Urteil des OLG Stuttgart vom 15.07.2009

OLG Stuttgart (kläger, bank, fonds, anleger, eintritt des schadens, höhe, anlage, beratung, aufklärung, kenntnis)

OLG Stuttgart Urteil vom 15.7.2009, 9 U 164/07
Bankenhaftung bei Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der Rückvergütung
von Vermittlungsprovisionen bei Empfehlung eines treuhandvermittelten Beitritts zu einem
Immobilienfonds; Berechnung des Schadenersatzes
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 24.8.2007
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.148,12 EUR nebst jährlichen Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 8.6.2006 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung des
Treuhandkommanditanteils des Klägers an der ... Anlage Nr. 35 „B., F.“ mit der Stammnummer....
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger 10 %, die Beklagte 90 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 16.769,36 EUR, Beschwer beider Parteien unter 20.000.- EUR
Gründe
I.
1
Der Kläger verlangt Schadensersatz von der beklagten ... Bank wegen einer nach seiner Auffassung
fehlerhaften Anlageberatung im November 1995, die zu seinem Beitritt vom 6.12.1995 zu der ... Gesellschaft
Nr. 35 „B., F.“ ... und... (künftig: Fonds) mit einer Einlage von 20.000.- DM zuzüglich 5 % Agio führte. Die
Beratung war auf der Grundlage des im Dezember 1994 herausgegebenen Emissionsprospekts erfolgt. Der
Fonds erwirtschaftete zu keinem Zeitpunkt die prospektierten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
aus den beiden in B. und F. erworbenen und bebauten Immobilien.
2
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil
gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
3
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 16.769,36 EUR nebst Verzugszinsen hieraus seit
8.6.2006 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übertragung seiner Treuhandkommanditanteile.
4
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil Schadensersatzansprüche des Klägers mit Ablauf
des 31.12.2004 verjährt seien. Soweit sich der Kläger auf unzutreffende Wirtschaftlichkeitsprognosen stütze,
habe die negative Entwicklung des Fonds, insbesondere seiner unzulänglichen Mieteinnahmen, spätestens
2001 dem Rechenschaftsbericht für 1999 entnommen werden müssen. Sollte der Kläger den
Rechenschaftsbericht nicht zur Kenntnis genommen oder ihm keine Bedeutung beigemessen haben, habe er in
höchstem Maße leichtsinnig und gedankenlos gehandelt und somit grob fahrlässig. Auf die Vielzahl der vom
Kläger beanstandeten Prospektfehler geht das Landgericht nicht ein, sondern vertritt die Auffassung, dass der
Kläger, der (wegen eines erkannten Beratungsfehlers) zu einem bestimmten Zeitpunkt gehalten sei, sich zu
einer Klageerhebung zu entscheiden, sich ohnehin von einem Rechtsanwalt beraten lassen müsse, der
wiederum alle schon bekannten und noch zu ermittelnden Umstände aufklären müsse. Die subjektiven
Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB seien nicht erst dann erfüllt, wenn eine Partei sich anwaltlich
beraten lasse, sondern in dem Moment, in dem die Partei frühestens Klage hätte erheben können.
5
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 17.9.2007 zugestellt. Seine Berufung ging am 17.10.2007 bei Gericht ein
und wurde innerhalb verlängerter Frist mit einer Begründung versehen.
6
Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung des Landgerichts, nach welcher es für den Beginn der
Verjährungsfrist nicht darauf ankomme, wann die jeweiligen Umstände, die einzelne
Aufklärungspflichtverletzungen oder Beratungsfehler begründeten, tatsächlich bekannt wurden, sondern dass
bei wirtschaftlichem Misserfolg eines Fonds eine Ermittlung etwaiger haftungsbegründender Pflichtverletzungen
mit fachkundiger Unterstützung zur Vermeidung der Feststellung grob fahrlässiger Unkenntnis verlangt werden
müsse.
7
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen zu den nach seiner Auffassung festzustellenden
vielfältigen Beratungsfehlern (u.a. fehlende oder unzureichende Hinweise auf Totalverlustrisiko, fehlende
Fungibilität der Anlage, Nachhaftungsgefahren, unschlüssige und zudem undurchsichtige (F.) und überteuerte
(B.) Erwerbskosten bezüglich der Fondsimmobilien, überhöhte Mietzinserwartungen (B.), nicht offenbarte
weiche Kosten, Vermittlerprovision der Beklagten aus Anlegergeldern, negative Pressestimmen, fehlerhafte
Angaben zu Instandhaltungskosten, zu Geschäftstätigkeit und Verlusten des Fonds vor Umfirmierung und
Prospektierung, persönliche und wirtschaftliche Verflechtungen der wesentliche Projektbeteiligten und die
zentrale Rolle der ... Bank).
8
Der Kläger beantragt,
9
unter Abänderung des am 24.8.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Ravensburg die Beklagte zu
verurteilen, an den Kläger 16.769,36 EUR nebst jährlichen Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.6.2006 Zug um Zug gegen Übertragung des
Treuhandkommanditanteils des Klägers an der ... Bank „B., F:“ mit der Stammnummer ... zu zahlen.
10 Die Beklagte beantragt,
11
die Berufung zurückzuweisen.
12 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
13 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
II.
14 Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich in der Sache als überwiegend begründet. Der Kläger kann von
der Beklagten Schadensersatz verlangen, weil seine für ihn nachteilige Anlageentscheidung vom Dezember
1995 auf einer fehlerhaften Anlageberatung durch die Beklagte bzw. deren zuständigen Mitarbeiter beruht. Der
Einwand der Verjährung ist jedenfalls für die nach Auffassung des Senats die Haftung begründende
Pflichtverletzung nicht berechtigt. Der Höhe nach muss sich der Kläger die von ihm eingeräumten
Steuerersparnisse unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen.
15 1. Beratungsvertrag
16 a) Zwischen den Parteien ist hinsichtlich der streitgegenständlichen Kapitalanlage stillschweigend ein
Beratungsvertrag (BGHZ 123, 126, 128) zustande gekommen, nicht nur ein Vermittlungsverhältnis. Der
Beratungsvertrag kommt regelmäßig bereits durch die tatsächliche Tätigkeit zustande. Tritt ein
Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage
eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss
eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (vgl.
BGHZ 100, 117, 118 f.). Es ist für den Abschluss des Beratungsvertrages ohne Bedeutung, ob die Anleger von
sich aus bei ihrer Geldanlage die Dienste und Erfahrungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollten oder ob
der Anlageberater der Beklagten die Anleger aufgefordert hat, ihn zu einem Gespräch über die Anlage
aufzusuchen. Die sich anschließenden Verhandlungen hatten in jedem Fall eine konkrete Anlageentscheidung
zum Gegenstand. Der Anlageberater der Beklagten stellte vorliegend dem Kläger den Anlageprospekt vor und
unterstützte den Kläger bei dessen Entscheidung. Damit liegen die Voraussetzungen eines Beratungsvertrages
vor.
17 b) Die sich aus diesem Beratungsvertrag ergebende Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung geht
weiter als die Auskunftspflicht eines Vermittlers. Eine Bank genügt ihrer Pflicht zur Prüfung der Kapitalanlage
aus einem Beratungsvertrag nicht etwa bereits dadurch, dass sie eine bloße Plausibilitätsprüfung des
Emissionsprospektes vornimmt. Eine solche Plausibilitätsprüfung kann allenfalls im Rahmen eines reinen
Auskunftsvertrages ausreichend sein.
18 In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen,
die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Für den Umfang
der Beratung ist hier insbesondere von Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr
zusammengestelltes Anlageprogramm aufgenommen und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung gemacht
hat. Jedenfalls die – wie vorliegend - in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte muss sie einer
eigenen Prüfung unterziehen. Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass seine ihn beratende Bank, der
er sich anvertraut, die von ihr in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Kapitalanlagen selbst als "gut" befunden
hat (BGHZ 123, 126, 129). Die Bank ist daher verpflichtet, eine Anlage, die sie empfehlen will, mit
banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen (vgl. Ellenberger, in: Ellenberger/Schäfer, Fehlgeschlagene
Wertpapieranlagen S. 59, 71; BGH WM 2008, 2166).
19 c) In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen,
die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. BGH WM
1987, 531, 532). Bei der Verwendung eines Emissionsprospekts, der hier dem Kläger rechtzeitig zur Lektüre
überlassen worden war, gilt es somit zu überprüfen, ob der Prospekt über das Beteiligungsangebot, der für
einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über
alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig
und vollständig unterrichtet (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH NJW 2000, 3346; NJW
2006, 2042, 2043) und ihn über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können (vgl. BGHZ 79,
337, 344; BGH NJW 1992, 228, 230). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist dabei nicht allein
anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den
Verhältnissen des Fonds vermittelt (vgl. BGHNJW 1982, 2823, 2824).
20 Kein Beratungsfehler ist allerdings darin zu sehen, dass die Beklagte ausschließlich „hauseigene“ Fondsanteile
empfohlen hat. Maßgeblich für Kapitalanlageempfehlungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr einer Bank ist
grundsätzlich das von ihr zusammengestellte Anlageprogramm (vgl. BGHZ 123, 126, 129). Soweit bank-,
konzern- oder institutsgruppeneigene Anlageprodukte wie etwa Fondsanteile vorhanden sind, ist es
grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass solche Produkte, nicht aber vergleichbare konkurrierender Banken
oder Institutsgruppen in das Anlageprogramm aufgenommen werden und die Bank nur solche Produkte, nicht
aber Konkurrenzprodukte empfiehlt. Konkurrenzprodukte muss sie grundsätzlich nicht ebenfalls anbieten oder
empfehlen (BGH WM 2007, 487).
21 2. Rückvergütung
22 Der streitgegenständliche Prospekt weist in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Angaben zu
anlageentscheidenden Umständen auf, auf welche der Kläger bei der Beratung hätte hingewiesen werden
müssen. Zur Begründung der Haftung der Beklagten genügt aber bereits ein Beratungsfehler, der nicht dem
Verjährungseinwand der Beklagten unterfällt. Ein solcher Fehler liegt vorliegend darin, dass die Beklagte nicht
klarstellend die unzulänglichen Hinweise im Prospekt auf eine der Beklagten rückerstattete
Vermittlungsprovision, die aus dem vom Kläger dem Fonds gezahlten Betrag stammte, durch die gebotene
Aufklärung ergänzt hat.
23 a) Entgegen der Ansicht der Beklagten muss eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, darauf hinweisen, dass
und in welcher Höhe sie Rückvergütungen von der Fondsgesellschaft erhält. Die Aufklärung über die
Rückvergütung ist notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank (vgl.
bei Wertpapiergeschäften § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) offen zu legen. Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in
die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen (vgl. Assmann/Schneider/Koller,
WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 74; a.A. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. § 31 WpHG Rdn. 27) und
zu beurteilen, ob die Bank ihm eine bestimmte Anlage nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient.
Diese Rechtsprechung beschränkt sich nicht auf Banken, die einem Vermögensverwalter Provisionen und
Depotgebühren rückvergüten (BGHZ 146, 235, 239), sondern ist auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden
(BGH WM 2007, 487; WM 2009, 405). Wenn eine Bank einen Kunden ohne Zwischenschaltung eines
Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an den empfohlenen Fonds durch
Rückvergütungen verdient, sind die Kundeninteressen durch die von der Bank erhaltenen Rückvergütungen
gefährdet. Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse
nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen
Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erhalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rückvergütungen
einem bestimmten Geschäft unmittelbar zugeordnet werden oder in gewissen Zeitabständen gezahlt werden.
Wesentlich ist nur, dass die Rückvergütungen umsatzabhängig sind (BGH WM 2007, 487).
24 b) Der Prospekt enthält auf der Seite 19 einen „Investitions- und Finanzierungsplan“. Nach dem
Finanzierungsplan setzt sich die Gesamtfinanzierung von 254 Mio. DM im Wesentlichen zusammen aus
Beteiligungskapital von 168,6 Mio. DM und Fremdkapital. Eine klein gedruckte Anmerkung zum
Beteiligungskapital lautet: „ Auf das Beteiligungskapital wird ein Agio von 5 % erhoben, das im Investitionsplan
nicht enthalten ist. Dieser Betrag ist an die Fondsgesellschaft zu zahlen und steht zur Abdeckung weiterer
Eigenkapitalbeschaffungskosten zur Verfügung.“ Im Investitionsplan findet sich unter der Rubrik
Gesellschaftskosten die Position „Eigenkapitalbeschaffung 5.058 TDM“. Weitere Erläuterungen finden sich im
Prospekt nicht. Zusätzliche Informationen erteilte auch die Beklagte nicht.
25 Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, damit sei hinreichend deutlich dargestellt, dass den
beratenden Banken des genossenschaftlichen Finanzverbunds, somit auch der Beklagten, von dem Fonds als
Vermittlungsprovision aus den vereinnahmten Zahlungen der beitretenden Anleger ein Betrag rückvergütet
werde, der in der Höhe insgesamt 8 % der Einlagensumme entspricht. Eine Erläuterung findet sich auch nicht
auf dem Zeichnungsschein, den der Kläger am 6.12.1995 unterzeichnete (K 1), auf welchem die Beklagte als
Vermittlerbank auch nicht namentlich, sondern nur mittels ihrer Bankleitzahl erwähnt wird.
26 Der Senat verkennt nicht, dass der BGH offenbar davon ausgeht, dass ein durchschnittlicher Anleger unter der
Bezeichnung „Kosten der Beschaffung von Eigenkapital“ ausreichend sicher eine Umschreibung von
Aufwendungen für die Vermittlung von Beitritten zur Fondsgesellschaft versteht, vgl. BGH ZIP 2007, 871; BGH
BKR 2008, 199 ; BGHZ 158, 110, 121. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, dass der Senat diese
Auffassung jedenfalls für den vorliegenden Prospekt nicht teilt, in dem zwei unterschiedliche Begriffe, nämlich
Beteiligungskapital und Eigenkapital ohne jede weitere Erläuterung verwendet werden. Denn richtig und
vollständig wären die Prospektangaben nur, wenn ihnen ohne weiteres entnommen werden könnte, dass die
eigene Hausbank, die dem Kläger gegenüber als Anlageberaterin aufgetreten und tätig geworden ist, diejenigen
Kosten anteilig als Vermittlungsprovision erhält, die als solche der Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen sind
und darüber hinaus den Betrag, den der Kläger wie alle anderen Anleger auch als Agio an den Fonds entrichtet
hat.
27 Das ist aber gerade nicht der Fall. Auch wenn unterstellt würde, es seien objektiv zutreffende und darüber
hinaus auch verständliche Angaben wenigstens zur Gesamthöhe der Eigenkapitalbeschaffungskosten und zum
Verwendungszweck des Agio enthalten, so wird doch nicht einmal ansatzweise deutlich, wer die Gelder
kassiert. Das bleibt versteckt. Der Anleger kann dem Prospekt weder entnehmen, dass auch seine ... aus
seiner Einlage und aus dem Agio und damit im Wege einer Rückvergütung eine Provision erhält noch in
welcher Höhe dies geschieht.
28 c) Zu Unrecht meint die Beklagte, das Urteil des BGH vom 19.12.2006 (BGHZ 170, 226) betreffe nur laufende
Ausgabeaufschläge eines Aktienfonds, hier gehe es um eine einmalige Provision. Darin liegt kein erheblicher
Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Fall, der den Erwerb eines Anteils an einem Investmentfonds
betraf. Entscheidend ist nur, dass die Rückvergütung umsatzabhängig gewährt wird und deshalb objektiv einen
Anreiz in sich trägt, das mit einer Provision verbundene Produkt bevorzugt zu empfehlen. Die
Umsatzabhängigkeit liegt hier zumindest für den als Agio bezeichneten Betrag auf der Hand, dessen Höhe
unmittelbar von der Höhe der gezeichneten Anlage abhängt und ist nach Darstellung der Beklagten auch im
übrigen als ein Teilbetrag von weiteren 3 % des Beteiligungskapitals zu verstehen.
29 Soweit die Beklagte darauf abstellen will, dass für Vermittlungsprovisionen unter 15 % keine Hinweispflicht
bestehe (BGH WM 2007, 873; WM 2007, 1367), ist die Rechtslage durch den Beschluss des BGH vom
20.1.2009 (WM 2009, 405; ZIP 2009, 455) geklärt worden. Danach betrifft die Rechtsprechung des III.
Zivilsenats des BGH, nach der eine Aufklärungspflicht über Innenprovisionen unter 15 % nicht besteht (BGH
ZIP 2007, 871), lediglich Informationspflichten aus einem Vermittlungs- oder Auskunftsvertrag. Die Pflicht zur
Aufklärung über Rückvergütungen besteht aber unabhängig von deren Höhe im Rahmen eines
Beratungsvertrages. Bei der Rückvergütung geht es um die Aufdeckung einer Gefährdungssituation, bei der es
nicht auf die Höhe der Provision ankommen kann.
30 Überholt ist auch der weitere Einwand der Beklagten, die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten
beschränke sich auf den Anwendungsbereich des WpHG, dem der Beitritt zu einem geschlossenen
Immobilienfonds nicht unterfällt. Der BGH hat in der genannten Entscheidung auch deutlich gemacht, dass die
in der Entscheidung vom 19.12.2006 (BGHZ 170, 226) herangezogene Norm des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nur
aufsichtsrechtlich zum Ausdruck bringe, was zivilrechtlich ein allgemein anerkannter Grundsatz sei, dass
nämlich im Anlageberatungsverhältnis vertragswidrige Interessenkonflikte vom Berater zu vermeiden sind. Die
Beklagte hatte als Beraterin die Interessen des Klägers zu wahren, nicht aber die eigenen. Von einem Berater
erwartet ein Anleger auch nicht – wie bei einem Vermittler –, dass dieser anpreisend und werbend im Interesse
eines Kapitalsuchers und in Verfolgung eigener Provisionsinteressen bestimmte Anlagen anbietet. Wollte die
Beklagte vorliegend Interessenkonflikte, die mit einem Beratungsverhältnis nicht zu vereinbaren sind, nicht
vermeiden, sondern sich solchen aussetzen, musste sie zumindest den Anlageinteressenten deutlich und
unmissverständlich darauf hinweisen, dass auch eigene finanzielle Interessen die Anlageempfehlung
beeinflussen könnten. Dazu war uneingeschränkt darüber aufzuklären, dass sie von dem Fonds das vom
Kläger zu entrichtende Agio und aus der Einlage selbst einen weiteren Anteil, den die Beklagte mit 3 %
angegeben hat, erhalten würde.
31 d) Es steht somit fest, dass die Beklagte den Kläger fehlerhaft beraten hat, indem sie die Rückvergütungen
verschwiegen hat. Für diese fehlerhafte Aufklärung haftet die Beklagte grundsätzlich bereits bei leichter
Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Dazu bedarf es keines besonderen Vorbringens des Klägers. Das Verschulden ist
durch die Pflichtverletzung indiziert. Dass ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Nichtvertretenmüssens
gegeben sind, muss die Beklagte darlegen und beweisen, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. § 282 BGB a.F.).
Dies hat der BGH zuletzt mit Beschluss vom 12.5.2009 (XI ZR 586/07) nochmals verdeutlicht. Zu Unrecht
meint die Beklagte sinngemäß, ein Verschulden sei auszuschließen, weil 1995 keine Bank habe damit rechnen
müssen, dass 2009 eine immer schon übliche und unbeanstandete Praxis in Zweifel gezogen werde. Die
Beklagte verkennt, dass die Verpflichtung eines Beraters, Interessenkonflikte zu vermeiden, nicht das
Ergebnis einer Rechtsänderung oder einer grundlegenden Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist,
sondern einen immer schon anerkannten zivilrechtlichen Grundsatz darstellt (BGH WM 2009, 405). Die
Beklagte kann auch keine anders lautende Rechtsprechung benennen, die zum hier fraglichen Zeitpunkt (1995)
allgemein akzeptiert gewesen wäre.
32 e) Dass bei der fehlerhaften Anlageberatung bereits der Erwerb der Kapitalanlage aufgrund einer fehlerhaften
oder unterlassenen Information ursächlich für den späteren Schaden ist, weil der ohne die erforderliche
Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist, entspricht
ständiger Rechtsprechung des BGH. Auf die Gründe, warum die Kapitalanlage später im Wert gefallen ist,
kommt es nicht an. Steht eine Aufklärungspflichtverletzung fest, streitet für den Anleger die Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens. Das heißt, dass die aufklärungspflichtige Beklagte beweisen muss, dass der
Kläger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben und den unterlassenen Hinweis unbeachtet
gelassen hätte (vgl. BGHZ 61, 118, 122; 124, 151, 159 f.; BGHWM 2009, 789 m.w.N.). Diese Vermutung
aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, also auch für
die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen (Ellenberger in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktiker-
Handbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, Rn. 863).
33 Dass und gegebenenfalls weshalb der Kläger die Rückvergütungen im Aufklärungsfalle für irrelevant erachtet
hätte, vermag die Beklagte konkret nicht darzutun und zu beweisen.
34 3. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.
35 Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch in Übergangsfällen die subjektiven
Voraussetzungen des § 199 BGB n.F. vorliegen müssen, somit Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der
Anspruchsvoraussetzungen (vgl. BGH WM 2007, 639: WM 207, 987; WM 2008, 89).
36 Insoweit genügt aber nicht die Kenntnisnahme vom (drohenden) Scheitern des Projekts, sondern erforderlich ist
die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners. Das sind diejenigen
Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer den Anspruch begründenden Norm oder einer den Anspruch
begründenden Pflichtverletzung ausfüllen einschließlich der Kenntnis vom Eintritt des Schadens und der
eigenen Schadensbetroffenheit (BGH NJW 1993, 648; 1996, 117). Bei Aufklärungspflichtverletzungen im
Rahmen einer Beratung kommt es daher auf die Kenntnis der Umstände an, aus denen sich die
Offenbarungspflicht und deren Verletzung ergeben (BGH NJW 1990, 2808; ZIP 2002, 1289; ZIP 2003, 940; ZIP
2003, 1782). Dem Landgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass ausreichend bereits die Kenntnis von
unzulänglichen Mieteinnahmen des Fonds und deren Abweichung von dem prospektierten Umfang sei und
nicht auf einzelne Pflichtverletzungen eines Beraters abzustellen sei, weil sich ein Anleger ab der
Kenntnisnahme des wirtschaftlichen Scheiterns der Anlage über alle etwaigen Pflichtenverstöße unter
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts Gewissheit verschaffen könne und müsse.
37 Stützt der Kläger - wie vorliegend - seine Klage auf eine Mehrzahl von Aufklärungsfehlern bzw. von
Prospektmängeln, muss zur Begründung des Verjährungseinwands konkret zu den Kenntnissen des Klägers
von den die Merkmale des jeweiligen einzelnen Aufklärungsmangels ausfüllenden Umständen vorgetragen und
Beweis angeboten werden. Da jede behauptete Pflichtverletzung einen eigenständigen Streitgegenstand bildet,
ist auch jede mit ihrer eigenen Verjährungsfrist ausgestattet (BGH NJW 2000, 2678; Palandt-Heinrichs, 68.
Auflage, § 204 BGB, Rn.13), so dass je gesondert für unterschiedliche Zeitpunkte von der beklagten Partei
Kenntnis darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist (vgl BGH, Urteil vom 9.11.2007 , V ZR 25/07, WM
2008, 89). Auch ein einheitlicher Vorgang, der bei natürlicher Handlungseinheit Teilakte aufweist,
beispielsweise beim Verschweigen mehrerer aufklärungsbedürftiger Umstände, beinhaltet mehrere Handlungen
und damit mehrere voreinander abgrenzbare Beratungsfehler, die verjährungsrechtlich jeweils als neue
selbständige Schädigungen zu sehen sind und die einen jeweils eigenständigen neuen Ersatzanspruch mit
eigenem Lauf der Verjährungsfrist erzeugen.
38 Hinsichtlich der von der Beklagten nicht offengelegten Rückvergütungen ist nicht ersichtlich oder konkret
vorgetragen, dass der Kläger hiervon Kenntnis erlangt hätte, bevor er von seinen Prozessbevollmächtigten und
von der Beklagten im vorliegenden Prozess hierauf hingewiesen wurde, somit nicht vor Anfang 2006. Soweit
der Kläger selbst die Entwicklung des Fonds und Unzulänglichkeiten des Prospekts im Januar 2005 und im
Februar 2005 (B 19, B 20) beanstandete, verdeutlichen seine Schreiben lediglich, dass ihm nicht bewusst war,
dass seine Beraterin vom Fonds Provisionen erhalten hatte. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis muss sich
der Kläger nicht entgegen halten lassen. Dass und in welchem Umfang seine Bank Provisionen aus dem von
ihm eingesetzten Kapital erhielt, konnte er auch bei einer intensiven neuerlichen Lektüre des Prospekts nicht
erkennen. Andere Informationsquellen, die ohne weiteres erreichbar gewesen wären, sind nicht ersichtlich.
39 4. Der Höhe nach steht dem Kläger der beanspruchte Betrag nicht in voller Höhe zu.
40 a) Der Schaden des Klägers besteht in seiner gezahlten Einlage abzüglich der Entnahmen (vgl. dazu BGH WM
2004, 1823; BGHZ 145, 121, 130; BGH ZIP 2005, 802, 803). Zu ersetzen hat die Beklagte dem Kläger die
Summe, die er für den Erwerb des aus seiner Sicht wertlos gewordenen, von der Treuhandkommanditistin
gehaltenen Fondsanteils aufgewendet hat. Das schließt über die Einlage von 20.000.- DM hinaus auch das
Agio von 5 %, also von weiteren 1.000.- DM ein. Zu erstatten sind somit zunächst 10.737,13 EUR Zug um Zug
gegen Übertragung der Anteilsrechte auf die Beklagte.
41 b) Der Kläger kann darüber hinaus auch den Ersatz von entgangenem Gewinn beanspruchen. Soweit der
Kläger ursprünglich eine erreichbare Rendite von pauschal 5 % jährlich für einen nicht genau benannten
Zeitraum geltend gemacht hatte, war ihm nach dem erstmals vom Senat erteilten Hinweis auf die
Unschlüssigkeit pauschaler Darlegungen Gelegenheit zu konkretem Vorbringen zu geben. Die ergänzte
Darstellung ist hinreichend schlüssig und wird durch die vorgelegten Erhebungen der Bundesbank (BB 4) und
den vorgelegten Depotauszug auch belegt. Danach kann mit der für § 252 BGB ausreichenden Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass der Kläger sein Geld rentierlich angelegt hätte. Dass der Erwerb von
Bundesschatzbriefen als einer sicheren Geldanlage ins Auge gefasst worden wäre, ist hinreichend dadurch
belegt, dass der Kläger diese Anlageform zuvor und in der Folgezeit mit weiteren Geldmitteln auch tatsächlich
praktiziert hat. Seine Anlageausrichtung ist hinreichend aus der Zusammensetzung seines Depots 1993 und
1996 ersichtlich.
42 Erzielbar waren eine Endrendite von 5,1 % jährlich im Zeitraum von 1996 bis 2001 und in den Folgejahren bis
2007 Renditen zwischen 2,75 % und 4,75 % jährlich. Bei laufender Wiederanlage - von der ausgegangen
werden kann - hätte der Kläger bis 1.1.2002 4.472,10 EUR erwirtschaftet und danach bei einer Neu-Investition
in Bundesschätze bis 1.2.2007 weitere 3.100,22 EUR, insgesamt also 7.572,32 EUR.
43 c) Grundsätzlich sind im Rahmen der Schadensberechnung vorteilhafte Umstände, die mit dem schädigenden
Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn
und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet noch den
Schädiger unbillig entlastet (BGH WM 2002, 813 m.w.Nachw.).
44 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind auf diesen Schaden im Wege des Vorteilsausgleichs die
aufgrund der Anlage erzielten, dauerhaften Steuervorteile anzurechnen, sofern die Ersatzleistung nicht
ihrerseits zu versteuern ist (BGHZ 159, 280, 294; BGH ZIP 2004, 1394, 1400; ZIP 2005, 254; ZIP 2006, 573;
BGHZ 172, 147 = ZIP 2007,1200, 1202).
45 Das erscheint auch im vorliegenden Fall bei einer wertenden Betrachtung nicht unbillig. Es ist davon
auszugehen, dass der Wunsch nach einer Steuerersparnis zumindest mitursächlich für die Anlageentscheidung
war. Nach dem Vortrag der Beklagten sind auch Steuervorteile entstanden. Darlegungs- und Beweislast für die
anzurechnenden Steuervorteile treffen die Beklagte, wobei der Kläger selbst eine sekundäre Darlegungslast hat
(vgl. BGHZ 140, 156, 158; Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl., vor § 284 Rdn. 34). Nur er verfügt über die insoweit
erforderlichen Kenntnisse. Deshalb ist er gehalten, die für die Berechnung der etwaigen Steuervorteile nötigen
Daten mitzuteilen. Das ist geschehen. Der Kläger räumt ein, steuerliche Vorteile von 2.547,78 EUR erzielt zu
haben. Einen größeren Vorteil vermag die Beklagte nicht konkret darzutun.
46 Der Kläger kann sich angesichts seiner Darstellung des entgangenen Gewinns nicht (mehr) darauf berufen, er
hätte eine andere steuerbegünstigte Anlage getätigt. Eine Nichtanrechnung der Vorteile ist damit nicht zu
rechtfertigen (BGH WM 2006, 174; BGH - 6.2.2006 - II ZR 329/04). Eine steuerliche Nachbelastung ist nicht zu
befürchten.
47 Ausschlaggebend ist hier der Ablauf der 10- Jahres - Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Rückabwicklung
des Immobilienfondsgeschäftes stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft dar (BFH NJW 2006, 3743).
Der Erwerb der Fondsanteile datiert aus dem Jahre 1995.
48 Anzurechnen ist darüber hinaus der Betrag von 613,55 EUR, den der Kläger insgesamt als Ausschüttung
erhalten hat.
49 Damit ergibt sich insgesamt ein an den Kläger zu erstattender Betrag von 15.148,12 EUR.
III.
50 Der Senat sieht davon ab, auf die vielfältigen weiteren vom Kläger als Prospektfehler oder unterlassene
Risikoaufklärung der Beklagten angeführten Punkte einzugehen, die Gegenstand der Erörterung mit den
Parteien in der mündlichen Verhandlung waren. Es kommt insoweit auf die rechtliche Bewertung des Senats
und die jeweils gesondert zu prüfende Frage der Verjährung für die Entscheidung nicht mehr an.
51 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
52 Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO sind nach Auffassung des Senats nicht
gegeben.