Urteil des OLG Stuttgart vom 27.12.2012

OLG Stuttgart: teilung, pfändung, pensionskasse, übertragung, scheidung, einziehung, wertausgleich, erlöschen, unterliegen, sicherungsabtretung

OLG Stuttgart Beschluß vom 27.12.2012, 17 UF 237/12
Leitsätze
1. Gepfändete Anrechte der privaten Altersvorsorge unterliegen dem Versorgungsausgleich.
2. Die Pfändung eines solchen Anrechts - auch nach dem Ende der Ehezeit - schließt die
Anordnung einer internen Teilung gemäß den §§ 10, 11 VersAusglG aus.
3. Gepfändete Anrechte sind nicht ausgleichsreif gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG. Der
berechtigte Ehegatte ist auf den Wertausgleich nach der Scheidung zu verweisen.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Allianz Pensionskasse AG vom 27.08.2012 wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen vom 16.07.2012, Az. 2 F 997/10 VA, in Ziff. 1 Abs. 6
des Tenors wie folgt
abgeändert :
Hinsichtlich des Anrechts der Antragstellerin bei der Allianz Pensionskasse AG (Az.: …..) bleibt
der Anspruch des Antragsgegners auf Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner
die Gerichtskosten je zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils
selbst.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1260,00 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1.
1 Das Amtsgericht - Familiengericht - Tuttlingen hat in dem Scheidungsverbundverfahren 2
F 997/10 durch Beschluss vom 26.03.2012 den Versorgungsausgleich abgetrennt und hat
mit weiterem Beschluss vom 26.03.2012 die Ehe der beiden Eheleute geschieden.
2 Mit Beschluss vom 16.07.2012 hat das Amtsgericht unter dem Az. 2 F 997/10 VA den
Versorgungsausgleich durchgeführt. Die Ehezeit i. S. d. § 3 Abs. 1 VersAusglG endete am
….
3 Hierbei hat das Amtsgericht unter Ziff. 1 Abs. 6 des Tenors wie folgt entschieden:
4 „Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei dem
Versorgungsträger Allianz Pensionskasse AG (Az.: ….) zu Gunsten des Ehemanns ein
Anrecht i. H. v. 6.508,27 EUR nach Maßgabe der Teilungsordnung in der Fassung vom
01.02.2011 und nach Maßgabe des Tarifs VGR2 (PE) sowie der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen E76APK, bezogen auf den 31. Oktober 2010, belastungsfrei
übertragen.“
2.
5 Die Allianz Pensionskasse AG hat gegen den ihr am 13.08.2012 zugestellten Beschluss
mit am 30.08.2012 beim Amtsgericht Tuttlingen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde
eingelegt.
6 Hierbei hat sie gerügt, dass das Familiengericht in seinem Beschluss vom 16.07.2012 die
interne Teilung angeordnet habe, obwohl ein wirksamer Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss vom 19.04.2011 vorliege. Die Beschwerdeführerin vertritt die
Auffassung, dass auch eine Pfändung nach Ehezeitende zu einem Ausschluss der
Teilung führe, da die Pfändung auf das Ende der Ehezeit zurückwirke. Durch das mit der
Pfändung einhergehende Verfügungsverbot sei dem Schuldner die Verfügungsbefugnis
über das Anrecht entzogen.
7 Bei einer Teilung des Anrechts würde das am (vollen) Anrecht der Antragstellerin
bestehende Pfändungspfandrecht, soweit ein neues Anrecht bei dem Antragsgegner in
Höhe des Ausgleichswerts begründet werde, erlöschen. Für den Fall der Durchführung
einer internen Teilung, wie vom Amtsgericht beschlossen, sähe sich die
Beschwerdeführerin einer Doppelzahlung ausgesetzt.
8 Der vorstehenden Problematik sei dahingehend zu begegnen, dass ein Ausgleich des
Anrechts dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten sei.
9 Die Allianz Pensionskasse AG
beantragt:
10 Der Beschluss des Familiengerichts Tuttlingen vom 16.07.2012, Az. 2 F 997/10 VA, wird
im Punkt 6 wie folgt abgeändert:
11 Der Ausgleich der Anrechte aus dem Vertrag …. bleibt gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1
VersAusglG dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten.
12 Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben zu der Beschwerde keine Stellung
genommen.
II.
1.
13 Die Beschwerde der Allianz Pensionskasse AG ist statthaft gemäß § 58 Abs. 1 FamFG
und ist auch im übrigen zulässig, insbesondere form - und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64
FamFG).
14 In Folge der in zulässiger Weise durch die Beschwerdeführerin beschränkten Anfechtung
fällt der angegriffene Beschluss dem Senat nur in dem Umfang der Beschwerde, d.h. nur
hinsichtlich des bei der Allianz Pensionskasse AG bestehenden Anrechts, zur
Überprüfung an (BGH, FamRZ 2011, 547).
15 Im Übrigen bleibt die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen
unberührt.
2.
16 Auf die Beschwerde der Allianz Pensionskasse AG war der Tenor des amtsgerichtlichen
Beschlusses in Ziff. 1 Abs. 6 abzuändern.
17 Die Allianz Pensionskasse AG hatte mit Schreiben vom 16.02.2011 Auskunft über
folgendes bei ihr geführte Anrecht der Antragstellerin erteilt.
18
Ehezeitanteil:
13.216,53 EUR
Ausgleichswert:
6.608,27 EUR
19 Die Allianz Pensionskasse AG hatte damals die Durchführung der internen Teilung des
Anrechts vorgeschlagen und hatte darauf hingewiesen, dass die Kosten der internen
Teilung in Höhe von insgesamt 200,00 EUR bei der Berechnung des Ausgleichswerts
noch nicht zur Hälfte abgezogen worden seien.
20 Mit Schreiben vom 06.05.2011 teilte die Allianz Pensionskasse AG mit, dass zu der bei ihr
geführten Versicherung der Antragstellerin eine Pfändung i. H. v. 372.921,49 EUR
ausgebracht worden sei. Eine Teilung des Anrechts sei damit nicht mehr möglich.
21 Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19.04.2011 war der Allianz
Pensionskasse AG am 27.04.2011 zugestellt worden.
3.
22 Das Anrecht der Antragstellerin bei der Allianz Pensionskasse unterliegt gemäß § 2 Abs.
Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG dem Versorgungsausgleich.
23 Die Pfändung eines grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechts
führt nicht dazu, dass ein solches Anrecht nicht mehr in den Versorgungsausgleich
einzubeziehen ist.
24 Der BGH hat noch unter der Geltung des bis August 2009 anzuwendenden materiellen
Rechts des Versorgungsausgleichs entschieden, dass selbst ein Anrecht, das zur
Sicherheit abgetreten ist, nach wie vor im Versorgungsausgleich auszugleichen ist, da es
wirtschaftlich noch dem Versicherten/Sicherungsgeber und nicht dem Sicherungsnehmer
zustehe (BGH, FamRZ 2011, 963).
25 Die Pfändung einer Geldforderung kann gemäß § 835 Abs. 1 ZPO durch Überweisung an
Zahlung statt oder - wie im hiesigen Fall - zur Einziehung erfolgen.
26 Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung bewirkt - im Gegensatz zur
Sicherungsabtretung - keinen Forderungsübergang und steht deshalb einer
Forderungsabtretung nicht gleich (BGH, NJW 2007, 2560). Die Überweisung zur
Einziehung überträgt dem Gläubiger lediglich durch Hoheitsakt die
Einziehungsberechtigung für die Forderung, die im Schuldnervermögen bleibt
(Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 835 ZPO Rn. 7, § 836 ZPO Rn. 3).
27 Bei der Pfändung eines Anrechts durch Überweisung zur Einziehung kann deshalb kein
Zweifel daran bestehen, dass dieses rechtlich und wirtschaftlich nach wie vor dem
Versicherungsnehmer/Anrechtsinhaber zusteht, weshalb es gemäß § 2 VersAusglG in den
Versorgungsausgleich einzubeziehen ist.
4.
28 Im Unterschied zu der unter der Geltung des alten Rechts vom BGH entschiedenen
Fallgestaltung bilden Anrechte bei privaten Versicherungsträgern unter der Geltung des
VersAusglG nicht bloße Rechnungsposten in der durchzuführenden Gesamtsaldierung.
29 Vielmehr wird nunmehr unmittelbar in die Anrechte eingegriffen, weil diese jeweils einzeln
zu teilen und auszugleichen sind.
30 Zum Teil wird vertreten, dass ungeachtet eines an dem Versorgungsanrecht bestehenden
Sicherungsrechts eines Drittgläubigers (für eine Sicherungsabtretung: OLG Nürnberg,
NJW 2012, 1012; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2012, 1221; auch für eine Pfändung:
Götsche, jurisPR-FamR 15/2012 Anm. 6) der Versorgungsausgleich im Wege der internen
Teilung gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG durch Übertragung des Ausgleichswerts
durchgeführt werden kann.
31 Begründet wird dies damit, dass bei der internen Teilung gemäß den §§ 10 Abs. 1, 11
VersAusglG dafür Sorge zu tragen sei, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte ein der
auszugleichenden Versorgung gleichwertiges Anrecht erhält. Dieser Grundsatz führe
dazu, dass das zu begründende Anrecht in gleicher Weise wie das bei dem
Ausgleichspflichtigen verbleibende Teilanrecht anteilig belastet bleibe.
32 Dieser Ansicht schließt sich der Senat nicht an.
33 Ihr könnte nur dann gefolgt werden, wenn tatsächlich durch den Ausgleich im Wege der
internen Teilung einem Pfandrechtsgläubiger nicht ein Teil des Sicherungsgegenstands
entzogen werden würde.
34 Der Senat geht indes davon aus, dass bei Durchführung der internen Teilung genau diese
Folge eintreten würde, weshalb gepfändete Anrechte nicht intern geteilt werden
können/dürfen, da mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs unbeteiligten Dritten
keine rechtlichen Nachteile entstehen dürfen.
a)
35 Wird eine Geldforderung gepfändet, hat das Gericht gemäß § 829 Absatz 1 S. 2 ZPO an
den Schuldner das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung zu
enthalten. Die Pfändung einer Forderung bewirkt die Beschlagnahme (Verstrickung) und
begründet für den Gläubiger ein Pfandrecht. Die Beschlagnahme entzieht die Forderung
der Verfügungsbefugnis des Schuldners. Durch die Pfändung sind dem Schuldner
Verfügungen zum Nachteil des Gläubigers verboten, u.a. auch eine Übertragung der
Forderung durch Abtretung. Dieses Verfügungsverbot entfaltet eine relative Wirkung
gemäß den §§ 135, 136 BGB mit der Folge, dass eine dennoch erfolgte - verbotswidrige -
Verfügung dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam ist.
36 Gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG überträgt das Gericht für die ausgleichsberechtigte
Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versicherungsträger, bei dem
das auszugleichende Anrecht besteht. Wie sich die interne Teilung näher vollzieht,
bestimmt sich gemäß § 10 Abs. 3 VersAusglG nach der jeweiligen Versorgungsregelung.
Diese hat den Vorgaben gemäß § 11 VersAusglG zu genügen und hat die gleichwertige
Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehezeit erworbenen Anrecht sicherzustellen
(Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 10 VersAusglG Rn. 1).
37 Die Versorgungsträger haben dadurch zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum. Bei
der Umsetzung der internen Teilung sind ihnen allerdings insoweit Grenzen gesetzt, als
sie bei einem gepfändeten Versorgungsanrecht wegen des Verfügungsverbotes gemäß
den §§ 829 Abs. 1 ZPO, 135, 136 BGB nicht mit der Übertragung eines Teiles des
Anrechts auf den Ausgleichsberechtigten unmittelbar auf das bestehende Recht des
Ausgleichsverpflichteten aus dem Versicherungsverhältnis einwirken und damit das
Pfändungspfandrecht des Drittgläubigers beeinträchtigen dürfen. Eine gleichwohl
getroffene Verfügung, wie eine Übertragung des Anrechts auf den Ausgleichsberechtigten
wäre dem Drittgläubiger gegenüber unwirksam, soweit hierdurch sein
Pfändungspfandrecht beeinträchtigt werden würde (KG, FamRZ 2012, 1218).
38 So kann, wenn zugunsten der ausgleichsberechtigten Person im Wege der internen
Teilung ein neuer Vertrag begründet werden soll, sich das zugunsten des
Pfändungspfandgläubigers bestehende Recht ohne eine Zustimmung des Drittgläubigers
gar nicht mehr an der neuen Forderung fortsetzen, sondern geht insoweit unter.
39 Auch anderweitig ist nicht denkbar, wie der Versorgungsträger, der aufgrund der
Verstrickung keine Verfügungen über das gepfändete Anrecht mit Wirkung gegen den
Pfändungspfandgläubiger treffen darf, überhaupt noch dem Ausgleichsberechtigten - ohne
Zustimmung des Pfandgläubigers - ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts verschaffen
kann.
b)
40 Selbst wenn man vertreten wollte, dass ungeachtet des relativen Veräußerungsverbots es
dem Versorgungsträger möglich sein soll, dem Ausgleichsberechtigten ein mit einem
Pfändungspfandrecht belastetes Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts zu verschaffen,
würde eine interne Teilung daran scheitern, dass dem Pfandrechtsgläubiger wegen der
Teilungskosten ein Teil des Sicherungsgegenstands entzogen werden würde (KG, a. a.
O.; Gutdeutsch, Abgetretene, verpfändete oder gepfändete Anrechte im
Versorgungsausgleich - die Zweite, FamRB 2012, 187).
41 Die Teilungskosten des Versorgungsträgers (im hiesigen Fall in Höhe von 200,00 EUR)
sind gemäß § 13 VersAusglG von den beteiligten Ehegatten jeweils hälftig zu tragen. Sie
schmälern das verbleibende bzw. das neu zu begründende Anrecht; die interne Teilung
würde damit zu einer Beeinträchtigung des Pfändungspfandrechts des Drittgläubigers
führen, die aufgrund der mit der Pfändung verbundenen Sicherung des Drittgläubigers mit
Wirkung gegenüber diesem ausgeschlossen ist.
c)
42 Weiterhin bestehen für den Senat auch Zweifel, ob für den Fall, dass man die Begründung
eines durch Sicherungsrechte belasteten Anrechtes beim Ausgleichsverpflichteten
entgegen den vorstehenden Ausführungen zu Ziff. 4 a und 4 b überhaupt für möglich hält,
hierbei dem Erfordernis des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VersAusglG – der Übertragung eines
„eigenständigen“ Anrechtes – ausreichend Rechnung getragen werden würde. Denn das
zu übertragende Anrecht darf nicht an die Person des Verpflichteten gebunden sein
(Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 VersAusglG Rn. 5). Rein
formal wären diese Voraussetzungen auch bei der Übertragung eines belasteten
Anrechtes erfüllt, da das neue Anrecht insofern nicht an die Person des
Ausgleichsverpflichteten gebunden ist, dass es bei seinem Tod gemindert werden oder
erlöschen würde. Allerdings dürfte die Begründung eines gepfändeten Anrechts dem
hinter § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VersAusglG stehenden Rechtsgedanken, nämlich ein
unabhängiges versorgungsrechtliches Verhältnis zwischen dem Ausgleichsberechtigten
und dem Versorgungsträger zu begründen (vgl. Johannsen/Henrich/Holzwarth, a.a.O.),
widersprechen. Denn der Bestand des Versorgungsanrechtes wäre vom
Zahlungsverhalten bzw. der Liquidität des Ausgleichverpflichteten abhängig und damit
hinsichtlich seines (wirtschaftlichen) Bestandes von dessen Person gerade nicht
unabhängig (OLG Schleswig, FamRZ 2012, 1220; OLG Stuttgart, Beschluss vom
01.06.2012, 15 UF 81/12).
5.
43 Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass im hiesigen Fall die Besonderheit besteht,
dass die Pfändung des Anrechts erst nach dem Ende der Ehezeit (31.10.2010) durch
Pfändungsbeschluss vom 19.04.2011 erfolgt ist.
44 Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung das
Ende der Ehezeit. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG sind indes rechtliche oder
tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil
zurückwirken, zu berücksichtigen.
45 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Rückwirkung auf das Ende
der Ehezeit vor, wenn nachehezeitlich ein Kapitalwahlrecht bei einer Rentenversicherung
ausgeübt wird, womit das Rentenrecht des Berechtigten entfällt und durch einen Anspruch
aus der Kapitallebensversicherung ersetzt wird. Ein solches Anrecht kann nicht mehr im
Versorgungsausgleich berücksichtigt werden (BGH, FamRZ 2012, 1039; FamRZ 2011,
1931).
46 Ebenso hat der Bundesgerichtshof bezüglich eines nachehezeitlichen Wertverlusts einer
fondsgebundenen privaten Altersversorgung entschieden, dass es sich insoweit um eine
tatsächliche nachehezeitliche Veränderung handelt, die auf den Ehezeitanteil zurückwirkt.
Denn soweit ein auszugleichendes Anrecht nicht mehr vorhanden sei, komme ein
Versorgungsausgleich nicht mehr in Betracht. Nur im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen
Entscheidung noch dem Versorgungsausgleich unterfallende Anrechte können in diesen
einbezogen werden. Das gelte entsprechend, wenn ein ehezeitlich erworbenes Anrecht im
Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung nur noch mit einem geringeren Wert
vorhanden ist (BGH, FamRZ 2012, 694).
47 Anders als die Beschwerdeführerin vorträgt, bringt eine Pfändung das Anrecht zwar nicht
zum „Erlöschen“. Wenn entsprechend vorstehender Rechtsprechung des
Bundesgerichtshof ein Anrecht jedoch nur noch in dem Umfang ausgeglichen werden
kann, in der es zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorliegt, kann auch
nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Anrecht nach Ehezeitende gepfändet worden ist.
Auch bei dem Umstand, dass das Anrecht nunmehr mit einem Pfändungspfandrecht
belastet ist, handelt es sich um eine rechtliche Veränderung, die im Ergebnis auf das
Ehezeitende zurückwirkt und bei der tatrichterlichen Entscheidung zu berücksichtigen ist
(siehe auch OLG Naumburg, FamRZ 2012, 1057; Kemper/Norpoth, Abgetretene,
verpfändete und gepfändete Anrechte im Versorgungsausgleich, FamRB 2011, 284, 287).
6.
48 Die Pfändung nach Ehezeitende führt auch nicht dazu, dass aus einem anderen Grund,
nämlich wegen der Anwendung des § 29 VersAusglG eine interne Teilung - anders, als
bei Pfändungen vor Ehezeitende - durchgeführt werden könnte.
49 Das OLG Naumburg hat hierzu die Auffassung vertreten (FamRZ 2012, 1057), dass das
Leistungsverbot gemäß § 29 VersAusglG dazu führe, dass hierdurch dem
Versorgungsausgleich unterliegende Ansprüche vor einem Zugriff durch Dritte geschützt
seien, weshalb eine Pfändung nach Ehezeitende bei der Durchführung des
Versorgungsausgleichs unbeachtlich bleibe.
50 Der Ausgleichspflichtige könne wegen § 29 VersAusglG nicht mehr über seine private
Altersvorsorge verfügen, da dem Versicherungsträger verboten sei, Leistungen zu
erbringen. Dem gleichgesetzt sei der Fall, dass der Ausgleichspflichtige durch eigenes
vertragswidriges Handeln einen Zugriff Dritter auf die Altersvorsorge ermögliche. Dies sei
auch dann der Fall, wenn der Ausgleichspflichtige titulierte Forderungen unbezahlt lasse
und dadurch Pfändungen eines Dritten in ein dem Versorgungsausgleich unterliegendes
Anrecht ermögliche.
51 Zwar wird der Versorgungsträger bis zum Abschluss eines Verfahrens über den
Versorgungsausgleich gemäß § 29 VersAusglG verpflichtet, Zahlungen an die
ausgleichspflichtige Person zu unterlassen, die sich auf die Höhe des Ausgleichswerts
auswirken können.
52 Dieses Leistungsverbot bietet dem Ausgleichsberechtigten jedoch nur einen sehr
bedingten Schutz. Es enthält zwar eine Unterlassungsverpflichtung des
Versorgungsträgers, die - bei Verschulden - Schadensersatzpflichten auslösen kann.
53 Es enthält allerdings kein relatives Verfügungsverbot im Sinne des § 135 BGB
(Johannsen/Henrich/Hahne, a. a. O., § 29 VersAusglG Rn. 2; Ruland,
Versorgungsausgleich, 3. Auflage, 5. Kapitel Rn. 491).
54 Insbesondere bewirkt dieses Leistungsgebot nicht, wie vom OLG Naumburg
angenommen, dass das Anrecht nicht mehr mit dinglicher Wirkung übertragbar und damit
unpfändbar gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ist.
55 § 29 VersAusglG steht damit im Ergebnis der Entstehung eines Pfändungspfandrechts
und der damit einhergehenden Verstrickung auch bei einer Pfändung nach Ehezeitende
nicht entgegen.
7.
56 Da die gepfändete Forderung weder aus dem Vermögen der Antragstellerin
ausgeschieden noch die Zwangsvollstreckung beendet ist, unterliegt sie trotz Bestehens
eines vorrangigen Rechts dem Versorgungsausgleich (BGH, FamRZ 2011, 963 zum alten
Recht; KG FamRZ 2012, 1218). Damit ist sie grundsätzlich auszugleichen.
57 Der Senat folgt hierzu nicht der in der Literatur vertretenen Ansicht, die zwar nicht
anzweifelt, dass ein gepfändetes Anrecht „an sich“ rechtlich dem Versorgungsausgleich
unterliege, wonach aber wegen einer gebotenen teleologischen Reduktion des § 2
VersAusglG gepfändete Anrechte nicht in den Versorgungsausgleich, sondern in den
Zugewinnausgleich einzubeziehen seien, da deren Einbeziehung in den
Versorgungsausgleich Probleme aufwerfen würde, die sich mit den Instrumenten des
Versorgungsausgleich nicht lösen lassen (Kemper/Norpoth, Abgetretene, verpfändete und
gepfändete Anrechte im Versorgungsausgleich, FamRB 2011, 284).
58 Für diese „teleologische Reduktion fehlt es an einer ausreichenden Grundlage (siehe
auch Schwamb, FamRB 2012, 140, 141).
59 Denn der bestehende Konflikt zwischen der auf dem Pfändungspfandrecht basierenden
Rechtsposition des Drittgläubigers, dessen Recht nicht angetastet werden darf, dem
Interesse der Ehefrau, an den vom Ehemann während der Ehezeit erworbenen
Versorgungsanrechten beteiligt zu werden, und dem schützenswerten Interesse des
Versorgungsträgers, nicht auf das Anrecht einwirken zu können und damit Gefahr zu
laufen, Leistungen sowohl an die Ehefrau als auch an den Drittgläubiger erbringen zu
müssen, kann dadurch gelöst werden, dass bezüglich des betreffenden Anrechts der
Wertausgleich nach der Scheidung entsprechend § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG
vorbehalten bleibt (KG, a. a. O.; OLG Schleswig, FamRz 2012, 1220; OLG Stuttgart,
Beschluss vom 01.06.2012, 15 UF 81/12; Gutdeutsch, Abgetretene, verpfändete oder
gepfändete Anrechte im Versorgungsausgleich - die Zweite, FamRB 2012, 187;
Schwamb, a. a. O.).
60 § 19 Abs. 1 S. 2 VersAusglG nimmt Bezug auf § 5 Abs. 2 VersAusglG, weshalb bei der
Prüfung einer etwaigen fehlenden Ausgleichsreife spätere Veränderungen bei den
Anwartschaften nach dem Ende der Ehezeit, aber vor der Entscheidung über den
VersAusgl, hier eine Pfändung, mit zu berücksichtigen sind.
61 Derzeit ist es unsicher, ob, wann und in welchem Umfang sich der
Pfändungspfandgläubiger aus dem Pfändungspfandrecht befriedigen wird. Es lässt sich
damit noch nicht hinreichend sicher bestimmen, inwieweit das bei der Beschwerdeführerin
geführte Versorgungsanrecht endgültig und in welcher Höhe beim
ausgleichsverpflichteten Ehegatten verbleibt.
62 Damit ist das Anrecht als nicht ausgleichsreif gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VersAusglG
anzusehen. § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt
(vgl. BT-Drucksache 16/10144, S. 62) nicht abschließend, sondern es handelt sich um
einen Auffangtatbestand.
63 § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist damit einer erweiternden Auslegung auch dahingehend
zugänglich, dass er dann angewendet werden kann, wenn offen ist, inwieweit ein
Sicherungsrecht eines Drittgläubigers in der Zwangsvollstreckung realisiert werden wird
und deshalb eine interne Teilung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist (vgl. BT-
Drucksache 16/11903, S. 108 f.; MünchKomm/Gräper, BGB, 5. Aufl. 2010, § 19
VersAusglG Rn. 6).
III.
64 Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne erneute mündliche
Anhörung.
65 Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1, Abs. 3 FamFG.
66 Die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40 Abs. 1, 50 Abs.
1 S. 1 FamGKG.
67 Zwar ist es gemäß § 224 Abs. 4 FamFG ausreichend, wenn Anrechte, die für
Ausgleichsansprüche nach der Scheidung verbleiben, nur in der Begründung benannt
werden. Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, hält es der Senat - zumindest in Fällen,
in denen es in der Beschwerdeinstanz ausschließlich um ein Anrecht geht, bezüglich
dessen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten bleiben - zur Klarstellung
für zweckmäßig, diesen Vorbehalt auch im Tenor zum Ausdruck zu bringen (so auch KG,
FamRZ 2012, 1218; Prütting/Helms/Wagner, FamFG, 2. Aufl., § 224 Rn. 17; Zöller/Lorenz,
ZPO, 29. Aufl., § 224 FamFG Rn. 19).
68 Die Rechtsbeschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 70 Abs. 2 S.1 Nr.
1 FamFG zur Klärung der Frage zugelassen, ob Anrechte der privaten Altersvorsorge, die
gepfändet worden sind, der internen Teilung unterliegen und falls dies zu verneinen ist, ob
solche Anrechte dem Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten bleiben.