Urteil des OLG Stuttgart vom 29.11.2012

OLG Stuttgart: tinnitus, begriff, unternehmen, treu und glauben, firma, abmahnung, verwirkung, werbung, firmenbezeichnung, konzept

OLG Stuttgart Urteil vom 29.11.2012, 2 U 64/12
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 09. März 2012 (21 O 107/11 KfH) wird
zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 20.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe erbringt. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung jeweils durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000 EUR
Gründe
I.
1.
1
Die Klägerin, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2
UWG und § 3 Abs. 2 Nr. 3 UKlaG, begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, im
Zusammenhang mit dem Verkauf von Hörgeräten in deren Hörgeräte-Akustik-Fach-
geschäft in H. mit der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“ zu werben
(Klagantrag Ziff. 1). Ferner begehrt sie die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale
(Klagantrag Ziff. 2).
2
Im Ladenlokal der Beklagten waren und sind zwei Personen beschäftigt. Seine Größe
beträgt nach einem Umzug im Januar 2012 in andere Räume 80 qm. In H. und
Umgebung können Hörgeräte der Fa. a. H. GmbH Co. KG (i. F.: Fa. a.) nur bei der
Beklagten, die darüber hinaus Hörgeräte aller Hersteller anbietet, erworben werden.
3
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz
einschließlich der Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils
verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
2.
4
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
5
Die Klage sei zulässig, insbesondere liege eine hinreichende Konkretisierung des
Unterlassungsantrags durch Bezugnahme auf die im Tenor als Anl. K 2 beigefügte
Werbeanzeige vor.
6
Die Klage sei auch begründet.
7
Nach Ausstattung, Größe und Öffnungszeiten des Ladengeschäfts der Beklagten sei
dieses allenfalls als durchschnittlich anzusehen.
8
Soweit die Beklagte ihre Sonderstellung/Alleinstellung auf herausragende
charakteristische Leistungen unter Hinweis auf das nur bei ihr erhältliche
teilimplantierbare Hörsystem R. begründet, sei keine praktisch bedeutsame,
markterhebliche Alleinstellung gegeben, nachdem sie nicht bestritten habe, dass es im
Raum H. so gut wie keine mit Implantaten versorgte Patienten geben dürfte.
9
Was die von ihr behauptete Spitzenstellung/Alleinstellung im Bereich der Anpassung von
modernen Hörsystemen durch das allein bei ihr erhältliche A.-System betreffe, so
verfügten auch die Mitbewerber vor Ort im Rahmen der Anpassung von Hörgeräten über
modernste Techniken wie insbesondere Störgeräuscheunterdrückung u. ä. Auch für die
von ihr für Tinnitusbetroffene herausgestellte „Retraining-Therapie“ könne nicht mit der
erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass nicht auch die Konkurrenz über
vergleichbare Therapiekonzepte verfüge.
10 Im Hinblick auf die unstreitig nicht vorhandene Sonder-/Spitzen-/Alleinstellung der
Beklagten im Raum H. betreffend Größe, Ausstattung und Personal ihres Ladengeschäfts
und im Hinblick darauf, dass die im Raum H. ansässige Konkurrenz über andere mit den
von der Beklagten ausschließlich vertriebenen Systemen und Behandlungstherapien
vergleichbare Systeme verfüge und im Hinblick darauf, dass es im Bereich der
teilimplantierbaren Hörsysteme R. kaum nennenswerte Patienten gebe, verstoße die
Beklagte mit dem auch als Firmenbestandteil verwendeten Hinweis „Hör- und Tinnitus-
Zentrum H.“ gegen das Irreführungsgebot des § 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 UWG.
11 Der deshalb gegebene Unterlassungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil es sich um
einen Dauerverstoß gegen lauteren Wettbewerb handele, da die Beklagte auch heute
noch mit dem im Tenor untersagten Begriff werbe und ihn auch weiterhin als
Namensbestandteil verwende.
12 Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten sei aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet.
Er sei in jedem Fall angemessen, wenn überhaupt kostendeckend.
3.
13 Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Begehren
der Klagabweisung weiter verfolgt.
14 Der Klagantrag sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht hinreichend
bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er abstrahiere in unzulässiger Weise von der
konkreten Verletzungsform, denn sie verwende die Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-
Zentrum H.“ nicht isoliert, sondern jeweils mit der vollständigen Firmenbezeichnung „a.
Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“ bzw. mit einer entsprechenden Bezugnahme („unser Hör-
…“). Es liege eine unzulässige Antragserweiterung vor, wenn wie vorliegend ein
Schlechthinverbot begehrt werde, das auch zulässige Verwendungsformen des
angegriffenen Firmenbestandteils erfasse.
15 Das Landgericht setze sich in seiner Entscheidung auch nicht ansatzweise mit ihrer
Argumentation auseinander, wonach die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung
bereits deshalb nicht irreführend sei, weil diese von ihr stets in doppelter Weise relativiert
werde, nämlich zum einen durch die Verwendung der Bezeichnung „a.“ und zum anderen
durch den geografischen Zusatz „H.“. Es sei aber anerkannt, dass der Kontext die
Bedeutung des Begriffs „Zentrum“ relativieren könne.
16 Durch die Voranstellung der Bezeichnung „a.“ sei für den verständigen Verbraucher klar,
dass die Bezeichnung „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe oder Bedeutung
hinweise, sondern dass der Begriff als Hinweis auf ein Geschäftslokal zu verstehen sei,
in dem Produkte des Hörgeräteherstellers a. angeboten würden bzw. nach dem Konzept
zur Kette gehörender Fachgeschäfte Waren und Dienstleistung angeboten würden. Es
müsse Unternehmen, die Produkte oder Marken mit einem nicht ganz so hohen
Bekanntheitsgrad anböten, möglich sein auf den Geschäftszweig im Firmennamen
hinzuweisen. Dies sei auch üblich, insbesondere in der Branche der Beklagten.
17 Eine weitere Relativierung erfolge durch den Zusatz „H.“ Dieser weise einschränkend
darauf hin, dass es sich bei ihr in H. und Umgebung um das
Hörgeräteakustikfachgeschäft handele, in welchem Produkte der Fa. a. bzw. nach dem
Konzept dieser Firmenkette vertrieben würden. Auch dies sei jedenfalls in ihrer Branche
üblich.
18 Die von ihr für ihre Sonderstellung unter den örtlichen Hörgeräteakustikfachgeschäften in
H. und Umgebung angeführten Kriterien habe das Landgericht unzulässigerweise
nivelliert.
19 Allein der Umstand, dass Hörgeräte der Fa. a. ausschließlich bei ihr im Raum H.
erworben werden, rechtfertige es, dass sie mit der Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-
Zentrum H.“ werben dürfe.
20 Soweit das Landgericht eine Sonderstellung im Hinblick auf das teilimplantierbare
Hörsystem R. ablehne, sei seine Feststellung, im Raum H. dürfte es so gut wie keine mit
Implantat versorgte Patienten geben, falsch, weil das Landgericht offenbar verkannt
habe, dass es sich bei den implantierbaren Hörsystemen „R.“ und „C.“ um verschiedene
Produkte handele. „R.“ sei ein neuartiges Hörsystem, welches sich insbesondere bei
leichten bis mittleren Hörminderungen im Bereich der hohen Töne eigene und außerdem
anders als alle anderen Hörgeräte nahezu nicht sichtbar sei. Hierfür habe sie im
Schriftsatz vom 05.01.2012 Zeugen- und Sachverständigenbeweis angetreten, (S. 4, Bl.
21), den das Landgericht in unzulässiger Weise übergangen habe. Ferner habe sie
ausdrücklich um Hinweis gebeten (S. 3 des Schriftsatzes vom 28.02.2012, Bl. 3), falls es
das Gericht für erforderlich halten sollte, Zahlen über im Raum H. und deutschlandweit
mit dem Hörsystem R. versorgte Patienten vorzulegen. Statt den Hinwies zu erteilen,
habe das Landgericht angenommen, dass es im Raum H. so gut wie keinen mit
Implantaten versorgten Patienten geben dürfte.
21 Was das A.-System zur Erzeugung virtueller Klangwelten betreffe, gehe das Landgericht
mit nicht nachvollziehbarer Argumentation davon aus, dass die Konkurrenz über
vergleichbare Systeme verfüge, obwohl sie mit Schriftsatz vom 28.02.2012 (S. 3 f, Bl. 43
f) vorgetragen habe, dass die Fa. I. GmbH & Co. KG in H. weder über das System „i.“
verfüge noch dieses System gleichwertig sei. Dem diesbezüglichen Beweisantritt sei das
Landgericht in unzulässiger Weise nicht nachgegangen.
22 Schließlich sei in H. und Umgebung ausschließlich bei ihr und bei sonst keinem
Mitbewerber ein Tinnitus-Therapiekonzept vorhanden. Wenn das Landgericht meine,
dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, dass nicht auch
die Konkurrenz über vergleichbare Therapiekonzepte verfüge, berücksichtige es erneut
Vortrag nicht hinreichend, da sie insbesondere im Schriftsatz vom 28.02.2012 (S. 4, Bl.
44) vorgetragen habe, dass das als Anl. K 18 dargestellte Konzept der Fa. I. GmbH & Co.
KG in H. überhaupt nicht verfügbar, jedenfalls nicht ihrem Konzept gleichwertig sei.
Diesbezügliche Beweisantritte durch Sachverständigengutachten habe das Landgericht
zum einen übergangen und zum anderen insoweit die Beweislastverteilung verkannt.
23 Auch mit ihrer Argumentation hinsichtlich der Verjährung habe sich das Landgericht auch
nicht ansatzweise auseinandergesetzt.
24 Dabei sei der Klägerin aus zahlreichen wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen
mit Hörgeräteakustik-Fachgeschäften der a.-Kette und mit HNO-Ärzten bestens bekannt,
dass die mittlerweile zur Kette gehörenden über 30 Hörakustikfachgeschäfte unter der
Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum GmbH & Co. KG“ firmierten, wobei vor dem
Rechtsformzusatz der jeweilige Ortsname (hier H.) eingefügt sei).
25 So habe die Klägerin mit Schreiben vom 16.08.2010 (Anl. B 2) einen renommierten HNO-
Arzt aus K. abgemahnt und der Abmahnung einen Flyer der Fa. „a. Hör- und Tinnitus-
Zentrum D. GmbH & Co. KG“ beigefügt. Es werde deshalb bestritten, dass der bei der
Klägerin zuständige Sachbearbeiter erst durch das als Anl. K 13 vorgelegte Schreiben
vom 04.10.2011 von den streitgegenständlichen Firmenbezeichnungen erfahren habe
wolle.
26 Jedenfalls habe die Klägerin grob fahrlässig keine Kenntnis davon gehabt, dass die
streitgegenständliche Firmenbezeichnung („a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (Ortsangabe)
GmbH & Co. KG) häufig verwendet werde. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen zu
überprüfen, ob die streitgegenständliche Bezeichnung für das
Hörgeräteakustikfachgeschäft in K.-D. und an anderen Orten zulässig sei oder nicht.
Vorliegend hätte es sich aufgrund der Abmahnung des K. HNO-Arztes vom 16.08.2010
aufgedrängt, die Firmenbezeichnung zu beanstanden und außerdem zu prüfen, ob
neben der a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG weitere Unternehmen die
Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum führten.
27 Jedenfalls seien wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche verwirkt, weil der
Klägerin seit Jahren bekannt sei, dass deutschlandweit unter „a. Hör- und Tinnitus-
Zentrum“ Hörgeräteakustik-Fachgeschäfte nach jeweils demselben Konzept betrieben
würden und sie seit Jahren hiergegen nichts unternommen habe.
28 Auf der anderen Seite hätten sie und die anderen Unternehmen der Kette einen
wertvollen Besitzstand geschaffen. Die Firmenbezeichnung habe jedenfalls unter
Berücksichtigung der deutschlandweiten Verwendung der Bezeichnung für andere
Hörgeräteakustik-Fachgeschäfte einen erheblichen Bekanntheitsgrad erlangt.
29 Die Beklagte beantragt:
30
1.
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
31
2.
hilfsweise: unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
32 Die Klägerin beantragt:
33
kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.
34 Die Beklagte bezweifele zu Unrecht die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags. Die
Klage richte sich gegen die Verwendung der konkreten Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-
Zentrum H.“ und zwar in der aus der vorgelegten Anl. K 2 ersichtlichen konkreten
Verletzungsform.
35 Der Unterlassungsantrag erfasse auch nicht zulässige Verwendungsformen.
Insbesondere sei die Firma der Beklagten „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H. GmbH & Co.
KG“ aufgrund des irreführenden Firmenbestandteils „Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“
wettbewerbsrechtlich unzulässig.
36 Der Begriff „Zentrum“ werde nach wie vor im Grundsatz als Charakterisierung für ein
Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden. Die angesprochenen
Verkehrskreise würden aus der Bezeichnung „Zentrum“ auf eine besondere Bedeutung
und damit auch auf eine jeweils über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz,
Ausstattung und Erfahrung schließen. Für die hier verwendete Bezeichnung „Hör- und
Tinnitus-Zentrum H.“ könne nichts anderes geltend. Auch wenn es im Einzelfall zutreffen
könne, dass im Kontext einer Werbung der Begriff „Zentrum“ relativiert sein könne, sei für
eine derartige Relativierung im Zusammenhang mit der hier interessierenden und als
Anl. K 2 vorgelegten angegriffenen Webeanzeige nichts ersichtlich.
37 Die Bezeichnung „a.“ sei eine bei den angesprochenen Verkehrskreisen unbekannte
Bezeichnung. Die Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum“ werde schon aufgrund
dessen von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht lediglich dahingehend
verstanden, dass in dem Geschäftslokal der Beklagten Produkte des
Hörgeräteherstellers a. angeboten würden. Im Übrigen würden im Geschäft der
Beklagten - wie von ihr selbst vorgetragen - Hörgeräte aller namhaften Hersteller
angeboten (Klagerwiderung S. 2, Bl. 19). Die Voranstellung der Bezeichnung „a.“
relativiere die angegriffene Bezeichnung in keiner Weise, die angesprochenen
Verkehrskreise würden die angegriffene Bezeichnung vielmehr i. S. einer Spitzen-, wenn
nicht Alleinstellungsbehauptung verstehen. Hieran vermöge entgegen der Auffassung
der Beklagten auch der Zusatz „H.“ nichts ändern, vielmehr deute ein solcher
geografischer Zusatz in Kombination mit dem Tätigkeitsbereich eines Unternehmens und
dem Hinweis „Zentrum“ auf eine Alleinstellung in dem geografischen Bereich hin.
38 Es bleibe dabei, dass die Beklagte für ihr Unternehmen keine deutlich über dem
Durchschnitt liegende Marktbedeutung in der Region H., geschweige denn eine
Alleinstellung in Anspruch nehmen könne. Zutreffend habe das Landgericht im Hinblick
auf das Alter der Beklagten, die Zahl ihrer Mitarbeiter, die Größe ihres Ladengeschäfts
und ihre Ladenöffnungszeiten eine auch nur überdurchschnittliche Marktbedeutung
verneint.
39 Was den ausschließlichen Vertrieb von Hörgeräten der Marke a. im Raum H. betreffe,
könne dies die in Anspruch genommene Alleinstellung schon mangels Behauptung
irgendwelcher Vorzüge dieser Hörgeräte gegenüber Hörgeräten anderer Hersteller nicht
rechtfertigen.
40 Es treffe auch nicht zu, dass das Landgericht den Unterschied zwischen C.-Implantaten
und dem teilimplantierten Hörsystem R. nicht erkannt hätte. Ihren Vortrag in der
Klageschrift unter 3. c) (S. 7 f = Bl. 7 f) und ihrem Schriftsatz vom 08.02.2012 (unter Ziff. 4
b), S. 4 = Bl. 37), dass es im Raum H. so gut wie keine mit Implantaten versorgte
Patienten gebe, habe die Beklagte nicht bestritten.
41 Eine Spitzen- oder gar Alleinstellung lasse sich auch nicht mit dem „A.-System“
begründen. Aus dem von der Beklagten zum „A.-System“ vorgelegten Auszug ihrer
Internetseite (Anl. B 3) ergebe sich lediglich, dass dabei „realistische Schallsignale aus
verschiedenen Richtungen und die gleichzeitige Darbietung von Sprache und
Störsignalen erforderlich sind“. Diese Beschreibung entspreche im Grunde einer
handelsüblichen Anlage, welche mittlerweile praktisch in allen Hörgerätefachbetrieben
zur Anwendung komme. Es verbleibe deshalb dabei, dass auch die Wettbewerber der
Beklagten in der Anpassung von Hörgeräten über modernste Techniken insbesondere
Störgeräuschunterdrückung und vieles mehr, verfügten. So sei von ihr in erster Instanz
beispielhaft anhand der vorgelegten Anl. K 17 auf das „i.“-System der Fa. I. verwiesen
worden. Lediglich ergänzend und rein vorsorglich sei angemerkt, dass entgegen der
Behauptung der Beklagten die Filiale der Fa. I. in H. mit diesem System ausgestattet sei.
42 Weiter existiere etwa von der Fa. G. f. A. AG & Co. KG das Anpassungsverfahren „G. A-
Live“, das auch in der G.-Filiale in H. bei der Anpassung von Hörgeräten eingesetzt
werde. Dabei handle es sich um einen interaktiven Live-Hörtest, bei welchem mit
alltäglichen Klangbildern abgefragt werde, wie die Hörfähigkeit in der jeweiligen
Situation empfunden werde, wobei der Kunde mit einem Schallspektrum umgeben
werde, das den natürlichen Klängen und Geräuschen des normalen Alltags entspreche.
43 Auch dieses Bespiel zeige, dass die Wettbewerber der Beklagten über modernste
Techniken der Anpassung von Hörgeräten verfügten, welche dem von der Beklagten
verwendeten „A.-System“ zumindest ebenbürtig seien. Im Übrigen stelle die Beklagte
unstreitig an die Vorbildung ihrer beiden Mitarbeiter keine wesentlichen Anforderungen,
weshalb bezweifelt werden müsse, dass die Beklagte in dem von ihr vertriebenen
System im Vergleich zu ihrem Mitbewerbern auch nur überdurchschnittliche Ergebnisse
zu erreichen vermöge.
44 Entsprechendes gelte auch für das von der Beklagten herausgestellte Tinnitus-
Therapiekonzept.
45 Die Einrede der Verjährung und der Einwand der Verwirkung griffen beide nicht durch.
Da die Werbeanzeige K 2 vom 07.09.2011 stamme, könne der Unterlassungsanspruch
nicht verjährt sein. Selbst wenn für den Beginn der Verjährung generell auf die Führung
der Firma und den wettbewerbsrechtlich unzulässigen Firmenbestandteil abgestellt
würde, wäre zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine Dauerhandlung handele,
bei welcher die Verjährung nicht beginnen könne, solange der Eingriff noch fortdauere.
46 Da es sich bei der Beklagten um ein rechtlich selbständiges Unternehmen handele, sei
unter verjährungsrechtlichen Gesichtspunkten unerheblich, ob sich evtl. einzelne
Schwesterunternehmen der Beklagten in der Vergangenheit bereits in vergleichbarer
Weise wettbewerbswidrig verhalten haben.
47 Was das „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG“ betreffe, auf das die Beklagte
abstelle, so habe der bei ihr zuständige Sachbearbeiter erst durch das jetzige
Anwaltsschreiben der Beklagten davon erfahren, dass die Hörgeräte-Akustik-
Fachgeschäfte der Fa. a. jeweils als „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ bezeichnet würden. Im
Übrigen könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Bezeichnung im Einzelfall
auch zulässig sein könne. Sie sei auch nicht gehalten gewesen, im Zusammenhang mit
dem beim Landgericht Karlsruhe geführten Prozess gegen einen HNO-Arzt aus K. zu
überprüfen, ob die Bewerbung mit der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ für das
Hörgeräte-Akustik-Fachgeschäft in D. zulässig gewesen sei oder nicht.
48 Für eine Verwirkung sei ebenfalls kein Raum, nachdem die Beklagte erst seit Kurzem
existiere und es am notwendigen Umstandsmoment fehle. Im Übrigen bestehe ein
Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Verwendung der irreführenden Bezeichnung
unterbunden werde, damit nicht tagtäglich neue Verbraucher aufgrund entsprechender
Fehlvorstellungen auf das Unternehmen der Beklagten hingelenkt würden. Auch dieser
Gesichtspunkt stehe der Annahme einer Verwirkung entgegen.
4.
49 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung (25.10.2012) eingereichten Schriftsätze, den nachgelassenen Schriftsatz
der Klägerin vom 09.11.2012 (Bl. 105 ff.) sowie die Verhandlungsniederschrift vom
25.10.2012 (Bl. 98 ff.) verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
5.
50 Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 19.11.2011 (Bl. 113 ff.) hat die Beklagte auf
den Schriftsatz der Klägerin vom 09.11.2011 erwidert.
II.
51 Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden, jedoch nicht begründet, da die Klage in vollem Umfang zulässig und begründet
ist.
A.
52 Die Klage ist insgesamt zulässig.
1.
53 Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
a)
54 Die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 3 UWG hat eine Doppelnatur. Sie betrifft nicht nur
die materielle Sachlegitimation (Aktivlegitimation), sondern auch die
Prozessführungsbefugnis (Klagebefugnis; BGH GRUR 2007, 610 Tz. 14 -
Sammelmitgliedschaft V). Ihre Voraussetzungen sind daher von Amts wegen zu prüfen
(BGH, ebenda).
b)
55 Bei der Klägerin wird allerdings in ständiger Rechtsprechung angenommen, sie erfülle
die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, wobei sie die Anforderungen der
Zugehörigkeit einer erheblichen Zahl von Unternehmen, die Waren oder
Dienstleistungen in gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, bereits
über die Mitgliedschaft der Industrie- und Handelskammer erfüllt; ein Verband, dem diese
angehören, ist nämlich stets anspruchsberechtigt (BGH GRUR 1997, 758, 759 - Selbst
ernannter Sachverständiger; BGH NJW-WettbR 1996, 18; BGH NJW 1995, 724, 725 =
GRUR 1995, 122 - Laienwerbung für Optiker; Fezer-Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 258).
2.
56 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Unterlassungsantrag i.S.v. § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
a)
57 Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht
erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten
verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (st. Rspr.; entsprechende
Nachweise bei Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 2.35). Es ist nicht ersichtlich,
warum Verbotsantrag und -tenor diesem Gebot nicht entsprechen sollte.
b)
58 Zwar ist es zutreffend, dass der Verbotsantrag der Klägerin von der konkreten
Verletzungsform abstrahiert, denn er nimmt zwar die Anlage K 2 in Bezug, jedoch nicht
mit einem „wie“-Zusatz („wenn dies geschieht wie ...“), sondern mit einem „insbesondere
wie“-Zusatz. Während durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete
Werbeanzeige mit dem Vergleichspartikel „wie“ in der Regel deutlich gemacht wird, dass
Gegenstand des Antrags allein die konkrete Werbeanzeige sein soll, wobei die abstrakt
formulierten Merkmale die Funktion haben mögen, Details der Varianten näher zu
bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen,
wird die konkrete Verletzungsform bei einem „insbesondere wie“-Zusatz nur als Beispiel
herangezogen (BGH GRUR 2006, 164 Tz. 14 - Aktivierungskosten II; BGH NJW-WettbR
1999, 25, 24 - Handy für 1 DM; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 2.44 u. 2.46).
Geht bei einem „insbesondere wie“-Antrag das begehrte abstrakte Verbot über die
konkrete Verletzungsform und ihre kerngleichen Erweiterungsformen hinaus, was dann
der Fall ist, wenn das abstrakt umschriebene Verbot jedenfalls teilweise das
Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht mehr zum Ausdruck bringt und
daher über eine noch zulässige Verallgemeinerung der beanstandeten
Verhaltensweisen hinausgeht, macht dies den Antrag (teilweise) unbegründet (BGH
GRUR 2001, 446, 447 - 1-Pfenning-Farbbild - m.w.N.). D. h., verfehlt oder überschreitet
die Verallgemeinerung das charakteristische Element, so ist die Klage (teilweise)
unbegründet - das gilt insbesondere dann, wenn sie auch Handlungen einbezieht, die
nicht wettbewerbswidrig sind (BGH GRUR 1999, 509, 511 - Vorratslücken - m.w.N.; BGH
GRUR 2004, 605, 607 - Dauertiefpreise; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.43 f.)- ,
nicht aber unzulässig.
59 Wenn die Beklagte also moniert, der Antrag gehe zu weit, weil sie mit den in ihm
wiedergegebenen Bezeichnungen „Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“ gar nicht isoliert
geworben habe und die Klägerin ein zu weit gehendes Schlechthinverbot begehre, ist
dies keine Frage der Bestimmtheit des Antrags und damit von dessen Zulässigkeit,
sondern eine Frage der Begründetheit (so auch die von Beklagtenseite herangezogenen
Fundstellen - Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.43 u. Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., [nunmehr 10. Aufl.], § 51 Rn.
18 f.).
B.
60 Zu Recht hat das Landgericht die Klage sowohl hinsichtlich des Unterlassungsantrags
(Klagantrag Ziff. 1) als auch der Abmahnkostenpauschale (Klagantrag Ziff. 2) für
begründet erachtet.
1.
61 Die angegriffene Werbung (Anl. K 2 zum Schriftsatz vom 16.11.2011) stellt eine
irreführende geschäftliche Handlung i. S. v. §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG dar,
weshalb der Klägerin aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG der geltend gemachte (Verletzungs-)
Unterlassungsanspruch zusteht.
aa)
62 Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der
umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und
die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen.
Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes,
spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine
zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht (BGH GRUR 2012,
942 Tz. 11 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum - m.w.N.). Für die Beurteilung der Frage,
ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der
angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht (BGH, ebenda).
bb)
63 In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend eine Irreführung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1,
Satz 2 Nr. 3 UWG gegeben.
(1)
64 Abzustellen ist dabei auf die als Anl. K 2 vorgelegte Werbeanzeige vom 17.09.2011,
nachdem die Klägerin in der Replik (S. 1 f., Bl. 34 f.) klargestellt hat, dass Gegenstand
des Verfahrens die angegriffene Bezeichnung in der aus dieser Anlage ersichtlichen
konkreten Verletzungsform sein soll.
65 In der Anzeige wird aber unstreitig ebenso wie im Firmennamen der Beklagten die
angegriffene Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ nicht isoliert verwendet, sondern
vielmehr am Beginn des Fließtextes im Rahmen der Gesamtbezeichnung „a. Hör- und
Tinnitus-Zentrum in H.“ und weiter unten als Teil der vollständigen Firma der Beklagten
(„a.® Hör- und Tinnitus-Zentrum H. GmbH & Co. KG“).
(2)
66 Bei der Feststellung, wie der angesprochene Verkehr die Werbung versteht, ist auf den
Gesamteindruck abzustellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (BGH, a.a.O., Tz.
16; BGH GRUR 2010, 352 Tz. 11 - Hier spiegelt sich Erfahrung). Abzustellen ist dabei
auf den informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher;
nichts anderes besagt auch § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5
Rn. 2.87 und 1.59b).
67 Bei der Beurteilung der angegriffenen Bezeichnung ist davon auszugehen, dass der
Begriff „Zentrum“ nach seinem ursprünglichen Sinn einen Hinweis auf die besondere
Größe und Bedeutung eines Unternehmens darstellt und dass ein Bedeutungswandel
dieses Begriffs jedenfalls nicht in demselben Maße festzustellen ist, wie er sich bei dem
Begriff „Center“ vollzogen hat, vielmehr der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz immer noch
als Charakterisierung für ein Unternehmen von einer besonderen Bedeutung und Größe
verstanden wird (so BGH GRUR 2012, 942 Tz. 17 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum -
mit zahlr. Nachw. aus Lit. und Rspr.); es handelt sich also um eine mittelbare
Größenbehauptung (Fezer-Peifer, a.a.O., § 5 Rn. 390 für den insoweit vergleichbaren
Begriff „Zentrale“). Grundsätzlich weist also die Bezeichnung „Zentrum“ nach wie vor auf
die
besondere
RR 2005, 59; OLG Köln, Urteil vom 16.11.2007, 6 U 71/07 Rn. 15 in Juris).
68 Eine besondere Größe und Bedeutung verlangt dabei in der Regel, dass das beworbene
Unternehmen deutlich über dem Durchschnitt gleichartiger Betriebe hinausragt
(Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 5.44; OLG Koblenz WRP 1990, 125 Rn. 9 in Juris; LG
Münster, Urteil vom 12.09.2008, 23 O 155/08 Rn. 16 in Juris; Senat, WRP 1986, 242, 243
für den Begriff „Center“ in seiner ursprünglichen Bedeutung; BGH GRUR 1977, 503, 504
- Datenzentrale - für den Begriff „Zentrale“).
69 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung BVerfG NVwZ 2005, 683, in
welcher die 3. Kammer des ersten Senats des BVerfG erhebliche verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die Entscheidung geäußert hat, die Bezeichnung einer tierärztlichen
Praxis als „Zentrum für Kleinmedizin (Ortsangabe)“ berge die Gefahr einer Irreführung der
Bevölkerung. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, ist bei
der Betrachtung des Verkehrsverständnisses des Begriffs „Zentrum“ immer auf die
jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen (BGH GRUR 2012, 942 Tz. 17 -
Neurologisch/Vaskuläres Zentrum); insbesondere kann der Kontext den Begriff des
Zentrums relativieren (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 5.47). Die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts betraf eine große Tierarztpraxis mit zwei Tierärzten.
Angesichts des Umstandes, dass Tierärzte im Allgemeinen alleine praktizieren und der
Verkehr bei Tierarztpraxen unterhalb der Tierklinik keine noch größeren
Organisationseinheiten erwartet, war die angegriffene Bezeichnung nicht irreführend
(Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 137; Köhler/Bornkamm, ebenda).
70 Wird neben der Branchenangabe und dem Wort „Zentrum“ wie vorliegend auch noch ein
geografischer Zusatz verwendet, kann dies vom Verkehr als Hinweis auf die
Alleinstellung oder zumindest Vorrangstellung des Unternehmens für den angegebenen
geografischen Bereich verstanden werden (OLG Köln, ebenda; BGH GRUR 1977, 503,
504 - Datenzentrale; BGH GRUR 1986, 903, 904 - Küchen-Center; Fezer-Peifer, a.a.O.,
Rn. 391 f.; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 5.44). Dies muss aber nicht so sein;
insbesondere für eine in einem Firmennamen als nachgestellten Zusatz verwendete
Ortsangabe gilt nicht die Vermutung oder ein Erfahrungssatz, dass der Verkehr dies
regelmäßig i. S. einer Spitzenstellungs- oder sogar Alleinstellungsbehauptung und nicht
nur als Ausdruck der Ortsbezogenheit versteht (BGH GRUR 1990, 52, 53 -
Ortsbezeichnung).
(3)
71 In Anwendung dieser Grundsätze ist anzunehmen, dass der angesprochene Verkehr
eine Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (in) H.“ dahin versteht, dass es sich um
ein Geschäft handelt, das nach Größe und Bedeutung deutlich über dem Durchschnitt
liegt; er erwartet also mehr, etwas Größeres als ein „normales“ Hörakustik-Fachgeschäft.
72 Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen, da sich
die Werbung an Hör- und Tinnitus-Geschädigte richtet und nicht ersichtlich ist, dass es
zur Beurteilung dieser Werbeaussagen auf besondere Erkenntnisse und Erfahrungen
von Fachkreisen ankäme; im Übrigen ist der Senat ständig mit Wettbewerbssachen
befasst (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft). Dabei kann es
dahinstehen, ob Hörgeschädigte generell oder hörgeschädigte Senioren eine „besonders
schutzbedürftige und eindeutig identifizierbare Gruppe von Verbrauchern“ i.S.v. § 3 Abs.
2 Satz 3 UWG darstellen, denn es nicht ersichtlich, dass deren Verständnis der in Streit
stehenden Bezeichnung von derjenigen des gewöhnlichen Durchschnittsverbrauchers
abwiche. Der Einholung von Sachverständigengutachten zur Feststellung der
Verkehrsauffassung bedarf es mithin nicht.
(a)
73 Die Ortsangabe „(in) H.“ vermag jedenfalls anders als die Beklagte meint, ein solches
Verständnis nicht zu relativieren: Im für die Beklagte günstigsten Fall versteht der Verkehr
diesen Zusatz als reine Ortsbezeichnung. Das ist jedenfalls bei der im Fließtext der
beanstandeten Anzeige (K 2) bezeichneten Form des Zusatzes „in H.“ der Fall. Dadurch
wird aber der durch die Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ vorgerufenen
Vorstellung, es handele sich um ein verglichen mit „normalen“ Hörakustik-
Fachgeschäften nach Größe und Bedeutung deutlich überdurchschnittliches Geschäft,
nicht abgeschwächt.
74 Wird die Partikel „in“ vor „H.“ weggelassen wie in dem in der beanstandeten Anzeige
wiedergegebenen Firmennamen der Beklagten, versteht der Verkehr die geografische
Bezeichnung „H.“ dahin, dass sie den Bereich umschreiben soll, in der das „Hör- und
Tinnitus-Zentrum“ seine beanspruchte Bedeutung hat (vgl. OLG Köln, a.a.O., Tz. 15), und
dies ist nach o. G. bei der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ die einer
besonderen Größe und Bedeutung, die deutlich über dem Durchschnitt der
Hörakustikfachgeschäfte im Raum H. liegt.
75 Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dem geographischen Zusatz aber keine
Alleinstellungsbehauptung oder Spitzenstellungsbehauptung in dem Sinne entnehmen,
dass die Beklagte sämtliche Mitbewerber an Größe und Bedeutung überrage. Da es sich
auch insoweit um eine nachgestellte Ortsangabe handelt, die nicht in attributiver Form,
sondern in substantivischer Form benutzt wird, kommt auch insoweit ein Verständnis als
bloße Ortsangabe in Betracht (BGH GRUR 1990, 52, 53 - Ortsbezeichnung; Fezer-Peifer,
a.a.O., § 5 Rn. 393 f). Für die Feststellung, der Verkehr verstünde die Ortsangabe i. S.
einer Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung, bedürfte es ausreichender tatsächlicher
Anhaltspunkte, welche die Annahme eines derartigen Verständnisses rechtfertigten
(BGH GRUR 1990, 52, 53 - Ortsbezeichnung). Daran fehlt es: aufgrund der Kombination
des Tätigkeitsbereichs „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ mit dem geografischen Zusatz „H.“
wird der Verkehr nicht auf eine Allein- oder Spitzenstellung der Beklagten schließen,
denn er wird nicht annehmen, dass allein die Beklagte entsprechende Waren und
Dienstleistungen anbietet, vielmehr annehmen, dass es im Raum H. weitere
Hörgeräteakustikfachgeschäfte mit einer entsprechenden Palette von Angeboten gibt.
Die Annahme einer Spitzenstellungsbehauptung für die Region H. dahingehend, dass
die Beklagte
sämtliche
Sinne, dass es sich beim „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ der Beklagten um „das“ Hör- und
Tinnituszentrum in H. handelt, mit dem sich kein anderer nach Größe und Bedeutung
vergleichen kann, würde voraussetzen, dass der Bezeichnung der bestimmte Artikel
vorangestellt wäre („Das a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“), vgl. OLG Hamm MMR 2009,
50, 51 (anders noch MMR 2003, 471 = GRUR-RR 2003, 289).
(b)
76 Auch die Voranstellung der Firmenbezeichnung „a.“ vor die Bezeichnung „Hör- und
Tinnitus-Zentrum“ bewirkt nicht, dass der Verkehr die Bezeichnung „Zentrum“ nicht auf
eine besondere Größe und Bedeutung bezieht, sondern (nur) als Hinweis auf ein
Geschäftslokal versteht, in dem Produkte der Fa. a. angeboten werden bzw. nach dem
Konzept der zur a.-Kette gehörenden Hörakustik-Fachgeschäfte Waren und
Dienstleistungen angeboten werden.
(aa)
77 Davon, dass die Beklagte Teil einer Kette von bundesweit etwa 30
Hörakustikfachgeschäften ist, die alle unter der Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-
Zentrum GmbH & Co. KG“ firmieren, wobei vor dem Rechtsformzusatz jeweils der
jeweilige Ortsname (vorliegend: H.) steht, ist allerdings auszugehen. Soweit die Klägerin
dies in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 09.11.2012 mit Nichtwissen bestreitet, ist
dies nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen: zwar ist in dem Schriftsatz
vom 16.10.2012, zu welchem der Klägerin mit Beschluss vom 25.10.2012 (S. 3 des
Protokolls, Bl. 100) ein Schriftsatzrecht eingeräumt wurde, davon die Rede, die Beklagte
würde zu einer Kette mit etwa 30 Hörakustikfachgeschäften gehören, doch handelte es
sich insoweit nicht um erstmals in diesem Schriftsatz erfolgten Vortrag, vielmehr war dies
bereits Gegenstand des Parteivorbringens in erster Instanz (Klagerwiderung S. 2, Bl. 19)
und dort unstreitig (LGU S. 3), ja sogar von der Klägerin selbst vorgetragen worden
(Klageschrift S. 3 = Bl.3).
(bb)
78 Zwar wird durch die Voranstellung der Herstellerbezeichnung „a.“ ein Bezug zur Fa. a.
als Hörgerätehersteller hergestellt, insbesondere, nachdem sich in der beanstandeten
Anzeige K 2 unten rechts noch in großer Schrift die Bezeichnung „a. Hörgeräte“ findet.
Der Verbraucher, welcher die Anl. K 2 liest, wird daher und aufgrund des in der dort
ebenfalls wiedergegebenen vollständigen Firmenbezeichnung „a.® Hör- und Tinnitus-
Zentrum H. GmbH & Co. KG“ nach „a.“ angebrachten ® in „a.“ eine Marke oder
Herstellerbezeichnung erkennen.
(bb)
79 Das Verständnis des Verbrauchers erschöpft sich aber nicht darin, dass die Bezeichnung
„a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (in) H.“ auf ein Geschäftslokal hinweist, das - am Standort
H. möglicherweise exklusiv - Produkte der Marke/Firma a. vertreibt, also sozusagen der
„offizielle“ a.-Händler für H. ist.
80 Über diesen Firmen- und Produktbezug hinaus wird er vielmehr (auch) annehmen, dass
dieses „Zentrum“ bestimmte qualitative und - hier entscheidend (nachfolgend (b)) -
quantitative Eigenschaften aufweist, denn er misst der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-
Zentrum“ ein eigenständiges Gewicht bei. Er wird nämlich aufgrund der Verknüpfung des
Wortes „Zentrum“ mit dem Unternehmensgegenstand „Hör- und Tinnitus-“, mit dem es
auch durch einen Bindestrich verbunden ist, ein Geschäftslokal von einer Größe und
Bedeutung erwarten, die über diejenige einer durchschnittlichen, gewöhnlichen Filiale
einer Hörakustikkette hinausgeht. Es handelt sich um eine Sachangabe, welche die
Vorstellung einer Einrichtung von einer Größe und Bedeutung hervorruft, die über ein
gewöhnliches Hörakustikgeschäft hinausragt. Die vorangestellte Bezeichnung „a.“
bewirkt zwar die Vorstellung, dass es in dieser Einrichtung jedenfalls primär Produkte
einer Fa. a. (oder Produkte einer Marke a.) gibt oder diese von einer Firma mit dem
Namen „a.…“ betrieben wird, dies ändert aber nichts daran, dass der Verkehr gleichzeitig
eine Einrichtung erwartet, die objektiv, also im Vergleich zu anderen
Hörakustikfachgeschäften von besonderer Größe und Bedeutung ist.
(cc)
81 Eine gegenteilige Feststellung kann auch nicht daraus geschöpft werden, dass etwa im
Bereich des Automobilhandels der Verkehr daran gewöhnt ist, dass die Bezeichnung
„Zentrum“ mit einen vorangestellten Herstellernamen bzw. mit dieser gleichlautenden
Marke und einer nachgestellten Ortsangabe verknüpft wird (etwa „Audi Zentrum X“ oder
„Porsche Zentrum Y"). Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob
der Verkehr diesbezüglich auch gewisse Erwartungen an Größe und Bedeutung hat,
liegen insoweit keine vergleichbaren Sachverhalte vor, als vorliegend der Begriff
Zentrum mit der Angabe „Hör- und Tinnitus-“ und nicht unmittelbar mit der Marken-
/Firmenbezeichnung „a.“ verbunden ist (die Beklagte verwendet nicht die Bezeichnung
„a. Zentrum“) und es sich zum anderen bei „a.“ nicht um ein bekanntes Zeichen wie
„Porsche“ oder „Audi“ handelt, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat auch eingeräumt hat. Die Voranstellung dieses Zeichens nimmt den Worten „Hör-
und Tinnitus-Zentrum“ nicht den beschriebenen sachlichen Gehalt.
82 Es kann auch nicht angenommen werden, dass im Hörgerätebereich bzw. in der
Hörakustikbranche „Zentrum“ eine verbreitete, übliche Bezeichnung (unabhängig von
Größe und Bedeutung) sei. Diese Behauptung der Beklagten ist angesichts des
Bestreitens der Klägerin (Protokoll vom 25.10.2012 S. 2, Bl. 99) nach § 531 Abs. 2 Satz 1
ZPO nicht zu berücksichtigen. Soweit man diesen Vortrag als bereits im Schriftsatz an
das Landgericht vom 06.03.2012 (Bl. 47) enthalten ansieht, gilt nichts anderes, denn
dieser wurde vom Landgericht zu Recht nach § 296a ZPO nicht berücksichtigt und ist
damit ebenfalls nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen (Zöller-Heßler,
a.a.O., § 531 Rn. 21). Die hierzu vorgelegte Anl. B 8 zu einem „HörGut Hörzentrum“
genügt aber auch nicht, diese Behauptung zu belegen. - Im Übrigen kann der Senat wie
bereits ausgeführt die Verkehrsauffassung aber ohnehin aufgrund eigener Sachkunde
feststellen.
83 Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgestellte
Behauptung, dass im immer verbreiteteren Internetverkehr die Verwendung des Wortes
Zentrum i. S. v. Anlaufstelle üblich sei, ist von der Klägerin umgehend bestritten worden
(S. 2 des Protokolls, Bl. 99), so dass auch insoweit der Ausschluss nach § 531 Abs. 2
ZPO greift. Im Übrigen kann ein solches Verkehrsverständnis auch nicht angenommen
werden und ist das Vorbringen auch deshalb unerheblich, weil die Verwendung
vorliegend gar nicht im Internetverkehr erfolgte.
(b)
84 Damit liegt eine Irreführung vor, denn tatsächlich handelt es sich bei der Beklagten nicht
um ein nach „Größe und Bedeutung“ überdurchschnittliches Unternehmen. Dies
behauptet die Beklagte selbst nicht, räumt vielmehr ein, dass sie keine deutliche über
dem Durchschnitt liegende Marktbedeutung in Anspruch nehme und hat auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass ihr Geschäft nicht größer ist als
andere Hörakustikfachgeschäfte. Zutreffend hebt das Landgericht dabei darauf ab, dass
bei einem Hörakustikfachgeschäft, das nach eigenem Vorbringen der Beklagten erst seit
September 2010 existiert, mit lediglich zwei Mitarbeitern und einer (nach Umzug in das
jetzige Ladenlokal im Januar 2012) Ladengröße von 80 m² (zuvor bestrittene 90 m²)
allenfalls eine durchschnittliche Größe angenommen werden kann. Dem Betrieb der
Beklagten mangelt es mithin an der „besonderen Größe“, so dass durch das Hervorrufen
der Vorstellung einer besonderen Größe und Bedeutung i. S. v. Überdurchschnittlichkeit
eine Fehlvorstellung bewirkt wird.
85 Dabei kann es dahinstehen, ob - wie von der Beklagten behauptet - das allein von ihr in
H. und Umgebung vertriebene teilimplantierbare Hörsystem „R.“ allen anderen Produkten
anderer Hersteller überlegen sei, ob nur von ihr im Raum H. das „A.-System“ zur
Erzeugung virtueller Klangwelten im Rahmen der Anpassung von Hörsystemen genutzt
werde, das vergleichbaren Systemen von Mitbewerbern überlegen sei und ob
ausschließlich bei ihr in H. und Umgebung ein Tinnitus-Therapie-Konzept vorhanden sei.
Denn selbst wenn dies alles zuträfe, änderte dies nichts daran, dass es dem Betrieb der
Beklagten unter quantitativen Aspekten an der überdurchschnittlichen „Größe und
Bedeutung“ fehlte.
86 Soweit die Beklagte argumentiert, es müsse auch Anbietern nicht so bekannter Firmen
und Marken möglich sein, unter Verwendung der Marke und Nennung des
Geschäftszweigs (hier: Hör- und Tinnitus) auf Orte hinzuweisen, an denen die Produkte
erhältlich sind, bleibt ihr dies unbenommen: sie darf hierzu nur nicht den Geschäftszweig
„Hör- und Tinnitus-“ mit dem Begriff „Zentrum“ verbinden, auf dessen Verwendung sie zur
Charakterisierung ihres Geschäftszweigs aber auch nicht angewiesen ist.
(4)
87 Diese auf die Quantität/Größe bezogene Fehlvorstellung ist auch von wettbewerblicher
Relevanz, weil sie geeignet ist, das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise
zu beeinflussen: Das Publikum hat durchaus Interesse am Zuschnitt eines
Unternehmens und wird häufig von der besonderen Größe auf eine besondere
Leistungsfähigkeit schließen; der Verkehr verspricht sich nämlich von der Größe oder
Bedeutung des Unternehmens Vorteile (Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht-
Busche, § 5 Rn. 668; Harte/Henning-Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 136) und wird
mithin durch eine solche suggerierende Bezeichnung angelockt.
b)
88 Der Klägerin steht infolgedessen ein (Verletzungs-)Unterlassungsanspruch zu, und zwar
auch in dem geltend gemachten Umfang.
aa)
89 Die Klägerin begehrt dabei nicht nur ein Verbot der konkreten Verletzungshandlung,
denn diese ist aufgrund des „insbesondere wie“-Zusatzes lediglich beispielhaft genannt.
bb)
90 Das von der in Bezug genommenen Werbeanzeige losgelöste abstrakte Verbot der
Werbung mit der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“ ist jedoch gerechtfertigt:
(1)
91 Macht ein Kläger wie vorliegend einen Verletzungsunterlassungsanspruch unter
Berufung auf eine konkret angegriffene Handlung geltend, besteht eine
Wiederholungsgefahr nicht nur für die konkrete Verletzungsform, sondern auch für alle im
Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH GRUR 2010, 749 Tz. 42 u. 45 -
Erinnerungswerbung im Internet -, st. Rspr.); geht ein Unterlassungsantrag aber darüber
hinaus und gibt er nicht mehr ausschließlich das Charakteristische der konkreten
Verletzungsform wieder, so kann insoweit mit der Verletzungshandlung keine
Wiederholungsgefahr begründet werden (BGH GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung -
m.w.N.; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.44 und § 8 Rn. 1.52 f., jeweils mit zahlr.
Nachw. aus der Rspr. des BGH).
(2)
92 Vorliegend besteht das Charakteristische, der Kern der Verletzungshandlung aber
gerade darin, dass die Beklagte durch die Kombination des Geschäftsgegenstands „Hör-
und Tinnitus-„ mit dem Begriff „Zentrum“ die Vorstellung eines Betriebs von besonderer
Größe und Bedeutung erweckt, obwohl es sich bei ihm tatsächlich nicht um einen
solchen handelt. Genau dies gibt der abstrahierende Verbotsantrag wieder.
(3)
93 Anders als die Beklagte meint liegt hierin kein unzulässiges Schlechthinverbot. Ein
solches läge vor, wenn von der Abstraktionsform auch Handlungen erfasst würden, auf
deren Unterlassung kein Anspruch besteht. Zwar wird ein unzulässiges
Schlechthinverbot insbesondere dann angenommen, wenn die Verwendung eines
Firmenbestandteils untersagt werden soll (BGH GRUR 1981, 60, 64 - Sitex; Teplitzky,
a.a.O., Kap. 51 Rn. 19 m.w.N. Fn. 132), und die Bezeichnung „Hör- und Akustikzentrum
H.“ ist (auch), und zwar wesentlicher Bestandteil der Gesamtfirma der Beklagten. Doch
geht es vorliegend nicht darum, dass kennzeichenrechtlich die Verwendung des
Bestandteiles einer Firma verboten werden soll, bei der immer die Möglichkeit besteht,
dass der angegriffene Bestandteil in eine aus sonstigen Bestandteilen
zusammengesetzte Firmenbezeichnung derart eingefügt werden kann, dass die Gefahr
von Verwechselungen mit der älteren Firma ausscheidet (BGH, ebenda), vielmehr
darum, dass durch die angegriffene Bezeichnung eine wettbewerbsrechtliche Irreführung
erfolgt. In einem solchen Fall besteht kein Hindernis, die Werbung mit der irreführenden
Bezeichnung generell zu verbieten (vgl. etwa die Tenorierungen in den Entscheidungen
OLG Hamm, MMR 2003, 471 = GRUR-RR 2003, 289 - Rn. 8 in Juris; OLG Köln, NJWE-
WettbR 1999, 196 - vor Rn. 1 in Juris; Senat, NJW 2006, 2273 - Rn. 13 in Juris). Es ist
dann Sache der Beklagten, einen Weg zu finden, wie sie die Irreführung des
Verbrauchers vermeidet und dadurch aus dem Schutzbereich des Verbots herauskommt
(BGH GRUR 2000, 619, 620 - Orient-Teppichmuster).
c)
94 Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist weder verjährt noch verwirkt.
aa)
95 Verjährung nach § 11 UWG ist nicht eingetreten.
(1)
96 Die sechsmonatige Verjährungsfrist für den Unterlassungsanspruch beginnt, wenn der
Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von dem den Anspruch begründenden
Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe
Fahrlässigkeit erlangen müsste.
97 Der Unterlassungsanspruch entsteht mit der Zuwiderhandlung. Unter Zuwiderhandlung
ist dabei nicht der Beginn, sondern der Abschluss der tatbestandsmäßigen Handlung zu
verstehen. Dabei ist bei einer Einzelhandlung deren Abschluss auch dann maßgebend,
wenn der Eingriff noch Fortwirkungen zeitigt. Dies gilt auch bei einer fortgesetzten
(wiederholten) Handlung, also einer auf einem einheitlichen Willen beruhenden
Vornahme gleichartiger Handlungen, d. h. für jeden Teilakt läuft eine gesonderte
Verjährung. Hingegen beginnt bei einer Dauerhandlung, also einer
Verletzungshandlung, von der eine fortwährende, vom Verletzer pflichtwidrig
aufrechterhaltene Störung ausgeht, die Verjährung nicht, solange der Eingriff noch
fortdauert (zum Ganzen Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 11 UWG Rn. 1.19 - 1.22 mit zahlr.
Nachw. aus der höchstrichterl. und obergerichtl. Rspr.).
(2)
98 Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auf die von der Beklagten am 17.09.2011
geschaltete und als Anl. K 2 vorgelegte Anzeige stützt, kann die Verjährungsfrist nicht vor
dem 17.09.2011 zu laufen begonnen haben, wobei nach dem zu (1) Gesagten
gleichgültig ist, ob es sich dabei um eine Einzelhandlung oder um eine fortgesetzte,
wiederholte Handlung handelt (wofür nichts vorgetragen ist); jedenfalls liegt insoweit,
anders als das Landgericht meint, keine Dauerhandlung vor. Die Verjährung ist damit
durch die am 16.11.2011 eingereichte und am 24.11.2011 zugestellte Klage rechtzeitig
nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
99 Dauerverstoß ist hingegen die Führung der Firma (s. BGH GRUR 2003, 448, 450 -
gemeinnützige Wohnungsgesellschaft), auf die aber nicht abzustellen ist, weil es sich
dabei nicht um die bei der Klägerin geltend gemachte Verletzungshandlung handelt. Im
Übrigen wäre insoweit aber ebenfalls keine Verjährung eingetreten, weil die Firma nach
wie vor unverändert fortgeführt wird und deshalb nach dem zu (1) Gesagten die
Verjährungsfrist noch gar nicht zu laufen begonnen hätte.
bb)
100 Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.
(1)
101 Die Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung setzt voraus, dass sich der
Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin
bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und gerichtet hat, dieser werde sein
Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen
Treu und Glauben verstößt (st. Rspr., BGH WRP 2006, 114 Tz. 10). Dabei ist allerdings
zu beachten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede
Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt und damit
auch die für das Zeitmoment der Verwirkung erforderliche Frist jeweils neu zu laufen
beginnt (BGH GRUR 2012, 928 Tz. 22 - Honda-Grauimport).
(2)
102 Da maßgebliche Verletzungshandlung das Erscheinen der Anzeige K 2 am 17.09.2011
ist, kann schon das Zeitmoment nicht erfüllt sein.
(3)
103 Die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs im Wettbewerbsrecht setzt im Übrigen
voraus, dass der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl
er den Verstoß kannte oder ihn bei der gebotenen Wahrung seiner Interessen erkennen
musste, so dass der Verpflichtete mit der Duldung seines Verhaltens durch etwaige
Berechtigte rechnen durfte und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand schuf
(Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 11 Rn. 2.14 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BGH).
(a)
104 Hiervon kann bezüglich der Beklagten, auch wenn man auf die Führung des
Firmennamens abstellte, nicht ausgegangen werden, nachdem sie erst im September
2010 gegründet worden ist und ihre Geschäftstätigkeit erst im Herbst 2011 (September
2011) aufnahm. Zu Unrecht stellt die Beklagte insoweit nicht auf ihre eigene Person,
sondern auf die Komplementärin sämtlicher Unternehmen der Kette bzw. auf die
Unternehmen der Kette selbst ab.
(b)
105 Aber selbst wenn man der Beklagten hierin folgte, es sei auf die Komplementärin bzw.
sämtliche Firmen der Kette abzustellen, käme eine Verwirkung nicht in Betracht:
106 Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vor August 2010, als sie im Rahmen der
Beanstandung eines ihrer Ansicht nach wettbewerbswidrigen Verhaltens eines HNO-
Arztes in Karlsruhe-D. erfuhr, dass dort eine Firma „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D.
GmbH & Co. KG - Zentrum für gutes Hören“ existiert, Kenntnis davon hatte, dass es
zumindest ein Unternehmen mit einer derartigen Firmierung gab, so dass es auch
insoweit am Zeitmoment fehlt.
107 Zum anderen war Gegenstand der Abmahnung des HNO-Arztes vom 16.08.2010 (Anl. B
2) und des nachfolgenden Verfahrens nicht ein wettbewerbswidriges Verhalten der Fa.
„a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG - Zentrum für gutes Hören“, sondern
ein solches des HNO-Arztes und ging es in der Sache auch nicht darum, ob die genannte
Firma der a.-Kette eine Größe und Bedeutung aufweist, welcher die Bezeichnung „Hör-
und Tinnitus-Zentrum“ rechtfertigt, sondern war Gegenstand das berufsrechtliche
Zuweisungsverbot nach § 34 Abs. 5 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-
Württemberg. Die Komplementärin der Beklagten bzw. die Firmen der a.-Kette konnten
mithin nicht aufgrund der K. Vorgänge mit der Duldung der Führung der Verwendung der
Bezeichnung „a. Hör- und Tinnitus-Zentrum“ rechnen.
(4)
108 Schließlich kommt vorliegend die Annahme von Verwirkung auch deshalb nicht in
Betracht, weil eine Irreführung in Frage steht. Da das Irreführungsverbot aber dem Schutz
sämtlicher Marktteilnehmer und vor allem auch demjenigen der Verbraucher dient, kommt
eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs nur ausnahmsweise in Betracht, weil das
Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich Vorrang
hat. Eine solche Ausnahme kann insbesondere dann angenommen werden, wenn die
Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und ernstlich in Mitleidenschaft
gezogen werden und nur eine geringe Irreführungsgefahr vorliegt oder weil es sich im
Grunde genommen nur um Individualinteressen der klagenden Mitbewerber handelt
(BGH GRUR 1983, 32, 34 - Stangenglas; GRUR 2003, 448, 450 - gemeinnützige
Wohnungsgesellschaft). Letzteres scheidet von vornherein aus, und auch ersteres kann
nicht angenommen werden. - Letztlich konnte die Komplementärin der Beklagten und die
übrigen Firmen der Kette allein aus dem Umstand, dass nicht früher
Unterlassungsansprüche geltend gemacht worden sind, keinen Vertrauenstatbestand
herleiten, insbesondere nicht annehmen, Mitbewerber oder Verbände wie die Klägerin
hätten die Zulässigkeit der Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum“ geprüft und dies
hingenommen.
2.
109 Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz einer
Abmahnkostenpauschale in Höhe von 205,00 EUR zzgl. 7 % MwSt., mithin von
insgesamt 219,35 EUR zu.
a)
110 Berechtigt i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine Abmahnung, wenn die mit ihr geltend
gemachten Ansprüche bestanden (Begründetheit der Abmahnung) und die Abmahnung
erforderlich war, um dem Verletzer einen Weg zu weisen, den Verletzten ohne
Gerichtsverfahren klaglos zu stellen (BGH GRUR 2009, 502 Tz. 11 - pcb).
111 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
112 Insbesondere war die Abmahnung begründet, da der Klägerin während der Abmahnung
vom 09.07.2011 (Anl. K 12) der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustand.
aa)
113 Gegenstand der Abmahnung war allerdings nicht die als Anl. K 2 vorgelegte
Werbeanzeige in der „H.er Stimme“ vom 17.09.2011, sondern vielmehr die als Anl. K 1
vorgelegte Stellenanzeige in derselben Zeitung vom 03.09.2011. Beanstandet hat die
Klägerin den Satz „Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Hörberater (m/w)
für eine abwechslungsreiche Tätigkeit in unserem Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“, weil
durch die Bezeichnung „Hör- und Tinnitus-Zentrum H.“ der unzutreffende Eindruck
erweckt werde, es handele sich um ein der Größe und Bedeutung nach über dem
Durchschnitt gleichartiger Unternehmen in H. hinausragendes Geschäft.
bb)
114 Der damit geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verstoß gegen das
Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG) stand der Klägerin auch zu.
(1)
115 Wie bereits oben unter 1. a) bb) (3) ausgeführt erweckt die Bezeichnung „Hör- und
Tinnitus-Zentrum H.“ die von der Klägerin behauptete Vorstellung überdurchschnittlicher
Größe und Bedeutung, welcher das Geschäft der Beklagten aber bereits aus
quantitativen Gründen nicht gerecht wird. Dies gilt für die Anl. K 1 erst recht, nachdem
anders als in der Anl. K 2 dem Begriff “Hör- und Akustikzentrum“ nicht das Wort „a.“
vorangestellt ist.
116 Der Umstand, dass sich die Anzeige vom 03.09.2011 nicht an potentielle Kunden,
sondern an Interessenten für die Tätigkeit eines Hörberaters bei der Beklagten wendet,
ändert dabei am Verkehrsverständnis nichts, denn es ist nicht ersichtlich, dass dieser
Personenkreis die Bezeichnung anders verstünde als der Durchschnittskunde.
(2)
117 Diese Fehlvorstellung hat auch wettbewerbliche Relevanz, denn auch für einen an einer
Arbeitsstelle interessierten Verbraucher hat der Zuschnitt eines Unternehmens, seine
Größe eine Bedeutung und kann dieses attraktiv erscheinen lassen.
cc)
118 Allerdings „passt“ die von der Klägerin begehrte Unterwerfungserklärung nicht zu der
gerügten Verletzungshandlung (Stellenanzeige K 1), denn zur Unterlassung verpflichten
soll sich die Beklagte „im Zusammenhang mit dem Verkauf von Hörgeräten“, und damit
steht die Stellenanzeige nicht (jedenfalls nicht in einem unmittelbaren) Zusammenhang.
Das ist allerdings unschädlich, denn der Gläubiger muss den Schuldner zwar zur
Abgabe einer Unterwerfungserklärung auffordern, es ist aber Sache des Schuldners, auf
Grund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche
Erklärung abzugeben (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.17 m.w.N.).
b)
119 Als Verband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG kann die Klägerin anteiligen Ersatz der
Personal- und Sachkosten in Form einer Aufwandspauschale verlangen (BGH GRUR
2010, 852 Tz. 23 - Gallardo Spyder; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.98; Fezer-Büscher, §
12 Rn. 69). Gegen deren Höhe ist nichts zu erinnern, nachdem die Pauschale nach dem
unbestrittenen Vortrag der Klägerin noch nicht einmal kostendeckend ist.
4.
120 Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2012 gibt keinen Anlass,
die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).
III.
1.
121 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ist nicht anzuwenden, da es nicht
zweifelsfrei ist, dass der Wert der Beschwer der Beklagten 20.000 EUR nicht übersteigt
(vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 713 Rn. 2).
2.
122 Anlass zur Zulassung der Revision besteht entgegen der Anträge beider Parteien nicht.
Durch die Entscheidung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ des Bundesgerichtshofs
vom 18.01.2012 (I ZR 104/10) ist geklärt, dass der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz nach
wie vor auf eine besondere Größe oder Bedeutung eines Unternehmens hinweist oder
jedenfalls vom Verkehr auf einen solchen Tatsachenkern zurückgeführt wird, wobei aber
auf die jeweiligen Einzelumstände abzustellen ist (a.a.O., Tz. 17). Die vorliegende
Entscheidung beschränkt sich darauf, diese Einzelumstände, insbesondere die
Voranstellung des Firmen- (Marken-)Namens „a.“, zu würdigen.
3.
123 Den Streitwert hat das Landgericht auf 20.219,35 EUR festgesetzt und damit ersichtlich
den Streitwert des Unterlassungsantrags mit 20.000 EUR bemessen sowie die mit
Klagantrag Ziff. 2 geltend gemachte Abmahnkostenpauschale hinzuaddiert.
124 Diese Bemessung des Streitwerts für den Unterlassungsantrag haben die Parteien nicht
beanstandet. Sie erscheint auch dem Senat angemessen.
125 Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt damit 20.000 EUR, nachdem die
Abmahnkostenpauschale entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht
streitwerterhöhend ist (BGH, Beschl. v. 21.12.2011, I ZR 83/11 Tz. 2 - Streitwert ohne
Abmahnkosten).