Urteil des OLG Stuttgart vom 09.10.2008

OLG Stuttgart (schlüssiges verhalten, übereinstimmende willenserklärungen, beschwerde, aug, zuweisung, mitwirkung, beschwerdeführer, verhalten, höhe, baden)

OLG Stuttgart Beschluß vom 9.10.2008, 8 WF 167/08
Rechtsanwaltsvergütung: Entstehen einer Einigungsgebühr im Zusammenhang mit der Nutzung der
Ehewohnung
Leitsätze
Wird ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem es unter
Mitwirkung der Prozessbevollmächtigten der Parteien zu einer Versöhnung zwischen ihnen gekommen ist, fällt die
Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV an. Denn die Parteien haben nicht nur übereinstimmende
Erledigungserklärungen abgegeben, sondern zuvor eine materiell-rechtliche Einigung - durch schlüssiges Verhalten
- über die gemeinsame Nutzung der Ehewohnung erzielt.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss der Familienrichterin des
Amtsgerichts Heilbronn - Familiengericht - vom 22. September 2008, Az. 6 F 1270/08,
abgeändert:
Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle des Amtsgerichts Heilbronn vom 18. August 2008, Az. 6 F 1270/08, dahin
abgeändert,
dass zusätzlich zu den festgesetzten 833 EUR
weitere 323,68 EUR, damit insgesamt 1.156,68 EUR
als Vergütung gegen die Staatskasse festgesetzt werden.
2. Die Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde sind gebührenfrei. Kosten werden in beiden Verfahren
nicht erstattet.
Gründe
1.
1
Im Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung wurde dem Antragsgegner der Beschwerdeführer als
Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung (ohne Zahlungspflichten)
beigeordnet.
2
Nach Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung erklärten die
Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2008 das Verfahren übereinstimmend für erledigt,
nachdem es unter Mitwirkung des Beschwerdeführers zur Versöhnung zwischen ihnen gekommen war.
3
Die mit dem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 21. Juli 2008 geltend gemachte 1,0-Einigungsgebühr gem. Nr.
1003 RVG-VV in Höhe von 272 EUR zuzüglich 19% Umsatzsteuer wurde vom Urkundsbeamten im
Festsetzungsbeschluss vom 18. August 2008 nicht berücksichtigt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde
durch die Familienrichterin am 22. September 2008 zurückgewiesen. Gegen die am 24. September 2008
zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 1. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt.
4
Die Familienrichterin hat nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
5
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässig und in der Sache auch
begründet.
6
Dem auf Grund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Beschwerdeführer steht ein Anspruch
auf die mit seinem Festsetzungsantrag geltend gemachte Einigungsgebühr (272 EUR) nebst Umsatzsteuer
(51,68 EUR), insgesamt in Höhe von 323,68 EUR zu.
7
Zu Recht weist die Familienrichterin daraufhin, dass das Entstehen einer Einigungsgebühr eine materiell-
rechtliche Regelung voraussetzt, die durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen mit
Rechtsbindungswillen zu Stande kommt. Sie sieht allerdings in der Versöhnung der Parteien ausschließlich
einen rein tatsächlichen Vorgang, durch den eine sachlich-rechtliche Vereinbarung nicht geschlossen worden
sei.
8
Willenserklärungen können jedoch auch konkludent, d. h. durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Bei
Willenserklärungen dieser Art findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck, der
Erklärende nimmt vielmehr Handlungen vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten
Rechtsfolgewillen zulassen (Heinrichs/Ellenberger in Palandt, BGB, 67. Auflage 2008, Einführung vor § 116
BGB Rdnr. 6 m. w. N.).
9
Durch die Versöhnung unter Mitwirkung des Beschwerdeführers haben die Parteien aber auch ihren Streit über
die Zuweisung der Ehewohnung beseitigt, indem sie sie wieder gemeinsam benutzen und sich durch dieses
schlüssige Verhalten mit Rechtsbindungswillen dahingehend geeinigt haben, dass die Ehewohnung beiden
zusteht. Erst diese materiell-rechtliche Vereinbarung - zu Stande gekommen durch beiderseitige konkludente
Willenserklärungen - hat im Verhandlungstermin auch die Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch die
Abgabe übereinstimmender Erledigterklärungen ermöglicht. Hierdurch wird aber die Einigungsgebühr nach Nr.
1000, 1003 RVG-VV ausgelöst (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, Nr. 1000 RVG-VV
Rdnr. 127; OLG Köln MDR 2006, 539 und JurBüro 2006, 588). Denn die Parteien haben nicht bloß
übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben, sondern zuvor eine materiell-rechtliche Einigung über
die gemeinsame Nutzung der Ehewohnung erzielt.
10 Damit war auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers der weitere Betrag von 323,68 EUR zur
Zahlung aus der Staatskasse festzusetzen.
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.