterfallenden wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen wie Renten, Nießbrauch und rentenähnlichen
Rechten nicht der Fall sei. Die Abführungsvereinbarung sei in die Zukunft gerichtet. Ihr fehle unter
Berücksichtigung der wechselnden wirtschaftlichen Verhältnisse, Änderungen in der eigenen geschäftlichen
Ausrichtung und dem Einfluss anderer Marktteilnehmer eine hinreichend sichere Grundlage, um eine
einigermaßen brauchbare Entwicklungsprognose erstellen zu können. Dies könne auch nicht dadurch
kompensiert werden, dass im Rahmen freien Ermessens nach § 30 Abs. 1 KostO Zu- und Abschläge gemacht
werden können. Zudem handle es sich bei der kostenrechtlichen Generalklausel des §§ 30 Abs. 1 KostO, über
den § 24 KostO allein anwendbar sei, um eine lediglich subsidiär anzuwendende Hilfsregelung zur Bestimmung
des Geschäftswerts in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Sie komme dann nicht zur Anwendung, wenn
eine vorrangige Vorschrift der Kostenordnung existiere. Als solche seien die Vorschriften der §§ 41c Abs. 1, 41
a Abs. 4 Nr. 1 KostO anzusehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug
genommen.
6
Gegen den ihm am 19.3.2008 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte Ziff. 1 am 16.4.2008 weitere
Beschwerde eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass im vorliegenden Fall der Geschäftswert nach § 30
i. V. m. § 24 KostO zu berechnen sei. Die Rechtsauffassung des Landgerichts widerspreche den gesetzlichen
Vorgaben der §§ 19 ff, 30 KostO und sei mit der Systematik der Kostenordnung nicht in Einklang zu bringen.
Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.
II.
7
Die vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Frage zugelassene weitere
Beschwerde ist als Rechtsbeschwerde gem. § 156 Abs. 2 KostO statthaft und auch sonst zulässig. Die
weitere Beschwerde wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 156 Abs. 2 Satz
4 KostO i. V. m §§ 546,547 ZPO).
8
Das Landgericht ist in seinem angefochtenen Beschluss, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, zu
Recht für die Berechnung des Geschäftswerts des vom Notar beurkundeten Unternehmensvertrages, der im
wesentlichen durch die Ergebnisabführungsvereinbarung bestimmt wird, vom Vorliegen eines Geschäftes mit
unbestimmtem Geldwert ausgegangen und hat der Wertberechnung daher nicht die Vorschrift des § 30 Abs. 1
in Verbindung mit § 24 KostO zugrunde gelegt, sondern hat den Geschäftswert nach § 41 c Abs. 1, § 41 a
Abs. 4 Nr. 1 KostO angesetzt. Es folgt damit der überwiegend in der obergerichtlichen Rechtsprechung
vertretenen Auffassung (OLG Hamm JurBüro 1994,355=DNotZ 1994,126; OLG Karlsruhe BWNotZ 1995,69;
OLG Stuttgart Justiz 1997,216; unveröffentlichter Beschluss des Senats vom 24.8.1993, 8 W 94/91; OLG
Celle NZG 2007,154; im Grundsatz ebenso, allerdings abweichend für Altfälle BayOblG JurBüro
1990,1495=DNotZ 1991,401; ebenso Rohs/Wedewer, KostO, § 41 c Rdnr. 34; Reuter BB 1989,714; a. A.
Korintenberg-Bengel/Tiedtke, KostO 16. Aufl., § 41 c Rdnr. 30; Hartmann, Kostengesetze 38. Auflage, § 41 c
KostO Rdnr. 4; Heckschen DB 1989,29; Lappe NJW 1989,3254; H.Schmidt BB 1989,1290; Janke MittRhNotK
1989,1233; Bund NotBZ 2004,303).
9
Der Senat sieht im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, von seiner bisher in Übereinstimmung mit den
zitierten Oberlandesgerichten vertretenen Ansicht abzuweichen.
10 Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei einem Gewinnabführungsvertrag um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, da auf Geld gerichtete Ansprüche geregelt werden. Entscheidend
ist aber, ob die vermögensrechtliche Angelegenheit einen bestimmten oder einen unbestimmten Geldwert hat.
11 Wann eine vermögensrechtliche Angelegenheit mit unbestimmtem Geldwert und wann eine solche mit
bestimmtem Geldwert vorliegt, wird von der Kostenordnung nicht definiert und ist insbesondere der Regelung
des §§ 41 c KostO nicht zu entnehmen.
12 Maßgebend für die Bestimmung des Geldwertes einer vermögensrechtlichen Angelegenheit sind in erster Linie
die besonderen Wertvorschriften der Kostenordnung. Wenn solche fehlen und ein bestimmter Geldwert der
Angelegenheit ansonsten feststeht, so ist dieser der Wertberechnung zugrunde zu legen. Ansonsten greift die
in § 30 Abs. 1 KostO getroffene Regelung (Bestimmung des Geldwertes nach freiem Ermessen) oder beim
Fehlen hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte die Bewertung nach § 30 Abs. 2 KostO (Regelwert) ein.
13 Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht hier unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 89,295 = BGHZ 105,324 = DNotZ 89,102) ausführt, dass gegen einen
bestimmten Geldwert des Ergebnisabführungsvertrags spreche, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs der zwischen zwei Gesellschaften geschlossene Unternehmensvertrag betreffend die
Beherrschung und die Gewinnabführung ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag sei, der
satzungsgleich in den rechtlichen Status der Gesellschaft eingreife, indem er - unbeschadet der
Ergebnisabführungspflicht - den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichte. Auch der Senat ist in
seinem Beschluss vom 24.8.1993 (8 W 94/91) von der satzungsgleichen Wirkung des Unternehmensvertrages
als gesellschaftsrechtlichem Organisationsvertrag für die beherrschte Gesellschaft ausgegangen. Für derartige
Organisationsakte sind aber in erster Linie die §§ 41c, 41 a KostO (früher §§ 26,27 KostO) einschlägig. Zwar
ist beim Vorliegen derartiger Unternehmensverträge jeweils aufgrund der einzelnen Umstände des konkreten
Falles deren Geschäftswert zu bestimmen. Im Regelfall ist aber davon auszugehen, dass der Vertrag, sofern
sich im Einzelfall nichts Gegenteiliges ergibt, ein Geschäft mit unbestimmtem Geldwert zum Gegenstand hat.
14 Zutreffend hat das Landgericht dazu ausgeführt, dass Voraussetzung für die Annahme eines bestimmten
Geldwertes des vorliegenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sei, dass mit der
Ergebnisabführungsvereinbarung wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen im Sinne des § 24 Abs. 1 KostO
vorliegen. Voraussetzung für die Anwendung des § 24 KostO wäre, dass gleiche oder zumindest ungefähr
gleiche Nutzungen oder Leistungen in bestimmten Zeitabschnitten vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist jeweils
nach den Umständen des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Wenn das Landgericht hier die Auffassung
vertritt, es sei völlig ungewiss, welchen Gewinn oder Verlust das beherrschte Unternehmen in den nächsten
Jahren erwirtschaften werde, so ist diese tatsächliche Feststellung des Landgerichts im
Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht zu beanstanden. Im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrags hängt der
abzuführende wirtschaftliche Ertrag ersichtlich von einer Vielzahl von unvorhersehbaren und dem Einfluss der
Vertragschließenden weitgehend entzogenen Umständen ab, was bei den typischerweise § 24 Abs. 1 KostO
unterfallenden wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen wie Renten, Nießbrauch und rentenähnlichen
Rechten nicht der Fall ist. Der Geschäftswert ist damit auch nicht „bestimmbar“, worauf in der Literatur
abgestellt wird.
15 Obwohl die oben zitierte Rechtsprechung überwiegend zur Bemessung des Geschäftswertes der Beurkundung
des Zustimmungsbeschlusses und nicht zur Beurkundung des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages selbst ergangen ist, findet die dortige Argumentation auch hier Anwendung. Der
Geschäftswert von Zustimmungsbeschlüssen zu Rechtsgeschäften der Vertretungsorgane entspricht dem
Wert des Rechtsverhältnisses, zu dem die Zustimmung erteilt wird. § 41 c KostO stellt darauf ab, ob der
Gegenstand der Beschlussfassung einen bestimmten Geldwert hat. Gegenstand des
Zustimmungsbeschlusses ist der Unternehmensvertrag (Korintenberg-Bengel/Tiedtke a.a.O.), so dass es
letztlich auf dessen bestimmten oder unbestimmten Geldwert ankommt. Die zum Geschäftswert der
Zustimmungsbeschlüsse ergangene Rechtsprechung gilt in ihrer Argumentation damit auch für den
zustimmungsbedürftigen Vertrag.
III.
16 Da die weitere Beschwerde vom Notar nicht auf Anweisung seiner vorgesetzten Dienstbehörde eingelegt
wurde, findet hinsichtlich der Kosten und Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens § 156 Abs. 6 Satz 3
KostO keine Anwendung. Für eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen nach § 13 a
Abs. 1 FGG besteht im vorliegenden Fall kein Anlass. Hinsichtlich der Gerichtskosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens gilt § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO.