Urteil des OLG Stuttgart vom 18.02.2003

OLG Stuttgart: vernehmung von zeugen, grad des verschuldens, eigenes verschulden, vermittler, beweiswürdigung, anweisung, betriebsinhaber, aushändigung, widerrufsrecht, nachlässigkeit

OLG Stuttgart Beschluß vom 18.2.2003, 2 W 56/02
Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche Handlungspflicht zur Widerrufsbelehrung bei Haustürgeschäften: Anforderungen an die von einem
Betriebsinhaber zu fordernde Einflussnahme auf Vertriebspartner/Vermittler
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 31. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom
22.07.2002
geändert.
2. a) Gegen den Schuldner wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von 5 Tagen angeordnet.
b) Im Übrigen wird der Antrag unter gleichzeitiger Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Ordnungsmittel- sowie die des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 10.000,00 EUR
Gründe
I.
1
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, der Sache nach teilweise von Erfolg.
A
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Der Vorsitzende der 31. Kammer für Handelssachen hatte wegen zwei Fällen, dem Vorgang ... und dem Fall ..., über die Verhängung eines
Ordnungsgeldes gemäß § 890 ZPO zu befinden. Der Fall ... war im Beschwerderechtszug eines vorangegangenen Bestrafungsverfahrens (2
W 5/02) dem Senat bereits zur Kenntnis gebracht, seiner Entscheidung aber nicht zu Grunde gelegt worden. Die Parteien stimmen darin
überein, dass sich aufgrund eines mit Ordnungsmittelandrohung versehenen Versäumnisurteils vom 29.04.1999 für den
Schuldner/Beschwerdeführer die Pflicht ergibt, bei Haustürgeschäften dem jeweiligen Kunden die Widerrufsbelehrung auszuhändigen und
sie ihm zu belassen. Vorliegend hat die Gläubigerin einen Verstoß in den Fällen ... und ... behauptet. Das Landgericht hat nach Vernehmung
von Zeugen im Falle ... nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Verletzungshandlung festzustellen vermocht. Anders wertete es jedoch
das Beweisergebnis im Falle ..., wo es der Kundin, der Zeugin ..., Glauben schenkte, nicht jedoch dem Gegenzeugen ..., dem für den
Schuldner über dessen Vertriebsfirma ... tätigen Vermittler. Das Landgericht bejahte insoweit auch das Verschulden, weil der Schuldner ein
zu forderndes eigenes Kontrollsystem nicht errichtet habe, und erkannte auf ein Ordnungsgeld von 10.000,00 EUR (Bl. 30 bis 33). Neun
Tage nach Zustellung ging die sofortige Beschwerde ein, welcher das Landgericht nicht abhalf (Bl. 37). Eine Begründung kündigte der
Schuldnervertreter zunächst immer wieder an, erst mit Schriftsatz vom 31.01.2003 (Bl. 43 bis 48) reichte er sie ein. Darin rügt er, dass das
Landgericht der Darstellung der Zeugin ... unter Verletzung von Beweiswürdigungsgrundsätzen den Vorzug gegeben habe, im Übrigen
erachtet er ein Verschulden des Beschwerdeführers im Hinblick auf dessen Vorkehrungen gegenüber dem Vertriebsunternehmen nicht für
gegeben.
B
1.
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Der Senat stellt in ständiger Rechtsprechung die Entscheidung des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen nicht einer
Einzelrichterentscheidung gleich, weshalb auch der Senat nicht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, sondern in seiner Gesamtheit
zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen ist.
2.
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Der Senat folgt der landgerichtlichen Wertung, dass der Zeuge ... im hier noch streitbetroffenen Fall ... entgegen der den Schuldner
treffenden Pflicht keine Widerrufsbelehrung zurückgelassen hat. Die Angriffe in der Beschwerdeschrift gegen die Beweiswürdigung
verfangen nicht. Das Landgericht konnte sich einen persönlichen Eindruck von beiden Beweispersonen machen und hat seine
Überzeugung zudem auch aufgrund einer Gegenüberstellung der Zeugen gewonnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zeugin ...
bestrebt sein dürfte, mithilfe der Gläubigerin vom geschlossenen Vertrag loszukommen. Dieser gerade auch vom Schuldner gegen die
Zeugin ins Feld geführte Gesichtspunkt eines wirtschaftlichen Eigeninteresses trifft in nicht geringerem Maße auch für den Zeugen ... zu, da
es bei ihm um seine Provisionsforderung geht und er zudem durch ein Eingeständnis eines unkorrekten Verhaltens seine berufliche Stellung
gefährden und der Gefahr der Inanspruchnahme durch seinen Auftraggeber ausgesetzt sein könnte. Vor diesem Hintergrund kommt auch
seiner Beteuerung gegenüber diesem, sich korrekt verhalten zu haben (B 4), kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Zwar ist die Erklärung
des Landgerichtes dafür, dass sich beim Auftraggeber des Vermittlers die Ausfertigung für die Kundin nicht findet, gewiss eine bloße
Schlussfolgerung. Glaubte das Gericht jedoch mit guten Gründen der Darstellung der Zeugen ..., so war nahezu zwingende und lebensnahe
Folge, dass der Zeuge die Dokumentation einer solchen Pflichtverletzung (Durchschlag für den Kunden) auch vernichtete.
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Danach vermag der Senat der landgerichtlichen Beweiswürdigung zu folgen, mithin ist von einem Verletzungstatbestand auszugehen.
3.
6
Diese erwiesene Verletzungshandlung ist dem Schuldner auch vorwerfbar.
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a) Zwar hat der Senat in einem zwischen den nämlichen Beteiligten geführten Beschwerdeverfahren (Vorgang ..., B. v. 11.04.2002 – 2 W
5/02) es als den Schuldner ausreichend entschuldigende Maßnahme angesehen, dass er seinen Vertriebspartnern mit Schreiben vom
24.10.2000 mitgeteilt hatte, dass er im Falle weiterer Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsverpflichtung und ihm hieraus
erwachsender finanzieller Nachteile Schadensersatz geltend machen und die Beendigung der Geschäftsbeziehungen erwägen werde,
zumal dieses Schreiben auch dem Mitarbeiter ... ausgehändigt worden sei, der darüber hinaus konkret angewiesen war, die Kunden
über ihr Widerrufsrecht zu belehren und eine entsprechende Widerrufsbelehrung auszuhändigen. Etwas anderes könnte, so der Senat in
seinem vorbezeichneten Beschluss, dann gelten, wenn weitere Verstöße bekannt würden, die auf die Unzuverlässigkeit der
Vertriebsfirma oder einzelner ihrer Mitarbeiter in Bezug auf die gesetzlich gebotene Aushändigung einer Widerrufsbelehrung hinweisen
würden.
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b) Danach hatte sich der Schuldner bis zu dem Vorgang ... in einer Weise verhalten, die ihm nicht zum Verschulden gereichte. Der Vorgang
... der immerhin zu einem Bestrafungsverfahren geführt hatte, in welchem das Landgericht, so sein Ordnungsgeldbeschluss vom
28.08.2001, auch den Verstoß durch den Zeugen ... als erwiesen ansah, musste dem Schuldner aber Anlass sein, nun nachhaltig auf
seinen Vertriebspartner und insbesondere den konkret tätig gewesenen Vermittler einzuwirken und beide nachdrücklich auf die
Einhaltung des gerichtlichen Ausspruches zu verpflichten. So sah es der Schuldner im Übrigen augenscheinlich selbst, da er am
20.09.2001 ein (weiteres) Rundschreiben an alle Vertriebspartner versandte (B 6).
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9
c) Ein (eigenes) Verschulden trifft den Betriebsinhaber schon dann, wenn er nicht alle möglichen und ihm zumutbaren Maßnahmen trifft, um
Zuwiderhandlungen entgegenzuwirken, insbesondere auch Verstößen von Angestellten oder Beauftragten. Er ist verpflichtet, ein
verbotswidriges Verhalten Dritter durch aktives Tun zu verhindern (OLG Zweibrücken OLG-Report 00, 72; Senat B. v. 04.08.1999 – 2 W
30/99). Dabei muss der Schuldner unmissverständlich die Anweisung erteilen und zudem darauf hinweisen, dass hinter ihr ein
gerichtliches Verbot steht, das unbedingt zu befolgen ist und für dessen Befolgung er unter erheblicher Strafandrohung einzustehen hat.
Es müssen gar Sanktionen angekündigt oder vereinbart werden, wenn sich eine Person als unzuverlässig erwiesen hat (Senat B. v.
04.10.1999 – 2 W 43/99; vgl. ferner Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 57, 26; Melullis, Handbuch
des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 952 und 952 a; Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl., Einl UWG Rdn. 584).
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d) Diesen gewiss strengen Anforderungen ist der Schuldner nicht gerecht geworden. Sein Rundschreiben vom 20.09.2001 (B 6) ist nur von
geringer Nachdrücklichkeit und veranschaulicht schon nicht den Hintergrund seines Begehrens und wie sehr er seinerseits auf die
Einhaltung dieser Pflicht durch die Beauftragten angewiesen ist. Dies wird auch in der Vernehmung des Zeugen ... selbst deutlich,
wonach er nur eine Anweisung erhalten habe, dass alle Durchschläge von den Verträgen bei den Kunden verbleiben müssten. "Einen
darüber hinausgehenden Inhalt hatten die Anweisungen nicht" (Bl. 22). Diese unzulängliche Vorgehensweise gereicht dem
Beschwerdeführer zum Verschulden.
4.
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Allerdings erscheint eine Ermäßigung des festgesetzten Ordnungsgeldes angezeigt.
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a) Die Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO haben neben ihrer Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Vermeidung künftiger
Zuwiderhandlungen auch einen repressiven, strafähnlichen Sanktionscharakter. Dieser erfordert es, die Bemessung jedenfalls in erster
Linie und hauptsächlich im Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen; maßgeblich ist danach vor allem der
Unwertgehalt der Verletzungshandlung, d. h. die Gefährlichkeit ihrer Folgen für den Gläubiger, besonders auch der Grad des
Verschuldens des Zuwiderhandelnden. Daneben soll die Bemessung bewirken, dass – wiederum aus der Schuldnersicht – die
Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, sodass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (BGH WRP 94, 37,
39 – Vertragsstrafebemessung; WRP 01, 1179 (II 3 a) – Weit-Vor-Winter-Schluss-Verkauf; Teplitzky a.a.O. Kap. 57, 34).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen erscheint ein Ordnungsgeld von 5.000,00 EUR tat- und schuldangemessen. Zwar sind, wie
aufgezeigt, die Anforderungen an die Verhaltenspflichten des Schuldners streng, demgemäß ist im Falle seiner Nachlässigkeit in der
Regel sein Verschulden auch hoch zu bewerten. Andererseits hat der Schuldner vorliegend seine Handlungspflicht erkannt, ist ihr aber
bloß unzureichend nachgekommen. Dies schmälert die Schwere des Verschuldensvorwurfes und lässt die Hälfte des Betrages, auf
welchen das Landgericht erkannt hat, als erforderlich, aber auch als hinreichend erscheinen.
II.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 891 S. 3, 97, 92 ZPO.
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Der Beschwerdewert schöpft sich aus dem angegriffenen Ordnungsgeld.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichtes erfordert.