Urteil des OLG Stuttgart vom 23.04.2003

OLG Stuttgart: treu und glauben, widerklage, widersprüchliches verhalten, zusammenarbeit, abrechnung, heizung, firma, lüftung, nichtigkeit, inhaber

OLG Stuttgart Urteil vom 23.4.2003, 14 U 42/02
Honorarklage aufgrund einer Honorarteilungsvereinbarung zwischen Ingenieuren: Widersprüchliches Verhalten nach Vereinbarung einer
unwirksamen Pauschalhonorarvereinbarung im Ingenieurvertrag; Zulässigkeit einer Widerklage im Berufungsverfahren
Leitsätze
1. Einem Fachingenieur kann es auch gegenüber einem sachkundigen Auftraggeber nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die
Unwirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung wegen Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI zu berufen.
2. Eine Widerklage, die in erster Instanz nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, als unzulässig abgewiesen wurde und
mit der Berufung weiterverfolgt wird, ist im Berufungsverfahren neu erhoben und nur zulässig, wenn sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das
Berufungsgericht seiner Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 30. August 2002 - 13 O 142/01 - abgeändert
und neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin/Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte/Widerklägerin 5.636,75 EUR zu bezahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 4/5, die Beklagte 1/5.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um die Abrechnung von Leistungen anlässlich des Baues eines Supermarktes.
2
Die Klägerin betreibt ein Planungsbüro für Elektrotechnik, die Beklagte ein Ingenieurbüro für haustechnische Anlagen, insbesondere Heizung-,
Sanitär- und Lüftungstechnik. Sie arbeiteten bei Bauvorhaben der Firma B. zusammen, dem K-Lebensmittelmarkt in S.-M., dem K-
Lebensmittelmarkt in G. und dem H. in C. Da die Firma B. nur einen Auftragnehmer wünschte, schloss die Beklagte jeweils einen Vertrag über die
Planung für Heizung, Sanitärtechnik, Lüftungstechnik und Elektrotechnik mit der Firma B. zu einem Pauschalhonorar ab. Die Leistungen für
Elektrotechnik erbrachte die Klägerin, die übrigen Leistungen die Beklagte. Die Klägerin und die Beklagte vereinbarten eine Teilung des
Honorars im Verhältnis 1/3 zu 2/3. Entsprechend rechnete die Beklagte die Bauvorhaben auf der Grundlage des mit der Firma B. vereinbarten
Pauschalhonorar ab.
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Die Firma B. wollte bei einem weiteren Bauvorhaben in O. nicht in Erscheinung treten. Sie beauftragte deshalb die O. AG, die die Klägerin mit
den Leistungen für Heizung, Sanitärtechnik, Lüftungstechnik und Elektrotechnik beauftragte. Die Klägerin vereinbarte ihrerseits mit der
Beklagten, dass beide Parteien wie beim Bauvorhaben C. zusammenarbeiteten und das Bauvorhaben O. entsprechend abwickelten. Die
Klägerin vereinbarte mit der O. AG zunächst einem Pauschalhonorar von 150.000 DM netto. Nach einer Änderung des Auftragsumfanges
reduzierten die Klägerin und die O. AG das Honorar auf 130.000 DM netto. Damit war die Beklagte einverstanden. Die Klägerin erbrachte die
Leistungen für Elektrotechnik, die Beklagte die Leistungen für Heizung, Sanitärtechnik und Lüftungstechnik. Die Klägerin zahlte an die Beklagte
zwei Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 89.508,80 DM. Von der O. AG erhielt die Klägerin insgesamt 119.886 DM.
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Die Klägerin hat vorgetragen, nach einer weiteren Reduzierung des Auftragsumfanges sei das Honorar im Einverständnis mit der Beklagten auf
insgesamt 101.000 DM netto herabgesetzt worden, so dass auf die Beklagte netto 67.300 DM entfielen, und außerdem sei mit der O. AG ein
Skonto von 3 % vereinbart worden. Zuzüglich 16 % MwSt. und abzüglich eines Skontos von 1.531,20 DM habe die Beklagte damit 76.536,80 DM
zu erhalten. Mit den 89.508,80 DM sei die Beklagte damit um 12.972,00 DM oder 6.632,48 EUR überzahlt. Die Zahlung dieses Betrages hat die
Klägerin mit der Klage geltendgemacht.
5
Die Beklagte hat vorgetragen, die weitere Reduzierung sei mit ihr nicht abgestimmt worden. Sie habe die technische Oberbauleitung erbracht.
Die Vereinbarung des Pauschalhonorar sei nach der HOAI nicht wirksam. Unter Berücksichtigung der Mindestsätze der HOAI stehe ihr ein
Honoraranspruch von mindestens 76.185,32 EUR zu. Sie sei nicht überbezahlt.
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Das Landgericht hat durch Vernehmung des Zeugen F. Beweis erhoben. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 09.08.2002 hat die
Beklagte beim Landgericht eine Widerklage eingereicht, mit der sie die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 7.500 EUR begehrte. Die
Widerklage wurde der Klägerin am 23.08.2002 zugestellt.
7
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 4.900,63 EUR und wies die Widerklage als unzulässig ab. Es teilte die von der O. AG
bezahlten 119.886 DM im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zwischen den Parteien auf, so dass sich ein Anspruch der Beklagten von 79.924 DM ergab und
sie mit 9584,80 DM überzahlt war. Die HOAI sei nicht anwendbar, weil zwischen den Parteien eine Innengesellschaft bestanden habe.
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Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien habe ein Subunternehmerverhältnis bestanden,
so dass sie ihren Anspruch auf Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI abrechnen könne. Daher stünden ihr mindestens noch 7.500,00 EUR
zu.
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Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. August 2002 - 13 O 142/01 - abzuändern, die Klage abzuweisen und die
Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 7.500,00 EUR zu bezahlen.
10 Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
11 Zu den weiteren Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
II.
12 Die Beklagte kann von der Klägerin noch 11.024,53 DM oder 5.636,75 EUR verlangen. Ihr stehen nach der getroffenen Honorarvereinbarung
100.533,33 DM zu, erhalten hat sie 89.508,80 DM. Die Parteien haben ein Honorar von 2/3 von 130.000 DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer, also 2/3
von 150.800 DM vereinbart.
13 Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 812 BGB wegen Überzahlung. Die Beklagte kann von der Klägerin insgesamt
100.533,33 DM, 2/3 von 150.800 DM, als Honorar nach § 632 BGB verlangen. Die Parteien haben als Werklohn für die Planungsleistungen der
Beklagten 100.533,33 DM vereinbart.
14 Die Klägerin hat die Beklagte als ihre Nachunternehmerin mit den Leistungen für Heizung, Sanitärtechnik und Lüftung beauftragt.
15 Zwischen den Parteien bestand keine Innengesellschaft. Sie liegt vor, wenn die Parteien sich durch den Vertrag zur Erreichung eines
gemeinsamen Zwecks verbunden haben und ihre schuldrechtlichen Beziehungen ein gesellschaftliches Element in sich tragen (BGH NJW 1990,
573). Dagegen scheidet eine Innengesellschaft aus, wenn die Parteien ohne jeden gemeinsamen Zweck lediglich ihre eigenen Interessen
verfolgen und ihre Beziehungen zueinander ausschließlich durch die Verschiedenheit ihrer eigenen Interessen bestimmt werden.
16 Für das Bauvorhaben O. bestand danach keine Innengesellschaft. Dass beide Parteien Teile der Planung für den Supermarkt erbrachten und
dabei zusammenarbeiteten, bedeutet noch nicht, dass sie einen gemeinsamen Zweck verfolgten. Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Planern kann auch durch ein Nachunternehmerverhältnis gestaltet sein, wenn der Hauptauftraggeber wie hier selbst nur einen Planer
einschalten will. Die konkreten Vereinbarungen zwischen den Parteien weisen keine gesellschaftlichen Elemente auf. Sie haben weder für das
Bauvorhaben O. noch die vorangegangenen Bauvorhaben vereinbart, dass der Gewinn aus dem Bauvorhaben in einem bestimmten Verhältnis
geteilt wird. Vielmehr wurde mit dem Hauptauftraggeber eine Pauschale vereinbart, die intern im Verhältnis 1 zu 2 aufgeteilt wurde. Damit stand
für jede der Parteien vor dem jeweiligen Bauvorhaben fest, was sie in absoluten Beträgen für ihre Leistungen zu erwarten hatte. Auch vor dem
Bauvorhaben O. vereinbarten die Parteien, dass das Honorar wie beim Bauvorhaben C. sein sollte und damit 150.000 DM netto im Verhältnis 1
zu 2 zwischen den Parteien geteilt werden sollten. Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien bei der Planung und Ausführung ging nicht über
das hinaus, was zwischen verschiedenen Fachplanern zur Koordination erforderlich ist. Auch dass die Klägerin das Verhältnis zur Beklagten
rechtlich zunächst als normalen Ingenieurvertrag eingeordnet hat, ist ein Anhaltspunkt dafür, dass sie in der Zusammenarbeit nichts anderes als
das in der Baubranche häufige Nachunternehmerverhältnis sah und keine darüber hinausgehende, engere Bindung wie in einer
Innengesellschaft.
17 Die Berechnung der Umsatzsteuer durch die Parteien ist kein weiterer Anhaltspunkt für ein Nachunternehmerverhältnis. Auch in der
Innengesellschaft werden keine nicht steuerbaren Leistungen an die Gesellschaft erbracht, sondern Leistungen an den nach außen auftretenden
Gesellschafter, die umsatzsteuerpflichtig sind (BFHE 136, 315).
18 Zwischen den Parteien bestand auch keine Innengesellschaft, deren Zweck es war, verschiedene Supermärkte für B., darunter auch das
Bauvorhaben O. zu planen. Dafür spricht zwar der Grund der Zusammenarbeit zwischen den Parteien. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte für
die H-Lebensmittelmärkte die allgemeinen elektrotechnischen Anforderungen entworfen. Die allgemeinen Anforderungen für Heizung, Lüftung
und Sanitärtechnik stammten von einer Firma, die die Fachplanung nicht übernehmen konnte. Die Zusammenarbeit der Parteien wurde
erforderlich, weil B. nur einen einzigen Auftragnehmer für alle haustechnischen Anlagen wünschte. Da die Klägerin die Fachplanung für
Heizung, Lüftung und Sanitärtechnik nicht übernehmen konnte, kam sie auf die Beklagte zu. Bei den ersten drei Projekten trat daraufhin die
Beklagte gegenüber B. als Auftragnehmerin auf. Das spricht für eine stärkere Zusammenarbeit als sie üblicherweise im Verhältnis zwischen
Haupt- und Nachunternehmer vorliegt. Dass Auftraggeberin der Klägerin beim Bauvorhaben O. nicht B., sondern die O. AG war, lag nur an
Zufälligkeiten. Der Nachunternehmer war bei den Vorhaben der Parteien vor der Auftragsvergabe durch die Hauptauftraggeberin auch bereits in
die Verhandlungen, auch zur Preisgestaltung eingeschaltet, wie der Zeuge F. bestätigte. Gegen eine Innengesellschaft für mehrere Bauvorhaben
spricht aber schon, dass die Parteien bei weiteren Bauvorhaben - M. in P., Einkaufszentrum R. in L. - anders, nämlich mit einem
Subunternehmervertrag mit einer Pauschalsumme oder mit direkten Verträgen gegenüber dem Auftraggeber zusammenarbeiteten. Gegen eine
Innengesellschaft nur für die Planung der Supermärkte von B. spricht, dass die Abrechnung jeweils auf die einzelnen Bauvorhaben beschränkt
blieb. Eine Absprache der Parteien, bei Bauvorhaben von B. in einer bestimmten Art und Weise zusammenarbeiten, gab es nicht. Der
Hauptauftragnehmer wandte sich vielmehr vor jedem Bauvorhaben an die jeweils andere Partei und erfragte, ob eine Zusammenarbeit erfolgen
könne. Dabei wurde auch jeweils neu über das Honorar verhandelt, auch wenn sich die Parteien immer wieder zu einer Teilung im Verhältnis 1
zu 2 bereit fanden.
19 Es kann damit offen bleiben, ob bei Vereinbarung einer Innengesellschaft überhaupt anders abzurechnen wäre. Auch für die
Auseinandersetzung der Innengesellschaft sind die zwischen den Parteien getroffenen Absprachen maßgeblich. Auch die Anwendbarkeit der
HOAI hängt nicht von der Einordnung in einen bestimmten Vertragstypus des BGB ab (BGH NZBau 2000, 473).
20 Nach § 632 BGB kann die Beklagte das vereinbarte Honorar verlangen. Es war vereinbart, dass die Beklagte 2/3 von 130.000 DM netto erhalten
sollte, also 86.666,67 DM netto oder 100.533,33 DM brutto. Ursprünglich war als Honorar 2/3 von 150.000 DM netto vereinbart. Durch eine
nachträgliche Vereinbarung haben die Parteien das Honorar auf 2/3 von 130.000 DM verringert. Die Reduzierung auf 130.000 DM im Verhältnis
zur Hauptauftraggeberin war nach den Angaben des Zeugen F. zwar mit der Beklagten nicht abgesprochen. Sie wurde ihr aber nachträglich
mitgeteilt und ihr Inhaber war damit einverstanden. Eine Vereinbarung über eine weitere Reduzierung von 130.000 DM auf 101.000 DM oder
einen Skontoabzug hat der Zeuge F. nicht bestätigt. Sie ergibt sich nicht aus der vorgelegten Anlage B3. Daraus ergibt sich nur die Verringerung
auf 130.000 DM. Für eine Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin als Partei nach § 448 ZPO von Amts wegen bestand kein Anlass. Sie
setzt voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Vortrag der Partei besteht. Das ist nicht der Fall. Der Geschäftsführer der Klägerin
konnte bei seiner Anhörung vor dem Senat nicht angeben, wann und wie es zu einer Vereinbarung mit dem Inhaber der Beklagten oder dem
Zeugen F. über eine weitere Verringerung des Honorars gekommen sein soll. Er hat sie damit begründet, dass die Bauüberwachung gegenüber
der O. AG nicht geleistet werden musste. Für eine Vereinbarung mit der Beklagten über eine Reduzierung des Auftragsumfangs ergibt sich
daraus aber nichts. Die Reduzierung der Bauüberwachung war im übrigen nach den Angaben des Zeugen F. bereits der Grund für die
Verringerung des Honorars von 150.000 DM auf 130.000 DM. Dafür sprechen auch die Auftragsschreiben der O. AG. Die Klägerin wurde von ihr
zunächst am 14.01.2000 für 50.000 DM netto pauschal mit der Vor- und Entwurfsplanung beauftragt (Anlage B2). Soweit ihr nach diesem
Schreiben auch die Objektüberwachung übertragen wurde, ist dies nicht richtig (Schriftsatz der Klägerin vom 06. Mai 2002, S. 5). Danach wurde
sie am 03.02.2000 mit der Ausführungsplanung für 80.000 DM netto pauschal beauftragt. In der Auftragssumme von 130.000 DM war danach die
Objektüberwachung nicht enthalten.
21 Die Beklagte kann nur die vereinbarte Pauschale und kein Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI verlangen.
22 Nach § 4 Abs. 1 HOAI ist nach den Mindestsätzen der HOAI abzurechnen. Die Mindestsätze darf eine anderweitige Vereinbarung der
Vertragsparteien nach § 4 Abs. 2 HOAI nur ausnahmsweise unterschreiten, wenn dies schriftlich vereinbart ist. Eine schriftliche
Honorarvereinbarung ist zwischen den Parteien nicht getroffen.
23 Der Beklagten ist es aber nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine Nichtigkeit der Pauschalhonorarvereinbarung zu berufen. Vereinbaren
die Parteien eines Ingenieurvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, so verhält sich der Fachingenieur,
der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem
Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte
sowie wenn er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und
den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (BGH NJW 1997, 2329). Die Klägerin hat auf die Wirksamkeit der
Pauschalhonorarvereinbarung vertraut. Sie hat sich auch auf ihre Wirksamkeit eingerichtet, nämlich mit der Hauptauftraggeberin auch nur ein
entsprechendes Pauschalhonorar vereinbart. Mit der O. AG ist entsprechend abgerechnet, so dass die Klägerin dort keine Nachforderungen
mehr geltend machen kann.
24 Die Klägerin durfte auch auf die Wirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung vertrauen, obwohl sie selbst als Fachingenieurin die
Voraussetzungen der HOAI für eine Honorarvereinbarung kannte. Dem sachkundigen Auftraggeber wird teilweise die Berufung darauf verwehrt
(OLG Köln IBR 2000,83; OLG Köln IBR 2000, 439; KGR 2001, 210). Zur Begründung wird angeführt, dass der sachkundige Auftraggeber weiß
oder wissen kann, dass die Pauschalhonorarvereinbarung unwirksam ist. Er könne damit kein schutzwürdiges Vertrauen auf ihre Wirksamkeit
ausbilden. Außerdem dürfe es nicht ermöglicht werden, dass sachkundige Beteiligte auf diesem Umweg den Mindestpreischarakter der HOAI
unterlaufen. Andere Entscheidungen lassen auch dem sachkundigen Auftraggeber die Berufung auf Treu und Glauben (OLG Zweibrücken IBR
1998, 259; OLG Köln OLGR 2002, 190; OLG Nürnberg IBR 2001, 495 mit ablehnender Anmerkung Eich, ablehnend auch Locher/Koeble/Frik,
HOAI, 8. Aufl., Einleitung Rdnr. 266). Dem sachkundigen Auftraggeber kann nicht von vorneherein die Berufung auf sein Vertrauen in die
Wirksamkeit einer getroffenen Pauschalhonorarvereinbarung verwehrt werden. Auch wer ihre rechtliche Unwirksamkeit kennt, kann ein
schutzwürdiges Vertrauen in die Wirksamkeit haben. Geschützt wird nicht das Vertrauen des Auftraggebers in die rechtliche Wirksamkeit der
Vereinbarung, sondern darin, dass der Auftragnehmer sie als wirksam behandelt und sich an sie hält. Der Schutz des Vertrauens in die
Wirksamkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung beruht auf dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Widersprüchliches Verhalten ist dann
verboten, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand verlegt, nach dem der eine Teil dahingehend vertrauen kann, dass sich der andere nicht
widersprüchlich verhält. Ein solches Vertrauen kann auch dann schützenswert gebildet werden, wenn bekannt ist, dass sich der andere
Vertragsteil wegen der Nichtigkeit und Unwirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung davon lösen kann. Auch der Bundesgerichtshof hat
bereits in einem Fall ein schutzwürdiges Vertrauen für nahe liegend erachtet, obwohl mit einer Baubetreuerin Auftraggeber eine Person war, bei
der Sachkunde anzunehmen ist (BGH NJW 1997, 2329).
25 Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Die Umgehung der Vorschriften der HOAI wird dadurch nicht generell für sachkundige
Auftraggeber ermöglicht. Bei der Einzelfallprüfung ist zu berücksichtigen, dass ein Auftraggeber, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit weiß,
dass eine Pauschalhonorarvereinbarung unterhalb der Mindestsätze unwirksam ist, in der Regel nicht schutzwürdig ist und weniger als ein
Auftraggeber, der die Regelungen der HOAI nicht kennt, darauf vertrauen darf, dass die Vereinbarung eingehalten wird.
26 Im vorliegenden Fall bestehen jedoch Besonderheiten. Bei vorangehenden Bauvorhaben, nicht nur für B., hat die Beklagte
Subunternehmerverträge mit der Klägerin geschlossen, die ebenfalls eine Abrechnung mit einem Pauschalhonorar vorsahen. Daran haben sich
sowohl die Beklagte wie auch die Klägerin bei der Abwicklung dieser Vorhaben gehalten. Wenn die Klägerin deshalb bei einem weiteren
Vorhaben bei der Beklagten nachfragte, ob die Abrechnung wie bei den beiden vorangegangenen Vorhaben erfolgen könne und die Beklagte
dies bestätigte, konnte sie ausnahmsweise darauf vertrauen, das die Beklagte wie auch im umgekehrten Fall entsprechend der unwirksamen
Pauschalhonorarabrede abrechnen würde. Die Beklagte verhält sich in einem hohen Maße widersprüchlich, weil sie trotz Streitigkeiten zwischen
den Parteien bei früheren Bauvorhaben auf einer Abrechnung nach den vereinbarten Pauschalhonoraren bestanden hat, auf dieser Grundlage
sich mit der Klägerin verglichen hat und sich beim letzten abzurechnenden Bauvorhaben auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung beruft.
27 Die zulässige Widerklage ist teilweise begründet. Die Beklagte kann von der Klägerin noch 11.024,53 DM oder 5.636,75 EUR verlangen (oben
1.).
28 Das Landgericht hat die Widerklage zurecht als unzulässig abgewiesen. Die in der ersten Instanz nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei
Gericht eingegangenen Widerklage muss grundsätzlich nicht mehr zugestellt werden (Zöller-Greger, ZPO, 23 Aufl., § 296a Rdnr. 2a). Eine ohne
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorgenommene Zustellung begründet keine Rechtshängigkeit (BGH NJW-RR 1997, 1486; NJW-
RR 1992, 1085). Das Landgericht musste über die Widerklage daher überhaupt nicht entscheiden (Fischer NJW 1994, 1316). Es konnte die
Widerklage aber auch ohne mündliche Verhandlung als unzulässig abweisen (BGH NJW 2000, 2512).
29 Die Widerklage ist dennoch in der Berufungsinstanz zulässig. In der Wiederholung des Widerklageantrags in der Berufung liegt die Erhebung
einer neuen Widerklage. Neu ist eine Widerklage, die in erster Instanz noch nicht rechtshängig war (Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 533 Rdnr.
8). Die Widerklage ist daher nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 533 ZPO vorliegen. Neben der Einwilligung des Gegners oder der
Sachdienlichkeit muss sie auf Tatsachen gestützt werden können, die der Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen sind. Dies
kann die Widerklage nicht, soweit sie auf eine Abrechnung nach der HOAI gestützt ist. Die dazu erforderlichen Tatsachen werden für die
Entscheidung über die Klage nicht benötigt. Die Beklagte hat die Widerklage aber auch auf einen Restanspruch aus der
Pauschalhonorarvereinbarung gestützt. Dazu kann sie sich auf Tatsachen stützten, die der Entscheidung über die Berufung bereits hinsichtlich
der Klage zugrunde zu legen sind.
30 Da der Streit der Parteien über die Abrechnung des Bauvorhabens damit endgültig erledigt werden kann und ein weiterer Rechtsstreit über den
Resthonoraranspruch der Beklagten vermieden wird, ist die Widerklage auch sachdienlich.
31 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.