Urteil des OLG Stuttgart vom 25.02.2009

OLG Stuttgart (gesellschafterversammlung, gesellschafter, gesellschaft, gesellschaftsvertrag, geschäftsführung, mehrheit, komplementär, abweisung der klage, auflösung der gesellschaft, staub)

OLG Stuttgart Urteil vom 25.2.2009, 14 U 24/08
Kommanditgesellschaft: Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung hinsichtlich der
Geschäftsverteilung der Komplementäre
Leitsätze
1. Zwar vollzieht sich die interne Willensbildung einer Personengesellschaft durch Beschlüsse der Gesellschafter,
welche die "Herren der Gesellschaft" sind. Daraus folgt aber jedenfalls in der Kommanditgesellschaft keine
umfassende Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung. Soweit die Mitwirkungsrechte der
Kommanditisten beschränkt sind, fehlt es grundsätzlich an einer Beschlusskompetenz der - auch die
Kommanditisten umfassenden - Gesellschafterversammlung.
2. Beschlüsse, die nur eine bestehende Regelung bestätigen sollen, bedürfen grundsätzlich einer
Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung. Auch der bloßen Bestätigung einer bereits bestehenden
Regelung kommt ein Regelungsgehalt zu, da in der Bestätigung eines Rechtsgeschäfts zugleich seine erneute
Vornahme liegt und ein entsprechender Regelungswille jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Zweifel an der
Wirksamkeit des bestätigten Rechtsgeschäfts bestanden.
Der Tatbestand des Urteils wurde durch Beschluss vom 02.04.2009 berichtigt. Die Berichtigung ist in der
anonymisierten Fassung bereits berücksichtigt. Gegen die Entscheidung wurde unter dem Az. II ZR 76/09
Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof eingelegt.
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des Landgerichts Ellwangen vom 17.04.2008, Az. 10 O 138/07, wird
zurückgewiesen.
II.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV.
Der Streitwert der Berufung wird auf 100.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der M.
B. KG ... Fabrik mit Sitz in G. (im Folgenden „KG“) am 14.07.2007.
I.
2
Die Parteien sind Gesellschafter der KG. An der KG waren am 14.07.2007 die Familienstämme B. und A.wie
folgt beteiligt (Bl. 5):
3
Familienstamm A.
Festkapitalanteil
in %
in Euro
Komplementär
J. A.
2,5
25.000
Kommanditisten
W. A.
12,5
125.000
Dr. A. A.
15,0
150.000
Klägerin
15,0
150.000
Gesamt
45,0
450.000
Familienstamm B.
Komplementär
Beklagter Ziffer 1)
33,2
332.000
Kommanditisten
Beklagte Ziffer 2)
6,5
65.000
Beklagte Ziffer 3)
5,1
51.000
Beklagte Ziffer 4)
5,1
51.000
Beklagte Ziffer 5)
5,1
51.000
Gesamt
55,0
550.000
4
Die Beteiligungsverhältnisse zum 01.01.2003 ergeben sich aus § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags in der
Fassung vom 30.12.2002 (vgl. K2).
5
1. Mit notariell beurkundetem Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 31.10.2007 (vgl. K1) übertrug der
Komplementär des Familienstamms A. von seinem Kapitalanteil i.H.v. 25.000 Euro einen Teil-Kapitalanteil
i.H.v. 10.000 Euro schenkweise auf die Klägerin. Außerdem wechselte er mit dem Vollzug der Schenkung von
der Rechtsstellung eines Komplementärs mit einem Kapitalanteil i.H.v. 15.000 Euro in die Stellung eines
Kommanditisten; die Klägerin wechselte im Gegenzug mit einem Kapitalanteil i.H.v. 160.000 Euro (150.000 +
10.000 Euro) in die Rechtsstellung eines Komplementärs.
6
2. Der Gesellschaftsvertrag der KG in der Fassung vom 30.12.2002 (vgl. K2) bestimmt unter anderem:
7
㤠9 Vertretung
8
Ist nur ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden, vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere
persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so vertreten diese die Gesellschaft gemeinsam mit einem
anderen persönlich haftenden Gesellschafter oder mit einem Prokuristen.
9
§ 10 Geschäftsführung
10
(1) Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so steht ihnen die Geschäftsführung nach
Maßgabe eines von ihnen aufzustellenden Geschäftsverteilungsplans gemeinsam zu.
11
(2) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, den Gesellschaftern alljährlich einen Investitions- und
Finanzierungsplan vorzulegen. Dieser bedarf der Genehmigung, wenn Investitionen über 10% der
Abschreibungen des Vorjahres liegen.
12
(3) Für alle außergewöhnlichen und wichtigen Rechtsgeschäfte und sonstigen Geschäftsführungsmaßnahmen
ist ein Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Dies gilt insbesondere für
13
a) die Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens im Ganzen oder eines Teilbereichs oder die
Verlegung des Betriebs im Ganzen oder zu einem Teil;
b) zur Aufgabe des Geschäfts im Ganzen oder eines Teilbetriebs;
c) zur Aufnahme von Darlehen, sofern durch die Darlehensaufnahme die Gesamtverbindlichkeiten (ohne
Darlehen der Gesellschafter) das halbe Umlaufvermögen übersteigen;
d) zur Übernahme von Bürgschaften der Gesellschaft;
e) zu Verträgen mit Familienangehörigen mit einer Dauerwirkung von mehr als 1 Jahr;
f) zum Erwerb, zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken;
g) zur wesentlichen Beteiligung an anderen Unternehmen (über 10%);
h) zur Errichtung oder Aufhebung von Zweiniederlassungen;
i) zur Erteilung von Prokuren. …
14
§ 11 Tätigkeit der Gesellschafter, Wettbewerbsverbot
15
(1) Die persönlich haftenden Gesellschafter sind verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft in den Dienst der
Gesellschaft zu stellen. …
16
(5) Solange die Herren K.B. und J. A. Geschäftsführer sind, liegt es in ihrem freien Ermessen, inwieweit sie
der Gesellschaft ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Entschließen sich die Herren K. B. und J. A. die
Tätigkeit für die Gesellschaft einzustellen, so wird 70% der zuletzt bezogenen Tätigkeitsvergütung als
Pension bis zum Tod weiter entrichtet. Werden diese persönlich haftenden Gesellschafter berufsunfähig, so
erhalten sie eine Berufsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der Alterspension. Bei Ableben der persönlich
haftenden Gesellschafter K. B. und J. A. erhalten die Witwen eine Witwenpension in Höhe von 60% des
Mannespension, welche der persönlich haftende Gesellschafter bezogen hat oder bezogen hätte, wenn er im
Zeitpunkt seines Ablebens im Ruhestand gewesen wäre.
17
§ 13 Gesellschafterversammlung, Gesellschafterbeschlüsse
18
(1) Eine ordentliche Gesellschafterversammlung findet jährlich mindestens einmal statt. Sie wird durch einen
persönlich haftenden Gesellschafter einberufen. Zulässig ist auch die Einberufung durch Kommanditisten,
sofern diese mindestens ein Drittel des Gesellschaftskapitals vertreten.
19
(2) Die Gesellschafterversammlung findet am Sitz der Gesellschaft statt. Der Einberufende lädt alle
Gesellschafter schriftlich zu der Versammlung, die Einberufungsfrist soll drei Wochen betragen. Tagungsort,
Tageszeit und Tagesordnung sind in der Einladung mitzuteilen. Eine Vertretung in der
Gesellschafterversammlung oder bei der Stimmabgabe ist durch einen anderen Gesellschafter zulässig.
20
(3) Beschlüsse können auch außerhalb einer Gesellschafterversammlung formlos gefasst werden, soweit
sämtliche Gesellschafter mit dieser Art der Beschlussfassung einverstanden sind. Dies kann telegrafisch
oder durch E-Mail, durch Telefax oder in anderer Form erfolgen. Über den Beschluss ist von den persönlich
haftenden Gesellschaftern eine Niederschrift anzufertigen und den Gesellschaftern zuzustellen.
21
(4) Stimmberechtigt sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Festkapitalanteile. Jeweils EUR 1.000,00 eines
Festkapitalanteils gewähren eine Stimme. Demgemäß sind die Stimmrechte wie folgt verteilt …
22
(5) Die Gesellschafterbeschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen
gefasst, soweit in diesem Vertrag nicht eine größere Mehrheit vorgeschrieben ist. Folgende Beschlüsse
bedürfen einer Dreiviertel-Mehrheit:
23
a) Veräußerung und Verpachtung des Unternehmens im Ganzen oder eines Teilbetriebs;
b) Auflösung der Gesellschaft;
c) Beteiligung an anderen Unternehmen oder Kauf von Anteilen an anderen Unternehmen (§ 10 Abs. 3 Buchst.
g);
d) Änderungen des Gesellschaftsvertrags bedürfen einer Mehrheit von 90% der Stimmen. Dies gilt auch für
wesentliche Änderungen wie:
24
- Änderung des Rechtsform der Gesellschaft;
- Änderung des Gegenstands der Gesellschaft;
- Kapitalerhöhung und Kapitalherabsetzung;
- Aufnahme neuer Gesellschafter;
- Bestimmungen über das Ausscheiden eines Gesellschafters und die Auseinandersetzung;
- § 21 (Tod eines Gesellschafters).
25
§ 14 Gesellschafterwechsel
26
Zu Lebzeiten kann ein Gesellschafter nur dann seine Beteiligung auf einen Nichtgesellschafter übertragen,
wenn die übrigen Gesellschafter der erforderlichen Änderung des Gesellschaftsvertrags mit einer Mehrheit von
90% der Stimmen zustimmen. Die Übertragung auf einen anderen Gesellschafter ist zulässig. Überträgt ein
persönlich haftender Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil ganz oder teilweise auf einen anderen
Gesellschafter, so ist er berechtigt, in die Stellung eines Kommanditisten zu wechseln, wenn der
Übertragungsempfänger in die Rechtsstellung des persönlich haftenden Gesellschafters übertritt. …
27
§ 18 Kontrollrechte der Kommanditisten
28
Den Kommanditisten ist eine Ausfertigung des Jahresabschlusses sowie der Prüfungsbericht des
Abschlussprüfers auszuhändigen. Im Übrigen stehen den Kommanditisten die Kontrollrechte gemäß § 166
HGB zu.
29
§ 21 Tod eines Gesellschafters
30
31
(2) Nachfolgeberechtigte Erben oder Vermächtnisnehmer sind nur solche, die bereits Gesellschafter sind oder
als leiblich Abkömmlinge der Gesellschafter K. B. und W. A., geb. B., in die Gesellschaft eintreten. …. Die
Gesellschafter K. B. und J. A. können durch letztwillige Verfügung einen nachfolgeberechtigten Erben oder
Vermächtnisnehmer ihres Stammes oder einen Gesellschafter bestimmen, welcher im Fall ihres
Ausscheidens aus der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter eintritt. …“
32
3. In der Gesellschafterversammlung am 14.05.2006 war ein Organigramm für die Verteilung der
Zuständigkeiten in der KG erstellt worden, insbesondere auf der Leitungsebene (vgl. Organigramme nach Bl.
46). Das Organigramm hing im Jahr 2006 am Schwarzen Brett aus.
33
Anfang 2007 hatten der Beklagte Ziffer 1) und der Gesellschafter J. A. Anfang 2007 ein für die
Geschäftspartnern der KG bestimmtes Rundschreiben (vgl. B 1, Bl. 46) unterzeichnet, in dem die
„Aufgabenverteilung im Hause B.“ wie folgt mitgeteilt wurde:
34
- Komplementär und Geschäftsführer J. A.
- Komplementär und Geschäftsführer J. B.:
Entwicklung & Konstruktion, Qualitätssicherung, Beteiligungen
- Marketingleiterin und Prokuristin E. A.:
Marketing, technische Dokumentation
- Vertriebsleiter und Prokurist J. K.:
Vertrieb, Disposition & Logistik, Einkauf Handelswaren
- Kaufmännischer Leiter und Prokurist T. S.:
Controlling, Buchhaltung, Personal, EDV
- Technischer Leiter und Prokurist K.-H. F.:
Produktion Werke G. und B., Einkauf Technik, Haus & Hof
35
Das Rundschreiben war allerdings nicht versandt worden.
36
4. Am 14.07.2007 fand eine Gesellschafterversammlung der KG statt, bei der sämtliche Gesellschafter
entweder persönlich anwesend oder vertreten waren. Zu der Gesellschafterversammlung war per e-Mail (vgl.
K3) eingeladen worden. Der Beklagte Ziffer 1) hat zu der Gesellschafterversammlung ein Protokoll erstellt
(vgl. K4).
37
Nach dem Inhalt des Protokolls wurde der Beklagte Ziffer 1) einstimmig zum Vorsitzenden der Versammlung
bestimmt; dieser bestimmte die Beklagte Ziffer 3) zur Protokollschreiberin. Das Protokoll ist von beiden
Gesellschaftern unterschrieben.
38
Ausweislich des Protokolls wurden unter anderem folgende Beschlüsse gefasst:
39
Zu TOP 12 gegen die Stimmen des Stammes A.:
40
„Die Gesellschafter (Kommanditisten und Komplementäre) sind dazu angehalten, alle gebotenen Pflichten
eines Gesellschafters, im Besonderen die unter TOP 12 hervorgehobenen Punkte einzuhalten. Die
Geschäftsführung wird verpflichtet, die Einhaltung dieser Pflichten mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln durchzusetzen. Gleichzeitig wird die Geschäftsführung verpflichtet, die Rechte der Gesellschafter
einzuhalten und ebenso diese mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen. Die Rechten und
Pflichten werden von den Gesellschaftern jederzeit beachtet, insofern sie den Regelungen des HGB
entsprechen.“
41
Zu TOP 13 gegen die Stimmen des Stammes A.:
42
„Die Prokura von Frau E. A. wird gelöscht.“
43
Zu TOP 14 gegen die Stimmen des Stammes A.:
44
„Der Geschäftsführer J. B. soll alternative Formen der Unternehmensfinanzierung untersuchen und der
Gesellschafterversammlung ein tragfähiges Konzept zur möglichen Ausbezahlung aller Kapitalanteile und
Gesellschafterkonten des Stammes A. sowie weiterer Wachstumsfinanzierungen vornehmen.“
45
Zu TOP 15 mit den Stimmen von J. A. und W. A. bei Enthaltung von Dr. A. A. und die Klägerin:
46
„Die Gesellschafterversammlung bestätigt den bei der letzten Gesellschafterversammlung vorgestellten
und seit August 2006 umgesetzten Geschäftsverteilungsplan. Aus dem Geschäftsverteilungsplan wurde
das operative Organigramm abgeleitet. Es ist seit August 2006 veröffentlicht und wird seitdem auch so
umgesetzt. Der Geschäftsverteilungsplan und das abgeleitete Organigramm hatte auf ausdrücklichen
Wunsch der Gesellschafter die letzten 12 Monate Bestand und wird weiter Bestand haben, bis die jeweils
aktiven Komplementäre eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans beschließen.“
47
Zu TOP 15 gegen die Stimmen des Stammes A.:
48
„Im Falle der Uneinigkeit der Komplementäre bei der Änderung des bestehenden
Geschäftsverteilungsplans muss die Gesellschafterversammlung die Änderung ersatzweise beschließen.“
49
Weiter ist im Protokoll zu TOP 15 vermerkt:
50
„Frage von J. B. an J. A.:
51
'Können wir den bestehenden Geschäftsverteilungsplan derart ändern, dass ich (J. B.) ab Montag
(16.07.07) den Bereich Marketing zusätzlich zu den bereits übernommenen Bereichen übernehme?'
52
Abstimmung
53
J. B.
Ja (X)
J. A.
Nein (X)
54
Der Vorsitzende stellt fest, dass die beiden Komplementäre sich nicht auf die Abänderung des
bestehenden Geschäftsverteilungsplans einigen konnten.“
55
Weiter wurden nach dem Inhalt des Protokolls zu TOP 15 folgende Beschlüsse gegen die Stimmen des
Stammes A. gefasst:
56
„Die Gesellschafterversammlung bestimmt aufgrund der Uneinigkeit der Komplementäre ersatzweise die
Änderung des bestehenden Geschäftsverteilungsplans derart, dass der Bereich Marketing ab sofort von
Herrn J. B. betreut wird. Alle anderen Aufgabenverteilungen bleiben davon unberührt.“
57
„Der neue Geschäftsverteilungsplan wird als Ergänzung zum Gesellschaftervertrag an alle Gesellschafter
verteilt (siehe Anhang). Das daraus abgeleitete neue Organigramm wird innerhalb der nächsten 5
Werktage am Schwarzen Brett ausgehängt. Herr J. B. wird damit beauftragt, ein entsprechendes
Rundschreiben an alle Geschäftspartner der M. B. KG und verbundenen Unternehmen zu schreiben. In
diesem werden die Verantwortlichkeiten laut abgeleitetem Organigramm mitgeteilt. Herr B. ist autorisiert,
das Schreiben im Namen der M. B. KG zu versenden.“
58
5. Mit Schreiben vom 02.11.2007 forderten die Gesellschafter des Stammes A. den Beklagten Ziffer 1) (vgl.
K5) auf, für alle Gesellschafter des Stammes B. die Nichtigkeit der zu TOP 12 bis 15 gegen die Stimmen des
Stammes A. gefassten Beschlüsse anzuerkennen. Dieser Forderung wurde nicht entsprochen. Zuvor hatten
die Gesellschafter des Stammes A. bereits mit Schreiben vom 01.08.2007 (vgl. K6) und vom 09.08.2007 (vgl.
K7) zum Ausdruck gebracht, dass sie die gegen ihre Stimmen gefassten Beschlüsse für unwirksam hielten.
II.
59
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 27.12.2007 bei Gericht eingegangenen Klage die Feststellung der Nichtigkeit
der in der Gesellschafterversammlung am 14.10.2007 gegen die Stimmen des Stammes A. gefassten
Beschlüsse.
60
Dazu trägt sie vor:
61
Dem Protokoll komme kein Beweiswert zu, da der Gesellschaftsvertrag weder die Wahl eines
Versammlungsleiters noch eines Protokollführers vorsehe; soweit Beschlüsse nicht im Umlaufverfahren
gefasst werden, sehe der Gesellschaftsvertrag keine Niederschrift vor.
62
Der zu TOP 12 gefasste Beschluss sei nichtig. Die Rechte und Pflichten, auf die er Bezug nimmt, folgten
bereits aus Gesetz und Gesellschaftsvertrag. Soweit demgegenüber durch den Beschluss eine Änderung der
Rechtslage beabsichtigt gewesen sei, hätte er einer Mehrheit von 90% der Stimmen bedurft.
63
Der zu TOP 13 gefasste Beschluss sei nichtig. Die Gesellschafterversammlung sei für den Widerruf der
Prokura nicht zuständig; § 10 Abs. 3 Buchst. e) des Gesellschaftsvertrages sehe nur einen
Zustimmungsvorbehalt bei der Erteilung von Prokuren vor; daraus folge aber kein Initiativrecht der
Gesellschafterversammlung.
64
Der nach dem Inhalt des Protokolls zu TOP 14 gegen die Stimmen des Stammes A. gefasste Beschluss sei
nichtig, da Entscheidungen über die Unternehmensfinanzierung als Geschäftsführungsmaßnahme den
Komplementären oblägen. In jedem Fall könne die Gesellschafterversammlung nur einer gemeinschaftlichen
Untersuchung durch beide Komplementäre zustimmen, da der Gesellschaftsvertrag Gesamtgeschäftsführung
vorsehe. Die Übertragung einer Geschäftsführungsmaßnahme an einen Komplementär zur alleinigen
Erledigung stelle eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dar und bedürfe deshalb einer Mehrheit von 90%
der Stimmen.
65
Auch die zu TOP 15 gegen die Stimmen des Stammes A. gefassten Beschlüsse seien nichtig.
66
Der Beschluss zur Bestätigung des bisherigen Geschäftsverteilungsplans entfalte keine materielle Wirkung,
da die Geschäftsführung nach Maßgabe eines von ihnen aufzustellenden Geschäftsverteilungsplans den
Komplementären zustehe; eine Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung sei nicht eröffnet.
67
Der Beschluss zur Schaffung einer Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung für den Fall der
Uneinigkeit der Komplementäre über die Geschäftsverteilung enthalte eine Änderung des
Gesellschaftsvertrages, die nur mit 90% der Stimmen möglich sei. Bis dato habe der änderungswillige
Komplementär den Unwilligen auf Zustimmung zur begehrten Änderung verklagen müssen.
68
Der Beschluss über die Änderung der Geschäftsverteilung entgegen dem zuvor ausdrücklich erklärten
Widerspruch des Komplementärs J. A. zur Umverteilung des Bereichs Marketing sei mangels einer
Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung nichtig.
69
Gleiches gelte für den Beschluss über die Veröffentlichung der Änderungen des Geschäftsverteilungsplans.
70
Nachdem die Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.03.2008 die
Klaganträge betreffend die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung am 14.07.2097 zu TOP 12 und 13
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Klägerin in erster Instanz beantragt,
71
1. festzustellen, dass der folgende Beschluss der Gesellschafterversammlung der AWG M. B. KG vom
14.07.2007 unter TOP 14 des Protokolls der Gesellschafterversammlung nichtig ist:
72
„Der Geschäftsführer J. B. soll alternative Formen der Unternehmensfinanzierung untersuchen und
der Gesellschafterversammlung ein tragfähiges Konzept zur möglichen Ausbezahlung aller
Kapitalanteile und Gesellschafterkonten des Stammes A. sowie weiterer Wachtsumsfinanzierungen
vornehmen.“;
73
2. festzustellen, dass der folgende Beschluss der Gesellschafterversammlung der AWG M. B. KG vom
14.07.2007 unter TOP 15 des Protokolls nichtig ist:
74
„Die Gesellschafterversammlung bestätigt den bei der letzten Gesellschafterversammlung
vorgestellten und seit August 2006 umgesetzten Geschäftsverteilungsplan. Aus dem
Geschäftsverteilungsplan wurde das operative Organigramm abgeleitet. Es ist seit August 2006
veröffentlicht und wird seitdem auch so umgesetzt. Der Geschäftsverteilungsplan und das abgeleitete
Organigramm hatte auf ausdrücklichen Wunsch der Gesellschafter die letzten 12 Monate Bestand
und wird weiter Bestand haben, bis die jeweils aktiven Komplementäre eine Änderung des
Geschäftsverteilungsplans beschließen.“;
75
3. festzustellen, dass der nachfolgende Beschluss der Gesellschafterversammlung der AWG M. B. KG
vom 14.07.2007 unter TOP 15 des Protokolls der Gesellschafterversammlung nichtig ist:
76
„Im Fall der Uneinigkeit der Komplementäre bei der Änderung des Bestehenden
Geschäftsverteilungsplans muss die Gesellschafterversammlung die Änderung ersatzweise
beschließen.“;
77
4. festzustellen, dass der nachfolgende Beschluss der Gesellschafterversammlung der AWG M. B. KG
vom 14.07.2007 unter TOP 15 des Protokolls der Gesellschafterversammlung nichtig ist:
78
„Die Gesellschafterversammlung bestimmt aufgrund der Uneinigkeit der Komplementäre ersatzweise
die Änderung des bestehenden Geschäftsverteilungsplans derart, dass der Bereich Marketing ab
sofort von Herrn J. B. betreut wird. Alle anderen Aufgabenverteilungen bleiben davon unberührt.“;
79
5. festzustellen, dass der nachfolgende Beschluss der Gesellschafterversammlung der AWG M. B. KG
vom 14.07.2007 unter TOP 15 des Protokolls der Gesellschafterversammlung nichtig ist:
80
„Der neue Geschäftsverteilungsplan wird als Ergänzung zum Gesellschaftervertrag an alle
Gesellschafter verteilt (siehe Anhang). Das daraus abgeleitete neue Organigramm wird innerhalb der
nächsten 5 Werktage am Schwarzen Brett ausgehängt. Herr J. B. wird damit beauftragt, ein
entsprechendes Rundschreiben an alle Geschäftspartner der M. B. KG und verbundenen
Unternehmen zu schreiben. In diesem werden die Verantwortlichkeiten laut abgeleitetem
Organigramm mitgeteilt. Herr B. ist autorisiert, das Schreiben im Namen der M. B. KG zu versenden.“
81
Die Beklagten haben beantragt,
82
die Klage abzuweisen.
83
Der Beklagten halten die angegriffenen Beschlüsse für rechtmäßig.
84
Selbst wenn sie fehlerhaft sein sollten, seien sie jedenfalls nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig. Da die
Beschlüsse nicht rechtzeitig angefochten worden seien, seien sie für die Beteiligten bindend.
85
Das Protokoll der Gesellschafterversammlung halte deren Verlauf zutreffend fest. Die Beklagten Ziffer 2) bis
5) verweisen zudem darauf, dass bereits seit 2004 Protokolle der Gesellschafterversammlungen erstellt
werden und der Beklagte Ziffer 1) mit den Stimmen aller Gesellschafter zum Versammlungsleiter gewählt
wurde.
86
Der Beklagten sind der Auffassung, die angegriffenen Beschlüsse verletzten keine Sonderrechte der
Gesellschafter des Stammes A. und konnten ohne deren Stimmen gefasst werden.
87
Sie meinen, dass grundsätzlich jede Gesellschaftsangelegenheit Gegenstand der Beschlussfassung der
Gesellschafterversammlung sein könne, da sich die interne Willensbildung einer Personengesellschaft durch
Gesellschafterbeschlüsse vollziehe. Die Gesellschafterversammlung könne daher - auf Antrag eines
Komplementärs - auch über Fragen entscheiden, die nicht ihrer Zuständigkeit unterlägen; der Beklagte Ziffer
1) beruft sich insoweit auf die Holzmüller-Entscheidung.
88
Der Beschluss zu TOP 12 ändere nicht den Gesellschaftsvertrag, sondern halte die Gesellschafter nur zur
Beachtung ihrer bestehenden Pflichten an. Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) bestreiten insoweit bereits ein
Feststellungsinteresse der Klägerin.
89
Der Beschluss zu TOP 13 sei nicht deshalb fehlerhaft, weil der Gesellschaftsvertrag der
Gesellschafterversammlung keine Zuständigkeit für den Widerruf einer Prokura zuweise. Die Beklagten tragen
vor, wegen des Dissens zwischen der Klägerin und dem Beklagten Ziffer 1) sei eine Grundentscheidung zu
treffen gewesen, ob die Klägerin weiterhin Prokura haben solle. Angesichts der Struktur der KG als
Familienunternehmen zweier nur weitläufig verwandter Stämme liege es nahe, die Entscheidung über die
Führungsverantwortung der Mitglieder der Stämme nicht auf der Ebene der Geschäftsführung, sondern in der
Gesellschafterversammlung zu treffen. Es handele sich dabei aber um eine bloße Meinungsbildung der
Gesellschafter, die keine Rechtswirkungen entfalte. Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) bestreiten insoweit bereits
ein Feststellungsinteresse der Klägerin. Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) verweisen darauf, dass gemäß § 116
Abs. 2 Satz 3 HGB die Prokura der Klägerin von jedem Komplementär allein widerrufen werden konnte.
90
Auch der angegriffene Beschluss zu TOP 14 habe von der Gesellschafterversammlung als höchstem Organ
der Gesellschaft gefasst werden dürfen, um eine Stellungnahme der Eigentümer zu den mit dem
Beschlussgegenstand aufgeworfenen Fragen und Zielsetzungen abzugeben. Dies gelte insbesondere vor dem
Hintergrund, dass sich die Gesellschafter nicht mehr oder nur unter Mühen zur sachlichen Führung des
Unternehmens verständigen konnten. Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) sind der Auffassung, die Untersuchung
alternativer Finanzierungsformen stelle eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme dar, für die ein
Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden müsse. Die Alleinzuständigkeit des Beklagten Ziffer 1) für die
Untersuchung folge aus seiner Verantwortung für die kaufmännische Leitung nach der bisherigen
Geschäftsverteilung.
91
Auch die zu TOP 15 angegriffenen Beschlüsse seien wirksam.
92
Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) bestreiten hinsichtlich des aus ihrer Sicht lediglich deklaratorischen
Beschlusses zur Bestätigung der bisherigen Geschäftsverteilung bereits das Feststellungsinteresse der
Klägerin, zumal sich diese bei der Beschlussfassung enthalten habe. Der Bestätigungsbeschluss sei durch
das Recht der Gesellschafterversammlung zur freien Meinungsbildung und -äußerung gedeckt.
93
Die Beklagten vertreten die Auffassung, die Gesellschafterversammlung sei für die Entscheidung über den
Geschäftsverteilungsplan zuständig, der die Zuständigkeiten der Komplementäre regelt. Zwar stehe die
Entscheidung über die Geschäftsverteilung im Ausgangspunkt den Komplementären zu. Können diese sich
aber nicht einigen, müssten die Streitigkeiten zwischen ihnen nicht gerichtlich ausgetragen werden; diese
Lösung sei nicht nur aufwändig, sondern auch auf Einzelfragen beschränkt. Statt dessen wachse dann die
Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung als höchstem Gesellschaftsorgan zu. Dies folge
jedenfalls aus einer ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrages, der durch eine abstrakte
Zuständigkeitsregelung Streitigkeiten bzw. die Entscheidung durch fremde Dritte (Gerichte) vermeiden wolle.
Die Entscheidung der Gesellschafterversammlung stelle keine Geschäftsführungsentscheidung, sondern
einen Organisationsakt dar; die Schlichtung von Meinungsstreitigkeiten unter den Komplementären sei
jedenfalls eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme i.S.v. § 10 Abs. 3 des
Gesellschaftsvertrages.
94
Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) meinen, die Klägerin sei kraft ihrer Treuepflicht gehalten, dem Beschluss über
die Ersatzkompetenz der Gesellschafterversammlung zuzustimmen, da diese Regelung zur Vermeidung der
Handlungsunfähigkeit der KG bei Uneinigkeit der Komplementäre die einzig sachgerechte Lösung darstelle.
Aus diesem Grund fehle ihr auch insoweit ein Feststellungsinteresse bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis.
95
Die Änderung des bestehenden Geschäftsverteilung sei zur Vermeidung der Handlungsunfähigkeit der
Gesellschaft geboten und rechtmäßig gewesen; gleiches gelte für ihre Kundgabe.
96
Der Beklagte Ziffer 1) meint, im Fall der Stattgabe der Klaganträge betreffend die Beschlüsse zu TOP 15
müsse auf den zuvor geltenden Zustand zurückgegriffen werden. Dazu verweist er auf das in der
Gesellschafterversammlung am 14.05.2006 erstellte Organigramm und den Beschluss der
Gesellschafterversammlung am 14.07.2007 zu TOP 15 über die Bestätigung des bestehenden
Geschäftsverteilungsplans.
97
Der Beklagte Ziffer 1) hat für den Fall, dass den Anträgen der Klägerin in Bezug auf die Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung am 14.07.2007 zu TOP 15 stattgegeben werde, in erster Instanz beantragt,
98
festzustellen,
99
a) dass die Zuständigkeit der Komplementäre sich nach dem Geschäftsverteilungsplan richte, der im
Verhältnis der Komplementäre in der Zeit vor dem 14.07.2007 in Kraft gewesen sei;
100
b) dass dieser Geschäftsverteilungsplan dem mit Beschluss vom 14.05.2006 der
Gesellschafterversammlung beschlossenen Organigramm entspreche, das seinem Schriftsatz vom
15.02.2008 unter Ziffer V. als Anlage B1 (nach Bl. 46) beigefügt war.
101 Die Klägerin hat beantragt,
102
die Hilfswiderklage abzuweisen.
103 Sie ist der Auffassung, die Hilfswiderklage sei bereits unzulässig, weil sie sich gegen alle Gesellschafter des
Stammes A. richten müsse.
104 Sie meint, die Hilfswiderklage sei auch unbegründet, da ein Geschäftsverteilungsplan nur solange
Rechtswirkungen entfalten könne, wie die Komplementäre daran gebunden sein wollen.
105 In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.03.2008 haben die Beklagten erklärt, der
Beschluss zu TOP 12 wiederhole nur die Regelungen des Gesetzes und des Gesellschaftsvertrages.
III.
106 Das Landgericht hat mit Urteil vom 17.04.2008 der Klage statt gegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen.
107 Das Landgericht hat ein Feststellungsinteresse der Klägerin für alle angegriffenen Beschlüsse bejaht.
Hinsichtlich des ersten Beschlusses zu TOP 15 folge das Feststellungsinteresse jedenfalls aus dem
Umstand, dass der Beklagte Ziffer 1) ein Recht der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über
die Geschäftsverteilung der Komplementäre behaupte.
108 Die mit den Klaganträgen angegriffenen Beschlüsse seien nichtig, so dass keine Klagefrist zu beachten
gewesen sei.
109 Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 14 folge die Nichtigkeit jedenfalls aus dem Umstand, dass in die
Geschäftsverteilung der Komplementäre eingegriffen wurde, wozu eine vertragsändernde Mehrheit erforderlich
gewesen wäre. Eine unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlung stehende
außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme liege nicht vor; die entsprechende Regelung des
Gesellschaftsvertrages begegne im Übrigen Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz.
110 Hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 15 nahm das Landgericht ebenfalls einen Eingriff in die
Geschäftsverteilung der Komplementäre an. Die Annahme einer aus der Treuepflicht folgenden
Zustimmungspflicht der Klägerin lehnte das Landgericht ab, da der Gesellschaft kein schwerer Schaden
drohe.
111 Die Hilfswiderklage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Angesichts des Wechsels in der Person des
Komplementärs des Stammes der Klägerin sei die Neuaufstellung eines Geschäftsverteilungsplans geboten,
zumal das Organigramm, in dem die Klägerin noch als Prokuristin aufgeführt sei, ihrer aktuellen Stellung nicht
mehr entspreche.
112 Die Kostenentscheidung des Landgerichts beruhte auf §§ 91, 91a ZPO, wobei das Landgericht annahm, dass
die Klägerin auch in Bezug auf die übereinstimmend für erledigt erklärten Anträge betreffend die Beschlüsse
zu TOP 12 und 13 obsiegt hätte; hinsichtlich des Beklagten Ziffer 1) wurde das Unterliegen mit der
Hilfswiderklage berücksichtigt.
IV.
113 Der Beklagte Ziffer 1) hat gegen das ihm am 25.04.2008 zugestellte Urteil am 20.05.2008 Berufung eingelegt
und diese am 29.08.2008 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 31.08.2008 verlängert
worden war. Die Beklagten Ziffer 2) bis 5) haben gegen das ihnen am 28.04.2008 zugestellte Urteil am
21.05.2008 Berufung eingelegt und diese am 31.08.2008 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist
bis zum 31.08.2008 verlängert worden war.
114 Mit ihrer Berufung begehren die Beklagten die Abweisung der Klage. Die Hilfswiderklage wird vom Beklagten
Ziffer 1) nicht weiter verfolgt.
115 Die Beklagten wiederholen in ihren Berufungsbegründungen im Wesentlichen ihre bereits in erster Instanz
vertretenen Rechtsauffassungen. Sie meinen, dass die Kommanditisten jedenfalls in wichtigen Fragen der
Gesellschaft mit den Komplementären gleichberechtigt zu behandeln seien. Die in den Beschlüssen
enthaltenen deklaratorischen Meinungsäußerungen der Gesellschafterversammlung könnten in die
Zuständigkeit der Komplementäre nicht eingreifen. Die von der Gesellschafterversammlung getroffene
Geschäftsverteilungsregelung weiche nicht vom Gesellschaftsvertrag ab, sondern fülle ihn aus. Sie rügen,
dass das Landgericht § 10 des Gesellschaftsvertrages nicht darauf hin ausgelegt habe, was bei einer
Blockadesituation gelten solle. Der Beklagte Ziffer 1) trägt vor, die Klägerin habe nach Erwerb der
Komplementärsstellung Maßnahmen ihres Mitkomplementärs aus sachfremden Motiven widersprochen.
116 Die Beklagten beantragen,
117
das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 17.04.2008, Az. 10 O 138/07, abzuändern und die Klage
abzuweisen.
118 Die Klägerin beantragt,
119
die Berufung zurückzuweisen.
120 Die Klägerin wiederholt ebenfalls ihre bereits in erster Instanz vertretenen Rechtsauffassungen. Sie meint,
dass die Gesellschafterversammlung bei außergewöhnlichen Geschäften i.S.v. § 10 Abs. 3 des
Gesellschaftsvertrages erst dann zur Entscheidung berufen sei, wenn sich die Komplementäre untereinander
auf eine Geschäftsführungsmaßnahme verständigt haben. Andernfalls könnten die Gesellschafter den
Komplementären Weisungen erteilen, was mit ihrer persönlichen Haftung unvereinbar wäre. Dass das Fehlen
einer ausdrücklichen Geschäftsverteilungsregelung zwischen den Komplementären die KG in keine Notlage
gebracht habe, belege der Umstand, dass die Komplementäre in den vergangenen Jahren jeweils im Einzelfall
eine Verständigung erzielt hätten. Soweit die Klägerin Geschäftsführungsmaßnahmen widersprochen habe,
sei dies zur Abwendung von Schaden für die KG geschehen.
121 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Beklagten
Ziffer 1) vom 29.08.2008 sowie vom 27.01.2009 und der Beklagten Ziffer 2) bis 5) vom 31.08.2008 sowie der
Klägerin vom 19.01.2009 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 04.02.2009 Bezug genommen.
B.
122 Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet, da die Klage zulässig und begründet ist.
I.
123 Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage zulässig.
124 Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Nichtigkeit der
angegriffenen Beschlüsse zu TOP 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der KG am 14.07.2007.
125 Die Gesellschafter einer Personengesellschaft haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung der
Nichtigkeit von Beschlüssen, die ihre mitgliedschaftlichen Rechte unmittelbar berühren (vgl. BGH, WM 1991,
509 [juris Rn. 5]; BGH, NJW 1999, 3113 [juris Rn. 4]). Dies trifft auf die vorgenannten Beschlüsse schon
deshalb zu, weil sie eine Zuständigkeit der Gesellschaftsversammlung im Bereich der Geschäftsführung in
Anspruch nehmen, die grundsätzlich den Komplementären obliegt, zu denen die Klägerin zählt.
126 Das Feststellungsinteresse entfällt nicht wegen der von den Beklagten behaupteten bloß „deklaratorischen“
Wirkung einzelner Beschlüsse oder für den Fall einer von ihnen angenommenen Zustimmungspflicht der
Klägerin kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Diese Umstände mögen die Rechtsmäßigkeit der
angegriffenen Beschlüsse begründen. Dies ist aber im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu klären, da die
Zulässigkeit der Klage nicht von ihrer Begründetheit abhängen kann (vgl. BGH, BB 2003, 171 [juris Rn. 16]).
II.
127 Die Klage ist auch begründet.
128
1.
129 Das Personengesellschaftsrecht kennt für die Geltendmachung von Beschlussmängeln anders als das Recht
der Kapitalgesellschaften keine gesetzlichen oder am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG orientierten Klagefristen
(BGH NJW 1999, 3113 [juris Rn. 4 m.w.N.]). Zwar kann der Gesellschaftsvertrag die Einhaltung von
Klagfristen anordnen. Eine solche Anordnung ist dem Gesellschaftsvertrag der KG aber nicht zu entnehmen.
Ein entsprechender Wille ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau der Regelungen über
Gesellschafterbeschlüsse.
130 b) Die Klägerin hat ihr Klagerecht auch nicht verwirkt.
131 Da die Gesellschafter des Stammes des Klägerin bereits unmittelbar nach der Gesellschafterversammlung
am 14.07.2007 im August 2007 die Wirksamkeit der Beschlüsse bestritten haben, konnten die Beklagten
nicht darauf vertrauen, die Klägerin werde die Nichtigkeit nicht klageweise geltend machen.
132
2.
133 a) Der angegriffene Beschluss zu TOP 14 ist nichtig, weil er in unzulässiger Weise in die
Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre eingreift.
134
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht keine umfassende Beschlusskompetenz der
Gesellschafterversammlung der KG.
135
Zwar vollzieht sich die interne Willensbildung einer Personengesellschaft durch Beschlüsse der
Gesellschafter, welche die „Herren der Gesellschaft“ sind (vgl. Schulte in Sudhoff,
Personengesellschaften, 8. Aufl., § 12 Rn. 1 und 11; ähnlich Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 119 Rn.
10). Daraus folgt aber jedenfalls in der Kommanditgesellschaft keine umfassende
Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung.
136
Die Kommanditisten sind nach § 164 Satz 1 1. Halbsatz HGB von der Geschäftsführung
grundsätzlich ausgeschlossen; die Komplementäre unterliegen nicht den Weisungen der
Kommanditisten (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 14). Können demnach nur die
geschäftsführenden Gesellschafter, nicht aber die Kommanditisten über
Geschäftsführungsmaßnahmen beschließen, kann auch eine aus geschäftsführenden
Gesellschaftern und nicht geschäftsführungsbefugten Kommanditisten bestehende
Gesellschafterversammlung keine Beschlüsse fassen.
137
Die gesetzliche Regelung ist allerdings nicht zwingend. Durch den Gesellschaftsvertrag kann hiervon
zugunsten der Kommanditisten abgewichen werden, bis hin zur Begründung eines Weisungsrechts
der Kommanditisten in Fragen der gewöhnlichen Geschäftsführung (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4.
Aufl., § 164 Rn. 8 und 12; Hopt in Baumbach, HGB,. 33. Aufl., § 164 Rn. 7 m.w.N.).
138
Der Gesellschaftsvertrag der KG weicht indessen von der gesetzlichen Regelung nicht zugunsten der
Kommanditisten ab. § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages konkretisiert lediglich die den
Kommanditisten schon nach dem gesetzlichen Regelfall bei außergewöhnlichen Geschäften
zustehende Befugnis zur Mitwirkung an der Geschäftsführung (vgl. § 164 Satz 1 2. Halbsatz HGB). §
18 des Gesellschaftsvertrages verweist hinsichtlich der Kontrollrechte der Kommanditisten im
Wesentlichen auf die gesetzliche Regelung (§ 166 HGB).
139
Der Unterscheidung zwischen den Rechten der Komplementäre und denen der Kommanditisten
kommt hier eine besondere Bedeutung für die Machtverhältnisse zwischen den
Gesellschafterstämmen zu.
140
Durch die Orientierung des Stimmrechts an den Festkapitalanteilen und das allgemeine Quorum der
einfachen Mehrheit in § 13 Abs. 4 und 5 des Gesellschaftsvertrages kann der Stamm der Beklagten
kraft seiner Stimmenmehrheit von 55 zu 45 das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen
bestimmen, soweit der Beschluss keine Änderung des Gesellschaftsvertrags oder eine andere
Maßnahme enthält, für die § 13 Abs. 5 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags eine qualifizierte Mehrheit
verlangt.
141
§ 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ordnet dagegen für die Komplementäre - in Abkehr von §§
161 Abs. 2 i.V.m. 115 Abs. 1 HGB - Gesamtgeschäftsführung an. Dies folgt nicht nur aus dem
Wortlaut der Bestimmung („gemeinsam“), sondern entspricht auch der in der mündlichen Verhandlung
am 04.02.2009 geäußerten übereinstimmenden Auffassung der Parteien. Der Bezugnahme auf einen
von den Komplementären aufzustellenden Geschäftsverteilungsplan ist nicht zu entnehmen, dass
eine ressortbezogene Einzelgeschäftsführungsbefugnis entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan
gewollt war. Zum einen stünde dies in gewissem Widerspruch zu der in § 9 des
Gesellschaftsvertrages angeordneten Gesamtvertretung; zum anderen wäre der Umfang der
Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Komplementäre bis zur Aufstellung eines
Geschäftsverteilungsplans nicht bestimmbar.
142
Durch die Anordnung der Gesamtgeschäftsführung herrscht im Gegensatz zu der Situation in der
Gesellschafterversammlung im Bereich der Geschäftsführung grundsätzlich eine Gleichordnung
zwischen den Stämmen, da jeder Stamm einen Komplementär stellt (vgl. § 4 Abs. 5 des
Gesellschaftsvertrags). Durch § 14 Satz 2 und 3 des Gesellschaftsvertrags ist sichergestellt, dass
jeder Stamm die Komplementärseigenschaft innerhalb der Stammesmitglieder ohne die Mitwirkung
des anderen Stammes übertragen kann. Die Gleichordnung der Komplementäre beider Stämme wird
zudem durch gleichlautende Sonderregelungen zugunsten der ursprünglichen Komplementäre K. B.
und J. A. belegt, etwa in § 11 Abs. 5 oder § 21 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags.
143
bb) Eine Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung ergibt sich auch nicht unter dem
Aspekt des außergewöhnlichen Geschäfts.
144
Zwar sind die Kommanditisten nach dem gesetzlichen Regelfall bei außergewöhnlichen Geschäften
zur Mitwirkung an der Geschäftsführung berechtigt (§ 164 Satz 1 2. Halbsatz HGB). Die
Untersuchung alternativer Formen der Unternehmensfinanzierung stellt aber keine außergewöhnliche
Geschäftsführungsmaßnahme dar.
145
Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die den bisher vorgegebenen Rahmen des
Geschäftsbetriebs übersteigen oder außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen oder nach
Umfang oder Risiko ungewöhnlich oder ihrer Art nach dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb fremd
sind; entscheidend sind jeweils die individuellen Verhältnisse der Gesellschaft (vgl. Schilling in Staub,
HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 3; ähnlich Grunewald in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 9;
Wirth in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Band, 2. Aufl., § 7 Rn. 51).
146
Offen bleiben kann, ob die tatsächliche Umstellung der Finanzierung der Gesellschaft auf „alternative
Formen“ ein außergewöhnliches Geschäft darstellte. Allein die Vorbereitung einer solchen Maßnahme
durch die tatsächliche Ermittlung von Gestaltungsmöglichkeiten verlässt den Bereich der
gewöhnlichen Geschäftsführung noch nicht.
147
Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass - die Einordnung der tatsächlichen
Umstellung der Finanzierung als außergewöhnliches Geschäft unterstellt - die Ermittlung der
Gestaltungsmöglichkeiten Voraussetzung für eine Willensbildung der Gesellschafter wäre. Soweit die
Komplementäre keinem Weisungsrecht der Kommanditisten unterliegen, sind sie nicht zur
Vorbereitung von Beschlussanträgen der Kommanditisten verpflichtet; die Verpflichtung des
Vorstands zur Aufbereitung von Beschlussgegenständen gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG hat im
Recht der Kommanditgesellschaft keine Entsprechung.
148
Dahin gestellt bleiben kann, ob die von der Rechtsprechung im Bereich der Aktiengesellschaft
entwickelten Grundsätze zur Mitwirkung der Hauptversammlung an Geschäftsführungsmaßnahmen
des Vorstands (Vgl. BGHZ 83, 122 [juris Rn. 27]) auf das Personengesellschaftsrecht übertragbar
sind. Zwar hat die Rechtsprechung angenommen, dass der Rechtsgedanke des § 361 AktG auch auf
das Personengesellschaftsrecht zutrifft und der Komplementär deshalb zur Veräußerung des von der
Gesellschaft betriebenen, im Wesentlichen ihr ganzes Vermögen darstellenden Unternehmens eines
Gesellschafterbeschlusses bedarf (BGH, NJW 1995, 596 [juris Rn. 7] „Nightclub II“). Da der
Gesellschaftsvertrag der KG die Mitwirkungsrechte bei außergewöhnlichen Geschäften nicht
beschränkt, sondern in § 10 Abs. 3 Satz 2 eine Reihe von Geschäftsführungsmaßnahmen
ausdrücklich als außergewöhnlich definiert, bedarf es dieser Konstruktion hier aber nicht.
Maßnahmen, die dem Rechtsgedanken des § 361 AktG unterfallen, wären im Zweifel als
außergewöhnliche Geschäfte anzusehen.
149
cc) Selbst wenn man die Gesellschafterversammlung für befugt hielte, die Komplementäre zur
Vorbereitung von Beschlussanträgen anzuweisen, wäre der Beschluss jedenfalls insoweit nichtig, als
er allein den Beklagten Ziffer 1) anweist.
150
§ 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags ordnet Gesamtgeschäftsführung an (vgl. oben aa)). Zu
Geschäftsführungsmaßnahmen sind daher stets die Komplementäre beider Stämme berechtigt und
verpflichtet.
151
Dahin gestellt bleiben kann, welchem Komplementär nach den zwischen ihnen bestehenden Abreden
die Zuständigkeit für Fragen der Unternehmensfinanzierung zukam. Zwar kann die
Geschäftsführungsbefugnis eines geschäftsführenden Gesellschafters durch eine Geschäfts- oder
Ressortverteilung begrenzt werden. Dies gilt aber nur, wenn diese Verteilung von den Gesellschaftern
selbst - etwa im Gesellschaftsvertrag - vorgenommen wird; Absprachen unter den Geschäftsführern -
etwa durch eine von ihnen aufgestellte Geschäftsverteilung - begrenzen die
Geschäftsführungsbefugnis dagegen nicht (vgl. Rawert in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., §
115 Rn. 12; Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 114 Rn. 80). Der Gesellschaftsvertrag der KG verzichtet
indessen auf eine Regelung der Geschäftsverteilung. Zwar nimmt § 10 Abs. 1 des
Gesellschaftsvertrags ausdrücklich auf die Geschäftsverteilungsregelung der Komplementäre Bezug;
dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre nach
Maßgabe dieser Geschäftsverteilung auf eine ressortbezogene Einzelgeschäftsführungskompetenz
begrenzt werden soll (vgl. oben aa)).
152
dd) Die Beklagten können sich schließlich nicht darauf berufen, dass der Beschluss eine bloße
Stellungnahme der Gesellschafter zu den mit dem Beschlussgegenstand aufgeworfenen Fragen und
Zielsetzungen sei.
153
Nicht zu entscheiden ist, ob die Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft
unverbindliche Stellungnahmen auch außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs abgeben kann.
154
Der angegriffene Beschluss stellt jedenfalls keine bloße Meinungsäußerung dar. Gegen eine bloße
Meinungsäußerung spricht schon, dass die Gesellschafter einen förmlichen Gesellschafterbeschluss
gefasst haben, der vom Versammlungsleiter festgestellt wurde (vgl. BGH, BB 2003, 171 [juris Rn.
18]). Im Übrigen geht der Wortlaut des Beschlusses über eine bloße Meinungsäußerung i.S.v.
„alternative Formen der Unternehmensfinanzierung sollten geprüft werden“ hinaus, indem er einen
Komplementär ausdrücklich zu bestimmten Maßnahmen anweist.
155
Unerheblich ist, ob es dem Beklagten Ziffer 1) möglich wäre, unabhängig von einem Beschluss der
Gesellschafterversammlung die in dem Beschluss angewiesene Maßnahme tatsächlich
durchzuführen.
156 b) Auch der Beschluss zur Bestätigung der bisherigen Geschäftsverteilung der Komplementäre zu TOP 15 ist
mangels einer Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung nichtig.
157
aa) Die Regelung der Geschäftsverteilung unter den Komplementären i.S.v. § 10 Abs. 1 des
Gesellschaftsvertrages ist ihrerseits eine Geschäftsführungsmaßnahme, für welche die
Kommanditisten nicht zuständig sind; von der Möglichkeit der Regelung einer Ressortverteilung durch
die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag wurde kein Gebrauch gemacht (vgl. oben a) cc)).
158
Soweit sich der Beschluss auf die Organigramme nach Bl. 46 und das vom Beklagten Ziffer 1) sowie
dem Komplementär des Stamms der Klägerin Anfang 2007 unterzeichnete, aber nicht versandte
Rundschreiben (Bl. 46, B1) bezieht, liegt zudem keine Geschäftsverteilung i.S.v. § 10 Abs. 1 des
Gesellschaftsvertrags vor. Das Rundschreiben und die Organigramme verteilen die
Geschäftsführungsaufgaben nicht nur zwischen den beiden Komplementären, sondern innerhalb der
Unternehmensführung insgesamt, zu der auch im Unternehmen tätige Kommanditisten und leitende
Angestellte gehören. So ist der Vertrieb beispielsweise keinem Gesellschafter, sondern einem
Angestellten zugeordnet; der Bereich Marketing ist keinem der Komplementäre, sondern der zu
diesem Zeitpunkt noch als Kommanditistin tätigen Klägerin zugewiesen.
159
bb) Die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses entfällt nicht dadurch, dass er lediglich eine bestehende
Regelung bestätigen sollte.
160
Nicht zu entscheiden ist, ob ein Beschluss ohne Regelungsgehalt per se unwirksam ist, weil ein
Gesellschafterbeschluss grundsätzlich der innergesellschaftlichen Willensbildung durch Stimmabgabe
zur Herbeiführung bestimmter, den Beschlussgegenstand bildender Rechtsfolgen dient (vgl. zur
Rechtsnatur des Gesellschafterbeschlusses Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 119 Rn. 7).
161
Auch der bloßen Bestätigung einer bereits bestehenden Regelung kommt ein Regelungsgehalt zu, da
in der Bestätigung eines Rechtsgeschäfts grundsätzlich zugleich seine erneute Vornahme liegt (vgl. §
141 Abs. 1 BGB). Ein entsprechender Regelungswille ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn Zweifel
an der Wirksamkeit des bestätigten Rechtsgeschäfts bestanden. Auf das Bestehen solcher Zweifel
ist hier schon deshalb zu schließen, weil die Gesellschafter einen förmlichen
Gesellschafterbeschluss gefasst haben, der vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt wurde. Ein
solches Vorgehen spricht gegen eine bloße Meinungsäußerung (vgl. BGH, BB 2003, 171 [juris Rn.
18]). Unterstellt man eine Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung, wären die
Gesellschafter an den Beschlussinhalt auch dann gebunden, wenn er eine Änderung der bisherigen
Geschäftsverteilung enthielte.
162 c) Mangels Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung nichtig ist auch der zu TOP 15 gefasste
Beschluss über die Begründung einer Kompetenz der Gesellschafterversammlung zur Änderung der
Geschäftsverteilung der Komplementäre.
Geschäftsverteilung der Komplementäre.
163 Zwar können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich eine Aufteilung der
Geschäftsführungsbefugnis der geschäftsführenden Gesellschafter nach Ressorts vornehmen (vgl. Rawert in
Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 115 Rn. 12). Der Gesellschaftsvertrag der KG aus dem Jahr 2002
enthält aber keine solche Regelung (vgl. oben a) cc)).
164 Wird nachträglich eine Regelung zur Ressortverteilung getroffen oder eine entsprechende Regelungsbefugnis
geschaffen, liegt eine Änderung des Gesellschaftsvertrags vor. Dahin gestellt bleiben kann, ob eine solche
Vertragsänderung durch Mehrheitsbeschluss möglich wäre; selbst das in § 13 Abs. 5 Satz 2 Buchst. d)
vorgesehene Quorum von 90% wurde nicht erreicht. Zwar stellt die Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans
durch die Komplementäre eine bloße Geschäftsführungsmaßnahme dar. Dies gilt aber nicht in gleicher Weise,
wenn die Gesellschafterversammlung das Recht zur Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans anstelle der
Komplementäre für sich in Anspruch nimmt.
165 Ohne eine Vertragsänderung kann die beschlossene Regelungsbefugnis indessen nicht erreicht werden. Sie
folgt weder aus der allgemeinen Beschlusszuständigkeit der Gesellschafterversammlung bei
Personengesellschaften noch aus einer ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Die Klägerin ist
auch nicht kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gehalten, der Schaffung einer entsprechenden
Kompetenz zuzustimmen.
166
aa) Der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft kommt grundsätzlich keine
umfassende Entscheidungskompetenz zu (vgl. dazu oben a) aa)). Sie kann deshalb die
Zuständigkeiten der Geschäftsführer - hier zur Regelung der Geschäftsverteilung i.S.v. § 10 des
Gesellschaftsvertrages - nicht an sich ziehen, sofern nicht die Voraussetzungen für eine
Vertragsänderung vorliegen.
167
Aus der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft für
Grundlagengeschäfte bzw. Organisationsakte (vgl. zu dieser Terminologie Weipert in Münchener
Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Band, 2. Aufl., § 14 Rn. 44) folgt nichts anderes.
168
Grundlagengeschäfte sind Maßnahmen, die zwar nicht zur Geschäftsführung gehören, die aber - ohne
formelle Änderung des Gesellschaftsvertrages - die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses und
der Beziehungen der Gesellschafter untereinander betreffen und den Gesellschaftern durch Gesetz
(z.B. die Wahl des Abschlussprüfers, § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB; Freistellung eines Komplementärs
vom Wettbewerbsverbot, § 112 Abs. 1 HGB) oder durch die Rechtsprechung (z.B.
Gewinnverwendungsbeschluss) zur Entscheidung zugewiesen sind (vgl. Schilling in Staub, HGB, 4.
Aufl., § 164 Rn. 5; Grunewald in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 15; Wirth in
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Band, 2. Aufl., § 7 Rn. 5 und 53).
169
Zwar wird in der Literatur auch die Aufteilung der Geschäftsführung zwischen mehreren
Komplementären als Grundlagengeschäft bezeichnet, das in die Kompetenz aller Gesellschafter fällt
(Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 5). Dies kann aber nur für den Fall gelten, dass der
Gesellschaftsvertrag selbst zur Ressortverteilung keine Regelung enthält; hier hat der
Gesellschaftsvertrag die Geschäftsverteilung dagegen in § 10 Abs. 1 ausdrücklich den
Komplementären überlassen.
170
Unabhängig davon verlangt die vorgenannte Literatur für eine Geschäftsverteilungsregelung durch
Gesellschafterbeschluss jedenfalls eine - hier nicht gegebene - Einstimmigkeit, weil eine Abweichung
vom Einstimmigkeitsprinzip bei außergewöhnlichen Grundlagengeschäften dem
Bestimmtheitsgrundsatz unterläge (Schilling in Staub, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 5). Die vom
Einstimmigkeitserfordernis abweichende Regelung zu den Beschlussmehrheiten in § 13 Abs. 5 Satz
2 Buchst. d) des Gesellschaftsvertrags erwähnt indessen weder die Geschäftsverteilung unter den
Komplementären noch eine Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung bei Uneinigkeit der
Komplementäre noch außergewöhnliche Grundlagengeschäfte im Allgemeinen, sondern allenfalls
Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Ihre Auslegung ergibt damit nicht mit der von der
Rechtsprechung geforderten Eindeutigkeit (vgl. BGH, ZIP 2007, 475 [juris Rn. 9]), dass diese
Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden sollen.
171
Ihr ist aber jedenfalls zu entnehmen, dass für besonders bedeutsame Geschäfte (Veräußerung und
Verpachtung des Unternehmens im Ganzen, Beteiligung an anderen Unternehmen), für
Vertragsänderungen, Kapitalmaßnahmen sowie Änderungen der Firma und des
Unternehmensgegenstandes gerade keine einfache Mehrheit ausreichen soll, die der Stamm der
Beklagten allein erreichen könnte, sondern eine Mehrheit von 75% bzw. 90% verlangt wird, die gegen
den Stamm der Klägerin nicht zu erreichen ist. Selbst wenn man annähme, die
Gesellschafterversammlung könne unter dem Aspekt des Grundlagengeschäfts eine
Ersatzzuständigkeit beschließen, genügte dafür also die erreichte einfache Mehrheit nicht.
172
bb) Eine Befugnis der Gesellschafterversammlung zur Regelung der Geschäftsverteilung i.S.v. § 10
Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags anstelle der Komplementäre für den Fall, dass diese sich nicht auf
eine Regelung einigen können, ist auch nicht durch eine ergänzende Auslegung des
Gesellschaftsvertrags zu begründen.
173
Es mangelt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Fehl geht die Auffassung der Beklagten,
die KG sei ohne eine Geschäftsverteilungsregelung i.S.v. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags
handlungsunfähig.
174
Sind zwei Komplementäre gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugt, dürfen sie zwar nur zusammen
oder mit Zustimmung des anderen handeln (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 HGB). Bedenkt man,
dass im Fall der Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 115 Abs. 1 HGB die Ausübung des dem
anderen Komplementärs grundsätzlich zustehenden Widerspruchsrechts dazu führt, dass das
beabsichtigte Handeln zu unterlassen ist, sind die Unterschiede zwischen Einzel- und
Gesamtgeschäftsführungsbefugnis aber nicht grundlegend, sondern eher graduell (vgl. Ulmer in
Staub, HGB, 4. Aufl., § 115 Rn. 28; ähnlich Rawert in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 115
Rn. 47).
175
Selbst wenn eine Regelung zur Geschäftsverteilung i.S.v. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages
wirksam getroffen wäre, würde sich am Erfordernis der Zustimmung des anderen Komplementärs
nichts Wesentliches ändern. Absprachen unter den Geschäftsführern begrenzen die
Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich nicht (vgl. Rawert in Münchener Kommentar, HGB, 2. Aufl.,
§ 115 Rn. 12). Zwar kann die Geschäftsführungsbefugnis durch den Gesellschaftsvertrag begrenzt
werden. Der Bezugnahme in § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags auf die
Geschäftsverteilungsregelung der Komplementäre lässt sich aber nicht entnehmen, dass die
Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre nach Maßgabe dieser Geschäftsverteilung begrenzt
werden soll, etwa durch Umwandlung der grundsätzlich angeordneten
Gesamtgeschäftsführungsbefugnis in eine ressortbezogene Einzelgeschäftsführungsbefugnis (vgl.
dazu oben a) aa)).
176
Schließlich ist festzustellen, dass der KG trotz des bereits seit fast eineinhalb Jahren andauernden
Streits der Komplementäre über die Geschäftsverteilung bislang keine konkreten Schäden entstanden
sind; zumindest haben die Parteien dazu nichts vorgetragen.
177
Die Befugnis der Gesellschafterversammlung, bei Uneinigkeit der Komplementäre die
Geschäftsverteilung i.S.v. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags zu regeln, widerspräche jedenfalls
dem hypothetischen Parteiwillen.
178
Die aus Sicht der Beklagten nachteilige „Blockadewirkung“ der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis
stellt aus Sicht des Stammes der Klägerin ein Gegengewicht zu der Kapitalmehrheit des Stammes
der Beklagten dar, die diesem in Verbindung mit dem in § 13 Abs. 4 und 5 des
Gesellschaftsvertrages als Regelfall vorgesehenen Quorum der einfachen Mehrheit eine Mehrheit in
der Gesellschafterversammlung sichert (vgl. oben a) aa)). Da dieses Gegengewicht für die Architektur
des Gesellschaftsvertrages bedeutsam ist, ist nicht anzunehmen, dass sich die Gesellschafter des
Stammes der Klägerin auf eine Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung bei Uneinigkeit
der Komplementäre einverstanden erklärten.
179
cc) Die Klägerin ist auch nicht durch ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gehalten, der Schaffung
einer solchen Ersatzzuständigkeit zuzustimmen.
180
Zwar kann aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auch eine Verpflichtung folgen, einer
Vertragsänderung zuzustimmen, wenn dies dem Gesellschafter zumutbar und mit Rücksicht auf das
bestehende Gesellschaftsverhältnis, etwa zur Erhaltung wesentlicher gemeinsam geschaffener Werte
oder zur Vermeidung nachhaltiger Verluste erforderlich ist (vgl. Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl., § 105
Rn. 246 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier aber aus den unter bb) angeführten Gründen
nicht vor. Zu überlegen ist allenfalls, ob die Klägerin kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht
gehalten ist, einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen des Beklagten Ziffer 1) zuzustimmen.
181 d) Da der Gesellschafterversammlung der KG grundsätzlich keine Befugnis zur Beschlussfassung über die
Geschäftsverteilung der Komplementäre nach § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zukommt (vgl. oben a)
und b)) und der Beschluss zu TOP 15 über die Schaffung einer Beschlusskompetenz nichtig ist (vgl. oben c)),
konnte die bestehende Geschäftsverteilung nicht wirksam durch Gesellschafterbeschluss geändert werden.
182 e) Die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 15 über die Änderung der Geschäftsverteilung im Bereich
Marketing (vgl. oben d)) schlägt auf den Beschluss zu TOP 15 über die Kundgabe dieses Beschlusses durch,
da beide Beschlüsse eine Einheit bilden.
III.
183 Über die Wirksamkeit der Beschlüsse zu TOP 12 und 13 ist nicht zu entscheiden, da die Parteien den
Rechtsstreit insoweit bereits in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt haben und die vom
Landgericht im Urteil zu Lasten der Beklagten getroffene Kostenentscheidung mit den Berufungen der
Beklagten nicht angefochten wird.
IV.
184 1. Den Beklagten sind die Kosten der Berufung aufzuerlegen (§§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO).
185 2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
186 3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Zurückweisung der Berufung nicht auf Rechtsfragen beruht, die
höchstrichterlich noch nicht geklärt wären, sondern auf der Auslegung des konkreten Gesellschaftsvertrages.
187 4. Der Streitwert ist entsprechend dem in erster Instanz für die Klage angenommenen Streitwert auf 100.000
Euro festzusetzen.