Urteil des OLG Stuttgart vom 21.01.2010

OLG Stuttgart (anpassung, genehmigung, gewerbesteuer, beschwerde, vorschrift, schneider, höhe, strom, lex specialis, konkrete normenkontrolle)

OLG Stuttgart Beschluß vom 21.1.2010, 202 EnWG 3/09
Energierechtliches Verwaltungsverfahren zur Genehmigung von Stromnetznutzungsentgelten:
Mehrerlösabschöpfung im Übergangszeitraum zwischen erstmaligem Antrag auf Genehmigung der
Netzentgelte und der Genehmigungserteilung; Anpassung kalkulatorischer Gewerbesteuer; Behandlung
rechtsgrundlos entstandenen Mehrerlöses; Festlegung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors
durch den Verordnungsgeber
Leitsätze
1. Ausgangsniveau:
§ 34 Abs. 3 ARegV und § 6 Abs. 2 ARegV sind im Sinne einer strikten Bindung an die Kostenbasis des letzten
nach § 23a EnWG ergangenen Genehmigungsbescheids auszulegen. Eine nachträgliche Steigerung der Kosten für
die Beschaffung von Verlustenergie ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig wie ein Risikozuschlag im Hinblick
auf eine nachträglich geänderte Rechtsprechung. Eine solche Berücksichtigung ist auch nicht unter dem
Gesichtspunkt des Härtefalls gem. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 möglich.
2. Eine Anpassung auch der kalkulatorischen Gewerbesteuer findet im Rahmen der Anpassung der
kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung gemäß § 7 Abs. 6 StromNEV nicht statt.
3. Auch im Verfahren der Anreizregulierung ist (rechtsgrundlos) entstandener Mehrerlös in der nächsten
Genehmigungsperiode entgeltmindernd in Ansatz zu bringen.
4. Die Festlegung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors durch den Verordnungsgeber in § 9 ARegV und
seine Aufnahme in die Regulierungsformel (Anlage 1 zu § 7 ARegV) findet in § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG eine
ausreichende, den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes genügenden Ermächtigungsgrundlage
und verstößt auch sonst nicht gegen die Vorgaben von § 21a EnWG (Abweichung von OLG Naumburg, Beschl. v.
05.11.2009, 1 W 6/09 (EnWG)). Bei dem generellen sektoralen Produktivitätsfaktor handelt es sich nicht um eine
Effizienzvorgabe i. S. v. § 21a Abs. 5 Satz 1 EnWG.
Rechtsbeschwerde zum BGH ist von beiden Parteien eingelegt; das Verfahren führt das Aktenzeichen EnVR
16/10.
Tenor
1. a) Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin / Beschwerdeführerin wird der Festlegungsbescheid der
Beschwerdegegnerin vom 10.12.2008
aufgehoben.
b) Die Beschwerdegegnerin wird analog § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO verpflichtet, einen Festlegungsbescheid mit
Wirkung zum 01.01.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erlassen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird durch gesonderten Beschluss festgesetzt werden.
Gründe
I.
1
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und zur
Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Neubescheidung; der Sache nach hat die sofortige Beschwerde
jedoch nur geringen Erfolg.
A.
2
Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Bescheid der
Landesregierungsbehörde/Beschwerdegegnerin im Rahmen der Anreizregulierung Strom.
3
Die Beschwerdeführerin ist ein kommunaler Eigenbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Das
Versorgungsgebiet umfasst die Gemeinde S im -kreis. Mit Bescheid vom 16.10.2008 hatte die
Beschwerdegegnerin befristet bis zum 31.12.2007 auf der Grundlage einer Kostenprüfung (Basisjahr 2004)
Netznutzungsentgelte genehmigt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde erledigten die Beteiligten
durch eine Vereinbarung (Bf. 2 = Bl. 60). Mit Bescheid vom 29.05.2008 hat die Beschwerdegegnerin befristet
bis zum 31.12.2008 auf der Grundlage einer Kostenprüfung (nun Basisjahr 2006) eine Genehmigung von
Durchleitungsentgelten ausgesprochen.
4
Mit Bescheid vom 10.01.2008 wurde der Beschwerdeführerin für die erste Anreizregulierungsperiode die
Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV genehmigt. Die Beschwerdeführerin hatte mit
Schreiben vom 29.09.2008 im Rahmen der Anhörung den Antrag gestellt, die nach gesicherten Erkenntnissen
im Jahr 2009 zu erwartenden Kosten für Verlustenergie in Höhe von 71.535,00 EUR anzuerkennen.
5
Durch Bescheid vom 10.12.2008 (Bl. 5 - 22 = Verwaltungsverfahrensakte [= VV] 145/17) hat die
Landesregierungsbehörde/Beschwerdegegnerin die Erlösobergrenzen für die erste Anreizregulierungsperiode
(2009 bis 2013 [Strom]) festgelegt. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 12.12.2008 zugestellt (VV
145/17). Am 12.01.2009 ging die dagegen gerichtete Beschwerde der Gemeinde ein, welche entsprechend
einer Fristverlängerung fristgerecht zum 12.03.2009 begründet worden ist.
6
Darin greift die Beschwerdeführerin den Bescheid im Umfang der nachfolgend im einzelnen dargestellten
Rügepunkte an.
7
Die Beschwerdeführerin beantragt:
8
Der Festlegungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10.12.2008, Az: 1-4455.4-3/145, wird aufgehoben.
Die Beschwerdegegnerin wird analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet, einen
Festlegungsbescheid mit Wirkung zum 01.01.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu erlassen.
9
Die Beschwerdegegnerin beantragt:
10
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Wirtschaftsministeriums vom 10.12.2008 wird
zurückgewiesen.
11
Sie verteidigt ihre angefochtene Entscheidung als richtig.
12
Die Bundesnetzagentur (
BNA
einzelnen Beschwerdepunkten auch Stellung genommen.
13
Hinsichtlich weiteren Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten sowie die Schriftsätze und die
Verhandlungsniederschriften Bezug genommen (§ 85 EnWG i.V.m. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B.
1.
14
a) Die sofortige Beschwerde (§§ 75 Abs. 1, 78 Abs. 1 und 3 EnWG) ist zulässig, da insbesondere frist- und
formgerecht eingelegt.
15
b) Die Bundesnetzagentur ist beteiligt worden (§ 79 Abs. 2 EnWG; vgl. BGHZ 174, 324 [Tz. 7 f.] - Beteiligung
der Bundesnetzagentur). Diese hat von ihrem Beteiligtenstatus durch Stellungnahme auch Gebrauch
gemacht.
16
c) Bedenken gegen die Antragsfassung (Verpflichtungsantrag, § 83 Abs. 4 EnWG) ergeben sich nicht (vgl.
auch Salje, EnWG [2006], § 83, 15).
17
aa) Die Festlegung von Erlösobergrenzen gemäß § 21 a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 EnWG i.V.m. ARegV und
§ 29 EnWG sind Entscheidungen im Sinn des § 75 Abs. 1 EnWG und damit der Anfechtung zugänglich
(vgl. Preedy in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG [2008], § 75, 3 i.V.m. Hanebeck ebenda § 73, 6;
Gussone in Danner/Theobald, Energierecht, § 75 EnWG [12/2008], 5).
18
bb) Auch in der Fassung als Verpflichtungsbeschwerde (§ 83 Abs. 4 EnWG) stehen
Zulässigkeitsbedenken nicht entgegen (Gussone a.a.O. § 75, 28 und 26; Preedy a.a.O. § 83, 11; vgl.
auch BGH B. v. 23.06.2009 - EnVR 76/07 [Tz. 8]). Eine Bescheidungsbeschwerde ist statthaft, wenn der
Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf den Erlass der beantragten Entscheidung hat (Salje a.a.O. §
75, 16 und 18). Ein solcher Anspruch besteht immer dann, wenn die materiellen Vorschriften zu Gunsten
des Beschwerdeführers ein Antragsrecht vorsehen oder die Vorschrift drittschützenden Charakter hat
(Gussone a.a.O. § 75, 27). Zwar ist das Anreizregulierungsverfahren ein von Amts wegen einzuleitendes
Verfahren (§ 2 ARegV). Es bedarf danach keines Antrags (Hummel in Danner/Theobald a.a.O. § 2 ARegV
[6/2008 8], 1; Ruge in Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 2. Aufl. [2008], § 18, 70).
Gleichwohl wird auch eine Beschwerde gegen die Festlegung der Erlösobergrenzen nach der ARegV in
Gestalt der Verpflichtungsbeschwerde für statthaft erachtet, auch wenn hier die Entgelte nicht auf einen
Antrag hin, sondern im Wege der amtswegigen Festlegung genehmigt werden (Gussone a.a.O. § 75, 27).
Dies trifft sich auch mit § 63 GWB, dem § 75 EnWG nachgebildet ist (Gussone a.a.O. § 75, 3; Salje
a.a.O. § 75, 1). Auch dort wird die Verpflichtungsbeschwerde nicht nur in einem reinen Antragsverfahren
für zulässig erachtet (K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. [2007], § 63, 30; ähnlich Mees
in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, GWB [2006], § 63, 10 und 11; vgl. aber Bechtold, GWB, 4. Aufl.
[2006], § 63, 9). Nimmt sich nämlich - wie hier - eine Regulierungsbehörde eines Regelkreises an, so hat
sie sich der Entscheidungsfreiheit, ob sie von Amts wegen den landesweit relevanten Sachkomplex
aufnehmen will, begeben und steht fortan unter dem Gebot rechtmäßigen Verhaltens, welches auch
Gleichbehandlung und Einheitlichkeit der Sachbehandlung einschließt. Das Rechtsschutzziel einer
Anfechtungsbeschwerde, die bloße Aufhebung der Entscheidung, führte allenfalls zu deren Beseitigung
und danach zu einem regelungsfreien Raum, obgleich die Beschwerdegegnerin durch Aufnahme der
Anreizregulierung sich selbst zu einer innerhalb ihrer Zuständigkeit flächendeckenden und einheitlichen
Befassung und Handhabung gebunden und die Antragstellerin durch Genehmigung ihrer Teilnahme am
vereinfachten Verfahren auch insoweit einen Regelungsanspruch erworben hat. Danach ist die
Antragstellerin nicht auf die bloße Anfechtung mit der möglichen Aufhebung zu verweisen, aber
andererseits auch nicht auf einen Verpflichtungsantrag, der bereits den gebotenen Bescheid in seinen
Einzelausprägungen im Antrag konkret ausweist. Zeigt ein Verfahrensbetroffener dann eine fehlsame
Behandlung, die ihn benachteiligt, auf, genügt es, die Entschließung der Behörde anzugreifen und im
Rügepunkt überprüfen und ggf. die Behörde zur Neubescheidung verpflichten zu lassen. Der Betroffene
muss nicht ein behördliches Ermittlungsverfahren selbst in Bezug auf sich fingieren, nur um durch einen
konkreten Leistungsantrag klagebefugt zu werden. Es genügt eine schlüssige Rüge, welche die Behörde
im Erfolgsfall der Beanstandung zu beachten und in ihrer amtswegigen Neuentscheidung aufzunehmen
hat.
19
Danach ist ein Verpflichtungsantrag grundsätzlich zulässig.
20
cc) Losgelöst davon ist vorliegend ohnehin ein reines Antragsverfahren im Rahmen der Anreizregulierung
betroffen, soweit auf § 4 Abs. 4 ARegV abgestellt wird. Denn nach Abs. 4 dieser Vorschrift muss die
Behörde nur auf Antrag tätig werden (vgl. auch Hummel a.a.O. § 4, 32; BR-Drs. 417/07 S. 45).
Folgerichtig hat denn auch die Entscheidung der Beschwerdegegnerin diesen Antrag ausdrücklich
„abgelehnt“.
C.
1.
21
Ausgangsniveau (§ 6 Abs. 1 ARegV).
22
a) Die Beschwerdeführerin beanstandet insoweit, dass die Beschwerdegegnerin „die Kosten für die
Beschaffung von Verlustenergie für das Jahr 2008 [hätte] berücksichtigen müssen“ (vgl. Anlage Bf. 1)“ (Bl.
41), zum andern, dass gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 ARegV und § 3 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StromNEV „die
Beschwerdegegnerin die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie für die Jahre 2009 und 2010 [hätte]
berücksichtigen müssen, da hierfür gesicherte Erkenntnisse bestanden (vgl. Anlage Bf. 1)“ (Bl. 40) und dass
im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (B. v. 14.08.2008 - KVR 42/07 - Rheinhessische Energie) auf
den Eigenkapitalzinssatz II für das wie Fremdkapital zu verzinsende Eigenkapital ein Risikozuschlag
vorzunehmen gewesen wäre. Zu ersterem sei die Beschwerdegegnerin verpflichtet, weil die Kostenbasis 2006
nicht unveränderliche, gesetzlich bindende Fiktion sei, sondern, wie „heranzuziehen“ in § 6 Abs. 2 ARegV
verdeutliche, nur eine Einstiegsgröße. Die Kosten für Verlustenergie in den Jahren 2009 und 2010 hätten auch
nicht schon im Zuge des Netzentgeltgenehmigungsverfahrens angesichts des sehr strengen Ansatzes der
Beschwerdegegnerin insoweit als gesicherte Erkenntnisse in jene Kosten eingestellt werden können. Dass
zwar keine erneute vollständige Kostenprüfung zu geschehen habe, dass aber die Kostenbasis aufzubrechen
sei, belege etwa auch § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV. Jedenfalls aber liege ein Härtefall vor, der zwar strengen
Regeln folge, aber nicht beschränkt sei auf die in den Materialien ohnehin nur als Beispiele aufgeführten
Natur-katastrophen. § 10 Abs. 2 S. 3 ARegV zeige, wann eine Änderung eines Bescheides allemal möglich
sei; diese Fallgestaltung sei vorliegend gegeben.
23
b)Verlustenergie 2008.
24
aa) § 34 Abs. 3 S. 2 ARegV bestimmt für die erste Regulierungsperiode für Teilnehmer am vereinfachten
Verfahren nach § 24, dass sich das Ausgangsniveau für die Bestimmung der Erlösobergrenzen aus den
Kosten ergibt, die im Rahmen der letzten Genehmigung der Netzentgelte nach § 23 a EnWG anerkannt
worden sind. Diese Kosten sind dann durch Inflationszuschläge auf das Jahr 2006 zu extrapolieren (§ 34
Abs. 3 S. 3). Damit sollte kleinen Netzbetreibern eine weitere aufwändige und kostspielige Kostenprüfung
für die Folgejahre erspart werden (BR-Drs. 417/07 S. 74 „zu § 34 Übergangsregelung“). Dies gilt aber nur,
soweit der Netzbetreiber im Rahmen der Genehmigung der Netzentgelte nach § 6 Abs. 2 keine Erhöhung
der Netzentgelte auf der Datengrundlage des Jahres 2006 beantragt hat (§ 34 Abs. 3 S. 2; BR-Drs. a.a.O.
S. 74; Rosin RdE 2009, 37, 38). Für Teilnehmer am vereinfachten Verfahren mit einer
Netzgeltgeltgenehmigung auf der Kostenbasis 2006 ändert sich nichts (Hummel in Danner/Theobald,
Energierecht, § 34 ARegV [6/2008], 34).
25
bb)Da die Beschwerdeführerin durch weitere Netzentgeltanträge eine konkrete Datenbasis 2006
geschaffen hat, gilt danach § 6 Abs. 2, wonach das Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Genehmigung
der Netzentgelte nach § 23 a EnWG vor Beginn der Anreizregulierung, die auf der Datengrundlage des
Geschäftsjahres 2006 oder eines früheren Geschäftsjahres basiert, heranzuziehen ist. Dabei mag mit
„heranziehen“ ein Verständnis dahin nicht grundsätzlich verwehrt sein, es handle sich nur um eine
Einstiegsgröße, eine Arbeitshilfe, anders etwa, als wenn der Wortlaut dahin gefasst worden wäre wie „gilt“
oder Wendungen von ähnlich verbindlicher Vorgabe. Doch auch Rosin a.a.O. 37 hält dafür, dass „eine
ausschließlich wörtliche Interpretation der Vorschrift ... dabei eher dafür [spricht], dass das Ergebnis der
Kostenprüfung aus dem letzten § 23 a EnWG-Bescheid in unveränderter Form als Ausgangsniveau für die
Bestimmung der Erlösobergrenze in der ersten Regulierungsperiode heranzuziehen ist“ (anders dann
wieder derselbe a.a.O. 39: nur noch „ von besonderer Bedeutung“). Für dieses Verständnis sprechen auch
systematische Gründe. § 6 Abs. 2 wie § 34 Abs. 3 ARegV sind Ausdruck eines einheitlichen
methodischen Ansatzes für das Anreizregulierungsmodell. Im Interesse einer möglichst einheitlichen
Datenbasis und zur Sicherstellung einer geordneten Abwicklung des Effizienzvergleichs ist
auszuschließen, dass aufgrund im Jahre 2008 ggf. neu gestellter Anträge der Netzbetreiber auf
Genehmigung von Netzentgelten nach § 23 a EnWG auch Ergebnisse von Kostenprüfungen zu
berücksichtigen wären, die aus dem Geschäftsjahr 2007 basieren. Ergänzend ist klar zu stellen, dass,
soweit Netzbetreiber keinen Antrag auf Genehmigung von Netzentgelten auf Basis der Kostenlage 2006
stellen, die jeweils letzte verfügbare Datengrundlage heranzuziehen ist (BR-Drs. 417/07 B. v. 21.09.2007,
S. 3; Hummel a.a.O. § 6, 5). Damit wollte der Verordnungsgeber verhindern, dass die Anreizregulierung
dadurch beeinflusst wird, dass Netzbetreiber im Jahre 2008 auch Netzentgeltanträge auf der
Datengrundlage des Geschäftsjahres 2007 stellen (Hummel a.a.O. § 6 [6/2008], 18). So wie § 34 Abs. 3
S. 3 den Datenbestand von 2004 durch pauschalierende Inflationsaufschläge auf das Niveau 2006 anhebt
(Hummel a.a.O. § 6, 22; Weyer RdE 2008, 261, 263), so lässt § 6 Abs. 2 die durch Folgegenehmigungen
konkret geschaffenen Datenbestand von 2006 als Basis gelten. Eine nachträgliche Kostenentwicklung
scheidet danach im Ansatz als Bewertungsgrundlage aus, weshalb allgemein nicht verkannt wird, dass im
ersten Jahr der Regulierungsperiode die Entgelte auf einer drei Jahre alten Kostenbasis beruhen (Richter
NVwZ 2009, 270, 272; Weyer a.a.O. 262/63 und 264). Denn damit soll eine einheitliche, konsolidierte und
belastbare Datenbasis geschaffen werden, die Grundvoraussetzung für die Durchführung des
Effizienzvergleichs ist und die erforderliche Vergleichbarkeit der Kostenangaben sicherstellt (Groebel in
Britz/Hellermann/Hermes a.a.O. § 21 a EnWG, 24; Rosin a.a.O. 40). Diese im System angelegte,
möglicherweise individuelle Ungerechtigkeit (Richter a.a.O. 273) ist im Hinblick auf das Erfordernis der
Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Regulierungsmodells grundsätzlich hinzunehmen. Danach
scheidet nach dem gesetzgeberischen Willen und dem des Verordnungsgebers, der in der Systematik der
Regelungen widergespiegelt wird, aus, eine Aktualisierung der Ergebnisse der Kostenprüfung der letzten §
23 a-EnWG-Genehmigung vorzunehmen (so aber Rosin a.a.O.). Andernfalls käme es zu einem
nachträglichen (Teil-)Genehmigungsverfahren, womit eine Grundvoraussetzung der Anreizregulierung, das
einheitliche Ausgangsniveau, verlassen würde. Dass dies die Beschwerdeführerin selbst nicht will, wird
dort deutlich, wo die Beschwerdegegnerin im Falle einer Neubescheidung auf die dann mögliche
Kostenkompensation durch eine nach neueren Erkenntnissen angeblich gebotene,
beschwerdeführerbenachteiligende Veränderung der Nutzungsdauer verweist (Bl. 78). Soweit die
Beschwerdeführerin dem entgegenhält: „ Die Beschwerdegegnerin hat demnach trotz der genannten
höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Nutzungsdauern ihrer Ermessensentscheidung hinsichtlich
der längeren betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer festgehalten. Die Beschwerdeführerin darf deshalb
darauf vertrauen, dass für den Fall einer gerichtlich veranlassten Neubescheidung keine kürzere
Nutzungsdauer bei der Neuberechnung der Netzkosten zugrunde gelegt wird“ (Bl. 317), wird augenfällig,
dass es ihr - aus ihrer Sicht legitim - einzig um eine Vorteilsregel geht. Wer aber einer Aktualisierung der
Kostenbasis zwischen 2006 und 2009 das Wort redet, müsste dies konsequenterweise auch im Sinne
einer Gegenrechnung von Einsparungen oder einer Korrektur zum eigenen Nachteil tun. Diesem dann
untechnischen Zwischengenehmigungsverfahren hat der Gesetz- wie der Verordnungsgeber aber gerade
eine Absage erteilt. Der Verordnungsgeber hat mit § 6 Abs. 2 ARegV auch aus Vereinfachungsgründen
und Gründen der Schaffung eines systembedingt einheitlichen Niveaus bei einem nicht mehr konkreten,
sondern pauschalierenden Ansatz eine ausdrückliche, Jahre zurückliegende Datenplattform installiert.
Das Fehlen genauerer Regularien spricht dagegen, ein fiktives Genehmigungsverfahren für das der ersten
Regulierungsperiode unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr durchzuführen. Eine solche Besonderheit,
weil Rückkehr zur konkret kostenbasierten, aktuellsten Einstiegsgröße durch ein aufwändiges Verfahren,
hätte als systematischer Bruch gerade einer näheren gesetzlichen Vorgabe und Ausgestaltung bedurft.
26
cc) Auch über § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ARegV ist eine Berücksichtigungsfähigkeit der Verlustenergie 2008
nicht zu erreichen.
27
(1) Eine „Anpassung“ setzt schon eine erstmalige Festsetzung der Erlösobergrenzen voraus, welche
nachjustiert werden soll. Eine erstmalige Festsetzung, welche nach dem Dafürhalten der
Beschwerdeführerin gewisse weitere Faktoren aufzunehmen habe, stellt keine Anpassung, sondern
eine Erstfestsetzung dar. Das Argument, in § 4 Abs. 4 ARegV fehle eine Abs. 3 S. 3 entsprechende
Einschränkung, ist nicht für den daran anknüpfenden Umkehrschluss tragfähig (so aber Hummel
a.a.O. § 4, 32; ebenso Weyer a.a.O. 264 und 265). Denn die Ausgangsregel findet sich in § 4 Abs. 2
S. 2 ARegV, wonach eine Anpassung der Erlösobergrenze während der laufenden
Regulierungsperiode nach Maßgabe der Abs. 3 bis 5 geschehen könne. Mit der zeitlichen
Komponente ( „während“ ) wird deutlich gemacht, dass ein durch Festlegungen bereits in sich
geschlossenes Regulierungswerk vorausgesetzt wird und es nicht um die Einflussmöglichkeit auf die
Festlegung in der ersten Regulierungsperiode durch außerhalb, sprich vor diesem Periodensystem
liegende Umstände gehen kann. Die Änderungstatbestände des § 4 Abs. 3 sind denn auch durch
Besonderheiten geprägt. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ARegV regelt die Fortschreibung der Erlösobergrenze
im Hinblick auf inflationäre Entwicklungen. Da nach der Formel in Anlage 1 die Geldwertentwicklung
des jeweiligen Vorjahres Eingang gefunden in die Bestimmung der Ersterlösobergrenze innerhalb des
Regulierungsperiodikums hat (vgl. hierzu auch Hummel a.a.O. § 8, 1 f), ist es nur folgerichtig, dass
das Anpassungssystem - ausnahmsweise - auf außerhalb des Regulierungsperiodenrahmens
liegende, aktuellste Daten als Einstiegsgrößen für das Erstjahr zurückgegriffen hat, weshalb sich
auch eine weitere und sofortige Korrektur verbietet. Damit ist nur der Umkehrschluss tragfähig, dass
die festgelegte Erlösobergrenze, sind die Voraussetzungen des Abs. 4 erfüllt, auch im Erstjahr
angepasst werden darf, nicht aber, dass eine Öffnungsgröße in der bloßen Abweichung im
Datenbestand für das Erstjahr und den Jahren vor dem Regulierungsperiodikum liege. Da auch § 4
Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ARegV auf ganz bestimmte Kalenderjahre abstellt, auch auf solche innerhalb des
Regulierungszeitraums, ist es auch dort systemimmanente Folge, dass das Erstjahr von solchen
Sonderanpassungen ausgenommen werden soll. Im Übrigen verbleibt es aber dabei, dass auch im
Erstjahr angepasst werden darf, aber entsprechend der Grundregel in § 4 Abs. 2 S. 2 ARegV nur
wegen Veränderungen während des laufenden Regulierungsverbundes und nicht wegen
(nachträglicher) Erkenntnisse, die vor dem Erstperiodenjahr liegen und nach dem System der ARegV
diese Ausgangsregel auch nicht nachträglich bestimmen sollen. Danach ist nicht gehindert, zumal
das Anpassungsverfahren des § 4 Abs. 4 ARegV als Antragsverfahren ausgestaltet ist, die
Erstfestsetzung alsbald wieder anpassen zu lassen (so auch Hummel a.a.O. § 4, 32). Die Anpassung
innerhalb des Zeitfensters des Regulierungsperiodikums kann aber nur unter den Vorgaben des § 4
Abs. 4 erfolgen.
28
(2) Eine Anpassung geschieht aber gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ARegV nur nach Maßgabe des § 10.
Damit wird der Vorgabe in § 21 a Abs. 3 S. 3 EnWG Rechnung getragen, wonach nicht vom
Netzbetreiber zu vertretende Umstände eine Änderung rechtfertigen sollen (vgl. auch Müller-
Kirchenbauer in Danner/Theobald a.a.O. § 21 a EnWG [1/2007], 46). Zwar mag mit „nach Maßgabe
des § 10“ keine vollkommene Rechtsvoraussetzungsverweisung geschehen sein. Dessen
Kerntatbestandsmerkmale gelten damit aber auch für § 4 Abs. 4 ARegV. In § 10 Abs. 1 ist klar
vorgegeben, dass ein Erweiterungsfaktor berücksichtigt werden kann, wenn während der
Regulierungsperiode sich die Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers nachhaltig ändert. Die
Änderung muss danach „während der Regulierungsperiode“ eingetreten sein. Die Änderung während
der Regulierungsperiode steht einem Normverständnis entgegen, dass sich die Belastung während
der Regulierungsperiode auch nur auswirkt oder fortbesteht. „Während“ beschränkt auf die
Regulierungsperiode und schafft zugleich eine zeitliche Zäsur, die den Schnitt beim Beginn dieser
Periode ansetzt (so auch Lotze/Thomale WuW 2008, 257, 265 f nach Hummel a.a.O. § 10, 20 FN 1;
im Ansatz ebenso Scharf IR 2008, 258, 259). Dies deckt sich auch mit den Materialien. Denn die
Vorschrift soll sicherstellen, dass Kosten für Erweiterungsinvestitionen, die sich bei einer
nachhaltigen Änderung der Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers im Laufe der Regulierungsperiode
ergeben, bei der Bestimmung der Erlösobergrenze berücksichtigt werden (BR-Drs. 417/07 S. 49 „zu §
10 Erweiterungsfaktor“). Auch diese andere Art der Umschreibung ( „... im Laufe der
Regulierungsperiode ergeben ...“ ) lässt keinen Zweifel an der Anwendung der Vorschrift dahin,
wonach die Änderung im Zeitfenster der Regulierungsperiode geschehen muss.
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(3) Soweit Hummel a.a.O. § 10, 20 ausführt: „Es werden Änderungen erfasst, die 'während der
Regulierungsperiode' vorliegen. Dies ist nach der Systematik des Erweiterungsfaktors dahingehend
auszulegen, dass die Änderungen 'während der Regulierungsperiode' andauern müssen, wenn sie
auch bereits zuvor erstmals eingetreten sein mögen. Beispiel: Die Erschließung eines Neubaugebiets
in 2007 wirkt noch in 2009 fort“ , kann ihm nicht gefolgt werden. Sein argumentativer Ansatz - der
gleiche wie derjenige der Beschwerdeführerin - ist, dass nämlich auf das Basisjahr Bezug genommen
werde (Hummel a.a.O. § 10, 19). Dieser Ansatz verfängt jedoch nicht. Wenn in Abkehr von einem
kostenbasierten Entgeltgenehmigungsverfahren die Erlöse von den Kosten periodisch abgekoppelt
werden (Hummel a.a.O. Einf ARegV 15), eine gemeinsame Datenbasis geschaffen wird (Müller-
Kirchenbauer in Schneider/Theo-bald a.a.O. § 17, 52) und für den Einstieg in diesen
Methodenwechsel ein Ausgangsniveau benötigt und durch Bezugnahme auf - hier - das Basisjahr
2006 definiert wird (§ 34 Abs. 3 ARegV; BR-Drs. 417/07 B. v. 21.09.2007 S. 3; Hummel a.a.O. § 6, 5;
Weyer RdE 2008, 261, 263; Richter NVwZ 2009, 270, 272), so ist das Basisjahr nur Parameter für
eine Wertgröße im Zeitfenster der Regulierungsperiode und jede Veränderung stellt mittelbar immer
eine Veränderung gegenüber dieser Teilgröße eines Ausgangsniveaus dar. Dieser argumentative
Kunstgriff erlaubt letztlich, das Ausgangsniveau aufzulösen und es jedweder, auch einer
rückwirkenden Korrektur zu unterwerfen. Grenzt ein System aber Änderungen zeitlich aus, kann die
mittelbare Wirkung (bloße Parameterfunktion) ihres Fortdauerns nicht zum Schlüssel
instrumentalisiert werden, die zeitliche Abschichtung zu schleifen. Nicht auf die Änderung gegenüber
der Datenbasis wird abgestellt, sondern auf die Änderung im genau bezeichneten Zeitfenster.
30
(4) Diese Sicht verträgt sich auch - wie bereits ausgeführt - damit, dass der Verordnungsgeber
erkannt und gewollt hat, dass im Zuge des Methodenwechsels ein bis zu 3-jähriger Zeitversatz
hinsichtlich der Aktualität im Datenbestand entsteht, welcher die Ausgangsgröße für die
Anreizregulierung bildet (vgl. auch Richter a.a.O. 272; Weyer a.a.O. 262/63 und 264). Dies war
geschuldet dem Umstand, dass damit eine einheitliche, konsolidierte und belastbare Datenbasis
geschaffen werden sollte, die Grundvoraussetzung für die Durchführung des Effizienzvergleichs ist,
und die erforderliche Vergleichbarkeit der Kostenangaben sicherstellt (Groebel in
Britz/Hellermann/Hermes a.a.O. § 21 a EnWG, 24; Rosin RdE 2009, 37, 40). Diese im System
angelegte, möglicherweise individuelle Ungerechtigkeit (so Richter a.a.O. 273) ist aber im Hinblick auf
das Erfordernis der Einheitlichkeit und Geschlossenheit des Regulierungsmodells grundsätzlich
hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als dem Verordnungsgeber das Problem dieses zunehmenden
Verlustes der Datenbasisaktualität nicht verborgen geblieben sein konnte, nachdem die
Anreizregulierung nicht wie geplant zum 01.01.2008, sondern gar erst zum 01.01.2009 in Wirksamkeit
gesetzt werden konnte. Gleichwohl hat es der Verordnungsgeber bei einerseits der schleichend
veraltenden Ausgangsgröße und andererseits beim Instrumentarium, das gerade dafür geschaffen
worden ist, Belastungen durch Veränderungen aufzufangen (vgl. allg. Schneider IR 2009, 170, 172),
belassen, aber mit einer zeitlichen Zäsur verbunden.
31
(5) Auch - wie in einem Parallelverfahren geltend gemacht - ist die Anwendbarkeit von § 4 Abs. 4 S. 1
Nr. 1 i.V.m. § 10 ARegV für Veränderungen zwischen Basisjahr und erstem Regulierungsperiodenjahr
nicht deshalb eröffnet, weil die Formel in Anlage 2 das Basisjahr zum maßgeblichen Referenzjahr für
die Anpassungsaussage mache und damit einen Anpassungsdruck nach § 10 ARegV schaffe. Denn
das System von § 10 Abs. 1 ist eindeutig, anschaulich und bleibt in der vorliegenden Auslegung ohne
Wertungswiderspruch zum zuvor Ausgeführten. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 ARegV wird nämlich im Falle
einer nachhaltigen Änderung der Versorgungsaufgabe dieser Änderungsumstand bei der Bestimmung
der Erlösobergrenze (abweichend) durch einen Erweiterungsfaktor berücksichtigt. Voraussetzung aber
bleibt, dass die Änderung „während der Regulierungsperiode“ eingetreten ist. Ist entsprechend Satz 1
die Änderung zeitlich und qualitativ gegeben (das Ob), dann erst gibt Satz 2 mit der Formel in der
Anlage 2 das Wie der Ermittlung des Erweiterungsfaktors vor. Dass in ihr auf das Basisjahr
zurückgegriffen wird, verwundert nicht, da das ganze Regulierungssystem auf dieser Datenbasis
gründet und im Falle eines Änderungstatbestandes darauf bezogen die Anpassung folglich zu
geschehen hat. Dass ein Sockel im Falle einer nachhaltigen Änderung des Aufbaus für dessen
Anpassung wieder Bedeutung erlangt, kann nicht als Argument dahin instrumentalisiert werden, dass
jegliche Abweichung vom Sockel die Änderung des Aufbaus notwendig mache.
32
(6) § 10 regelt zudem, dass, wächst die Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers, auch die diesem
Netzbetreiber zugebilligte Erlösobergrenze mitwachsen müsse (Hummel a.a.O. § 10, 8). Der Begriff
der Versorgungsaufgabe wird in Abs. 2 S. 1 näher erklärt; es sind dies die Fläche des versorgten
Gebietes und die von den Netzkunden bestimmten Anforderungen an die Versorgung, die sich auf die
Netzgestaltung auswirken (Hummel a.a.O. § 10, 11; Richter a.a.O. 272). § 10 erfasst nur
nachträgliche Änderungen der Versorgungsaufgaben (Pohl/Rädler RdE 2008, 306, 312). Dabei soll im
Rahmen des Anwendungsbereichs von § 10 ARegV die Erfassung von Änderungen während des
ersten Jahres der Regulierungsperiode ohnehin schon „ problematisch“ sein (Weyer a.a.O. 265; vgl.
auch Richter a.a.O. 274). Da die Versorgungsaufgabe von der Fläche und den
Versorgungsanforderungen der Netzkunden bestimmt wird, ist eine Änderung der Infrastruktur des
Netzes gemeint; da somit bloße betriebsinterne Beschaffungsvorgänge beim Netzbetreiber, die nicht
durch Flächenänderungen oder Änderung des Anforderungsprofils des Netzkunden ausgelöst sind,
eine Anwendung des § 10 nicht tragen, kann diese Vorschrift auch nicht (analog) zur Auslösung des §
4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ARegV herangezogen werden.
33
dd) Auch § 4 Abs. 4 S.1 Nr. 2 ARegV schafft zu Gunsten der Beschwerdeführerin keinen rechtlichen
Anpassungsdruck.
34
(1) Eine Änderung „während der laufenden Regulierungsperiode“ im Sinne der Grundregel des § 4 Abs.
2 S. 2 ARegV ist schon nicht bei auf das Jahr 2008 entfallender Verlustenergie eingetreten.
35
Ungeachtet dessen sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 S1. Nr. 2 auch nicht erfüllt.
36
(2) Danach muss ein unvorhersehbares Ereignis eine nicht zumutbare Härte begründen.
37
Die amtliche Begründung nennt als Beispiele für die durch unvorhersehbare Ereignisse geschaffene,
nicht zumutbare Härte Naturkatastrophen oder Terroranschläge (BR-Drs. 417/07 S. 45 „zu § 4
Erlösobergrenzen“; Hummel a.a.O. 37; allg. Richter a.a.O. 272, 273). Jedenfalls aber muss das
Ereignis unvorhersehbar sein. Dies kann bei Verlustenergie nicht angenommen werden. Denn bei den
Kosten der Beschaffung von Energie zum Ausgleich physikalisch bedingter Netzverluste (vgl. auch
Theobald/Zenke in Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 2. Auf. [2008], § 16, 210)
handelt es sich um ein nachgerade naturgesetzmäßiges technisches Dauerphänomen, welches der
Verordnungsgeber vorhergesehen (§ 10 Abs. 1 S. 1 StromNEV) und deshalb ausdrücklich als
berücksichtigungsfähige Kostenposition ausgewiesen hat (vgl. auch BGH ZNER 2008, 207 [Tz. 5 f.] -
Stadtwerke Trier; vgl. allg. auch Richter a.a.O. 273). Deshalb hat der BGH (a.a.O. [Tz. 9 f.] -
Stadtwerke Trier) es auch für möglich erachtet, die Beschaffungskosten der Verlustenergie als
gesicherte Erkenntnisse im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StromNEV über das Planjahr hinaus
anzuerkennen (ferner BGH B. v. 29.9.2009 - EnVR 39/08 [Tz.5]). Diese naturgesetzmäßige
Dauerkostenposition: Energieschwund einer unvorhersehbaren Naturkatastrophe gleichstellen zu
wollen, verlässt die gesetzgeberische Intention. Soweit Hummel sich dafür ausspricht, über den
Wortlaut hinaus den Anwendungsbereich dieser - ersichtlichen - Ausnahmevorschrift auszuweiten auf
Umstände, die zwar möglicherweise vorhersehbar waren, die aber die zuständige
Regulierungsbehörde jedenfalls bei der Entscheidung der Erlösobergrenzen nicht berücksichtigt hat
(so Hummel a.a.O. § 4, 37), setzt sich diese Auslegung unvertretbar über den Wortlaut hinweg und
ersetzt ihn praktisch durch: von der Regulierungsbehörde nicht vorgesehen. Dies würde die nach der
Verordnungsbegründung restriktive Ausnahmeregelung aber zu einer allgemeinen Korrekturvorschrift
machen, und zwar, weil die Anpassung nach § 4 Abs. 4 ARegV einzig vom Netzbetreiber beantragt
werden kann, jeweils ausschließlich nur zu seinen Gunsten. Dieser einseitige Ansatz verfehlt
Wortlaut und Sinn der Regelung.
38
(3) Im Übrigen kann nicht erkannt werden, dass eine unzumutbare Härte eingetreten wäre. Zum einen
war es der Beschwerdeführerin nach dem Regulierungssystem grundsätzlich gar nicht verwehrt
gewesen, ihre Investitionen über § 3 Abs. 1 S. 5 StromNEV als Plankosten der Jahre 2007 - und hier
- 2008 berücksichtigt zu erhalten (vgl. auch Missling in Danner/Theobald a.a.O. § 3 StromNEV
[2/2008], 21; Theobald/Zenke in Schneider/Theobald a.a.O. § 16, 69). Zum andern weist die
Beschwerdeführerin selbst aus (Bf. 1 = Bl. 58), dass die Verlustenergie schon als Kostenposition in
die Genehmigung 2006, also das Basisjahr, Eingang gefunden hatte. Diese Kostenposition ist damit
im Ausgangsniveau, auch für das erste Jahr der Regulierungsperiode, bereits erfasst und mit
abgebildet. Danach könnte allein die behauptete Steigerung eine beachtliche Härte abgeben. Der
Sprung zwischen der Verlustenergie 2006 und derjenigen von 2008 liegt nach dem Vorbringen der
Beschwerdeführerin bei 20.748,00 EUR (vgl. Bf. 1 = Bl. 58). Dass diese angebliche (Mehr-)Belastung
den Grad einer unzumutbaren Härte erreicht hätte, ist schon für sich weder dargetan noch ersichtlich.
Zudem könnte sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals auch nicht auf
die Darstellung eines punktuellen Kostenausschnittes beschränken. Vielmehr hätte eine
Gesamtdarstellung der behaupteten Nachteile sowie der in der fraglichen Zeit auch eingetretenen
Vorteile zu geschehen. Erst die Änderung der Gesamtbelastung rechtfertigte überhaupt nur eine
Korrektur, nicht bloß die isolierte Betrachtung eines möglicherweise auch überproportional
gewachsenen einzelnen Kostenpunktes. Die Richtigkeit dieser Sichtweise belegt auch § 10 Abs. 2 S.
3 ARegV, auf dessen 0,5-Wert sich die Beschwerdeführerin auch beruft. Denn auch dort wird -
folgerichtig - nur darauf abgestellt, dass „sich dadurch die Gesamtkosten des Netzbetreibers ...
erhöhen“ . Zu diesem gebotenen Ansatz verhält sich - worauf der Senat in der mündlichen
Verhandlung auch hingewiesen hat (vgl. auch Beschwerdegegnerin Bl. 75) - die Beschwerdeführerin
nicht.
39
c) Verlustenergie 2009 und 2010.
40
aa) Eine Berücksichtigung gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 ARegV i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 StromNEV kann
nicht geschehen. Diese Verlustenergien fallen in die Regulierungsperiode selbst. Sie können nicht für das
Ausgangsniveau als gesicherte Kosten fingiert werden. § 6 Abs. 2 ist die maßgebliche
Übergangsregelung für die erste Kostenprüfung vor Beginn der ersten Regulierungsperiode (Hummel
a.a.O. § 6, 3; vgl. auch § 34 Abs. 3 ARegV). § 6 Abs. 2 enthält einen Abs. 1 entsprechenden Hinweis auf
§ 3 Abs. 1 S. 5 2. Hs. StromNEV gerade nicht. § 6 Abs. 1 regelt denn auch die Ermittlung des
Ausgangsniveaus ab der zweiten Regulierungsperiode (Hummel a.a.O. § 6, 9, insbes. 16), welche
vorliegend nicht betroffen ist. Innerhalb der einzelnen Jahre einer einzigen Regulierungsperiode kann eine
gesicherte Kostenbelastung nicht dazu bemüht werden, das Ausgangsniveau des Folgejahres innerhalb
dieser Periode anzuheben. Änderungsinstrumente sind hierzu die auch von der Beschwerdeführerin
herangezogenen §§ 4 und 10 ARegV.
41
bb) Nach den obigen Ausführungen zu § 4 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 10 ARegV liegt in der behaupteten
Kostenbelastung keine Änderung der Versorgungsaufgabe. Denn diese wird nach § 10 Abs. 2 S. 1
definiert. Dabei sind unter den von den Netzkunden bestimmten Anforderungen an die Versorgung mit
Strom und Gas solche Anforderungen zu verstehen, wie sich z.B. aus der Anzahl der Anschlusspunkte,
dem Leistungs- und Energiebedarf oder der Energieeinspeisung im versorgten Gebiet ergeben (so BR-Drs.
417/07 S. 49). Eine solche Änderung der Infrastruktur wird durch erhöhte Beschaffungskosten nicht
begründet.
42
cc) Auch § 4 Abs. 4 Nr. 2 ARegV ist nicht erfüllt. Dabei ist in Bezug auf das Jahr 2010 die
Kostenanhebung rein spekulativ, da die Beschwerdeführerin schon nicht zur Verlustenergie in diesem
Jahr vorträgt (vgl. Bf. 1 = Bl. 58) noch vortragen kann. Im Übrigen gelten insoweit die vorigen
Ausführungen. Denn es fehlt an der Darstellung, dass die behauptete Erhöhung eine unzumutbare Härte
darstellen und insbesondere - und maßgeblich -, dass dies bezogen auf die gar nicht dargestellten
Gesamtkosten (also die Gesamtschau der Vor- und Nachteile im fraglichen Zeitraum) der Fall sei. Auch
hierzu erging der Hinweis des Senats (vgl. auch Beschwerdegegnerin Bl. 75).
43
d) Risikozuschlag (BGH Rechtsprechung - Rheinhessische Energie).
44
aa) Zwar hat der BGH wiederholt ausgesprochen, dass bei der Ermittlung der Höhe des
Fremdkapitalszinssatzes (§ 5 Abs. 2 StromNEV) nicht allein auf die durchschnittliche Umlaufrendite für
festverzinsliche Wertpapiere aus den letzten 10 Jahren abgestellt werden dürfe; es müsse vielmehr ein
angemessener Risikozuschlag in Ansatz gebracht werden (BGH WuW/E DE-R 2395 [Tz. 50 f.] -
Rheinhessische Energie; ZNER 2009, 257 [Tz.50] - Verteilnetzbetreiber Rhein-Main-Neckar; B. v.
29.09.2009 - EnVR 39/08 [Tz. 28]). Damit ist jedoch ein Problem der konkreten
Netzentgeltgenehmigungen gemäß § 23 a EnWG betroffen. Auch hier will die Beschwerdeführerin die
Vorteile nachträglicher Rechtsprechungserkenntnisse kostenerhöhend zum Ausgangsniveau gemäß § 6
ARegV erheben. Zwar würde damit nicht in die Bestandskraft der Netzentgeltbescheide eingegriffen, wenn
die dort anerkannten Kosten hier nur als Ausgangsreferenzgröße des neuen Kostenansatzes
herangezogen würden. Der Bescheid ist jedoch bestandskräftig. Die Beschwerdeführerin hätte durch
dessen Anfechtung die letztendliche Berücksichtigungsfähigkeit dieser Gesichtspunkte erwirken können.
Da aber - wie zu b) ausgeführt - die Kostenbasis, der bestandskräftige Entgeltbescheid, nicht wieder
gemäß § 6 Abs. 2 ARegV aufzuschnüren ist, hat auch diese Rechtsprechung vorliegend keine Beachtung
zu finden.
45
bb)Die obigen Erwägungen zu § 4 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 10 oder § 4 Abs. 4 Nr. 2 ARegV gelten auch hier.
Etliche Bescheide der Beschwerdegegnerin waren noch nicht bestandskräftig und die höchstrichterliche
Klärung von darin betroffenen Rechtsfragen stand in Teilen noch aus. Soweit Rosin (a.a.O. 40) ausführt: „
Es ist nicht zu erwarten, dass der Verordnungsgeber ‚ sehenden Auges’ eine nach den Erkenntnissen des
BGH möglicherweise rechtswidrige Verwaltungspraxis für eine gesamte Regulierungsperiode
festschreiben und damit prolongieren wollte. Dies würde auch dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit,
welches Bestandteil des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und bei jeder teleologischen
Auslegung zu berücksichtigen ist, in gravierendem Maße widersprechen“, belegt dies nur, wie wenig
unvorhersehbar diese Entwicklung war. Das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit wird ebenfalls nicht
verletzt. Vielmehr geht die Problemlage billigerweise mit der jeweiligen Entschließung eines Betroffenen
heim, ob er gegen einen Bescheid Rechtsmittel einlegt oder ihn auch in der Einschätzung dessen
(teilweiser) Rechtswidrigkeit gleichwohl hinnimmt und gegen sich gelten lässt. Andernfalls verkäme § 6
Abs. 2 ARegV oder die Härtefallklausel zur Formel, wonach alle Versorger unabhängig von Rechtsmitteln
gegen die letzte Netzentgeltgenehmigung nachträglich in den Genuss aller manifest gewordenen
Vergünstigungen gebracht werden müssten - ein einseitiges Füllhorn. Auch § 12 Abs. 1 S. 3 ARegV steht
dafür, nicht noch einmal alles im Nachhinein aufzurollen (vgl. hierzu Hummel a.a.O. § 12, 29; auch Rosin
a.a.O. 40, der daran allerdings einen Umkehrschluss anknüpft). Nicht minder gilt auch hier, dass die
Belastung nach den Gesamtkosten nicht dargestellt ist, was ohnehin Voraussetzung einer
Zumutbarkeitsbetrachtung wäre.
2.
46
Anpassung auch der kalkulatorischen Gewerbesteuer im Rahmen der Anpassung gemäß § 7 Abs. 6
StromNEV:
47
a) Gemäß § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV entscheidet über die Eigenkapitalzinssätze nach § 21 Abs. 2 EnWG die
Regulierungsbehörde in Anwendung der Absätze 4 und 5 alle zwei Jahre, erstmals, sobald die Netzentgelte im
Wege der Anreizregulierung nach § 21 a EnWG bestimmt werden, durch Festlegung nach § 29 Abs. 1 EnWG,
wobei dieser Zinssatz nach Ertragssteuern festzulegen ist. Dies ist auch geschehen. Die
Beschwerdegegnerin hat aber eine Anpassung bei der kalkulatorischen Gewerbesteuer (§ 8 StromNEV) nicht
vorgenommen, da sie § 7 Abs. 6 S. 1 für eine lex specialis gegenüber § 6 Abs. 2 ARegV erachtet, der
abschließend diese Anpassungsaufgabe regele und damit § 8 StromNEV unberührt gelassen habe. Die
Beschwerdeführerin sieht insoweit dagegen eine untrennbare Einheit.
48
b) Gemäß § 7 Abs. 6 S. 1 und 2 StromNEV sind die Eigenkapitalzinssätze vor Beginn einer
Regulierungsperiode, erstmals zum 01.01.2009, von der Regulierungsbehörde für die Dauer einer
Regulierungsperiode festzulegen. Um die Regelung nicht leer laufen zu lassen, muss zumindest die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung neu berechnet werden. Dabei wurde in Absatz 5 der
Eigenkapitalzinssatz im Interesse der Rechtssicherheit bis zur Einführung einer Einheitsregulierung auf real
6,5 % vor Körperschaftssteuer festgesetzt. Bei Einführung der Anreizregulierung hat die Regulierungsbehörde
einen Eigenkapitalzinssatz nach Steuern festzulegen. Hierbei muss sichergestellt sein, dass es einem
durchschnittlich effizienten Netzbetreiber ermöglicht wird, eine durchschnittliche Rendite zu erreichen (BR-
Drs. 245/05 S. 35/36).
49
c)In der Literatur ist - soweit ersichtlich - offen, ob das Ausgangsniveau auch hinsichtlich der kalkulatorischen
Gewerbesteuer zu korrigieren ist und ob dann auch die Veränderung aufgrund des
Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 und etwaige Veränderungen der Hebesätze zu berücksichtigen
sind. Mangels klarer Vorgaben und angesichts des engen Zeitrahmens für die Bestimmung der
Erlösobergrenzen scheint daher eine Beschränkung auf die Korrektur der kalkulatorischen
Eigenkapitalverzinsung denkbar (so Weyer a.a.O. 263; Hummel a.a.O. § 6 ARegV, 21 [„ unklar“ ]).
50
d)Mit § 8 StromNEV soll die Verzinsung des gebundenen Kapitals nach Steuern durch die kalkulatorische
Eigenkapitalverzinsung dargestellt werden (Theobald/ Zenke in Schneider/Theobald a.a.O. § 16, 48). In der
Begründung zu § 8 Strom NEV (BR-Drs. 245/05 S. 36) heißt es dort lediglich: „ Die kalkulatorische
Eigenkapitalverzinsung stellt die Verzinsung des gebundenen Eigenkapitals nach Gewerbesteuern und vor
Körperschaftssteuer dar. Die dem Netzbetreiber sachlich zuzurechnende Gewerbesteuer ist deshalb als
kalkulatorische Kostenposition anzuerkennen“. Danach soll die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung die
Verzinsung des gebundenen Eigenkapitals nach Gewerbesteuern darstellen, jedoch mit der Maßgabe, dass
die dem Netzbetrieb sachlich zuzurechnende Gewerbesteuer als kalkulatorische Kostenposition schlechthin
anzuerkennen ist, nicht aber, dass dies im Wege der vorherigen Erhöhung der Eigenkapitalverzinsung um die
Gewerbesteuer zu geschehen hat (OLG Düsseldorf ZNER 2007, 205 [juris Tz. 73]; Missling in
Danner/Theobald a.a.O. StromNEV Einführung [9/2006], 46; Schalle/Boos ZNER 2006, 20, 23; Büdenbender
DVBl. 2006, 197, 204). Nach § 8 S. 1 StromNEV kann die Eigenkapitalverzinsung (§ 7 StromNEV) als
geeignete Bemessungsgrundlage für die im Ergebnis anzusetzende kalkulatorische Gewerbesteuer
herangezogen werden; denn sie realisiert die „ sachgerechte Zuordnung der Gewerbesteuer als kalkulatorische
Kostenposition“ im Sinne des § 8 S. 1 Strom NEV (OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 73]; Brandenburgisches
Oberlandesgericht B. v. 22.04.2008 - Kart. W 3/07 [juris Tz. 137]: „ Bemessungsgrundlage“). Hätte der
Verordnungsgeber die Umlagefähigkeit nicht angeordnet, so könnte die Gewerbesteuer unabhängig von § 7
Abs. 4 Strom NEV nicht in Ansatz gebracht werden (Schalle/Boos a.a.O. 23; ebenso OLG Brandenburg B. v.
26.10.2007 VA 1/06 (Kart) [juris Tz. 153]). Im Gesetzgebungsverfahren war eine Berücksichtigung als
kalkulatorische Kostenposition abgelehnt, nur die Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten
Gewerbeertragssteuer für sachgerecht erachtet worden (vgl. OLG München B. v. 13.12.2007 - Kart. 1/06 [juris
Tz. 93]; Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O. [juris Tz. 138]; ausführl. Theobald/Zenke a.a.O. § 16,
174 f.).
51
e)Danach hat der Verordnungsgeber für das Entgeltgenehmigungsverfahren zwar die Absetzbarkeit der
kalkulatorischen Gewerbesteuer als Kostenposition anerkannt und deren Berechnung der
Eigenkapitalverzinsung folgen lassen (vgl. zu dieser Koppelungsautomatik im Entgeltgenehmigungsverfahren
ersichtlich auch: BGH ZNER 2009, 257 [Tz. 51 bis 52] - Verteilnetzbetreiber Rhein-Main-Neckar). Gleichwohl
haben beide Kostenpositionen nebeneinander isolierten Bestand. Die Verzinsung des Eigenkapitals stellt nach
§ 21 Abs. 2 S. 1 EnWG ein wesentliches Merkmal zur Sicherung der Effizienz und der
Wettbewerbsorientierung des Unternehmens dar (Groebel a.a.O § 21 EnWG, 68; Missling in Danner/Theobald
a.a.O. § 21 EnWG [6/2008], 74 und 75; allg. Salje EnWG [2006], § 21, 32). § 8 StromNEV folgt danach im
Entgeltgenehmigungsverfahren nur der Eigenkapitalverzinsung, da diese für die kalkulatorische
Gewerbesteuer bloße Bemessungsgrundlage ist. In einem Verfahren, das - wie dargestellt - nur auf das
Ergebnis der Kostenprüfung der letzten Entgeltgenehmigung abhebt (§ 6 Abs. 2 ARegV), sind die
Einzelkostenpositionen ohne Belang. Wird wegen eines für die Effizienz und Wettbewerbsorientierung
herausragenden Kostenelementes gleichwohl das Ergebnispaket aufgeschnürt, um diesen einen Parameter
abweichend einer Aktualisierung zuzuführen, rechtfertigt der Ausnahmecharakter nur die Sonderbehandlung
dieses Elementes und nötigt nicht, ein Kostenelement, das in der Paketlösung nur zum Zwecke der
Schaffung einer Bemessungsgrundlage daran angelehnt war, ebenfalls dieser ausnahmsweisen Aktualisierung
zuzuführen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass nach § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV nicht - worauf die
Beschwerdeführerin hinweist - die Eigenkapitalverzinsung geändert wird, sondern nur die
Eigenkapitalzinssätze. Dies ließe nicht als verfehlt erscheinen, angesichts der Koppelung die Änderung der
Eigenkapitalzinssätze und damit der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung in einem verzahnten
Automatismus auch auf § 8 StromNEV überspringen zu lassen. § 7 Abs. 6 ist aber in § 7 verortet. Dies mag
aus Gründen der Sachnähe und Vereinfachung geschehen sein. § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV verweist aber
nicht nur auf Eigenkapitalzinssätze, sondern auf solche nach § 21 Abs. 2 EnWG. Dort geht es aber nur um
die angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Der
Ausnahmecharakter in der Regelung § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV und auch der Umstand, dass dem
Verordnungsgeber die gesetzestechnische Verknüpfung mit § 8 StromNEV schwerlich entgangen sein kann
und er gleichwohl nur eine Regelung für die Eigenkapitalverzinsung getroffen hat, tragen nur ein enges,
wortlautgetreues Verständnis der Norm.
3.
52
Mehrerlössaldierung (Bescheid S. 11 - Ziff. 2.6) 18.246,09 EUR
a)
53
aa) Diese Art der Gewinnabschöpfung (vgl. auch Theobald/Zenke a.a.O. § 16, 84) rechtfertigt die BNA -
und gleichgerichtet die Beschwerdegegnerin - unter anderem damit: „Die so genannte ‚
Mehrerlössaldierung’ betrifft Mehrerlöse, die über die materiellen Entgeltmaßstäbe der StromNEV hinaus
von den Netzbetreibern in dem Übergangszeitraum zwischen erstmaligem Genehmigungsantrag (29.
Oktober 2005), vgl. § 118 Abs. 1b S. 1 EnWG i.d.F. v. 13.07.2005 bis 16.12.2005) und
Genehmigungserteilung erhoben wurden. Zwar durften die Netzbetreiber ihre ursprünglichen Entgelte im
Übergangszeitraum auch soweit sie über die materiellen Vorgaben der StromNEV hinausgingen nach § 23
Abs. 5 S. 1 EnWG und § 118 Abs. 1b S. 2 EnWG i.d.F. vom 13.07.2005 und 16.12.2005 vorübergehend
beibehalten. Nach § 32 Abs. 1 S. 1 StromNEV hatten die Netzbetreiber ungeachtet dieser formellen
Übergangsregelung spätestens ab dem nach § 118 Abs. 1 b S. 1 EnWG i.d.F. vom 13.07.2005 bis
16.12.2005 maßgeblichen Zeitpunkt - 29. Oktober 2005 - ihre Entgelte an die materiellen Entgeltmaßstäbe
der StromNEV anzupassen. Die in diesem Übergangszeitraum über die materiellen Entgeltmaßstäbe der
StromNEV gebildeten Mehrerlöse sind somit materiell rechtswidrig. Die Netzbetreiber haben daher kein
Recht, diese materiell rechtswidrigen Mehrerlöse endgültig zu behalten. Dies hat der Bundesgerichtshof in
der Vattenfall-Entscheidung bestätigt.....“ ( Bl. 97).
54
bb) Die Beschwerdeführerin hält im wesentlichen dafür, dass sich diese Abschöpfungsart schon nicht aus
der bezeichneten BGH-Entscheidung ergebe. Jedenfalls aber sei sie rechtswidrig, da hierfür eine
Ermächtigungsgrundlage fehle. § 9 StromNEV sei schon nicht auf das Anreizregulierungsverfahren
übertragbar, diese Vorschrift werde jedenfalls durch § 6 ARegV beschränkt. Eine Ausschüttung einer
angeblichen Bereicherung scheitere auch daran, dass es am Gegenüber fehle. Die Beschwerdeführerin
sei ein integriertes Unternehmen, sie habe gegenüber dem Vertrieb keine Netzentgelte erhoben. Und nicht
zuletzt sei eine Einberechnung in die Anreizregulierung nicht zwingend vorgegeben; denn der
Beschwerdeführerin müsse es frei stehen, den auch der Höhe nach streitigen Betrag freiwillig
auszuschütten.
b)
55
aa) Der Entscheidung BGH ZNER 2008, 217 - Vattenfall ist eindeutig zu entnehmen, das § 23 a Abs. 5
EnWG dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift kein Recht des Netzbetreibers darauf begründet, die in
der Zeit zwischen erstmaligem Genehmigungsantrag und Genehmigung vereinnahmten Netzentgelte auch
insoweit endgültig behalten zu dürfen, als diese über die entsprechenden Vorgaben der
Stromnetzentgeltverordnung gebildeten und deswegen später genehmigten Höchstpreise hinausgehen.
Schon deshalb steht § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV zu § 23 a Abs. 5 EnWG nicht in Widerspruch und
kann auch der Auffassung nicht gefolgt werden, die genannte Verordnungsvorschrift könne, weil die Norm
sonst gegen höherrangiges Recht verstoße, nicht materiell-rechtliche Grundlage für eine Mehrerlösklausel
sein (BGH a.a.O. [Tz. 19] - Vattenfall ). Ferner: Der Ausgleich des entstandenen (rechtsgrundlosen)
Mehrerlöses, den der Netzbetreiber nicht behalten darf, hat dadurch stattzufinden, dass er - entsprechend
dem Inhalt der in jenem BGH-Fall von der Antragstellerin angefochtenen, vom Beschwerdegericht
aufgehobenen Mehrerlös-Auflage - periodenübergreifend abrechnen muss (BGH a.a.O. [Tz. 20] -
Vattenfall). Die Möglichkeit, mit den Netznutzern auf der Basis der niedrigeren Entgelte abzurechnen,
scheidet aus (BGH a.a.O. [Tz. 21] - Vattenfall; ZNER 2008, 210 [Tz. 33 und 34] - Stadtwerke Engen).
Bleibt es dem Netzbetreiber danach zwar erspart, seine in Übereinstimmung von § 23 a Abs. 5 Satz 1
EnWG festgelegten Entgelte teilweise zurückzuerstatten, und dürfen ihm andererseits Mehrerlöse
dauerhaft verbleiben, so bietet es sich an, diese Mehrerlöse wie sonstige Erlöse zu behandeln, die dem
Netzbetreiber zugeflossen sind. Sie sind deshalb entsprechend der Regelung des § 9 Strom NEV in der
nächsten Genehmigungsperiode entgeltmindernd in Ansatz zu bringen (BGH a.a.O. [Tz. 22] - Vattenfall).
Dies kann zwar im Einzelfall zu Ungleichgewichten führen, weil die Lieferbeziehungen für den einzelnen
Netznutzern, den Stromversorgern, nicht in demselben Umfang auf der nächste Planperiode fortbestehen
müssen. Diese Unterschiede sind hinzunehmen. Insoweit unterscheidet sich diese Fallgestaltung nicht
von anderen Abweichungen, die nach § 11 StromNEV periodenübergreifend auszugleichen sind (BGH
a.a.O. [Tz.23] - Vattenfall; insgesamt abl. Theobald/Zenke a.a.O. 88 f., insbes. 97; ebenso anders Jacob
RdE 2009, 42, 46).
56
bb)Diese Grundsätze gelten vorliegend im Ansatz ebenfalls.
57
Dass die Beschwerdeführerin ein integriertes Unternehmen ist, ist ohne Belang. Mit ihrem Argument, es
fehle, soweit nicht einige wenige Dritte betroffen sind, angesichts ihrer integrierten Unternehmensstruktur
für einen Bereicherungsausgleich an einem Gläubiger, macht sie nur geltend, dass sie von ihrem Betrieb
kein Entgelt oder ein zu geringes erhoben hat, weshalb es nichts oder weit weniger als theoretisch
ermittelt auszugleichen gebe. Auf der Grundlage ihres eigenen Vortrages (etwa Bl. 46/47, 314 bis 315) ist
aber unstreitig, dass sie zwar nicht gegenüber ihrem Vertrieb, aber dieser als Bestandteil des
Strompreises das unberechtigte Netzentgelt weitergegeben und die Beschwerdeführerin auf diesem Wege
den Mehrerlös vereinnahmt hat. Sie muss sich aber als entflochten fingiert behandeln lassen. Sie hat
danach von oder über die Netznutzer in der maßgeblichen Übergangszeit zu hohe Entgelte vereinnahmt.
Diese sind auszugleichen. Dass die Beschwerdegegnerin ihren Genehmigungsbescheid unter keinen
Widerrufsvorbehalt gestellt oder mit keiner entsprechenden Auflage versehen hat, ist unbeachtlich. Die
Beschwerdeführerin hat mit Inkrafttreten des EnWG sowie der StromNEV wissen können, dass ihre nach
altem Recht weiter berechneten Entgelte letztlich keinen Bestand haben werden. Insoweit konnte sie
aufgrund der gesetzlichen Regelung auch nicht davon ausgehen, dass sie die höheren nach altem Recht
ermittelten Entgelte würde behalten dürfen (BGH a.a.O. [Tz. 24] - Vattenfall). Der Genehmigungsbescheid
selbst hatte diesen Zeitraum nicht zum Gegenstand, weshalb insoweit weder ein Bestandskraftschutz
noch sonst ein Vertrauensschutz erwachsen konnte. Dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit haben
müsste, den Überschuss den Nutzern zurückzuerstatten, hat der BGH verneint. Im übrigen hätte die
Beschwerdeführerin dazu auch ausreichend Zeit gehabt.
58
cc) Für das Anreizregulierungsverfahren fehlt es für diese Mehrerlösabschöpfung - entgegen der Wertung
der Beschwerdeführerin - auch nicht an einer entsprechenden Rechts-/Ermächtigungsgrundlage. Denn mit
der BGH-Entscheidung ist § 23 a Abs. 5 EnWG zu entnehmen, dass der in der Phase vor der ersten
Entgeltgenehmigung angefallene Mehrerlös nicht beim Netzbetreiber verbleiben darf, sondern -
notgedrungen und denknotwendig - in der Folgezeit des Ausgleichs bedarf. Dies stellt trotz der Verortung
aufgrund der Zeitnähe zum Entstehen des Phänomens (vor Erstgenehmigung) kein Sonderproblem des
kostenbasierten Genehmigungsverfahrens dar (vgl. auch allg. zur Mehrerlösabschöpfung im
Anreizregulierungsverfahren: Missling in Danner/Theobald a.a.O. Einführung StromNEV, 49). Zwar führt
die Verordnungsbegründung aus, dass die periodenübergreifende Saldierung nach § 11 StromNEV mit
Beginn der Anreizregulierung nicht mehr anzuwenden sei (BR-Drs. 417/07 S. 74 zu § 34 ARegV; Hummel
a.a.O. § 34, 1). Für auszugleichende Abweichungen, die im Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 entstehen,
wird die periodenübergreifende Saldierung durch das System des Regulierungskontos (§ 5 ARegV)
abgelöst (Hummel a.a.O. § 34, 17 und § 5, 36). § 34 Abs. 1 ARegV schafft aber eine notwendige
Übergangsvorschrift (BR-Drs. a.a.O. S. 74; Hummel a.a.O. § 34, 18). Durch Änderung der ARegV vom
08.04.2008 ist klargestellt, dass Abs. 1 auch im vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV entsprechend
gilt (§ 34 Abs. 1a; BR-Drs. 24/08 B. v. 15.02.2008 S. 8; Hummel a.a.O. § 34, 14 und 27). Damit wird auf
einen Ausgleichsdruck nur folgerichtig reagiert, der schon vorher materiell-rechtlich entstanden ist,
danach eine übergreifende Rechtsgrundlage findet und für die Übergangszeit eine gewisse Regelung
erfahren musste. Zwar regelt die Übergangsvorschrift des Abs. 1, wie mit den Differenzbeträgen
umzugehen ist, die in dem Zeitraum zwischen dem Wirksamwerden der ersten Netzentgeltgenehmigung
und dem 31. Dezember 2008 anfallen und bis zum 31. Dezember 2008 noch nicht ausgeglichen sind
(Hummel a.a.O. § 34, 17). Gleichwohl ergibt sich folgender Ablauf der Saldierung für Stromnetze:
Differenzbeträge aus der Quellperiode 2006, wenn für 2008 eine Entgeltgenehmigung erteilt wurde:
Verteilung zu 1/3 in die Kalkulationsperiode 2008, zu 2/3 verteilt über die Kalenderjahre 2009 bis 2013
(Hummel a.a.O. § 34, 21).
59
dd) Da der Differenzbetrag zwar nicht aus, sondern vor, aber als Folge der Quellperiodenregelung 2006
entstanden ist, hätte die Beschwerdegegnerin diesen Mehrerlös zu 1/3 bereits im Zuge des Bescheides
vom 29.05.2008 (Genehmigung bis 31.12.2008) abschöpfen/saldieren müssen (vgl. auch BGH a.a.O. [Tz.
22] - Vattenfall: „in der nächsten Genehmigungsperiode entgeltmindernd in Ansatz zu bringen“). Danach
kann von der - mit Ausnahme des Eigenkapitalzinssatzes - rechnerisch nicht angegriffenen Summe von
18.346,09 EUR nur ein Betrag von 12.230,73 EUR in die erste Anreizregulierungsperiode eingestellt
werden.
60
ee) Soweit die Beschwerdeführerin beanstandet, dass eine Verzinsung des Mehrerlösbetrages
vorgenommen worden sei, ist das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, eine solche sei gerade nicht
geschehen, unwidersprochen geblieben. Im übrigen weist dies bereits der Bescheid selbst aus (dort S.
13). Dies hat auch die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt. Die
Beschwerdegegnerin hat allerdings im - vorliegend gebotenen Fall des Neubescheidungsauftrages -
angekündigt, diesen Betrag entgegen der Handhabung im angefochtenen Bescheid zu verzinsen. Dafür
böte § 34 Abs. 1 S. 3 ARegV i.V.m. § 11 S. 3 StromNEV dem Grunde nach eine Handhabe (Hummel
a.a.O. § 34, 26; abl. Jacob a.a.O. 47).
61
ff) Dem Argument der Beschwerdeführerin, dass bei der Ermittlung dieses Mehrerlöses
(Übermaßerhebung durch alte Tarife gegenüber den dann genehmigten Netznutzungsentgelten für die dem
Antrag vorgelagerte, aber schon dem Regime des EnWG unterliegende Zeit) die Rechtsprechung des
BGH zur Bemessung der Höhe des Fremdkapitalszinssatzes, bei dem ein angemessener Risikozuschlag
in Ansatz zu bringen ist, ist ebenfalls zu folgen (vgl. hierzu BGH B. v. 29.09.2009 - EnVR 39/08 [Tz. 28];
B. v. 23.06.2009 - EnVR 76/07 [Tz. 36]; WuW/E DE-R 2395 [Tz. 50] - Rheinhessische Energie). Dies
beinhaltet die Berechnung der Beschwerdegegnerin unstreitig nicht. Insoweit steht auch nicht die
Bestandskraft des Quellperiodenbescheids 2006 entgegen. Zwar ergibt sich der Mehrerlös als Differenz
zwischen der Tariferhebung vor Genehmigung und tatsächlichem Entgeltanspruch entsprechend der
Genehmigung. Dieser Mehrerlös war jedoch nicht Gegenstand des Entgeltgenehmigungsverfahrens
(früher allerdings durch beanstandungswürdige Rückerstreckung des Bescheides vereinzelt geschehen),
sondern stellt sich nur als dessen rechnerischer Reflex dar. Wird er erhoben, ist er neu, eigenständig und
gesetzes- und verordnungsgemäß zu berechnen. Eine Bestandskrafterstreckung erfolgt insoweit nicht
(vgl. etwa insoweit zum Rechtskraftproblem bei Teilurteilen: BGH WuM 2008, 615 [Tz. 7]; Vollkommer in
Zöller, ZPO 28. Aufl. [2010], Vor. § 23, 47 und 48; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. [2009], §
322, 22 und 23). Die Beschwerdegegnerin wird im Rahmen einer Neubescheidung danach diesen
Risikozuschlag zu ermitteln und zu berücksichtigen haben. Die Beschwerdeführerin veranschlagt diesen
auf 5.155,28 EUR (Bl. 316, Bf. 7 = Bl. 418).
62
gg) Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang dann zu verrechnenden Mindererlösen in
Höhe von „ ca. 10.000,-- EUR“ gelangte (Bl. 40), hat sie diesen Einwand wieder fallen lassen (Bl. 316).
4.
63
Sektoraler Produktivitätsfaktor:
64
Mit diesem Fragekreis hatte sich der Senat bereits in den Fällen 202 EnWG 31/09 und 29/09 zu befassen,
deren Lösung er auch in den jeweiligen mündlichen Verhandlungen verlautbart hat; jene Verfahren mussten
jedoch nicht streitig entschieden werden.
65
Im den Parteien bekannten, weil auch auf Beschwerdeführerseite von nämlichen Prozessbevollmächtigten
geführten Parallelverfahren 202 EnWG 19/09 ist der Senat zur Entscheidung aufgerufen. Die dortigen
Ausführungen gelten in gleichem Maße auch hier. Diese sind:
66
„Die Aufnahme des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors in die Regulierungsformel nach § 9 ARegV
i. V. m. der Anl. 1 zu § 7 ARegV durch den Verordnungsgeber ist weder an sich noch in der (hier gem. § 9
Abs. 1 ARegV relevanten) Höhe von 1,25 % zu beanstanden.
67
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin und des OLG Naumburg (Beschl. v. 05.11.2009, 1 W 6/09
(EnWG) - Rdnrn. 52 ff. in „Juris“) ist § 9 ARegV mit den Vorgaben des § 21 a EnWG vereinbar und findet
dort eine hinreichende, den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes genügende
Ermächtigungsgrundlage.
68
aa) Richtig ist allerdings, dass der Senat dies in eigener Zuständigkeit nicht nur zu prüfen, sondern auch
zu entscheiden hat, da Regelungen in Rechtsverordnungen, die über die Grenzen der
Ermächtigungsgrundlage hinausgehen, nichtig sind (vgl. nur Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 80
Rdnr. 20 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts), und das Verwerfungsmonopol
des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (konkrete Normenkontrolle) nur
für förmliche Gesetze, nicht aber für Rechtsverordnungen gilt (BVerfGE 1, 184, 201; 48, 40, 45).
69
Damit kann offen bleiben, ob - was die BNA verneint - der Beschwerdegegnerin eine eigene
Normverwerfungskompetenz zustand, da dadurch die Prüfungskompetenzen des (Beschwerde-)Gerichts
nicht eingeschränkt werden, auch wenn dem so sein sollte.
70
bb) Es bestehen jedoch keine durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Festlegung eines
generellen sektoralen Produktivitätsfaktors durch den Verordnungsgeber und dessen Verwendung bei der
Formel zur Bestimmung der Erlösobergrenze nach § 7 ARegV (i. V. m. der Anl. 1) mit § 21 a EnWG.
71
(1) Soweit die Beschwerdeführerin - ebenso wie Teile der Literatur - die Ansicht vertritt, die Festlegung
eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors und dessen Berücksichtigung bei der Bestimmung der
Erlösobergrenze verstoße schon deshalb gegen § 21 a EnWG, weil in dessen Abs. 5 Satz 1 abschließend
aufgezählt sei, worauf die Effizienzvorgaben beruhen dürften und es sich dabei nur um die Kriterien
72
- Effizienzvergleich,
- objektive strukturelle Unterschiede,
- die inflationsbereinigte gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung,
- die Versorgungsqualität und Qualitätsvorgaben und
- gesetzliche Regelungen
73
handle (so etwa Danner/Theobald-Hummel, a.a.O., § 9 ARegV Rdnrn. 18 f. und in der Sache ebenso
Schneider/Theobald-Ruge, Recht der Energiewirtschaft, 2. Aufl., § 18 Rdnr. 33), kann dem aus folgenden
Gründen bereits im Ansatz nicht gefolgt werden:
74
(a) § 21 a Abs. 5 EnWG enthält Anforderungen für Effizienzvorgaben. Die Festlegung eines generellen
sektoralen Produktivitätsfaktors und dessen Berücksichtigung bei der Ermittlung der Erlösobergrenze ist
aber keine Effizienzvorgabe, sondern betrifft - wie die Beschwerdegegnerin und die BNA richtig gesehen
haben - § 21 a Abs. 4 EnWG, also die (anderweitigen) Vorgaben für die Erlösobergrenzen. Dies ergibt sich
aus folgenden Überlegungen: nach § 21a Abs. 4 Satz 7 EnWG ist die allgemeine Geldentwertung
auszugleichen, so dass der Verbraucherindex Bestandteil der Obergrenze und nicht der Effizienzvorgaben
ist (Britz/Hellermann/Hermes-Groebel, a.a.O., § 21 a Rdnr. 28; Danner/Theobald-Müller-Kirchenbauer,
a.a.O., § 21 a EnWG Rdnr. 50). Der vom Verordnungsgeber in § 9 Abs. 2 ARegV festgesetzte generelle
sektorale Produktivitätsfaktor stellt - schon mathematisch - einen Korrekturterm zum
Verbraucherpreisindex dar und ist damit ebenfalls Bestandteil der Vorgabe von Erlösobergrenzen und
nicht der Effizienzvorgaben (Müller-Kirchenbauer, ebenda, sowie ders., in: Schneider/Theobald, a.a.O., §
17 Rdnr. 7). Seine Festlegung ist als nähere Ausgestaltung des sachgerechten Ausgleichs der
allgemeinen Geldentwertung von § 21 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG gedeckt und stellt einen Bezug des
Verbraucherpreisindexes (VPI) - näher definiert in § 8 ARegV - zur Energiewirtschaft her, in dessen
Berechnung die gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung eingeflossen ist (Müller-Kirchenbauer, §
21 a EnWG Rdnr. 83 und Hummel, § 2 ARegV Rdnr. 9, jeweils in: Danner/Theobald, a.a.O.; vgl. zu
letzterem auch der amtlichen Begründung zur ARegV - BR-Drs.417/07 - S. 48 zu § 9: „In funktionsfähigen
Wettbewerbsmärkten zwingen die Marktkräfte die Marktteilnehmer dazu, Produktivitätsfortschritte zu
realisieren und die daraus resultierenden Zugewinne in Form niedriger Preise an die Kunden
weiterzugeben. Die allgemeine Inflationsrate drückt in diesen Märkten die Differenz zwischen der
Wachstumsrate der Inputpreise und der Rate des generellen Produktivitätswachstums aus“).
75
(b) Nicht gefolgt werden kann aufgrund dessen auch der Argumentation des OLG Naumburg (a.a.O.,
Rdnrn. 58 ff. in „Juris“), die sich auf § 21 a Abs. 5 Satz 1 EnWG stützt, denn handelt es sich
regelungstechnisch nicht um eine Effizienzvorgabe i. S. v. § 21 a Abs. 5 EnWG, kann aus der
Formulierung von dessen Satz 1 für die Unzulässigkeit der Festlegung eines generellen sektoralen
Produktivitätsfaktors nichts hergeleitet werden.
76
(c) Ferner gehen aufgrund dessen auch die weiter von Teilen der Literatur geäußerte Einwände, die
Anforderungen des § 21 a Abs. 5 Satz 4 würden nicht erfüllt (so etwa Pohl/Rädler, RdE 2008, 306, 308),
ins Leere (vgl. Müller-Kirchenbauer, in: Danner/Theobald, a.a.O., § 21 a EnWG Rdnr. 83), und ein aus §
21 a Abs. 5 Satz 5 EnWG abgeleitetes „Erfordernis der Methodenrobustheit“ (so Schneider/Theobald-
Ruge, a.a.O., § 18 Rdnr. 33) sei bei Festlegung der in § 9 Abs. 2 ARegV normierten Werte nicht
eingehalten worden, danach ins Leere, denn auch Satz 5 bezieht sich nach seiner systematischen
Stellung ausschließlich auf Effizienzvorgaben - abgesehen davon, dass sich § 21 a Abs. 5 Satz 5 über
seinen Wortlaut hinaus (wonach die Vorschrift lediglich sicherstellen will, dass eine geringfügige Änderung
einzelner Parameter nicht zu einer überproportionalen Änderung der Vorgabe führt) ein derartiges
allgemeines Erfordernis gar nicht entnehmen lässt. Für ein derartiges weites Verständnis ergibt sich auch
aus der amtlichen Begründung der Vorschrift (BT-Drs. 15/5268, S. 120 rechte Spalte) nichts, weshalb es
nicht verwundert, dass sich ein solches auch den Kommentierungen zu § 21a EnWG von Salje und
Groebel (in: Britz/Hellermann/Hermes) sowie insbesondere von Müller-Kirchenbauer (in Danner/Theobald,
a.a.O., § 21 a Rdnrn. 111 ff.) nicht entnehmen lässt.
77
(2) Ein derartiges Verständnis der gesetzlichen Regelung verstößt - entgegen der vom OLG Naumburg
vertretenen Ansicht (a.a.O., Rdnr. 71 f. in „Juris“) - weder gegen verfassungsrechtliche Vorgaben noch
stellt es eine Auslegung dar, die mit Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck der in § 21 a EnWG
enthaltenen Regelungen, insbesondere derjenigen in den Absätzen 4 bis 6 unvereinbar wäre.
78
(a) Die Grenzen, welche der Verordnungsgeber bei der Wahrnehmung ihm vom Gesetzgeber erteilter
Ermächtigungen einzuhalten hat, sind dabei vom OLG Naumburg (a.a.O., Rdnr. 53 in „Juris“) zutreffend
umschrieben worden.
79
(b) Allerdings führt entgegen der dort (Rdnr. 71 in „Juris“) vertretenen Auffassung die Anwendung dieser
Grundsätze („Selbstentscheidungsformel“, „Programmformel“ und „Vorhersehbarkeitsformel“) nicht dazu,
dass der Verordnungsgeber durch Festlegung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei einer
unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 80 GG erfolgenden Auslegung der in § 21
a Abs. 6 EnWG enthaltenen Verordnungsermächtigung deren Grenzen überschritten hätte.
80
(aa) Der Gesetzgeber hat in § 21 a Abs. 1 EnWG Grundlagen und Zielsetzung der Anreizregulierung
beschrieben sowie in Abs. 2 grundsätzlich ausgeführt, wie dies geschehen soll (Festlegung von Erlös-
oder Preisobergrenzen). Hiermit sind Zielrichtung und Wesen der Anreizregulierung „programmatisch“
hinreichend beschrieben.
81
Er hat dann neben den allgemeinen Vorgaben in § 21a Abs. 2 EnWG in den Absätzen 3 bis 5 weitere
Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung der Anreizregulierung getroffen und hat dabei grundlegende
Regelungen für die Regulierungsperiode (Abs. 3), die Festlegung der Erlösobergrenzen (Abs. 4) und die
Effizienzvorgaben (Abs. 5) getroffen.
82
Damit hat der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen und ist das Regime der
Anreizregulierung, wie es durch die ARegV dann eingeführt und näher ausgestaltet hat, hinreichend
determiniert.
83
(bb) Aus dieser Determinierung lässt sich aber kein Verbot ableiten, der Verordnungsgeber sei in dem ihm
vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen nicht berechtigt, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor
bei der Berechnung der Erlösobergrenzen einzuführen. Auch wenn dieser sicher nicht unerhebliche
Auswirkungen auf die Erlösobergrenzen hat, da er zu deren laufender Absenkung führt (in der ersten
Regulierungsperiode um jährlich 1,25 % bei sonst gleichbleibenden Parametern), bedeutet dies
angesichts der nach o. G. hinreichenden Determinierung der Anreizregulierung durch den Gesetzgeber
nicht, dass es sich schon deshalb - wie das OLG Naumburg meint (a.a.O., Rdnr: 71 in „Juris“) - um eine
„wichtige Frage“ im verfassungsrechtlichen Sinne handelt, deren Entscheidung dem Gesetzgeber
vorbehalten gewesen wäre; schließlich ist dem Verordnungsgeber nicht etwa von Verfassungs wegen
jeglicher inhaltlicher Spielraum abzuerkennen.
84
(cc) Vielmehr beinhaltet § 21 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG eine hinreichend Ermächtigungsgrundlage für
die Einführung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors.
85
Diese Bestimmung, wonach der Verordnungsgeber „die nähere Ausgestaltung der Methode einer
Anreizregulierung nach den Absätzen 1 bis 5 und ihrer Durchführung“ regeln kann, ist als
Ermächtigungsgrundlage (entgegen OLG Naumburg, a.a.O., Rdnrn. 57 f.) geeignet und ausreichend, denn
sie ist - wie der Wortlaut zeigt - ja nicht darauf beschränkt, die Methode der Effizienzvorgaben i. S. v. §
21 a Abs. 5 EnWG näher auszugestalten, sondern bezieht sich generell auf die Absätze 1 bis 5 und damit
auch auf die nähere Ausgestaltung der Erlösobergrenzen nach § 21 a Abs. 4 EnWG. Richtig ist zwar,
dass sich der Verordnungsgeber an den Zielvorgaben des Gesetzgebers orientieren muss (OLG
Naumburg, a.a.O., Rdnr. 58), doch ergeben sich diese nicht nur aus § 21a Abs. 5, sondern aus § 21a
Abs. 1 bis 5 EnWG und darüber hinaus allgemein aus § 1 EnWG. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso der
mit der Einführung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors verfolgte, vom OLG Naumburg (a.a.O.,
Rdnr. 56 in „Juris“) als Ausnutzung des vorhandenen Produktivitätspotenzials zugunsten der
Verbraucherendpreise beschriebene Zweck mit diesen Zielsetzungen unvereinbar sein soll.
86
Das dabei vom Senat vorausgesetzte Verständnis des § 21 a Abs. 6 Satz 2 als Aufzählung nicht
abschließender Regelungsbeispiele liegt nach dessen Wortlaut („insbesondere“) nahe und verstößt auch
nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Vielmehr genügen auch die in § 21 a
Abs. 6 Satz 1 aufgestellten Voraussetzungen aufgrund der hinreichenden Determinierung des dem
Verordnungsgeber vorgegebenen Regelungsprogramms in den Abs. 1 bis 4 den Anforderungen des
Grundgesetzes an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage, auch und gerade, weil diese
durch § 21a Abs. 6 Satz 2 EnWG - aber eben nicht abschließend - konkretisiert worden ist.
87
Es kommt damit gar nicht mehr darauf an, ob infolge des Umstands, dass durch die Berücksichtigung
eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors der Bezug der allgemeinen Geldentwertung
(Verbraucherpreisindex) und der sich diesem widerspiegelnden allgemeinen Produktivitätswachstum der
Gesamtwirtschaft zur Energiewirtschaft hergestellt wird, dessen Einführung von der ausdrücklichen
Ermächtigung in § 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnWG gedeckt ist (so Britz/Hellermann/Hermes-Groebel,
a.a.O., § 21 a Rdnr. 29).
88
(c) Was schließlich die Entstehungsgeschichte von § 21 a EnWG angeht, so trifft es zwar zu, dass sich
aus den Materialen nicht der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers entnehmen lässt, dem
Verordnungsgeber die Einführung eines sektoralen Produktivitätsfaktor zu ermöglichen, es lässt sich
diesen aber auch nicht entnehmen, dass ein solcher seinem Willen widerspräche.
89
Soweit die Beschwerdeführerin insoweit auf die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf
des EnWG (BT-Drs. 15/3917 S. 83 - zu Art. 1 Nr. 27) und die Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-
Drs. 15/4068 S. 4 - Nr. 24 zu Art. 1 Nr. 27) verweist, trifft es zwar zu, dass darin jeweils nur von der
„inflationsbereinigten gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung“ die Rede ist, daraus kann aber
nicht gefolgert werden, die Berücksichtigung des darüber hinaus gehenden sektoralen
Produktivitätsfortschritts solle ausgeschlossen werden.
90
Ferner ist eine ausformulierte Gesetzesnorm zur Anreizregulierung weder in der Stellungnahme des
Bundesrats noch in der Gegenäußerung der Bundesregierung enthalten gewesen, sondern erst in der
Beschlussempfehlung des federführenden Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit. (9.
Ausschuss), vgl. BT-Drs. 15/5268, S. 32 ff. Die Begründung zu diesem neu eingefügten § 21a EnWG, der
im Kern bereits der dann Gesetz gewordenen Regelung entsprach, äußert sich aber zur Frage des
Produktivitätsfortschritts überhaupt nicht (siehe BT-Drs.15/5268 S. 119 f. - Einzelbegründung zu § 21a -
neu).
91
cc) War der Verordnungsgeber befugt, einen generellen sektoralen Produktivitätsfaktor bei der
Regulierungsformel zur Berechnung der Erlösobergrenzen vorzusehen, so liegt die Bemessung von
dessen Höhe grundsätzlich in seinem Ermessen; ihm kommt überdies wie dem Gesetzgeber ein
Prognosespielraum, d. h. eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der zugrunde liegenden komplexen
Wirtschaftsverhältnisse und der hierauf anwendbaren komplexen Regulierungsmethoden zu.
92
Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber diese Grenzen überschritten hätte.
93
Die Beschwerdegegnerin und die BNA haben dargelegt, dass der gewählte Prozentsatz nicht etwa
willkürlich gewählt worden sei, sondern vielmehr darauf beruht, dass in dem von der BNA gem. § 112 a
EnWG erstellten Bericht zur Einführung der Anreizregulierung festgestellt worden ist, der tatsächliche
Produktivitätsfortschritt des Sektormarktes im Zeitraum 1977 bis 1997 habe bei 2,54 %, also deutlich
über den in § 9 Abs. 2 ARegV vorgesehenen 1,25 % gelegen (auszugsweise vorgelegt als Anl. BG 5, Bl.
69 ff., dort Rdnrn. 261 und 782 ff., Bl. 171 und 174 f.), und dass sich ein Faktor von 1,25 % auch im
Rahmen international üblicher Bandbreiten bewegt, nach dem in anderen europäischen Staaten bereits in
der Vergangenheit Faktoren zwischen 1,5 % und 2 % festgesetzt worden sind (ebenda Rdnr. 262, Bl.
171). Die BNA hatte dementsprechend im Vorfeld des Erlasses der ARegV in dem genannten Bericht die
Aufnahme eines Wertes von 1,5 % bis 2 % als generellen sektoralen Produktivitätsfaktor vorgeschlagen
(ebenda Rdnr. 824, Bl. 180). Die Festsetzung eines Wertes von 1,25 % in § 9 Abs. 2 ARegV enthält
aufgrund dessen einen hinreichend großen „Sicherheitsabschlag“.
94
Die Verwendung des „Törnquist“- anstelle des „Malmquist“-Indexes, der Umstand, dass Daten nur für die
Energieversorgung insgesamt zur Verfügung standen sowie der Umstand, dass die Daten aus den Jahren
1977 - 1997 stammten, sind weder für sich noch zusammen geeignet, das Verdikt zu rechtfertigen, der
Verordnungsgeber habe bei Festsetzung des in § 9 ARegV enthaltenen Werte willkürlich gehandelt und
seinen Prognosespielraum überschritten. Das Vorbringen, die von der BNA in ihrem Bericht ausgeführten,
im Ausland verwendeten Werte seien nicht vergleichbar, ist unerheblich. Wie ausgeführt, gilt § 21 a Abs.
5 Satz 5 EnWG und damit der Grundsatz der „Methodenrobustheit“ für den Produktivitätsfaktor nicht.
95
Auch im Übrigen ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin allenfalls geeignet, darzutun, dass die von
der BNA im Rahmen der Erstellung des Berichts gem. § 112 a EnWG getroffenen Feststellungen objektiv
falsch sind, nicht aber, dass der hierauf aufbauende Verordnungsgeber willkürlich gehandelt hat.
96
Selbst wenn die Annahmen der BNA insoweit falsch sein sollten, wäre aufgrund der
Einschätzungsprärogative des Normgebers keine Unvereinbarkeit der ARegV mit dem EnWG oder
Verfassungsrecht gegeben. Es ist daher unerheblich, ob das von PriceWaterhouseCoopers WPG im
Auftrag der EnBW erstellte Privatgutachten (Anl. Bf 1, Bl. 70 ff.) zutreffend ist oder nicht, denn selbst
wenn es dies wäre, begründete dies nach dem Gesagten keine Unvereinbarkeit der Regelungen in der
ARegV zum generellen sektoralen Produktivitätsfaktor mit dem EnWG oder dem Grundgesetz, da der
Normgeber aufgrund seiner Einschätzungsprärogative und dem ihm zukommenden Prognosespielraum
lediglich gehindert ist, willkürliche, auf keiner vernünftigen Überlegung beruhende Normen zu erlassen. Er
ist aber nicht darauf beschränkt, nur sachlich „richtige“ oder gar wissenschaftlich abgesicherte Normen
erlassen zu können. Die Beschwerdeführerin scheint in diesem Zusammenhang zu verkennen, dass der
Normgeber hier aufgrund des von der BNA gem. § 112 a EnWG erstellten Berichts auf eine relativ
fundiertere Tatsachenbasis zurückgreifen konnte als in vielen anderen Normgebungsverfahren, in denen
er sich - ohne (größere) vorangegangene, gar mit wissenschaftlichen Methoden erfolgte, Erhebungen zu
für das Normgebungsverfahren relevanten Tatsachen - mit plausiblen Annahmen begnügen muss und von
Verfassungs wegen aufgrund seiner Einschätzungsprärogative auch begnügen darf.
97
Im Übrigen ist die Einschätzung, in (bislang) monopolistisch organisierten Wirtschaftszweigen wie dem
(Strom-)Netzbetrieb seien aufgrund des Monopols bislang nicht genutzte Produktivitätspotentiale
vorhanden und ließen sich deshalb gerade in den ersten Jahren der Regulierung höhere
Produktivitätsfortschritte als in der Gesamtwirtschaft erzielen, eine derartige plausible Annahme, welche
ohne weiteres die Einführung eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors durch den Normgeber
sachlich rechtfertigen würde.“
5.
98
Mangels Spruchreife (vgl. Gussone in Danner/Theobald a.a.O. § 75, 28: Preedy in Britz/Hellermann/Hermes
a.a.O. § 83, 11) ist der Beschwerdeführerin ein Neubescheidungsauftrag (im Kern bei der neuen
Mehrerlösberechnung die Ermittlung der Risikoklassen beim Fremdkapitalzinssatz) zu erteilen. Dies - und
nicht eine eigene Ermittlung insoweit durch den Senat - ist umso mehr angezeigt, als der BGH gerade der
Beschwerdegegnerin eben diese Auftrag bereits in einem anderen Verfahren erteilt hat (BGH B. v. 23.6.2009 -
EnVR 19/08). Eine nur teilweise Aufhebung des Bescheides und nur beschränkte Fassung des
Neubescheidungsauftrags scheidet aber aus. Wie auch bei der teilweisen Aufhebung und Zurückverweisung in
§ 538 ZPO wäre dafür die Teilbarkeit des Streitstoffes wie bei einem Teilurteil oder die Trennbarkeit nach
Grund und Höhe wie beim Grundurteil Voraussetzung (vgl. hierzu etwa Rimmelspacher in Münch-Komm.,
ZPO, 3. Aufl. [2007], § 538, 70, Ball in Musielak, ZPO, 7. Aufl. [2009], § 538, 18). Daran fehlt es hier, da es
sich - ähnlich einer Schlussrechnung - um eine rechnerische Einheit handelt.
II.
99
Die Kostenentscheidung folgt § 90 EnWG. Da die Beschwerde mit ihren Rügen schon jetzt absehbar allenfalls
in nur geringfügigem Umfang durchzudringen vermag (Beschwerdeführerin selbst insoweit: maximal 5.115,28
EUR; vgl. Bl. 216, Bf. 7 = 418), entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdeführerin mit den Gerichtskosten
und der Tragung ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu belasten. Eine Kostenerstattung zugunsten der
Beschwerdegegnerin oder der Beigeladenen ist nicht angezeigt. Dies gilt bei letzterer umso mehr, als für sie
niemand am Verhandlungstermin teilgenommen hat.
100 Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen. Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit grundsätzlichen,
soweit ersichtlich bislang auch nicht obergerichtlich entschiedenen Fragen, weshalb sie einer grundsätzlichen
und auch der Rechtsvereinheitlichung dienenden Klärung durch den Bundesgerichtshof zuzuführen sind.