Urteil des OLG Stuttgart vom 15.12.2011

OLG Stuttgart: verfügung, anteil

OLG Stuttgart Beschluß vom 15.12.2011, 16 WF 240/11
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengerichts - Schorndorf über die Festsetzung des Verfahrenswertes vom
29.09.2011
abgeändert.
Der Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich wird auf 19.200,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Schorndorf ist die Ehe der
Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden worden.
2 Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich insgesamt dem schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich vorbehalten (§ 19 Abs. 3 VersAusglG).
3 Der Verfahrenswert für die Ehesache wurde mit 24.000,-- EUR festgesetzt (berechnet auf
der Grundlage des Einkommens des Antragsgegners von monatlich 8.000,-- EUR; die
Antragstellerin hat kein Einkommen).
4 Bei beiden Eheleuten waren jeweils vier ausgleichsreife Anrechte vorhanden. Ferner
bestehen Anrechte des Antragsgegner von ca. 300.000 Schweizer Franken nach dem
Drei-Säulen-System der Schweiz.
5 Da der Versorgungsausgleich insgesamt dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich
vorbehalten wurde, ist vom Familiengericht der Mindestwert von 1000,-- EUR nach § 50
Abs. 1 Satz 2 FamGKG festgesetzt worden.
6 Zur Begründung führt das Familiengericht sinngemäß aus: Da die Anrechte später in
einem gesonderten Verfahren mit einem Anteil von 20 % des in drei Monaten erzielten
Nettoeinkommens der Ehegatten in die Wertberechnung nach § 50 Abs. 1 FamGKG
eingehen würden, könne eine Berücksichtigung nicht bereits jetzt erfolgen (unter Hinweis
auf OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.06.2011, Az.: 10 UF 249/10, nach juris).
Insoweit würde ein nicht zu rechtfertigender Vorteil entstehen.
7 Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der
Antragstellerin mit dem Ziel der Festsetzung eines Verfahrenswertes von 19.200,-- EUR
für den Versorgungsausgleich.
8 Grundsätzlich beträgt der Wert für den Versorgungsausgleich (3 x 8.000,-- EUR x [8 x 10
%] = ) 19.200,-- EUR.
9 Bei der Anzahl der Anrechte sind nämlich sämtliche Anrechte zugrunde zu legen, die dem
Ausgleich im Grundsatz unterfallen und daher verfahrensgegenständlich sind, auch wenn
ein Ausgleich nicht stattfindet (BT-Drucks. 16/11903, S. 61).
10 Ist der nach den § 50 Abs. 1 FamGKG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen
des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert
festsetzen (§ 50 Abs. 3 FamGKG).
11 Die Möglichkeit für das Familiengericht, unter Billigkeitsgesichtspunkten von dem
rechnerisch ermittelten Wert abzuweichen, muss nach dem Willen des Gesetzgebers
gerade in solchen Fällen zur Verfügung stehen, in denen der Wert zu Umfang,
Schwierigkeit und Bedeutung der Sache in keinem vertretbaren Verhältnis steht (vgl. BT-
Drs. 16/10144, S. 111).
12 Vorliegend wurde insgesamt der schuldrechtliche Ausgleich vorbehalten. Der Sachverhalt
war nicht einfach, als zunächst die „deutschen“ ausgleichsreifen Anrechte der Eheleute
festzustellen waren. Ferner musste ermittelt werden, dass die Anrechte des
Antragsgegners in der Schweiz einen so hohen Ausgleichswert besitzen, dass durch
diese Anrechte sich die Ausgleichsberechtigung im „Gesamtsaldo“ vom Antragsgegner zur
Antragstellerin verschiebt. Es musste insgesamt eine Billigkeitsprüfung nach § 19 Abs. 3
VersAusglG erfolgen. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt zu einem weiteren Verfahren
kommt (schuldrechtlicher Ausgleich), ist schon ungewiss. Der Wert eines weiteren
selbstständigen Verfahrens spielt aber für Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der
vorliegenden Sache ohnehin keine Rolle.
13 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 59 Abs. 3 FamGKG). Ebenso nicht
veranlasst ist eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 59 I S. 5 i.
V. m. § 57 Abs. 7 FamGKG).