Urteil des OLG Stuttgart vom 16.01.2006

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OLG Stuttgart Beschluß vom 16.1.2006, 8 W 14/06
Kostenfestsetzungsverfahren: Festsetzung einer außergerichtlich angefallenen Terminsgebühr
Leitsätze
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV/RVG gemäß der 3. Alternative der Vorbemerkung 3.3 - Vertretung in einer
auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Mitwirkung des Gerichts - kann
nicht Gegenstand der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff ZPO sein (vgl. Senat, Beschluss vom 29. 11. 2005, A. 8
WF 150/05, JurBüro 2006, 135 = OLGR 2006, 1224).
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des
zurückgewiesen
2. Der Beklagte trägt die mit der Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr und die
außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 787,87 EUR
Gründe
1 I. Nach Rücknahme ihrer Berufung wurden der Klägerin mit Beschluss des 4. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom
9.9.2005 die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Mit Schriftsatz vom 27.9.2005 beantragte der Beklagte
die Festsetzung der von der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstattenden Kosten, wobei er die
Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr gemäß Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 VV / RVG geltend machte. Eine
Terminsgebühr in dieser Höhe sei entstanden, nachdem am 5.9.2005 ein Telefonat zwischen den
Prozessbevollmächtigten beider Parteien über eine vergleichsweise Regelung stattgefunden habe.
2 Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.11.2005 setzte der Rechtspfleger des Landgerichts Stuttgart die von
der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten in Höhe von 745,42 EUR nebst Zinsen fest, ohne die
Terminsgebühr in Höhe von 679,20 EUR zzgl. Umsatzsteuer zu berücksichtigen.
3 Gegen den am 14.11.2005 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 14.11.2005 ein als Erinnerung
bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit dem er die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr weiter verfolgt.
4 Mit Beschluss vom 12.1.2006 hat der Rechtspfleger des Landgerichts Stuttgart die sofortige Beschwerde ohne
Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
5 II. Das angesichts des Beschwerdewerts von 787,87 EUR als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel (§
104 Abs. 3 S. 1 ZPO) des Beklagten ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
6 Es kann dahinstehen, ob überhaupt eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV/RVG gemäß der 3. Alternative der
Vorbemerkung 3.3 - Vertretung in einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten
Besprechung ohne Mitwirkung des Gerichts - angefallen ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann sie nicht
Gegenstand der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff ZPO sein. In Übereinstimmung mit Herget (Zöller-Herget, 25.
Aufl., § 104 ZPO, RN 21, Stichwort „Terminsgebühr“) ist der Senat der Auffassung, dass die Festsetzung einer
außergerichtlich entstandenen Terminsgebühr entsprechend den vom Bundesgerichtshof für die Festsetzbarkeit
einer Vergleichsgebühr aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs vertretenen Grundsätzen (Beschluss vom
26.09.2002, NJW 2002, 3713) zu verneinen ist. Die Festsetzung der von der unterlegenen Partei an die
obsiegende Partei zu erstattenden Kosten im Verfahren nach §§ 103 ff ZPO bedarf praktikabler
Berechnungsgrundlagen. Dies gilt auch für die zum Ausgleich angemeldeten Anwaltsgebühren. Die Tatsachen,
die für die Entstehung einer außergerichtlichen Terminsgebühr maßgebend sind, lassen sich nicht den Akten
des gerichtlichen Verfahrens entnehmen. Im Streitfall müsste der Kostenbeamte (wie beim außergerichtlichen
Vergleich) Beweis über tatsächliche Vorgänge erheben, die sich außerhalb des gerichtlichen Verfahrens ereignet
haben. Die Kostenfestsetzung würde durch die Einbeziehung solcher außergerichtlich angefallenen
Anwaltsgebühren erschwert und verlöre ihren Charakter als Mittel zum zügigen Kostenausgleich von
Verfahrenskosten.
7 Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Koblenz in vergleichbaren Fällen in neueren Entscheidungen die
Festsetzbarkeit von außergerichtlich entstandenen Terminsgebühren ohne Problematisierung inzidenter bejaht
und bei Streit über ihr Zustandekommen lediglich nach Beweislastgrundsätzen entschieden (OLG Koblenz NJW
2005, jeweils S. 2162; so auch Jungbauer/Bischof, RVG, Seite 543 oben; wie hier für die vorgerichtliche
Terminsgebühr OLG Koblenz Rpfleger 2006, 43). Im Hinblick hierauf wird wegen der Frage der Festsetzbarkeit
einer außergerichtlich entstandenen Terminsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren die Rechtsbeschwerde zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 574 Abs.
2 ZPO).
8 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Nr. 1811 KV/GKG und § 97 Abs. 1 ZPO.