Urteil des OLG Stuttgart vom 09.10.2008

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OLG Stuttgart Beschluß vom 9.10.2008, 8 WF 165/08
Abänderung der Prozesskostenhilfe: Pflicht zum Einsatz eines Bausparguthabens bei dessen
Verwendung zur Tilgung eines nicht fälligen Darlehens
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts
Reutlingen - Familiengericht - vom 6. Juni 2008, Az. 3 F 902/06, wird
zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
1.
1
Im Hauptsacheverfahren wegen Ehescheidung und Folgesachen wurde dem Antragsteller mit Beschluss vom
13. September/27. Oktober 2006 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungspflichten bewilligt. Die Familiensache
wurde beendet durch Urteil vom 26. März 2007, mit dem die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben
wurden.
2
Mit Beschluss vom 6. Juni 2008 hat die Rechtspflegerin die sofortige Zahlung aller auf den Antragsteller
entfallenden Gerichts- und Anwaltskosten (1.405,05 EUR) angeordnet. Gegen die am 11. Juni 2008 zugestellte
Entscheidung hat der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten am 11. Juli 2008 sofortige
Beschwerde eingelegt, der die Bezirksrevisorin entgegen getreten ist.
3
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
4
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, §
11 Abs. 1 RpflG). Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet.
5
Gem. § 120 Abs. 4 ZPO ist innerhalb der Vierjahresfrist eine nachteilige Änderung des Prozesskostenhilfe-
Bewilligungsbeschlusses möglich und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens geboten, wenn sich die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach Erlass der PKH-Entscheidung
wesentlich verbessert haben (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 120 Rdnr. 9 m. w. N.).
6
Der Prozesskostenhilfebewilligung ohne Zahlungsverpflichtungen lag eine Erklärung des Antragstellers über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 21. Juli 2006 zu Grunde, aus der sich ein
Kapitalvermögen aus einem Bausparguthaben von 2.933,64 EUR, einer Lebensversicherung von ca. 2.000
EUR und einem Investment-Fond ("Riester-Rente") von 573,37 EUR ergab.
7
Entsprechend der neuen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28. April 2008
hat sich dieses Kapitalvermögen erhöht bei dem Bausparguthaben auf 5.092,60 EUR, der Lebensversicherung
auf 2.243,03 EUR und dem Investment-Fond auf 1.208,29 EUR.
8
Im angefochtenen Beschluss wurde der Einsatz des Bausparguthabens zur Begleichung der Prozesskosten
von 1.405,05 EUR als zumutbar angesehen.
9
Diesbezüglich liegt eine wesentliche Verbesserung der Vermögenssituation des Antragstellers vor.
10 Es handelt sich hierbei - in dieser Größenordnung - auch nicht um Schonvermögen im Sinne des § 90 Abs. 2
Nr. 9 SGB XII. Denn hierzu zählen nur kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte, bei denen die
Rechtsprechung die Schongrenze von derzeit 2.600 EUR und zusätzlich von 256 EUR für jeden
Unterhaltsberechtigten beachtet (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4.
Aufl. 2005, Rdnr. 348 m. w. N.; Philippi in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 115 Rdnr. 57 m. w. N.).
11 Wird der Schonbetrag von 2.600 EUR für den Antragsteller und 256 EUR für seine jetzige Ehefrau in Abzug
gebracht, verbleiben immer noch 2.236,60 EUR, von denen die Verfahrenskosten von 1.405,05 EUR ohne
weiteres bezahlt werden können bzw. konnten.
12 Der Einsatz dieses Vermögens zur Begleichung der Prozesskosten ist dem Antragsteller auch zumutbar, weil
es sich nicht um zweckgebundenes Kapitalvermögen handelt (Philippi, a. a. O., Rdnr. 59 und 60 m. w. N.).
Denn Bausparguthaben, die wesentlich über den Freibeträgen des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII liegen, sind im
Regelfall für die Begleichung der Verfahrenskosten einzusetzen, insbesondere dann, wenn sie zuteilungsreif
sind (BGH Rpfleger 2007, 612; BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2007, Az. XII ZB 55/07).
13 Hierzu fehlt jeglicher Vortrag des Antragstellers. Er hat vielmehr dargelegt, dass er das Guthaben zur
Anschaffung eines neuen PKW habe verwenden wollen, jetzt aber damit ein zinsloses, unbefristetes und nicht
gekündigtes Darlehen seines Vaters über 5.807 EUR für die Anschaffung einer Studio-Musikanlage und eines
Unterrichts-Schlagzeugs getilgt habe.
14 Zwar wurde das Darlehen aufgenommen zur Anschaffung von Gegenständen für die Erwerbstätigkeit des
Antragstellers als Musiker (§ 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII). Hieraus folgt aber nur eine Unverwertbarkeit dieser
Gegenstände zum Zwecke der Begleichung von Prozesskosten, nicht aber eine "Nachrangigkeit" des
Rückerstattungsanspruchs des Staates bezüglich der von ihm verauslagten und gestundeten Anwalts- und
Gerichtskosten gegenüber der Rückzahlung einer nicht fälligen Darlehensforderung (§ 488 Abs. 1 und Abs. 3
BGB). Denn die Prozesskostenhilfebewilligung stellt eine Sozialhilfeleistung des Staates dar und bewirkt
insoweit lediglich eine Stundung der Verfahrenskosten, nicht aber eine endgültige Freistellung von ihnen zu
Lasten der Allgemeinheit, sofern die Partei zur Rückzahlung in der Lage ist wie vorliegend.
15 Der Verbrauch des Geldes zur Tilgung eines nicht fälligen Darlehens kann deswegen im Hinblick auf die nicht
gegebene "Nachrangigkeit" des Rückerstattungsanspruchs der Staates nicht von der Pflicht zur Zahlung der
Prozesskosten befreien.
16 Im übrigen wusste der Antragsteller nach Einreichung seiner Erklärung über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse am 2. Mai 2008, dass er zur Begleichung der Prozesskosten in Anspruch
genommen werden wird (Verfügung vom 7. Mai 2008). Wenn er dennoch die nicht fällige Schuldentilgung
gegenüber seinem Vater vorzog, kann dies nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.
17 Die sofortige Beschwerde des Antragstellers war danach als unbegründet zurückzuweisen mit der Kostenfolge
von Nr. 1812 GKG-KV. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs.
4 ZPO).