Urteil des OLG Stuttgart vom 28.04.2009

OLG Stuttgart (kläger, gerüst, grundsatz der prozessökonomie, mitverschulden, unfall, form, verschulden, schmerzensgeld, höhe, montage)

OLG Stuttgart Urteil vom 28.4.2009, 6 U 56/08
Verkehrssicherungspflicht bei Baugerüsten: Haftung für Sturz vom Gerüst bei Verwendung des Gerüsts
durch anderen Handwerker; Haftungsfreistellung wegen gemeinsamer Betriebsstätte
Leitsätze
Der Handwerker, der das von einem anderen Unternehmer errichtete Gerüst eigenmächtig ab- und an einer anderen
Seite des Gebäudes in anderer Form wieder aufbaut, um es zur Fortführung seiner Arbeiten zu benutzen, ist
dessen Eigenbesitzer im Sinne der §§ 836, 837 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass er das Gerüst von
vorneherein nur für eine begrenzte Zeit benutzen wollte, denn Eigenbesitz kann auch an einem nur zu einem
vorübergehenden Zweck errichteten Werk bestehen.
Ein Spengler ist nicht mit einem Zimmerer auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 SGB
VII tätig, wenn er seine Arbeit beginnt, nachdem der Zimmerer seine Tätigkeit beendet hat.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Grund- und Teil-End-Urteil des Landgerichts Ravensburg vom
26.02.2008 - 2 O 383/07 -
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten Ziff. 1 wird dem Grunde nach
für gerechtfertigt erklärt, wobei ein Mitverschulden des Klägers von 1/3 zu
berücksichtigen ist.
2. Die Klage
auf
zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte Ziff. 1 verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche
künftigen
materiellen
soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind.
4. Im übrigen
wird
II. Die weitergehende Berufung des Klägers
wird zurückgewiesen
III. Die Berufung des Beklagten Ziff. 1
wird ebenfalls zurückgewiesen
IV.1. Kosten der ersten Instanz:
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 trägt der Kläger.
Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
2. Kosten des Berufungsverfahrens:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte Ziff. 1 1/3.
Der Beklagte Ziff. 1 trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten Ziff. 2 sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten des
Beklagten Ziff. 1.
Im übrigen tragen der Kläger und der Beklagte Ziff. 1 ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Beklagte Ziff. 1 kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision des Klägers wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 110.000,00 EUR.
Gründe
A.
I.
1
Der Kläger begehrt von den beiden Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz und Schmerzensgeld
nach einem Sturz von einem Baugerüst.
2
Der Erstbeklagte, ein Zimmermeister, wurde Anfang Mai 2004 von dem Zeugen G. W. mit
Dachsanierungsarbeiten in Form von Zimmerarbeiten und der Gerüsterstellung beauftragt. Den Kläger,
einen Spenglermeister, beauftragte der Zeuge W. mit der Lieferung und Montage neuer Dachrinnen.
3
Im Auftrag des Beklagten Ziff. 1 errichtete der Zweitbeklagte, ein Gerüstbauunternehmer, an der Südseite
des ehemaligen Ökonomiegebäudes auf dem Anwesen W. ein „Layher-Blitzgerüst 70S“.
4
Nach Fertigstellung der Arbeiten an der Dachsüdseite wies der Beklagte Ziff. 1 seine Mitarbeiter an, das
Gerüst an die Nordseite des Gebäudes zu verlegen. Nach dem Umsetzen des Gerüsts entfernten die
Mitarbeiter des Beklagten Ziff. 1 an der Nordseite die schadhafte Dachrinne samt Dachrinnenträgern und
führten die erforderlichen Zimmerarbeiten aus. Der Beklagte Ziff. 1 bemerkte, dass an dem Gerüst noch
einige Sicherungen fehlten. Gleichwohl informierte er den Kläger am 13.05.2004 per Handy über die
Fertigstellung der Zimmerarbeiten und bat ihn um unverzügliche Montage der neuen Dachrinne mit dem
Hinweis, die Demontage des Gerüsts sei eilbedürftig, weil es den Verkehr behindere.
5
Als der Kläger noch am gleichen Tag kurz nach 18.00 Uhr an der Baustelle eintraf, hatten die Arbeiter des
Beklagten Ziff. 1 die Baustelle bereits verlassen. Der Kläger lehnte das 6 Meter lange Dachrinnenstück
ortgangseitig an das Gerüst, bestieg mit der vor Ort befindlichen systemfreien Anlegeleiter das Gerüst bis
zur oberen, etwa auf 4 m Höhe gelegenen Belagfläche und montierte die Dachrinnenhalter. Danach hievte
der Kläger die Dachrinne hoch, um sie in die Dachrinnenhalter einzulegen. Während dieses
Arbeitsvorgangs geriet er an den Geländerholm. Dieser gab nach und löste sich. Der Kläger verlor das
Gleichgewicht und stürzte kopfüber von der oberen Belagfläche ab, wobei er mit dem Kopf auf den
Teerbelag der Gemeindestraße aufschlug und sich schwer verletzte.
6
Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schmerzensgeld sowie eine
Schmerzensgeld- und Erwerbsausfallrente. Ferner begehrt er die Feststellung ihrer Einstandspflicht für
sämtliche künftigen materiellen Schäden.
7
Er hat vorgetragen,
8
das Gerüst sei unter Verstoß gegen die Berufsgenossenschaftlichen Regeln für Sicherheit und Gesundheit
bei der Arbeit (BGR) 166 Gerüstbau- Systemgerüste - vom April 2000 (im folgenden: BGR) errichtet
worden. Der Geländerholm oberhalb der Belagfläche der Ortgangseite sei nicht ordnungsgemäß befestigt
gewesen. Er sei mit dem dem Gebäude zugewandten Ende in die Aussparung des Knotenblechs eines
Vertikalrahmens eingeschoben worden. Die Nase an dem dem Gebäude abgewandten Ende des Holms sei
in das Geländerkästchen des Geländerpfostens eingehängt gewesen. Der zu seiner Fixierung an dem
Geländerkästchen angebrachte Klemmkeil sei zwar eingeschlagen gewesen, habe jedoch keine
Klemmwirkung entfaltet.
9
Der Beklagte Ziff. 1 habe es pflichtwidrig unterlassen, das Gerüst auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu
prüfen, bevor er es zur Benutzung freigegeben habe. Daneben hafte der Beklagte Ziff. 1 für das
Verschulden seiner Mitarbeiter, die in seinem Auftrag das Gerüst umgesetzt und fehlerhaft errichtet hätten.
10
Der Beklagte Ziff. 2 hafte nach § 837 BGB, hilfsweise nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den
einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Die schadhafte Klemmkupplung hätte bei den erforderlichen
regelmäßigen Kontrollen ausgesondert werden müssen.
11
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass sie keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hätten. Sie
haben sich auf ein Mitverschulden des Klägers berufen. Der Beklagte Ziff. 2 hat vorgetragen, er habe nicht
gewusst, dass das Gerüst an die Nordseite umgesetzt worden sei.
II.
12
Mit Teilgrund- und Teilendurteil vom 26.02.2008 hat das Landgericht nach Einholung eines mündlichen
Gutachtens des Sachverständigen G. und nach Vernehmung der Zeugen W., R. und P. die Klage gegen
den Beklagten Ziff. 2 abgewiesen und festgestellt, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Grunde nach verpflichtet
sei, dem Kläger 50 % seines gegenwärtigen und künftigen materiellen Schadens zu ersetzen. Der Beklagte
Ziff. 1 schulde ihm außerdem ein Schmerzensgeld, bei dessen Bemessung ein hälftiges Mitverschulden
des Klägers zu berücksichtigen sei.
13
Der Beklagte Ziff. 1 hafte gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen
Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft dem Kläger dem Grunde nach auf
Schadensersatz, weil er es unterlassen habe, das Gerüst auf seinen vorschriftsmäßigen Aufbau und die
einwandfreie Beschaffenheit seiner Bauteile zu überprüfen. Obwohl er erkannt habe, dass der
Zwischenholm an der Ortgangseite fehle, habe er das Gerüst vor einer Behebung des Mangels nicht
gesperrt. Daneben habe der Beklagte Ziff. 1 für ein Verschulden seiner Arbeiter nach § 831 BGB
einzustehen.
14
Den Kläger treffe ebenfalls der Vorwurf einer unterlassenen Prüfung der Sicherheit des Gerüsts. Aus
diesem Grund sei eine hälftige Schadensteilung angemessen.
15
Eine Mitverantwortung des Beklagten Ziff. 2 für den Unfall sei nicht bewiesen. Es stehe schon nicht fest,
dass der schadhafte Geländerpfosten aus seinem Bestand stamme. Im übrigen sei nicht bewiesen, dass
der Beklagte Ziff. 2 von der Versetzung des Gerüsts an die Nordseite gewusst habe, geschweige denn
damit in irgendeiner Weise befasst gewesen sei.
16
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe, der in erster Instanz gestellten Anträge und
des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
III.
17
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte Ziff. 1 Berufung eingelegt.
18
1. Der Beklagte Ziff. 1 begehrt mit seiner Berufung vollständige Klagabweisung.
19
Der Feststellung des Landgerichts, er hafte, weil er das Gerüst nicht gesperrt habe und für das
Verschulden seiner Arbeiter einstehen müsse, könne nicht gefolgt werden. Der Kläger hätte sich von einer
Sperrung des Gerüsts nicht abhalten lassen, seine Arbeiten auszuführen. Dies ergebe sich aus folgenden
Umständen: Die Leiter sei nicht angelehnt und das Gerüst damit zunächst nicht zugänglich gewesen.
Dennoch habe er sich hierzu Zugang verschafft. Dem Kläger sei als Fachmann erkennbar gewesen, dass
der Zwischenholm gefehlt und der Wandabstand zu groß gewesen sei. Er habe sich somit sehenden Auges
in Gefahr begeben, ohne das Gerüst vor dessen Benutzung auf seine Sicherheit zu überprüfen.
20
Das Landgericht hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass die fehlende Klemmwirkung des Keils im
Geländerkasten des Geländerpfostens ursächlich für den Absturz des Klägers gewesen sei. Denn er habe
eine fehlende Klemmwirkung bestritten. Er habe im übrigen darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst
beim Hochziehen der Dachrinne den Klemmkeil gelöst bzw. beschädigt haben könne.
21
Des weiteren könne er sich entgegen der Auffassung des Landgerichts exkulpieren.
22
Die vom Landgericht angenommene hälftige Schadensteilung sei nicht angemessen. In Anbetracht der
vorgenannten Umstände sei von einer alleinigen Haftung, in jedem Fall aber einem weit überwiegenden
Verschulden des Klägers auszugehen.
23
Der Beklagte Ziff. 1 beantragt,
24
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage gegen ihn abzuweisen.
25
Der Kläger beantragt insoweit,
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die Berufung des Beklagten Ziff. 1 zurückzuweisen.
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Von einem Herbeiholen einer Leiter zur Benutzung eines Gerüstes könne nicht auf eine nachlässige
Einstellung gegenüber den Vorschriften der Arbeitssicherheit geschlossen werden. Er habe noch nie ein
gesperrtes Gerüst betreten und hätte dies auch im Streitfall nicht getan.
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Da er nicht als Unternehmer, sondern als Arbeitnehmer tätig geworden sei, sei er nach
arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften nicht zur Überprüfung des Gerüstes verpflichtet gewesen.
29
2. Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Berücksichtigung eines hälftigen eigenen
Mitverschuldens und gegen die Klagabweisung gegenüber dem Beklagten Ziff. 2.
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Das Landgericht habe zwar zutreffend eine Ursächlichkeit seines Verhaltens für den Unfall festgestellt, da
er durch Rütteln hätte bemerken können, dass der Geländerholm nur lose eingehängt gewesen sei. Es
habe daraus aber zu Unrecht auf ein Mitverschulden geschlossen, nachdem der genaue Unfallablauf
ungeklärt geblieben sei. Insbesondere fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass er sich absichtlich gegen den
Geländerholm gelehnt oder hierauf Kraft entfaltet habe. Ein hälftiges Mitverschulden sei jedenfalls
überhöht.
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Das Landgericht habe ferner die Klage gegen den Beklagten Ziff. 2 nicht abweisen dürfen. Der Beklagte
Ziff. 2 habe nicht substantiiert bestritten, dass der schadhafte Geländerpfosten zu seinen Beständen
gehört habe.
32
Im übrigen treffe den Beklagten Ziff. 2 als Besitzer des Gerüsts unabhängig von seiner Mitwirkung an
dessen Umsetzung eine Haftung nach § 837 BGB.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
dem Grunde nach verpflichtet sind, dem Kläger den gegenwärtigen und künftigen materiellen Schaden
aus dem Unfallereignis vom 13.05.04 in Argenbühl, Ba., zu ersetzen, soweit kein Anspruchsübergang
eingetreten ist, und dass die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach dem Kläger ein
Schmerzensgeld (Kapital und/oder Rente) aus diesem Unfall schulden.
35
Die Beklagten beantragen,
36
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
37
Sie beziehen sich im wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, das sie vertiefen.
38
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
39
3. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Ravensburg - 16 Js 13436/04 - waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung am 15.12.2008. Nach der mündlichen Verhandlung und dem Scheitern von
Vergleichsbemühungen ist der Senat mit Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 19.03.2009 (Bl.
308/309 d.A.) in das schriftliche Verfahren übergegangen.
B.
40
Die zulässige Berufung des Beklagten Ziff. 1 ist unbegründet (Punkt II). Die zulässige Berufung des
Klägers hat teilweise Erfolg. Sein Mitverschulden an dem streitgegenständlichen Unfall hat das Landgericht
zu hoch bemessen (Punkt II.3). Seine Klage gegen den Beklagten Ziff. 2 hat das Landgericht hingegen zu
Recht abgewiesen (Punkt III).
I.
41
Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 ZPO ist
nicht deswegen geboten, weil das Landgericht mit dem Grundurteil zugleich auch über den
Feststellungsantrag des Klägers auf Ersatz künftigen materiellen Schadens entschieden hat, anstatt
diesbezüglich ein Teilendurteil zu erlassen.
42
Allerdings ist dies ein wesentlicher Verfahrensmangel gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das angefochtene
Grundurteil erstreckt sich auch auf den Feststellungsantrag. Dies ergibt sich sowohl aus seinem Tenor als
auch aus seinen Entscheidungsgründen (S. 11), wonach ein Teilendurteil nur hinsichtlich der Klage gegen
den Beklagten Ziff. 2 ergangen ist und im übrigen durch Grundurteil entschieden worden ist.
43
Der Erlass eines Grundurteils über nach Grund und Betrag streitige Ansprüche setzt nach § 304 Abs. 1
ZPO einen Anspruch voraus, der auf Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer, der Höhe nach
summenmäßig bestimmter Sachen gerichtet ist (BGH, NJW 2000, 1572, Juris, Rnr. 15). Deswegen
scheidet ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag wesensgemäß aus (BGH aaO, Rnr.
16; NJW 00, 664, Juris, Rnr. 21; NJW 1990, 1106, Juris, Rnr. 8).
44
Der Grundsatz der Prozessökonomie gebietet vorliegend eine eigene Sachentscheidung des Senates im
Wege des Heraufziehens der beim Landgericht infolge des Verfahrensmangels noch anhängigen
Feststellungsklage (OLG Celle, OLGR 2008, 136, Juris, Rnr. 33; OLG Frankfurt, OLGR 2002, 324, Juris,
Rnr. 2; vgl. BGH, NJW-RR 1994, 379, Juris, Rnr. 25 für den Fall eines unzulässigen Teilurteils; vgl. OLG
Rostock, OLGR 2007, 887, Juris, Rnr. 23; Zöller/Vollkommer, aaO, Rnr. 23). Eine abschließende
Entscheidung über den Feststellungsantrag ist vorliegend möglich. Widersprechende Entscheidungen in
zweiter Instanz und in erster Instanz (Betragsverfahren) erscheinen ausgeschlossen.
II.
45
Die Berufung des Beklagten Ziff. 1 hat keinen Erfolg. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen,
dass der Beklagte Ziff. 1 dem Kläger auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes aus dem
streitgegenständlichen Unfall haftet.
46
1. Eine Haftung trifft den Beklagten Ziff. 1 nach §§ 836, 837 BGB.
47
a) Das Baugerüst ist ein mit einem Grundstück verbundenes Werk im Sinne des § 836 BGB (BGH NJW
1999, 2593, Juris, Rnr. 6; NJW 1997, 1853, Juris, Rnr. 8; OLG Koblenz, OLGR 2002, 468 , Juris, Rnr. 31).
48
b) Der Beklagte Ziff. 1 war Eigenbesitzer des auf seine Anordnung hin von seinen Mitarbeitern
umgesetzten Gerüsts im Sinne der genannten Vorschriften (§ 836 Abs. 3 BGB).
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Eigenbesitzer ist derjenige, der eine Sache als ihm gehörend besitzt (§ 872 BGB). Dabei muss ein
Besitzrecht nicht wirklich bestehen. Ausreichend ist, wenn der Besitzer es wie ein bestehendes Recht
ausübt (Staudinger/Belling, BGB 2008, § 837, Rnr. 5;Palandt/Bassenge; BGB, 68. Aufl., § 872, Rnr. 1).
Vorliegend kommt es auf den Eigenbesitz des an der Nordseite des Gebäudes errichteten Gerüstes an.
Dabei ist die Frage, ob der Beklagte Ziff. 1, der das von dem Beklagten Ziff. 2 an der Südseite des
Gebäudes errichtete und ihm überlassene Gerüst als Mieter oder in einem ähnlichen Vertragsverhältnis
zunächst als Fremdbesitzer besaß, durch dessen Umsetzung daran Eigenbesitz begründete, zu bejahen.
Indem der Beklagte Ziff. 1 seine Arbeiter anwies, das Gerüst abzubauen und an der Nordseite des
Gebäudes wieder aufzubauen, errichtete er ein neues Werk und nahm dieses in Eigenbesitz. Dass das
Gerüst an der Nordseite in anderer Form errichtet wurde und damit ein anderes Werk als bei seinem
Aufbau durch den Beklagten Ziff. 2 an der Südseite des Gebäudes darstellte, ergibt sich daraus, dass
unstreitig nur ein Bruchteil der ursprünglich verwendeten Bauteile zum Einsatz kam.
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Der Beklagte Ziff. 1 gerierte sich auch als Eigenbesitzer oder jedenfalls als Berechtigter des neu
errichteten Gerüsts, indem er es – nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des
landgerichtlichen Urteils – eigenmächtig, nämlich ohne Wissen des Beklagten Ziff. 2, von seinen Arbeitern
ab- und in anderer Form wieder aufbauen ließ, um es zur Fortführung seiner Arbeiten zu benutzen. In
diesem Verhalten kommt sein Eigenbesitzwille zum Ausdruck. Der Annahme eines Eigenbesitzes seitens
des Beklagten Ziff. 1 steht nicht entgegen, dass ihm das Gerüst nur für einen bestimmten Zeitraum zur
Benutzung überlassen war und er es von vorneherein nur für eine bestimmte Zeit in Anspruch nehmen
wollte. Denn Eigenbesitz kann auch an nur zu einem vorübergehenden Zweck errichteten Werken bestehen
(Münchener Kommentar/Wagner, BGB 5. Aufl., § 836, Rnr. 8; Palandt/Sprau, aaO, § 836, Rnr. 2). Der
Eigenbesitzwille des Beklagten Ziff. 1 betraf das Gerüst in der von ihm errichteten und in dieser Form von
vorneherein nur für einen vorübergehenden Zeitraum vorgesehenen Gestalt. Der zeitlich begrenzten
Bestimmung des Werks entsprechend besaß der Beklagte es bis zur Erfüllung seines Zwecks als
Arbeitsgerüst an der Nordseite als ihm gehörend.
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c) Die weitere Voraussetzung des § 836 BGB, dass sich ein Teil des Werks abgelöst hat und hierdurch die
Verletzung des Geschädigten eingetreten ist, ist erfüllt. Unstreitig hat sich der Geländerholm gelöst. Für
den Ursachenzusammenhang zwischen dem Lösen der Stange einerseits und dem Sturz des Klägers
sowie den hierdurch eingetretenen Verletzungen andererseits streitet ein Anscheinsbeweis. Denn die
Stange löste sich in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Sturz des Klägers. Nach der
Aussage des Zeugen W. in der Verhandlung vom 29.01.08 (Bl. 81 d.A.) „spickte“ der Geländerholm „weg“,
als sich der Kläger an ihn lehnte, woraufhin der Kläger zu Boden stürzte(vgl. BGH NJW 1999, 2593, Juris,
Rnr. 7; NJW 1997, 1853, Juris, Rnr. 14).
52
d) Der Beweis des ersten Anscheins spricht auch dafür, dass die Ablösung des Geländerholms auf der
mangelhaften Errichtung des Gerüsts beruht. Denn eine Geländerstange muss so befestigt sein, dass sie
dem Benutzer des Gerüsts ausreichend Halt bietet, wenn er mit ihr in Berührung kommt, etwa indem er
sich hieran anlehnt (vgl. BGH NJW 1999, 2593, Juris, Rnr. 7; NJW 1997, 1853, Juris, Rnr. 16).
53
e) Das Verschulden des Beklagten Ziff. 1 wird vermutet.
54
Der Beklagte Ziff. 1 hat weder vorgetragen noch gemäß § 836 Abs. 1 S. 2 BGB bewiesen, dass er zum
Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat, insbesondere das
Gerüst unter Einhaltung aller einschlägigen bautechnischen Regeln und Erfahrungssätze (vor allem der
Unfallverhütungsvorschriften) aufgebaut und/oder es erst zur Benutzung freigegeben hat, nachdem dies der
Fall war. Dagegen spricht, dass der Beklagte Ziff. 1 das Gerüst nicht sperrte, obwohl er erkannte, dass es
Mängel aufwies.
55
2. Der Beklagte Ziff. 1 haftet dem Kläger daneben nach § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten.
56
Das von den Mitarbeitern des Beklagten Ziff. 1 errichtete Gerüst entsprach nicht den einschlägigen
Unfallverhütungsvorschriften. Dafür spricht schon der Anscheinsbeweis. Denn nach der Aussage des
Zeugen W. löste sich der Geländerholm, als der Kläger sich dagegen lehnte (Bl. 81 d.A.). Aus einem
solchen Unfallhergang lässt sich auf eine mangelhafte Befestigung des Geländerholms schließen (s.o.).
57
Vorliegend hat der Kläger auch im Wege des Vollbeweises bewiesen, dass das Gerüst nicht über den nach
Nr. 7.3 BGR vorgeschriebenen Seitenschutz aus Geländerholm und Zwischenholm verfügte. Die
Unfallverhütungsvorschriften geben insoweit den Inhalt der den Unternehmer treffenden
Verkehrssicherungspflicht vor und konkretisieren die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (OLG Stuttgart,
OLGR 1999, 245, Juris, Rnr. 47, 48; OLG Bremen, BauR 2005, 391, Juris, Rnr. 26).
58
Unstreitig fehlte der Zwischenholm. Der Geländerholm war zwar vorhanden, aber nicht fachgerecht
befestigt. An der dem Gebäude zugewandten Seite war er nicht entsprechend Nr. 7.1.2 BGR mit einer
Kupplung versehen, sondern in einer Aussparung eines Vertikalrahmens eingehängt. Am anderen Ende war
er zwar mit einer Keilkupplung befestigt. Diese war jedoch schadhaft und entfaltete nicht die erforderliche
Klemmwirkung. Dies ergibt sich ausweislich der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Ravensburg – 16
Js 13436/04 – aus den polizeilichen Ermittlungen und den Feststellungen des von der Polizei
hinzugezogenen Sachverständigen Wi..
59
Der Kläger hat sich auf diese Akte berufen. Die Beklagten sind der Verwertung der Strafakten nicht
entgegengetreten und haben insbesondere keinen Gegenbeweis angetreten. Soweit der Erstbeklagte unter
Berufung auf Sachverständigenbeweis behauptet, es sei denkbar, dass der Kläger selbst durch Anlehnen
der Leiter oder der Dachrinne den Keil beschädigt habe, ist dem - unabhängig davon, dass ein solcher
Unfallhergang nach der Aussage des Zeugen W. nicht stattgefunden hat - nicht weiter nachzugehen. Die
Leiter reichte in dem vorgefundenen Zustand nicht bis zu der Kupplung, was sich insbesondere aus den
Lichtbildern 3, 4 und 6 der Ermittlungsakte ergibt. Es ist nicht vorstellbar, dass durch das Anlehnen und
Hantieren mit einer Regenrinne Keilkupplungen beschädigt werden, die mit einem 500g schweren Hammer
fest zu schlagen sind (Nr. 7.1.2.4 BGR). Gegen die vom Erstbeklagten als denkbar beschriebene
Schädigung durch den Kläger spricht zudem, dass der ermittelnde Polizeibeamte ausweislich der
Strafakten keine äußeren Beschädigungen festgehalten hat, obwohl dieser selbst den Keil nochmals mit
einem Hammer eingetrieben hat.
60
a) Der Beklagte Ziff. 1 hat seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Nach Nr. 9.6 BGR hatte er das Gerüst
nach der Umstellung durch seine Arbeiter auf die einwandfreie Beschaffenheit der Gerüstbauteile und
Übereinstimmung mit der Aufbau- und Verwendungsanleitung zu überprüfen. Insbesondere den
Seitenschutz in Form des Geländerholms hätte er nach den Ausführungen des Sachverständigen G. in der
mündlichen Verhandlung am 29.01.2008 (Bl. 82 d.A.) durch einen Rütteltest überprüfen müssen. Unstreitig
hat er dies unterlassen. Außerdem hätte er nach Nr. 11.1.5 BGR keine konstruktiven Veränderungen
vornehmen dürfen, da dies dem (ursprünglichen) Gerüstersteller, somit dem Bekl. Ziff. 2, vorbehalten war.
61
Einen weiteren Verstoß gegen seine Verkehrssicherungspflicht stellte es dar, dass er den Kläger zur
baldigen Vornahme seiner Arbeiten anhielt, ohne ihn auf die fehlende Abnahme und Überprüfung des
ordnungsgemäßen Aufbaus des Gerüsts hinzuweisen.
62
c) Diese Verstöße waren ursächlich für den Sturz des Klägers. Auch hierfür spricht ein Anscheinsbeweis
(OLG Stuttgart, aaO, Rnr. 49; OLG Bremen, aaO). Diesen Anscheinsbeweis vermag der Beklagte Ziff. 1
nicht zu erschüttern, indem er behauptet, die Begleitumstände des Unfalls sprächen dafür, dass der Kläger
das Gerüst auch benutzt hätte, wenn er es gesperrt hätte. Der Zurechnungszusammenhang wird nicht
dadurch unterbrochen, dass der Kläger seinerseits gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstieß, indem
er das Gerüst ohne entsprechende Sicherheitsüberprüfung trotz erkennbarer Mängel benutzte. Denn der
Kläger wurde hierzu durch den Beklagten Ziff. 1 provoziert, der ihn um unverzügliche Montage bat, ohne
ihn auf die Sicherheitsmängel des Gerüsts hinzuweisen. Solche in vorwerfbarer Weise herausgeforderten
Reaktionen muss sich der eine erste Schadensursache Setzende zurechnen lassen, wenn er bei dem
Geschädigten eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation zu selbstgefährdendem Verhalten
gesetzt hat (BGH NJW 1990, 2885; NJW 1979, 712, Juris, Rnr. 9; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1310,
1311), was vorliegend der Fall ist.
63
d) Die Nichtbeachtung der Unfallverhütungsvorschriften indiziert regelmäßig den Vorwurf fahrlässigen
Handelns(OLG Stuttgart, aaO, Rnr. 53; OLG Bremen, aaO, Rnr. 31). Dieser wird durch den eigenen Vortrag
des Erstbeklagten erhärtet, er habe bemerkt, dass einige Sicherungen am Gerüst fehlten, ohne den Kläger
darauf hinzuweisen, als er ihn um unverzügliche Durchführung seiner Arbeiten bat.
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e) Der Beklagte Ziff. 1 kann sich nicht auf den Entlastungsbeweis des § 831 BGB berufen. Dies folgt aus
dem Charakter der Unfallverhütungsvorschriften als allein und exklusiv den Unternehmer bindende
Weisungen. Der Beklagte haftet daher wegen der Verletzung einer ihn selbstständig treffenden
Verkehrssicherungspflicht (OLG Stuttgart, aaO, Rnr. 57; OLG Bremen, aaO, Rnr. 36). Eine solche eigene
Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten liegt auch in der Bitte an den Kläger um unverzügliche
Montage in Kenntnis der unzureichenden Sicherung des Gerüsts und in der fehlenden
Sicherheitsüberprüfung.
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3. Dem Kläger fällt ein Mitverschulden zur Last, das der Senat - abweichend vom Landgericht - mit einem
Drittel bewertet.
66
Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger als selbstständiger Unternehmer auf der Baustelle tätig war oder –
wie er in der Berufungsinstanz vorträgt - als Angestellter in dem Betrieb seines Vaters. Im ersteren Fall
träfe nach den Unfallverhütungsvorschriften (Nr. 11.2 BGR 166) ihn selbst die Pflicht, das Gerüst auf
augenfällige Mängel zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Im letzteren Fall müsste er sich ein
entsprechendes Mitverschulden seines Vaters als Betriebsinhaber nach § 104 SGB VII im Rahmen des
gestörten Gesamtschuldnerausgleichs anrechnen lassen (BGH NJW 2008, 2116, Juris, Rnr. 11; OLG
Düsseldorf, NJW-RR 1994, 1310, 1311).
67
Der Kläger stellt selbst nicht in Abrede, dass weder er noch sein Vater das Gerüst vor seiner Benutzung
auf augenfällige Mängel überprüften und er es trotz einer Feststellung augenfälliger Mängel benutzte. Ein
solcher augenfälliger unfallursächlicher Mangel war der fehlende Zwischenholm und nach den
Ausführungen des Sachverständigen Gabur (Bl. 83 d.A.) die nicht sachgerechte Befestigung des
Geländerholms an der dem Gebäude abgewandten Seite in der Aussparung des Vertikalrahmens. Diese
offensichtlichen Mängel hätten den Kläger oder seinen Arbeitgeber nach den Ausführungen des
Sachverständigen Gabur veranlassen müssen, den Geländerholm als allein verbliebenes
Seitenschutzelement seines Arbeitsplatzes durch Rütteln auf seine ausreichende Befestigung zu
überprüfen (Bl. 82 d.A.). Dass der Geländerholm zu dem Arbeitsplatz des Klägers zählte, ergibt sich
daraus, dass er nach der Aussage des Zeugen W. (Blatt 82 d.A.) bei seiner Montagetätigkeit, nämlich dem
Einlegen der Dachrinne, abstürzte.
68
Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht nur von einer Mitursächlichkeit dieses Versäumnisses,
sondern auch von einem Verschulden des Klägers bzw. seines Arbeitgebers auszugehen. Da der Kläger
bzw. sein Arbeitgeber gegen eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen hat, spricht der Anscheinsbeweis
für einen Ursachenzusammenhang zwischen Verstoß und Unfall. Des weiteren begründet die
Nichtbeachtung der Vorschrift regelmäßig den Vorwurf des Verschuldens (s. o.). Umstände, die diesen
Vorwurf widerlegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
69
Vorliegend überwiegt das Verschulden des Beklagten Ziff. 1. Denn der Beklagte Ziff. 1 hat nicht nur seine
Prüfpflicht verletzt, sondern den Kläger trotz Kenntnis der augenscheinlichen Mängel und ohne ihn hierauf
hinzuweisen um rasche Montage gebeten. Er hat ihn damit grob fahrlässig großer Gefahr ausgesetzt und
zweifach Verkehrssicherungspflichten verletzt. Der Kläger befand sich hingegen in dem Konflikt, entweder
der Bitte des Erstbeklagten um unverzügliche Montage nachzukommen, um das den Verkehr behindernde
Gerüst schnell abbauen zu können, oder einem sicheren Arbeiten Priorität zu geben. Der eigentlich
unfallursächliche Mangel, nämlich die fehlende Klemmwirkung der Keilkupplung, war für ihn nicht sichtbar.
Der Senat bemisst das Mitverschulden des Klägers daher mit einem Drittel.
70
4. Die Haftung des Beklagten Ziff. 1 ist nicht nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII ausgeschlossen. Denn
der Unfall ereignete sich nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte des Klägers und des Beklagten Ziff. 1
im Sinne der vorgenannten Vorschrift.
71
Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
betriebliche Aktivitäten von Versicherten verschiedener Unternehmen, die bewusst und gewollt bei
einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen,
wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.
Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf (BGH NJW 2004, 947, Juris, Rnr. 14; NJW
2008, 2116, Juris, Rnr. 13). Hinzukommen muss außerdem ein wechselseitiger Bezug der betrieblichen
Aktivitäten (BGH NJW 2004, 947, Rnr. 16) oder die Möglichkeit wechselseitiger Verletzungen durch das
enge Zusammenwirken (BGH NJW 2008, 2116, Juris, Rnr. 16). Nur dann wird dem dem
Haftungsausschluss zugrundeliegenden Gedanken der Gefahrengemeinschaft Rechnung getragen (BGH
NJW 2004, 947, Rnr. 17; NJW 2008, 2116, Juris, Rnr. 16). Hieran fehlt es z.B. bei den Arbeiten des von
einem Gerüst gestürzten Dachdeckers und denen der Gerüstbaufirma, wenn die Arbeiten des Dachdeckers
lediglich auf denjenigen des Gerüstbauers aufbauen, ohne auf sie bezogen zu sein (BGH, NJW 2004, 947,
Rnr. 15, 16).
72
So verhält es sich auch hier. Die Arbeit des Klägers knüpfte zwar an diejenige des Beklagten Ziff. 1 an.
Sie war aber nicht auf seine Tätigkeit als Zimmerer und Gerüstbauer bezogen. Weder unterstützte der
Kläger diese noch förderte er sie, was schon dadurch deutlich wird, dass er erst nach Beendigung der
Arbeiten des Beklagten Ziff. 1 seine Tätigkeit aufnahm (so auch OLG Bremen, aaO, Rnr. 32 ff für die
Arbeit des Malers und des Gerüstbauers).
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5. Die Berufung des Beklagten 1 ist daher zurückzuweisen.
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Das Rechtsmittel des Klägers hingegen hat im Hinblick auf die Reduzierung seines Mitverschuldensanteils
teilweise Erfolg.
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Deshalb ist das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.
III.
76
Die Berufung des Klägers bleibt allerdings ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung seiner Klage
gegen den Beklagten Ziff. 2 richtet.
77
1. Der Beklagte Ziff. 2 ist dem Kläger nicht nach den §§ 836, 837 BGB schadensersatzpflichtig. Denn der
Beklagte Ziff. 2 war nicht Eigenbesitzer des von den Mitarbeitern des Beklagten Ziff. 1 auf dessen
Anweisung an die Nordseite des Gebäudes verlegten Gerüstes.
78
Eigenbesitzer des in veränderter Gestalt aufgebauten Gerüstes ist nur der Beklagte Ziff. 1 (siehe II.1.b).
Davon, dass der Zweitbeklagte von dem Abbau und der Errichtung des Gerüstes an der Nordseite in
veränderter Form wusste, kann nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen
Urteils nicht ausgegangen werden. Mangels seiner Kenntnis von der Veränderung des Gerüsts kann nicht
angenommen werden, dass er sich hierfür verantwortlich fühlte. Dass sein - für das von ihm selbst auf der
Südseite erstellte Gerüst zu bejahender - Eigenbesitzwille sich allgemein auf das Gerüst unabhängig von
der Art und Weise seiner Errichtung erstreckte, ist im Hinblick auf die damit verbundenen Unwägbarkeiten
und Haftungsrisiken nicht anzunehmen.
79
2. Der Beklagte Ziff. 2 haftet dem Kläger auch nicht nach § 838 i. V. m. §§ 836, 837 BGB. Denn es ist
weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Beklagte Ziff. 2 sich gegenüber dem Beklagten Ziff. 1 für die
Unterhaltung des an die Nordseite verlegten Gerüstes bereit erklärt hat.
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3. Schließlich haftet der Beklagte Ziff. 2 auch nicht nach § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten.
81
Die Feststellung des Landgerichts, es sei nicht bewiesen, dass der Beklagte Ziff. 2 von der Versetzung
des Gerüsts Kenntnis hatte, geschweige denn damit in irgendeiner Weise befasst war, ist mit der Berufung
nicht angegriffen. In Betracht käme daher nur ein Verstoß gegen die Pflicht nach Nr. 9.6 BGR 166, das
Gerüst vor Übergabe an den Benutzer auf eine einwandfreie Beschaffenheit der Gerüstbauteile zu
überprüfen.
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Der Kläger hat nicht bewiesen, dass der Beklagte Ziff. 2 eine solche Pflichtverletzung begangen hat.
Voraussetzung hierfür wäre die Feststellung, dass die Keilkupplung schon schadhaft war, als der Beklagte
Ziff. 2 das Gerüst nach seiner Errichtung an der Südseite an den Beklagten Ziff. 1 übergab. Hieran fehlt es.
Der Beklagte Ziff. 2 hat eine Schadhaftigkeit der Keilkupplung mit dem Vortrag bestritten, das Gerüst habe
keinerlei Mängel aufgewiesen (Bl. 38, 77 d.A.). Der Kläger hat dafür, dass die Keilkupplung von Anfang an
mangelhaft gewesen sei, keinen Beweis angetreten.
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Hiervon kann auch nicht im Wege eines Anscheinsbeweises ausgegangen werden. Das Gerüst wurde
einige Zeit an der Südseite benutzt, bevor die Mitarbeiter des Beklagten Ziff. 1 es abbauten und an anderer
Stelle wieder errichteten. Bei dieser Montagetätigkeit könnte die Keilkupplung ebenfalls beschädigt worden
sein.
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Diesbezüglich ist die Berufung des Klägers somit zurückzuweisen.
IV.
85
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
86
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 und 709 S. 2
ZPO.
87
Die Revision des Klägers ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen im
Hinblick auf die Frage, ob ein Gerüstbauunternehmer seinen Eigenbesitz an dem von ihm errichteten
Gerüst dadurch verliert, dass es auf Anordnung des Mieters des Gerüstes ohne sein Wissen abgebaut und
an anderer Stelle in veränderter Form wieder aufgebaut und benutzt wird.
88
Die Revision des Beklagten Ziff. 1 ist diesbezüglich nicht zuzulassen, da diese Frage für seine Haftung
nicht entscheidungserheblich ist.