Urteil des OLG Stuttgart vom 06.12.2005

OLG Stuttgart: darlehensvertrag, widerrufsrecht, verzinsung, eugh, anleger, begründung des urteils, rückabwicklung, europarechtskonforme auslegung, neues recht, beurkundung

OLG Stuttgart Urteil vom 6.12.2005, 6 U 110/05
Rückabwicklung eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Immobilienfondsbeitritts: Widerlegung der Kausalitätsvermutung einer
Haustürsituation für den Vertragsschluss durch Unterschriftsleistung anlässlich eines Notartermins; Anspruch des Darlehensnehmers auf
Nutzungsentschädigung für erbrachte Zinszahlungen
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart - Einzelrichterin - vom 20.05.2005 (Aktenzeichen 8 O 706/04) teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 13.739,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.01.2005 zu bezahlen
b) die Ansprüche aus der für die Klägerin beim ... Lebensversicherung AG bestehenden Kapitallebensversicherung Nr. ... an die
Klägerin rückabzutreten jeweils Zug um Zug gegen die Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die ... GbR ... (WGS-Fonds Nr.
22) sowie gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen
- ...
- die ... GmbH i.K.
- die ... Wirtschaftstreuhand GmbH
- ...
- die Bundesrepublik Deutschland,
soweit die Klägerin von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten frei geworden ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus ihrem am 16.08./21.11.1991 mit der Klägerin geschlossenen Darlehensvertrag Nr. ...
keine Ansprüche mehr zustehen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 16%, die Beklagte 84%.
IV. Jede Partei kann die Vollstreckung durch die andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden,
wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 40.000 EUR
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und aus dem
Gesichtspunkt des Rückforderungsdurchgriffs analog § 9 Abs. 2 S. 4 VerbrKrG sowie cic die Rückzahlung der von ihr auf den Darlehensvertrag
erbrachten Zinszahlungen nebst Zinsen hierauf sowie die Feststellung, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag keine Rechte mehr
herleiten könne.
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1. Wegen des unstreitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen. Es sind einige Ergänzungen
erforderlich geworden:
3
Vor Aufnahme des Vertriebs der Fondsanteile hatte sich die Beklagte gegenüber der Fondsinitiatorin bereit erklärt, die Finanzierung von
Anlegern vorzunehmen, sofern die Bonität der Anleger hinreichend sei. Hierzu wurde zwischen der Beklagten und der WGS
Wohnungsbaugesellschaft GmbH (im Weiteren: WGS) ein Finanzierungsraster aus Einkommen und Vermögen der potentiellen Anleger
entwickelt, aus dem die Fondsvermittler mit großer Wahrscheinlichkeit erkennen konnten, ob die Beklagte einen Darlehensantrag des Kunden
annehmen würde. Beim hier betroffenen und einem weiteren WGS-Fonds, bei dem sich die Beklagte ebenfalls an der Finanzierung der Anleger
beteiligte, hat sie Darlehen in Höhe von zusammen ca. 70 Mio. DM ausgereicht. Müsste sie alle Darlehen abschreiben und darüber hinaus den
Darlehensnehmern die bisher gezahlten Zinsen erstatten, so würde sie dies einschließlich Refinanzierungszinsen mehr als 50 Mio. EUR
kosten.
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Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien ist nicht auf hauseigenen Formularen der Beklagten geschlossen, sondern auf Vordrucken des
DG-Verlags. Auch das Selbstauskunftsformular stammt nicht von der Beklagten, vielmehr handelt es sich um einen in nahezu allen
Fondsanteilsfinanzierungen verwendeten Vordruck der WGS.
5
Im Darlehensvertrag findet sich unter „weitere sonstige Kosten“ hinter dem vorgedruckten Teil „Barauslagen“ der maschinenschriftliche Eintrag:
„die außerhalb der Bank im Rahmen einer ordnungsgemäßen Darlehens- und Sicherheitenverwaltung anfallen“. Dies hatte die Beklagte zur
Erhöhung der Transparenz eingefügt. Es sind nur Auslagen betroffen, die allenfalls in Ausnahmefällen gelegentlich entstehen können wie
Auslagen für einen Grundbuchauszug, Einwohnermeldeamtsanfragen u.ä. und die im hier vorliegenden Darlehensverhältnis auch nicht
angefallen sind. Die Angestellte ... der WGS unterschrieb auf der Seite „allgemeine Darlehensbedingungen“ des Darlehensvertrags unter dem
vorgedruckten Eintrag „Mitarbeiter“ für die Legitimitätsprüfung der Anlegerin.
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Sämtliche Darlehensunterlagen sind von der Klägerin unter dem Ort „...“ unterschrieben. Sie wohnte damals in einem Stadtteil von .... Die
Beurkundung des Beitrittsvertrags zur Fondsgesellschaft fand ebenfalls in ... statt.
7
Die Mitinitiatorin der „WGS-Fonds“ WGS stellte am 31.10.1997 Konkursantrag. Der weitere Initiator ... wurde zu einer langjährigen Haftstrafe
verurteilt. Er ist zwar inzwischen wieder auf freiem Fuß, aber arbeitslos.
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Die Klägerin zahlte zwischen November 1991 und November 2004 an die Beklagte aus eigenem Vermögen auf das Darlehen Zinsen in Höhe
von 17.345,39 EUR. Im gleichen Zeitraum erhielt sie Ausschüttungen der Fondsgesellschaft von 3.605,63 EUR. Seit November 1998 zahlt die
Fondsgesellschaft die Ausschüttungen direkt an die Beklagte aus. Wegen der Zusammensetzung der Beträge wird auf S. 7f der Klage (Bl. 7f
d.A.) verwiesen.
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Die Beklagte beruft sich erstmals in der Berufung auf Verjährung auch hinsichtlich des etwaigen Rückforderungsdurchgriffs wegen
Schadensersatzansprüchen.
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Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung bereit erklärt, über die im erstinstanzlichen Urteil bei der Zug um Zug Verurteilung
berücksichtigte Abtretung von Ersatzansprüchen der Klägerin hinaus auch solche gegen die Mittelverwendungstreuhänderin, den Vermittler
und die Bundesrepublik Deutschland aus Staatshaftung wegen mangelhafter Umsetzung der europäischen Richtlinie abzutreten.
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2. Für das streitige Vorbringen in erster Instanz und die dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Dort
hatte der Klägervertreter auch eine Haftung der Beklagten aus cic „direkt“ geltend gemacht, weil sie aufgrund der von ihr vor dem Vertrieb der
Fondsanteile getroffenen Absprachen mit den Fondsinitiatoren, insb. wegen der Kontingentfinanzierung (Aufteilung des Marktes unter den
Banken), informiert gewesen sei, dass der tatsächliche Wert des streitgegenständlichen Fondsanteils unter Abzug der tatsächlichen weichen
Kosten und der Verkaufsgewinne der WGS bei maximal 50% des angegebenen Anteilswerts gelegen habe.
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3. Das Landgericht hat der Klage mit der Einschränkung statt gegeben, dass die Klägerin über die bereits im Klageantrag zugestandene
Abtretung von Ersatzansprüchen gegen die Fondsgesellschaft hinaus auch die Ersatzansprüche gegen die Fondsinitiatoren ... und WGS Zug
um Zug gegen die Erbringung der beantragten Leistungen abzutreten habe.
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Zur Begründung des Urteils hat es angeführt, dass die Klägerin ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung
wirksam widerrufen habe und dies dazu führe, dass von der Beklagten sämtliche Zahlungen mit Zinsen zurückzuzahlen seien.
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Die Widerrufsvorschriften des HWiG seien trotz § 5 Abs. 2 HWiG anwendbar, diese Vorschrift sei entsprechend der höchstrichterlichen
Rechtsprechung europarechtsfreundlich und damit einschränkend dahin gehend auszulegen, dass sie für das Widerrufsrecht nicht gelte, wenn
das vom VerbrKrG gewährte Widerrufsrecht erloschen sei. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Willenserklärung der Klägerin auf
eine Haustürsituation zurückzuführen sei. Auch wenn die Klägerin den Darlehensvertrag erst später unterschrieben habe, liege die
erforderliche Kausalität zwischen der Werbung in der Haustürsituation und dem Vertragsschluss vor, weil die Werbung immer noch ein
maßgeblicher Grund für den Darlehensvertrag gewesen sei. Die Kausalität werde auch nicht dadurch unterbrochen, dass die Klägerin den
Darlehensvertrag anlässlich eines Notartermins zur Beglaubigung des Eintritts in die Fondsgesellschaft unterschrieben habe, denn die
Unterschrift habe lediglich der banktechnischen Abwicklung einer vorher bereits getroffenen Entscheidung gedient. Erst recht greife § 1 Abs. 2
Nr. 3 HWiG nicht, weil nicht der Darlehensvertrag, sondern der Beitritt zur Fondsgesellschaft beurkundet worden sei und zudem der mit der
notariellen Beurkundung nach der Intention des Gesetzgebers beabsichtigte Schutz bei vorangegangenen anbieterorientierten Verhandlungen
nicht eintrete. Weiter sei die Haustürsituation der Beklagten entsprechend den zu § 123 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätzen zuzurechnen,
weil sich die Beklagte nach einer Haustürsituation hätte erkundigen müssen. Ein Rechtsirrtum über die Bedeutsamkeit der Haustürsituation
vermöge die Zurechnung der Haustürsituation nicht zu hindern. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Fonds - Anteile im
Strukturvertrieb verkauft, potenzielle Kunden also von Vermittlern auch außerhalb von Geschäftsräumen angesprochen und zu Hause
aufgesucht werden. Da der Fonds-Vertrieb zudem Vertragsformulare der Beklagten in Besitz gehabt habe, sei die Beklagte in das
Vertriebssystem des Fonds eingebunden gewesen. Das Haustürwiderrufsrecht sei noch nicht erloschen gewesen, als die Klägerin es ausgeübt
habe. Die Belehrung sei nämlich nicht zutreffend gewesen, weil der Hinweis, dass der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn sie das Darlehen
nicht binnen zwei Wochen entweder nach Auszahlung des Darlehens oder nach Erklärung des Widerrufs zurückzahle, eine andere als vom
HWiG vorgeschriebene und zudem noch unrichtige Erklärung enthalten habe. Die Widerrufsbelehrung habe noch nicht einmal den Vorschriften
des VerbrKrG genügt, weil ein verbundenes Geschäft anzunehmen sei, bei dem der Widerruf keine Darlehensrückzahlungspflicht gem. § 7 Abs.
3 VerbrKrG auslöse. Das Widerrufsrecht sei schließlich weder rechtsmissbräuchlich ausgeübt noch verwirkt. Außer dem Zeitablauf von etwa 13
Jahren sei kein weiterer Umstand ersichtlich, aus dem hätte geschlossen werden können, dass die Klägerin von ihrem Widerrufsrecht keinen
Gebrauch machen werde. Demgegenüber habe sie keine Veranlassung gehabt, darüber nachzudenken, ob sie an ihrer Willenserklärung fest
halten wolle. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand eines die Voraussetzungen des § 1 HWG a. F. erfüllenden Darlehensvertrages
könne beim Kreditgeber nicht entstehen, wenn die nach dem HWiG gebotene Widerrufsbelehrung nicht erteilt worden sei.
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Rechtsfolge sei, dass die Beklagte der Klägerin die empfangenen Leistungen nach § 3 HWiG zurückzugewähren habe. Beitritt zum
Immobilienfonds und Kreditvertrag hätten ein verbundenes Geschäft entsprechend § 9 Abs. 1 und Abs. 4 VerbrKrG aF gebildet. Die Beklagte
habe sich zum Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung des Vertriebsbeauftragten des Immobilienfonds bedient. Die Mitarbeiterin der
WGS ... habe als „Mitarbeiterin“ (der Beklagten) die Identität der Klägerin geprüft und durch ihre Unterschrift bestätigt. Zudem habe die Klägerin
nicht von sich aus eine Bankfinanzierung ihres Anlagegeschäfts gesucht, sondern der Kreditvertrag sei zustande gekommen, weil der
Vertriebsbeauftragte des Initiators der Interessentin zugleich mit den Anlageunterlagen einen Kreditantrag der Beklagten vorgelegt habe, die
sich zuvor mit dem Initiator über die Finanzierung abgestimmt habe. Der Fondsbeitritt sei der Klägerin als Gesamtpaket angeboten worden, wie
der Zeuge ... glaubhaft bekundet habe. Mangels Empfangs des Darlehens durch die Klägerin schulde sie auch keinen Ausgleich von
Nutzungsvorteilen der Darlehenssumme. Steuervorteile habe die Klägerin nicht auszugleichen. Sie würden von der Rückabwicklung nach § 3
HWiG a. F. nicht erfasst. Es handele sich um kein Surrogat der Darlehensvaluta. Insoweit spielten nur die Leistungen eine Rolle, die im
Verhältnis der am Verbundgeschäft Beteiligten geflossen seien. Darüber hinaus habe die Klägerin einen Anspruch auf marktübliche Verzinsung
der von ihr auf das Darlehen gezahlten, der Beklagten zur Nutzung zur Verfügung stehenden Raten. Dies folge aus § 3 Abs. 3 HWiG, es sei
nicht ersichtlich, warum diese Regelung nicht auch für den Kunden gelten solle. Eine ausdrückliche Beschränkung auf den Kunden enthalte § 3
Abs. 3 HWiG nicht. Auch der Bank werde eine Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der Leistung des Verbrauchers eingeräumt. Desgleichen greife
der in den Gesetzesmaterialien niedergelegte Gedanke, es handele sich um geringe Zinsbeträge, in Fällen der vorliegenden Art nicht. Da auch
Banken ihren Verzugsschaden abstrakt berechnen könnten, schulde die Beklagte hier den von ihr mit der Klägerin vereinbarten Zinssatz von
7,95 Prozent.
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Verjährung es sei nicht eingetreten, da ihr Lauf nicht vor dem Widerruf beginnen könne.
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4. Die Beklagte hat gegen das ihr am 25.05.2005 zugestellten Urteil am 30.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 21.07.2005 begründet.
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Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, dass eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG nicht möglich sei. Die Auslegung des
Gesetzes müsse dort ihre Grenze finden, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch stehe.
Insb. könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er sich richtlinienkonform habe verhalten wollen, dies laufe auf eine unzulässige
dynamische Verweisung auf das Europarecht hinaus. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommene Auslegung contra legem
sei verfassungsrechtlich unzulässig, die Gesetzesbindung des Richters sei im nationalen wie im europäischen Recht von grundlegender
Bedeutung, was auch der EuGH selbst anerkenne, so zuletzt in der Rechtssache C-350/03 (Schulte gegen Badenia). Außerdem verstoße die
Auslegung des BGH gegen das Willkürgebot (Art 3 GG) und die Eigentumsrechte hier der Beklagten (Art 14 GG). Zumindest hätte die
Auslegung auf den direkten Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt werden müssen, weil eine richtlinienkonforme Auslegung über die
vom EuGH formulierten Anforderungen hinaus nicht mehr von der deutschen Zustimmungsgesetzgebung gedeckt sei. In den
Anwendungsbereich der Richtlinie falle der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht, weil die Klägerin den Darlehensvertrag - das ist unstreitig -
nicht bei sich zuhause unterschrieben habe. Zudem verböten sich verfassungsrechtlich Erst-Recht-Schlüsse, mit denen der BGH die
einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG bei Personalkrediten begründet habe. Außerdem sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren, weil
die höchstrichterliche Rechtsprechung § 5 Abs. 2 HWiG jedenfalls bei Personalkrediten erst nachträglich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes
und entgegen der bis dahin einhelligen Literatur ausgelegt habe. Diese koste allein sie - unstreitig - mehr als 50 Millionen EUR. So lasse das
entscheidende Urteil des EuGH vom 13. Dezember 2001 (Heininger) gerade offen, ob aus Gründen des Vertrauensschutzes im konkreten Fall
etwas anderes gelten könne, die Argumentation des EuGH deute eher darauf hin, dass er generell Vertrauensschutz für bedeutsam halte, nur
im dort zu entscheidenden Fall nicht. So habe europarechtlich der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit bzw. der Normenklarheit und des
Vertrauensschutzes zentrale Bedeutung, hiervon sei der BGH „weit entfernt“; die Übertragung nationalstaatlicher Befugnisse auf demokratisch
ohnehin nicht übermäßig legitimierte Organe der EG lasse sich verfassungsrechtlich überhaupt nur rechtfertigen, wenn rechtsstaatliche
Grundsätze auch auf der Ebene der Gemeinschaft gewahrt seien.
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Aufgrund der Beweisaufnahme stehe gerade nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Darlehensvertrag kausal auf eine Haustürsituation
zurückzuführen sei. Jedenfalls sei nicht auszuschließen, dass zuerst der notarielle Fondsbeitritt und dann die Unterzeichnung des
Darlehensvertrages durch die Klägerin erfolgt sei. Infolge der notariellen Beurkundung des zeitgleich unterzeichneten Beitrittsvertrags zur
Fondsgesellschaft fehle es an einer Überrumpelung der Klägerin, wogegen zudem auch der zeitliche Abstand von ca. zweieinhalb Wochen
zwischen dem Besuch des Vermittlers bei der Klägerin und dem Beurkundungstermin bzw. der Unterzeichnung des Darlehensvertrages
spreche. In dieser Zeit sei die Klägerin gerade keiner Überrumpelung und keiner fortdauernden Beeinflussung in ihrer Wohnung ausgesetzt
gewesen, sondern habe ihre Entscheidung noch überdenken und rechtlichen sowie steuerlichen Rat einholen können. Bis dahin sei die
Klägerin keinerlei rechtliche Verpflichtungen eingegangen. Damit sei dem Schutzzweck der EG-Richtlinie sowie demjenigen des HWiG Genüge
getan. Der Schutzzweck bestehe nicht darin, den Verbraucher generell vor für ihn nachteiligen Geschäften zu bewahren, sondern nur im Schutz
vor einer Überrumpelung bzw. Beeinflussung im Schutzbereich der Wohnung. Diese gelte umso mehr, als der Klägerin schon vorher aufgrund
der Notwendigkeit eines Notartermin die Bedeutung des beabsichtigten Geschäfts klar gewesen sein müsse und für sie daher nicht nur
Gelegenheit, sondern auch Veranlassung bestanden habe, fachkundigen Rat einzuholen.
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Die Haustürsituation sei ihr nicht zuzurechnen. Entgegen der Annahme des Landgerichts habe die Beklagte keine Kenntnis von der konkreten
Art des Vertriebes, insbesondere vom Vorliegen einer Haustürsituation gehabt. Hierzu habe das Landgericht auch keinerlei Feststellungen
getroffen. Eine allgemeine Kenntnis davon, dass ein Vermittler tätig sei, reiche nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH gerade
nicht zur Zurechnung der Haustürsituation bzw. dafür, eine Nachforschungspflicht der Bank anzunehmen. Auch habe sie - das ist unstreitig -
den Vermittlern gerade nicht ihre Formulare überlassen, die WGS habe ein Blankoformular verwendet. Selbst wenn man sie aber für verpflichtet
halte, Rücksprache genommen zu haben, hätte sie lediglich erfahren können, dass der Darlehensvertrag am 16. August 1991 in den Räumen
des beurkundenden Notars unterzeichnet worden war. Damit hätte sie gerade nicht von einer Haustürsituation ausgehen können und müssen.
Eine weitergehende Fragepflicht hätte die Anforderungen des § 123 Abs. 2 BGB überspannt, nachdem auch die Vertragsunterlagen als
Unterzeichnungsort nur ... auswiesen. Außerdem fehle es an der für eine Zurechnung nach § 123 Abs. 2 BGB erforderlichen Fahrlässigkeit, da
die Beklagte im Jahr 1991 eine etwaige Anwendung des HWiG entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG nicht habe erkennen
können, wie das OLG Schleswig im Urteil vom 2. Juli 2005 zutreffend festgestellt habe.
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Außerdem sei ihre Widerrufsbelehrung zureichend, was ebenfalls das OLG Schleswig in dem genannten Urteil festgestellt habe. Intention der
EU - Richtlinie sei bekanntlich gewesen, den Darlehensnehmer vor einer Überrumpelung zu schützen und ihm eine Bedenkzeit einzuräumen,
innerhalb derer er das Geschäft widerrufen könne. Nicht gewollt gewesen sei, dass er noch nach Jahren seine Anlageentscheidung als solche
revidieren und das Anlagerisiko auf andere abwälzen könne. Die hier erteilte Belehrung habe genügt, um dem Anleger zu zeigen, dass er an
seine Unterschrift nicht endgültig gebunden gewesen sei. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man von einem verbundenen
Geschäft ausgehen würde, denn die Beklagte hätte bei einer Belehrung nach dem VerbrKrG auch den zutreffenden Hinweis aufnehmen
können und eventuell sogar müssen, dass das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der Erklärung des Verbrauchers erlösche (§ 7
Abs. 2 VerbrKrG). Diese Frist habe die Klägerin unzweifelhaft verstreichen lassen.
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Darüber hinaus sei das Widerrufsrecht lange vor seiner Ausübung erloschen. Aus § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 2
EGBGB folge, dass alle Widerrufsrechte, die vor dem 01.01.2002 begründet waren, am 01.07.2003 erloschen seien.
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Jedenfalls sei seine Ausübung verwirkt, weil die Klägerin mehr als 13 Jahre habe verstreichen lassen, bevor sie in irgendeiner Weise tätig
geworden sei. Der Klägerin sei - unstreitig - der Konkurs der WGS und die Situation des Fonds seit 1997 auf Grund der Rundschreiben der
Fondsverwaltung bekannt. Darüber hinaus sei sie - streitig - durch ständige Anschreiben von Anwaltskanzleien über ihre Rechte als
"Verbraucherin" auch über ihr Widerrufsrecht, bestens informiert gewesen. In Kenntnis dieser Umstände habe sie wissentlich auf die
erforderlichen Maßnahmen gegenüber der Beklagten verzichtet und - unstreitig - weiterhin die Zinsraten bis November 2004 geleistet. Auch bei
Ablauf der in dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag festgeschrieben Laufzeit bzw. Zinsbindung bis zum 30. August 2001 habe die
Klägerin - unstreitig - nichts unternommen, obwohl sie das Darlehen hätte kündigen können. Auch das erforderliche Umstandsmoment liege
vor. Die Beklagte habe auf Grund des vorstehend dargestellten Verhaltens der Klägerin vertrauen können, dass kein Widerruf mehr kommen
würde. Im Vertrauen darauf und auf die Beständigkeit der Rechtsprechung habe sie - streitig - die Zahlungen der Klägerin als Zinszahlungen
entgegengenommen (mit der Folge, dass die Klägerin nunmehr eine überhöhte Verzinsung dieser Zahlungen quasi als garantierte
Festgeldanlage fordere), ihre gesamte Geschäftspolitik darauf eingerichtet und insbesondere weder eine Wertberichtigung in ihrer Bilanz
vorgenommen noch Reserven für die von der Klägerin geforderte Rückzahlung gebildet.
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Weiterhin sei deshalb Verjährung eingetreten, weil der Darlehensvertrag bei Annahme eines Widerrufsrechts von Anfang an schwebend
unwirksam gewesen sei und die Klägerin daher sofort zur Rückforderung der Raten berechtigt gewesen wäre, wobei dieser Anspruch der
vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB aF unterlegen habe.
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Sollte dennoch ein wirksamer Widerruf angenommen werden, sei die Klägerin zur Rückzahlung der Valuta verpflichtet. Gerade die jüngsten
Urteile des EuGH, insb. im Verfahren C - 350/03 (Schulte ./. Badenia), zeigten, dass nach europäischem Recht nach einem Widerruf
grundsätzlich eine Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers bestehe. Außerdem liege hier ein Verbund nicht vor. Schon bei den üblichen
WGS-Fällen bestünden hieran erhebliche Zweifel, hier stehe dem entgegen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die
Unterzeichnung des Darlehensvertrags nach der notariellen Beurkundung erfolgt sei (siehe § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG). Im Übrigen sei es der
Klägerin offen gestanden, die Einlage aus Barmitteln zu erbringen oder die Mittel bei einer anderen Bank aufzunehmen. Wegen der Weisung
sei die Auszahlung an den Treuhänder als Leistung an den Darlehensnehmer anzusehen (so auch das OLG Schleswig).
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Eine Verzinsung etwa zurückzuzahlender Beträge komme nicht in Betracht.
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Die Klägerin habe ihr alle in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche abzutreten, denn ansonsten würden sich diese quasi „im Nichts
auflösen“. Weil die Klägerin diese Ansprüche habe verjähren lassen, gehe das zu ihren Lasten und sie könne nun gar nichts mehr verlangen.
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Die Bestimmung im Darlehensvertrag zu den Barauslagen führe nicht zur Nichtigkeit des Vertrags wegen Verstoßes gegen die Pflichtangaben
nach § 4 VerbrKrG. Diese Kosten hätten der Höhe nach allenfalls mit 0,00% angegeben werden können, weswegen eine Angabe dem Grunde
nach genügt habe.
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Die Beklagte beantragt:
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1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.2005, Az. 8 O 706/04, wird aufgehoben.
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2. Die Klage wird abgewiesen.
32
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
34
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil in erster Linie mit rechtlichen Überlegungen.
35
Außerdem korrigiert sie in der Berufung ihren Vortrag zur Vermittlung der Anlage dahingehend, dass es nur einen einzigen Termin zu ihrer
Werbung gegeben habe, nämlich den vom 29.07.1991. Dieser sei aber bei ihr in der Wohnung gewesen.
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In der zweiten Instanz trägt sie erstmals vor, dass eine Täuschung durch den Fondsvertrieb auch darin liege, dass das vom Vermittler im Zuge
der Werbung überreichte Berechnungsbeispiel vom 19.07.1991 (Anlage K 9 nach Bl. 25 d.A.) mit einer Wertsteigerung des „Immo-Wertes“ der
Anlage von (unstreitig) 7% p.a. rechne, was für 2003 zu einem Vervielfältiger von 35 für das Verhältnis zwischen Immo-Wert und zu
erwartenden Mieterträgen führe. Die Wertsteigerungsrate sei vollkommen illusorisch und bereits zum damaligen Zeitpunkt durch keinerlei
tatsächliche Anhaltspunkte unterlegt und erwartbar gewesen.
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Zur Verzinsung des Rückforderungsanspruchs ist sie der Ansicht, dass eine fälligkeitskongruente Verrechnung deshalb ausscheide, weil der
Darlehensnehmer nicht Empfänger der Valuta sei. I.Ü. sei § 3 HWiG eindeutig und könne nicht unter Billigkeitsgesichtspunkten korrigiert
werden. Das Argument, dass es nicht sachgerecht sei, dass der Anleger es durch Nichtausübung des Widerrufsrechts in der Hand habe, sonst
nicht zu erzielende Anlageerlöse zu erwirtschaften, überzeuge nicht, insb. nicht für den Zeitraum bis zur Heininger-Entscheidung. Bis dahin
habe auch der Anleger nichts von seinem Widerrufsrecht wissen können. Nach dem Widerruf entstünden Verzugszinsen in gleicher Höhe. Die
Bank habe mit dem Widerruf rechnen müssen und sei nicht schutzwürdig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags in der Berufung wird auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 19.07, 24.08. und
23.11.2005 sowie den des Klägervertreters vom 29.09.2005 und die Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2005
verwiesen.
II.
39
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann zwar - wie das Landgericht zurecht entschieden hat - nach § 3 Abs. 1
HWiG von der Beklagten ihre auf den Darlehensvertrag erbrachten Leistungen zurückverlangen, ohne ihrerseits die Darlehensvaluta an die
Beklagte zurückzuzahlen zu müssen (1). Sie kann aber weder unter dem Gesichtpunkt eines Haustürwiderrufsgeschäfts noch aus sonstigen
Anspruchsgrundlagen für den Zeitraum bis zur Ausübung des Widerrufsrechts eine Verzinsung ihrer (Zins-) Zahlungen verlangen (2).
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1. Der Anspruch der Klägerin folgt dem Grunde nach aus § 3 Abs. 1 HWiG, der als Sondervorschrift dem vom Klägervertreter favorisierten § 812
BGB vorgeht.
41
a. Trotz der - lediglich zum Teil - neuen Angriffe der Beklagten bleibt der Senat bei seiner in den veröffentlichten Urteilen vom 23.11.2004 (6 U
76/04 - OLGR 2005, 109; 6 U 82/03 - WM 2005, 972) begründeten Auffassung, dass § 5 Abs. 2 HWiG in der vom europäischen Recht
gebotenen einschränkenden Auslegung auch bei Personalkrediten (und zwar nicht wegen eines Erst-Recht-Schlusses, sondern weil das
Europarecht auch bei Personalkrediten durch die Vorschriften des VerbrKrG nicht vollumfänglich umgesetzt wird) insoweit nicht gilt, als das
Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG hinter dem Widerrufsrecht nach dem HWiG zurückbleibt (vgl. auch die in Verfahren unter Beteiligung der
Beklagten ergangenen Urteile des Senats in den Sachen 6 U 49/04 vom 31.01.2005, 6 U 203/04 vom 14.03.2005, 6 U 206/04 vom 22.03.2005,
6 U 59/05 vom 18.10.2005, 6 U 60/05 vom 18.10.2005, 6 U 73/05 vom 07.11.2005 und 6 U 83/05 vom 07.11.2005). Zur Vermeidung von
Wiederholungen werden nur die neuen Argumente ausführlich diskutiert, die alten dagegen kurz zusammengefasst und i.Ü. auf die
Ausführungen in den o.g. Urteilen verwiesen:
42
aa. Zwar ist zutreffend, dass die europäische Richtlinie nicht dem nationalen deutschen Recht vorgeht (siehe Senatsurteil im Verfahren 6 U
82/03 S. 12), dies bedeutet aber nicht quasi im Gegenzug, dass sie bei der Anwendung deutschen Rechts keinerlei Rolle spielt. Vielmehr ist sie
bei Auslegung der einschlägigen nationalen Vorschriften vorrangig zu berücksichtigen und
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bb. der Wortlaut des § 5 Abs. 2 HWiG steht der von der Beklagten bekämpften, dahin gehenden gefestigten höchstrichterlichen Auslegung nicht
entgegen.
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Abgesehen davon, dass der Wortlaut auch nach Auffassung des XI. Zivilsenats des BGH (NJW 2002, 1881, 1882f) und nicht nur wie vom
Beklagtenvertreter behauptet nach Auffassung des II. Zivilsenats schon nicht eindeutig ist, kann bei Vorliegen von besonderen Gründen wie der
verfassungsrechtlich (Art 23 GG) gebotenen europarechtsfreundlichen Auslegung über ihn hinweggegangen werden (vgl. im einzelnen
Senatsurteile in den Verfahren 6 U 82/03 S. 13f und 6 U 76/04 S. 16f). Lediglich im Strafrecht setzt der Wortsinn nach Art 103 Abs. 2 GG der
Auslegung des Gesetzes eine Grenze. Daher hat das Bundesverfassungsgericht in seiner in NJW 2004, 2662 veröffentlichten Entscheidung
(„pensionierter Richter“) auch ausdrücklich entschieden, dass der Richter am Wortlaut des Gesetzes „nicht halt zu machen“ braucht. Damit ist
allein dadurch auch keine Verletzung von Art. 3 oder 14 GG zu begründen. Von den möglicherweise im europäischen Gemeinschaftsrecht
engeren Grenzen der Auslegung (der EuGH vertritt im Urteil im Verfahren C - 350/03 (Schulte gegen Badenia) Rdnr. 74 - 79 die vom
Beklagtenvertreter zitierte Auffassung des Generalanwalts nicht mit der gleichen Schärfe) unterscheidet sich die Auslegung des nationalen
deutschen Rechts schon dadurch, dass für das Gemeinschaftsrecht kein geschriebenes höherrangiges Recht besteht. Daher kann im
nationalen Recht das Prinzip der Normenklarheit hinter dem Prinzip der europarechtsfreundlichen Auslegung zurücktreten. Auch ist der
Rechtsprechung des EuGH nicht zu entnehmen, dass das europäische Recht die Möglichkeiten beschränken würde, die das nationale Recht
zur europarechtskonformen Auslegung bietet.
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Die Grenze des völligen Funktionsverlustes der Vorschrift wird nicht erreicht, zumindest wegen der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH
zu § 7 HWiG (NJW 2002, 2029), aber auch weil während des ersten Jahres ab Abschluss des Darlehensvertrags das Widerrufsrecht nach dem
VerbrKrG vorgeht. Deswegen verfängt auch der Verweis des Beklagtenvertreters auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur
europarechtskonformen Auslegung von §§ 2 Abs. 1 S. 4 HWiG und 4 VerbrKrG nicht (Senatsurteile aaO). Die Auffassung des vom
Beklagtenvertreter in der Berufungsbegründung zitierten 5. Zivilsenats des OLG Schleswig zur Verfassungswidrigkeit des
Rückforderungsdurchgriffs beruht auf anderen Überlegungen, was sich schon daran zeigt, dass er dem BGH selbst in der vom
Beklagtenvertreter zitierten Entscheidung in WM 05, 1173, 1178 r.Sp. bei der Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG folgt. Auch steht der historische
Wille des Gesetzgebers, soweit er bei der Auslegung überhaupt eine mehr als untergeordnete Rolle spielt, nicht entgegen, weil sich der
Gesetzgeber nicht gegen die Richtlinie stellen wollte (vgl. im Einzelnen die Senatsurteile in den Verfahren 6 U 82/03 S. 14 und 6 U 203/04 S.
21; zum Verhalten des Gesetzgebers bei der Schuldrechtsreform auch 6 U 76/04 S. 17). Hierin mag der Unterschied zu der vom
Beklagtenvertreter angeführten Situation zum Arbeitszeitgesetz und dem Beschluss des BAG vom 18.02.2003 (NZA 2004, 742ff) liegen. Aus all
diesen Gründen kommt es auf die Diskussion über eine dynamische Verweisung in diesem Fall nicht an. Der Beschluss des BVerfGs vom
14.10.2004 (2 BvR 1481/04; NJW 2004, 3407) steht der höchstrichterlichen Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG nicht entgegen; vielmehr fordert
das BVerfG - auf der Ebene des Völkerrechts - unter C I 3 a sowie b aa gerade eine Auslegung des nationalen Rechts bis zur Grenze des
Möglichen, die - wie oben dargestellt - nicht überschritten ist. Dies gilt - in Art 23 GG verankert - auch für Normen der Europäischen Union, selbst
wenn deren demokratische Legitimation insb. bei älterem Recht noch hinter heutigen Standards zurückbleibt, was im Übrigen für zahlreiche
deutsche Rechtsnormen aus der Zeit vor 1918 genauso gilt. Vergeblich beruft sich die Beklagte weiter auf einen Beschluss des BVerfG vom
07.06.2005 (1 BvR 1508/96). Hier erlaubt zumindest eine der klassischen Auslegungsmethoden die auch vom Senat vertretene Auslegung und
dann erzwingt Art 23 GG, ihr zu folgen.
46
cc. Die Beklagte beruft sich vergeblich auf Vertrauensschutz.
47
Wie der Senat bereits in den beiden Urteilen vom 23.11.2004 eingehend begründet hat (6 U 82/03 S. 15f und 6 U 76/04 S. 17f), stellt sich die
Frage nach einem Vertrauensschutz erst dann, wenn eine bereits existierende konsistente höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegeben wird,
was hier aber nicht der Fall ist, weil die erste jedenfalls veröffentlichte Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1998 stammt, während der
Darlehensvertrag bereits 1991 geschlossen wurde. Dagegen kann eine - selbst nahezu einhellige (siehe die Zitate auf S. 6f der
Klageerwiderung sowie ggfs. auch Steppeler wie in der Berufungsbegründung zitiert, die nicht so eindeutige Meinung von Fischer/Machunsky
fehlt aber, siehe Senat 6 U 82/03 aaO) - Kommentarmeinung die Rechtsprechung genauso wenig präjudizieren wie eine - aus heutiger Sicht -
unzulängliche Beschäftigung auch der Beklagten mit dem den Verbraucherschutzgesetzen zugrunde liegenden europäischen Recht. Dieses -
nach Auffassung der Beklagten -"rechtliche Chaos" gehört zum allgemeinen Geschäftsrisiko genauso wie die Frage, ob die Beklagte ihre
damalige Entscheidung später noch z.B. über eine Nachbelehrung korrigieren konnte oder heute noch kann.
48
Daran ändert sich nicht dadurch etwas, dass der EuGH auf europäischer Ebene die Rückwirkung seiner Entscheidungen ausschließen kann.
Es fehlt schon an der Voraussetzung der drohenden schwerwiegenden Störung. Zwar hat die Beklagte alleine für sich den Schaden aus der
Beteiligung an der Finanzierung von Anlegern in zwei Fonds der WGS auf 50 Millionen EUR veranschlagt. Dem muss aber entgegengehalten
werden, dass zum einen (auch in zu den Gerichten gelangten Fällen) nicht sämtliche Darlehensverträge - jedenfalls nachweisbar - auf
Haustürsituationen beruhen und zum anderen diese Darlehensverträge der Beklagten nicht nur unter dem Gesichtspunkt des HWiG, sondern
auch dem des Einwendungs- und Rückforderungsdurchgriffs gefährdet sind (vgl. das den Parteivertretern und der Beklagten bekannte
Senatsurteil vom 26.09.2005 im Rechtsstreit 6 U 92/05). Zu dieser Rechtsfigur waren die Auffassungen zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen
in der Kommentarliteratur indes von Anfang an heftig umstritten. Außerdem dürfte es auch an der zweiten Voraussetzung, dem guten Glauben
des Betroffenen fehlen, denn bei einer nach dem VerbrKrG zutreffenden Belehrung der Anleger über ihr Widerrufsrecht wäre das Widerrufsrecht
tatsächlich zeitnah erloschen (vgl. hierzu noch unten 1 d aa). I.Ü. hat der EuGH in den Urteilen vom 25.10.2005 keine zeitliche Begrenzung
erwogen, obwohl er festgehalten hat, dass aus europäischer Sicht das Anlagerisiko bei unzutreffender/unterbliebener Belehrung selbst bei
Realkrediten bei der Bank liegt. Eine Vorlage an den EuGH durch den Senat ist i.Ü. deshalb nicht möglich, weil der vorliegende Sachverhalt
nicht unter die Richtlinie fällt.
49
dd. Weiterhin überzeugen die Ausführungen der Beklagten nicht, so weit sie darauf hinauslaufen, dass trotz der Vorgaben der europäischen
Haustürrichtlinie eine europarechtskonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG zu unterbleiben habe, weil der vorliegende Fall nicht unter den
Anwendungsbereich der Richtlinie falle. Wie bereits der XI. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 09.04.2002 ausgeführt hat (XI ZR 91/99 S. 20ff),
widerspräche eine gespaltene Auslegung der vom deutschen Recht geforderten einheitlichen Behandlung, weswegen die Argumentation mit
einer Überschreitung der Grenzen der deutschen Zustimmungsgesetzgebung zum Europarecht (Art. 23 GG) von vorneherein ins Leere gehen.
Außerdem wäre auch die gespaltene Auslegung mit Friktionen im Rechtssystem verbunden, vor allem wenn man sich auf den Standpunkt stellt,
dass - weil die Richtlinie den Inhalt der Belehrung nicht vorschreibt - für die Haustürsituation jedwede Widerrufsbelehrung genüge, möge sie
auch nach deutschem Recht, insb. bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des VerbrKrG und Vorliegen eines verbundenen Geschäfts, unzulässig
sein. Im Übrigen kann eine Auslegung nach anerkannten Auslegungskriterien ohne Weiteres erfolgen, wenn gerade wegen der
europarechtskonformen Auslegung von Teilbereichen hinreichend Anknüpfungspunkte hierfür bestehen.
50
b. Die Grundvoraussetzung eines Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 HWiG, nämlich dass der Kunde in einer Haustürsituation zum Abschluss des
Darlehensvertrages geworben wurde, ohne dass er den Unternehmer bzw. eine für ihn handelnde Person zu von vorneherein hinreichend klar
umrissenen Vertragsverhandlungen einbestellt hätte, liegt vor.
51
aa. Das Landgericht hat den damaligen Vermittler als Zeugen vernommen und in dem angegriffenen Urteil festgestellt, dass die
Verhandlungen, die letztlich zur Unterschrift der Klägerin unter den Darlehensvertrag geführt haben, in deren Wohnung stattgefunden hatten.
52
Gegen diese tatsächlichen Feststellungen wendet sich die Berufung nicht. Soweit die Anhörung der Klägerin im Termin vor dem Senat ergeben
hat, dass sie in Abänderung des erstinstanzlichen schriftsätzlichen Vortrags der Auffassung ist, dass nur ein Vermittlungstermin stattgefunden
habe, deckt sich dies auch mit den Angaben des Zeugen. Dieser hatte nicht explizit zwei Besuchstermine bei der Klägerin bekundet, vielmehr
schilderte er die Werbung in einem Zug, was es zumindest nahe legt, dass nur ein Termin stattfand. Für die Annahme einer Haustürsituation
genügt es im Übrigen, dass jedenfalls ein Haustürtermin mit Werbung für die Anlage stattgefunden hat. Damit kommt es nicht darauf an, ob die
Beklagte die Haustürsituation unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten hatte (so bei Anwendung der im Urteil des II. Zivilsenats des BGH
vom 14.03.2005 II ZR 405/02 aufgestellten Grundsätze).
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Die Angriffe der Beklagten gegen die rechtlichen Folgerungen, die das Landgericht daraus gezogen hat, nämlich dass das HWiG Anwendung
findet, obwohl die Klägerin ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht in ihrer Wohnung abgab, gehen
fehl. Nach deutschem Recht kommt es nicht darauf an, wo der Darlehensvertrag unterschrieben wurde, sondern wo der Kunde hierzu bestimmt
wurde.
54
bb. Dass dem Hausbesuch des Vermittlers bei der Klägerin keine vorherige Bestellung im Rechtssinne Grunde lag und damit der
Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG nicht vorliegt, hat das Landgericht auf Seiten 7 und 11 des angegriffenen Urteils
unwidersprochen festgestellt. Der Senat macht sich die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen. Es kann allenfalls noch
hinzugefügt werden, dass - unterstellt, es habe zwei Hausbesuche gegeben - die Bestellung zum zweiten Hausbesuch auf dem ersten, damit
auf einer vom HWiG bereits erfassten inkriminierenden Situation beruht und somit unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht als vorhergehende
Bestellung durch den Kunden anzusehen ist.
55
cc. Die Beklagte muss die Haustürsituation gegen sich gelten lassen.
56
(1) Wie der EuGH aaO im Verfahren C - 350/03 (Schulte - Badenia) entschieden hat, ist es mit europäischem Recht nicht vereinbar, wenn die
deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung subjektive Kriterien für eine Zurechnung aufstellt, namentlich § 123 Abs. 2 BGB analog anwendet.
Die Richtlinie und damit das Urteil des EuGH gilt zwar nicht unmittelbar für den vorliegenden Fall, weil die Richtlinie nur Konstellationen
anspricht, in denen das Geschäft selbst in der Haustürsituation abgeschlossen wird. Da eine gespaltene Auslegung (s.o.) aber nicht in Betracht
kommt, bedarf es künftig keiner Zurechnung mittels § 123 BGB mehr. Vielmehr ist die Haustürsituation einem Gewerbetreibenden immer dann
zuzurechnen, wenn eine Person in seinem Namen und für seine Rechnung handelte (Art 2 Spiegelstrich 2 der Richtlinie, der sich mangels
ausdrücklicher nationaler deutscher Regelung zur Zurechnung ohne weiteres ins deutsche Recht übernehmen lässt). Diese Voraussetzung
liegt bei Verbundfällen in der Person des Fondsvermittlers regelmäßig vor.
57
Ein verbundenes Geschäft liegt hier unproblematisch vor. Die Beklagte hat sich zur Anbahnung des Darlehensvertrages des Fondsvertriebes
bedient (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG). Die Beklagte hatte, wie sie selbst einräumt, mit den Initiatoren Absprachen über die Finanzierung von
Fondsanlegern getroffen und es dann dem Vertrieb überlassen, ihr die Darlehensnehmer zuzuführen. Der Vertrieb hat dabei zwar nicht die
hauseigenen Formulare der Beklagten verwendet. Die Beklagte hat sich jedoch - was es noch deutlicher werden lässt, dass sie sich des
Vertriebs bedient hat - akzeptiert, dass die Darlehensverträge nicht auf ihren eigenen Formularen, sondern auf den vom Vertrieb hergestellten
Formularen abgeschlossen wurden (vgl. hierzu z.B. BGH Urteil vom 31.01.2005 II ZR 200/03 S. 5f). Genauso hat sie auch die
Selbstauskunftsformulare des Vertriebs als zentrale Entscheidungsgrundlage für die Darlehensgewährung genutzt und obendrein akzeptiert,
dass die Legitimationsprüfung durch die Mitarbeiterin ... der WGS durchgeführt wurde. Auf die weiteren zahlreichen vom Klägervertreter auf S.
15ff der Klage (= Bl. 15ff d.A.) erörterten Gegebenheiten, die einen Verbund begründen könnten, kommt es daneben nicht an. Dass der
Beklagtenvertreter unter diesen Umständen in der Berufungsbegründung zum Ergebnis kommt, dass kein Verbund vorliege, erklärt sich
lediglich daraus, dass er sich nicht an den vom Gesetz und der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für das Vorliegen
eines Verbundes orientiert. Insb. führt eine notarielle Beurkundung des finanzierten Geschäfts nicht automatisch zum Ausschluss des
Verbundes, so weit ging selbst § 3 Abs. 2 Nr. 3 VerbrKrG nicht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen aber ohnehin nicht vorliegen. Das
Vorliegen eines Verbundes war auch nicht Gegenstand der zitierten Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH vom 14.09.2004 XI ZR 11/04.
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(2) Selbst wenn man an dieser Stelle bei der Anwendung des HWiG zwischen unmittelbar der Richtlinie unterfallenden Haustürgeschäften und
solchen, die nur nach deutschem Recht Haustürgeschäfte sind, unterscheiden und § 123 BGB auf nicht in der Haustürsituation abgegebene
Willenserklärungen weiter anwenden wollte, wäre die Haustürsituation der Beklagten zuzurechnen:
59
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 09.03.2004 im Rechtsstreit 6 U 166/03, dort S. 16ff = OLGR 2004, 244, 249
vertritt, würde beim hier vorliegenden Verbund zwischen Fondsbeitritt und Darlehensvertrag Abs. 1 des § 123 BGB zur Anwendung kommen (zu
einer Subsumtion nach den hergebrachten Regeln des II. Zivilsenats des BGH siehe unten IV). Argumente hiergegen hat insb. der II. Zivilsenat
des BGH bislang nicht vorgebracht, vielmehr entspricht es der älteren Rechtsprechung des BGH, beim Verbund das Verhalten des Verkäufers
der Bank nach § 123 Abs. 1 BGB zuzurechnen (insb. NJW 1956, 705, 706 und NJW 1967, 1026, 1027; in der Entscheidung NJW 1961, 166,
168f war sogar § 278 BGB herangezogen worden), was auch für Personen gilt, die vom Verkäufer beauftragt sind. Gerade nach der
Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH seit 14.06.2004, nach der die Fondsinitiatoren dem Verkäufer gleichgestellt werden, erscheint das
Ergebnis des Senats zwingend.
60
c. Die Klägerin wurde durch den Hausbesuch vom 29.07.1991 zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt .
61
aa. Dafür, dass die Haustürsituation bis zur Unterschrift der Klägerin unter den Darlehensvertrags am 16.08.1991 fortwirkte, spricht vorliegend
eine Vermutung, weil noch ein hinreichend naher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Überzeugungsarbeit des Vermittlers in der
Haustürsituation und der Unterschrift der Klägerin unter den Darlehensvertrag besteht.
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Entgegen der Auffassung des Beklagtenvertreters greift die Kausalitätsvermutung nämlich nicht nur dann, wenn der Vertragsabschluss
innerhalb einer Woche ab der Haustürsituation erfolgt. Hierzu kann insbesondere nicht die (damalige) Wochenfrist des § 2 Abs. 1 HWiG oder
des Art. 5 der Richtlinie herangezogen werden, denn diese setzt systemimmanent voraus, dass der Kunde belehrt und damit auf die fehlende
Bindung hingewiesen wurde. Ohne Belehrung oder wenn sie - wie hier - erstmals und dann noch inhaltlich unzutreffend mit der Unterschrift der
Klägerin unter den Darlehensvertrag erteilt wird, fehlt es daran aber.
63
Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass die Unterschrift der Klägerin unter den Eintrittsantrag in den Fonds (Anlage K 1) zu einer
mindestens psychologischen Selbstbindung bezüglich des Beitritts zur Fondsgesellschaft und damit mittelbar auch zur Finanzierung der
Einlage geführt hatte. Solchermaßen wurde die aus der Haustürsituation hervorgegangene Gefahr noch verstärkt. Jedenfalls dies rechtfertigt es,
eine Frist von nicht einmal drei Wochen zwischen dem zweiten Hausbesuch und dem Tag der Unterschrift der Klägerin unter den
Darlehensvertrag als noch hinreichend kurz für eine Kausalitätsvermutung anzusehen, auch wenn der Vermittler in dieser Zeit nicht weiter auf
die Klägerin einwirkte. Die Klägerin stand zwar - wie dies die Beklagte zurecht betont - jedenfalls für den Abschluss des Darlehensvertrags
subjektiv (anders objektiv: § 3 Nr. 1 des Beitrittsvertrags, Anlage K 3) nicht unter Zeitdruck. Hat sie sich trotzdem nicht beraten lassen, zeigt aber
genau dies, dass die Haustürsituation fortwirkte.
64
bb. Die Kausalitätsvermutung wird nicht dadurch widerlegt, dass die Unterschrift unter den Darlehensvertrag in den Räumen des Notars
stattfand, bei dem die Beitrittserklärung der Klägerin zur Fondsgesellschaft notariell beurkundet wurde.
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Prinzipiell vertritt auch der Senat wie das OLG Jena (Urteil vom 13.01.2004 5 U 250/03) und das KG (Urteil vom 03.05.2005 4 U 128/04) die
Auffassung, dass im Zusammenhang mit Vorkommnissen beim verbundenen Geschäft die Kausalitätsvermutung für den Abschluss des
Darlehensvertrags widerlegt werden kann, ohne aber dem Ansatz des OLG Jena im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG zu folgen. Der
Sachverhalt liegt im vorliegenden Fall indes von vorneherein anders als beim KG, denn hier erfolgte keine Widerrufsbelehrung hinsichtlich des
Beitritts zum Fonds, genau diese wurde durch den Notartermin überflüssig. Jedenfalls bei der vorliegenden Konstellation greifen zudem die
Überlegungen des OLG Jena nicht:
66
Allein dass es überhaupt zu einem Notartermin kam, genügte nicht, dass sich die Klägerin nochmals Gedanken über den in der
Haustürsituation herbeigeführten Beitrittsentschluss machte. Entsprechend der Konzeption der WGS wurde der Notartermin nämlich nicht als
Übereilungsschutz dargestellt, sondern als rein formelle Angelegenheit, wie sich dies mittelbar auch aus der Aussage des Zeugen ... ergibt (S. 2
des Protokolls vom 27.04.05 unten).
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Inwieweit etwas anderes gegolten hätte, wenn im Notartermin hinreichend Warnhinweise bzgl. der Fondsbeteiligung gegeben worden sein
sollten, braucht hier nicht weiter erörtert werden. Denn entgegen der Argumentation in der Berufungsbegründung erfolgte die Unterschrift unter
den Darlehensvertrag hier eindeutig vor der Beurkundung. Der Zeuge ... hat dies vor dem Landgericht bekundet (Bl. 56 d.A.): Es wurden
zunächst die (für das Gesamtgeschäft) noch erforderlichen Unterschriften geleistet. „Danach“ fand die notarielle Beurkundung (mit Belehrungen
das Notars) statt. So hat dies - entgegen dem Beklagtenvertreter - auch das LG festgestellt. Selbst wenn man den Angaben des Zeugen aber
nicht folgen wollte, würde dies am Ergebnis nichts ändern, weil die Widerlegung/Erschütterung der Vermutung zur Beweislast der Beklagten
steht und sie keine Beweismittel anbieten kann. Angesichts des langen Zeitablaufs ist es der Klägerin auch nicht verwehrt, sich auf diesen
Ablauf zu berufen, obwohl sie - wie die Anhörung vor dem Senat ergeben hat - selbst keine konkrete Erinnerung mehr hat (BGH NJW-RR 2002,
612, 613).
68
cc. Damit kann offen bleiben, ob die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 18.10.2004 (II ZR 352/02, insb. S. 6 des Urteils) dahin
gehend zu verstehen sein soll, dass bereits eine Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie genügt und es auf normative Gesichtspunkte nicht
ankommen soll. Genauso wenig kommt es darauf an, ob der Senat einer solchen Auffassung folgen könnte.
69
d. Das damit entstandene Widerrufsrecht der Klägerin war im Zeitpunkt der Ausübung in der Klageschrift nicht erloschen.
70
aa. Die Wochenfrist des § 2 HWiG hatte nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte die Klägerin nicht zutreffend über ihre Rechte belehrt hatte.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Belehrung der Beklagten, die sie nach dem VerbrKrG vorgenommen hatte, enthielt - wie bereits das
Landgericht völlig zurecht festgestellt hat - einen unzulässigen Zusatz, weil die Belehrung dahin ging, dass die Klägerin nach einem Widerruf
die Darlehenssumme zurückzuzahlen hatte. Dies entsprach beim verbundenen Geschäft gerade nicht der Rechtslage. Jedenfalls unzutreffende
Belehrungen lassen sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass es § 2 Abs. 1 Abs. 3 HWiG in einer reduzierenden Auslegung nicht verbietet,
ursprünglich durch das VerbrKrG gebotene zutreffende Zusätze in die Belehrung aufzunehmen (so bei einer Belehrung über ein verbundenes
Geschäft nach dem VerbrKrG Senat 6 U 82/03 Urteil vom 23.11.2004 S. 30ff = WM 2005, 972, 978f; a.A. allerdings BGH Urteile vom 14.06.2004
II ZR 385/02 und vom 15.11.2004 II ZR 394/03; nochmals a.A. OLG Schleswig WM 2004, 1159, 1163f, dessen Auffassung aber nur dann
überzeugen würde, wenn insgesamt von einer gespaltenen Auslegung des HWiG ausgegangen würde).
71
Dem hält die Beklagte auch in diesem Verfahren vergeblich entgegen, dass sie darauf hätte vertrauen und sogar dahingehend belehren
können, dass eine fehlerhafte Belehrung deshalb unschädlich sei, weil das Widerrufsrecht nach dem VerbrKrG nach einem Jahr erlösche (§ 7
Abs. 2 S. 3 VerbrKrG). Wie bereits oben bei der Frage der Auslegung(sfähigkeit) des § 5 Abs. 2 HWiG ausgeführt, handelte die Beklagte
jedenfalls solange auf eigenes Risiko, als keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag. Wenn sie damit das Risiko einging, dass ein
Widerrufsrecht nach dem HWiG entstanden war, dann musste sie auch damit rechnen, dass dieses nicht in analoger Anwendung des VerbrKrG
bereits nach einem Jahr, sondern in Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWG erst einen Monat nach beidseitiger Erfüllung des
Darlehensvertrages oder - bei Rückgriff auf die Richtlinie - ohne Belehrung überhaupt nicht erlosch.
72
Auf die weiteren Einwände der Klägerin zur Formulierung der Belehrung über den Fristbeginn sowie zur angeblich fehlenden Hervorhebung
der Widerrufsbelehrung kommt es daneben nicht an.
73
bb. Das Widerrufsrecht ist entgegen der in der Berufungsbegründung geäußerten Auffassung des Beklagtenvertreters nicht infolge
Übergangsrechts erloschen. Zwar ist es zutreffend, dass der Darlehensvertrag als solcher von der Übergangsregelung des Art 229 § 5 S. 2
EGBGB erfasst wird und damit ab 1.1.2003 neues Recht zur Anwendung kommt. Die Anwendbarkeit neuen Rechts gilt aber nicht für die
Umstände der Begründung des Darlehensverhältnisses (Löwisch in Staudinger Bearb. 2003 Art 229 § 5 EGBGB Rdnr. 44; Budzikiewicz/Mansel
in Anwaltskommentar Art 229 § 5 EGBGB Rdnr. 61), dies wäre nämlich tatsächlich ein rückwirkender Eingriff in bereits bestehende Rechte. Und
die Umstände des Zustandekommens des Vertrags in einer Haustürsituation gehören zum Begründungstatbestand, das umfasst auch das
Erlöschen des Widerrufsrechts.
74
Selbst wenn man das aber anders sehen wollte, so würde die Zusammenschau der Übergangsvorschriften dazu führen, dass weiterhin § 2 Abs.
1 S. 4 HWiG anwendbar bleibt oder sogar § 355 Abs. 3 BGB nF Anwendung findet. Als Reaktion auf das Heininger-Urteil wurde § 355 Abs. 3
BGB durch das OLGVertrÄndG geändert. Die zugehörige Übergangsvorschrift (jetzt: Art 229 § 9 Abs. 1 Abs. 2 EGBGB) sieht im Wege der echten
Rückwirkung vor, dass die Neufassung des § 355 Abs. 3 BGB bereits für Vertragsschlüsse ab dem 1.01.2002 Anwendung findet. Damit könnte
argumentiert werden, dass in Anwendung des Art 229 § 5 S. 2 EGBGB § 355 Abs. 3 BGB in der vom 1.1.2002 bis 31.07.2002 geltenden
Fassung mit Wirkung vom 1.1.2003 auch auf Verträge Anwendung findet, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden. Dies setzt allerdings
voraus, dass Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB generell als statische Verweisung angesehen wird (aA Budzikiewicz/Mansel aaO Rdnr. 64), dass es also
nicht darauf ankommt, welches Recht am 1.01.2003 tatsächlich gilt, sondern nur darauf, was nach der Rechtslage bei Inkrafttreten oder sogar
bei Verabschiedung des Art 229 § 5 S. 2 EGBGB voraussichtlich am 1.01.2003 gelten sollte. Selbst wenn man das annehmen wollte - wogegen
spricht, dass Zweck des Art 229 § 5 S. 2 EGBGB war, dass nur noch ein Recht gelten soll, was durch eine statische Verweisung gerade nicht
erreicht wird -, gebietet es aber zumindest die erforderliche europarechtsfreundliche Auslegung, dass nicht § 355 Abs. 3 BGB aF, sondern § 2
Abs.1 S. 4 HWiG weiter Anwendung findet, indem insoweit eine dynamische Verweisung angenommen wird. Denn das Europarecht kennt keine
zeitliche Befristung des Widerrufsrechts, auch nicht nach Abwicklung des Vertrags und diesem Zustand kommt § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG näher als §
355 Abs. 3 BGB idF vom 01.01. - 31.07.2002. Eine explizit gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers ist nicht erkennbar, was Heinrichs in
Palandt aaO Art 229 § 9 Rdnr. 2 sogar dazu veranlasst, anzunehmen, dass auch für vor dem 1.01.2002 geschlossene Verträge ein unbefristetes
Widerrufsrecht besteht. Die Methodenlehre, wie sie Schaffelhuber WM 05, 765, 767f vertritt, hat dann zurückzustehen.
75
Damit kann offen bleiben, ob es möglich gewesen wäre, § 355 Abs. 3 BGB in der vom 1.1.2002 bis 31.07.2002 geltenden Fassung
europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass das Erlöschen des Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften (im Gegensatz zu
Widerrufsrechten aus anderen Gründen) ohne Belehrung nicht eintritt.
76
e. Die Klägerin hatte ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt, als sie es schließlich in der Klage ausübte.
77
aa. Für das Zeitmoment bleibt die vor der Entscheidung des BGH im o.g. Heininger -Urteil vom 09.04.2002 verstrichene Zeit außer Betracht,
denn während dieser Zeit konnte kein Vertrauen der Beklagten wachsen, weil sie selbst nicht von einem Widerrufsrecht nach dem HWiG
ausgegangen war (Heinrichs in Palandt BGB 64. Auflage § 242 Rdnr. 93). Damit kommt lediglich der Zeitraum zwischen April 2002 und der
Zustellung der Klage im Januar 2005 in Betracht. Er genügt nicht.
78
bb. Zudem fehlt es am Umstandsmoment.
79
Selbst wenn die Beklagte schon während dieser Zeit davon ausgegangen sein sollte, dass Fondsanleger generell von
Verbraucherschutzanwälten unaufgefordert über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sein sollten (was aber ohnehin unzulässiger neuer
Tatsachenvortrag in der Berufung darstellt, weil keiner der Ausnahmefälle des § 531 Abs. 2 ZPO greift), überwiegen bei dieser Konstellation bei
der erforderlichen Abwägung zum Vertrauenstatbestand nicht die Interessen der Beklagten die des Anlegers. Ein Vertrauen der Beklagten, dass
Fondszeichner ihr Widerrufsrecht nicht ausüben würden, war - auch angesichts dessen, dass zahlreiche Banken die Entscheidungen des II.
Zivilsenats des BGH bis heute nicht akzeptieren - nicht gerechtfertigt, solange ein Anleger nicht selbst anwaltlich beraten entweder das
Widerrufsrecht nicht ausgeübt hatte oder im Hinblick auf den Widerstand der konkreten Bank seine Rechte trotz Ausübung nicht weiter verfolgt
hatte. Beides war hier nicht der Fall. Es kommt noch hinzu, dass es der Bank ohne Weiteres möglich gewesen wäre, über eine Nachbelehrung
nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. für Klarheit zu sorgen. Dagegen spielen Kenntnisse über die wirtschaftliche Lage der Fondsgesellschaft und
evtl. Täuschungen im Rahmen der Werbung für den Fondsbeitritt für die Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts aufgrund einer
Haustürsituation keine Rolle.
80
Außerdem sind die Folgen, wenn der einzelne Anleger heute sein Widerrufsrecht ausübt, wirtschaftlich nicht anders, als wenn er es bereits im
Jahre 2002 getan hätte. Daran ändert noch nicht einmal ein eventueller Eintritt der Verjährung von Ersatzforderungen gegen Fonds und
sonstige Verantwortliche etwas. Die WGS war bereits 1997 in Konkurs gefallen und im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den
Initiator ... und den Geschäftsführer der Mittelverwendungstreuhänderin ... hatten bereits vor 2002 zahlreiche Anleger ihre Forderungen gegen
diese beide gesichert . Ansprüche gegen sonstige Verantwortliche hätte die Beklagte bei einer Rückabwicklung nach den Grundsätzen des
HWiG ohnehin nicht erhalten (Senat Urteil vom 14.03.2005 6 U 203/05 S. 31f). Dass die Beklagte keine Rückstellungen gebildet hat, ist
unerheblich, da es keinen relevanten Unterschied macht, ob die Bank in früheren Jahren Rückstellungen gebildet hat oder heute - sofort
bilanzwirksam - unmittelbar an die Kunden auszahlt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass sie bei Bildung von Rückstellungen von Ausgaben
abgesehen hätte, die sie ohne diese gemacht hatte und denen kein gleich hoher Vermögenszuwachs an anderer Stelle gegenüber steht.
Schließlich beruft sich die Beklagte zu Unrecht darauf, dass sie heute hohen Zinsforderungen der Kunden ausgesetzt sei, die sie bei früherer
Anspruchsstellung nicht hätte aufwenden müssen. Neben anderen Bedenken an dieser Argumentation geht sie schon deshalb fehl, weil sie
keine Zinsen schuldet (siehe noch unten 2.). Auch will - wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen - die Bank wohl nicht ernsthaft
behaupten, dass sie die Zinszahlungen der Klägerin nicht entgegen genommen haben würde, wenn sie nach Ausübung des Widerrufsrecht
unter Vorbehalt weitergezahlt hätte.
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f. Die Forderung der Klägerin ist nicht verjährt.
82
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil wird verwiesen. Vergeblich beruft sich die Beklagte in der Berufung darauf, dass die
Willenserklärung der Klägerin nach der früheren Konstruktion des HWiG von Anfang an schwebend unwirksam war. Unabhängig von der Frage,
ob der Kunde ohne Beendigung des Schwebezustandes seine Leistung überhaupt mittels § 812 BGB zurückverlangen konnte, entsteht der hier
geltend gemachte, vom Bereicherungsrecht zu unterscheidende Anspruch erst mit dem Widerruf (Senat im Verfahren 6 U 76/04 S. 20 mwN;
Schaffelhuber aaO S. 765, dessen weitere Aussage in FN 5 zum Treuhandmodell dürfte dagegen nicht zutreffen). Das vom Beklagtenvertreter
zitierte Urteil BGHZ 98, 174, 181 sagt denn auch nichts zum HWiG.
83
g. Damit kann die Klägerin ihre Leistungen zurückverlangen, soweit sie aus eigenen Mitteln stammen. Der Verweis des Beklagtenvertreters auf
die Rechtsprechung des EuGH geht fehl, weil das europäische Recht eine Besserstellung des Verbrauchers nicht verbietet und der BGH die
Rückabwicklung nach Verbundprinzipien aus dem deutschen Recht und nicht dem europäischen ableitet.
84
aa. Die Zahlungen der Klägerin aus eigenem Vermögen betragen - wie vom LG festgestellt und auch nicht streitig - 13.739,76 EUR.
85
bb. Die Darlehensvaluta hat die Klägerin der Beklagten nicht zu erstatten, weil sie bei der beim verbundenen Geschäft (siehe oben b cc aE)
gebotenen wertenden Betrachtung aus dem verbundenen Geschäft lediglich den Fondsanteil erhalten hat.
86
Die vom Beklagtenvertreter zitierte Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH steht nicht entgegen. Wohl mangels Feststellung eines Verbundes
in den Tatsacheninstanzen äußert sich der XI. Zivilsenat in dieser Entscheidung nämlich nicht zum Verbund. Damit verbleibt es bei seiner
Rechtsauffassung in seinem Urteil vom12.11.2002(XI ZR 47/01, dort S. 11), in dem auch er ausdrücklich feststellt, dass bei dem Verbund „etwas
anderes gilt“.
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cc. Steuervorteile sind bei der Rückabwicklung nach § 3 HWiG nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. Urteil vom 14.06.2004 II ZR
385/02 S. 7) nicht auszugleichen.
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Diese Rechtsprechung überzeugt auch. Selbst wenn die Grundsätze des Bereicherungsrechts wertend herangezogen werden (vgl. hierzu i.Ü.
u.a. das Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 14.06.2004 II ZR 393/02 S. 19ff im Gegensatz zu S. 25), ergibt sich nichts anderes, denn auch
dort wären die Steuervorteile der Beklagten nicht „zurück“zugewähren, da sie nicht von ihr geleistet wurden. Grundsätze der
Schadenskompensation sind nicht anzuwenden, weil die Rückabwicklung nach dem HWiG nicht auf Schadensersatzrecht beruht. Gerade
deshalb ist die Haftung der Beklagten auf die von der Klägerin erbrachten Zahlungen begrenzt. Hat die Bank dadurch aber einen Vorteil
gegenüber einer Abwicklung nach Schadensersatzrecht, so ist es nicht gerechtfertigt, zu ihren Gunsten die Grundsätze des
Schadensersatzrechts in den Bereichen anzuwenden, in denen sie ihr zugute kommen.
89
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, wie dies der Beklagtenvertreter aber behauptet, dass nicht davon auszugehen sei, dass jedenfalls die
Mehrzahl der Anleger Rückzahlungen der Bank auch tatsächlich versteuern würde. Es ist schon nicht erkennbar, warum dies - abgesehen vom
Fehlen jeglicher dogmatischen Grundlage - eine sachgerechte Erwägung im Verhältnis zwischen den Parteien sein soll und warum die
Steuereinnahmen steigen sollen, wenn die Beklagte den Steuervorteil erhält. Zudem hat es die Finanzverwaltung ohne Weiteres in der Hand,
der Sache auf den Grund zu gehen. Aus den Steuererklärungen der Vorjahre ergibt sich zwanglos, dass die Anleger eine steuerrelevante
Anlage gezeichnet hatten. Wird die Steuererklärung nunmehr ohne Anlage V abgegeben wird, kann ohne Weiteres nach dem Verbleib der
Beteiligung gefragt werden. Bei einer Übertragung an eine Bank kann und muss das Finanzamt davon ausgehen, dass die Übertragung in
Schriftform erfolgt ist und kann die Vorlage der Urkunde verlangen. Aus dem dann vorzulegenden Urteil ergibt sich die Rückzahlung durch die
Bank ohne Weiteres.
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dd. Die Lebensversicherung ist zurückzuübertragen, da kein Sicherungsgrund (mehr) besteht.
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ee. Die Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung und Rückübertragung der Ansprüche aus der Lebensversicherung sind auf die Einrede der
Beklagten nur Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte der Klägerin gegen den WGS-Immobilienfonds Nr. 22, ... GbR ... in ... (den die
Klägerin selbst anbietet) sowie Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen ... ... und gegen die WGS zu erfüllen, soweit
die Klägerin befriedigt wird. Dies hat bereits das LG entschieden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen. Ansprüche gegen die
Treuhänderin, den Vermittler und die Bundesrepublik Deutschland wurden im Urteil in gleichem Umfang berücksichtigt, weil sich die Klägerin
auf Nachfrage des Senats ausdrücklich zur Abtretung bereit gefunden hat, so dass es nicht darauf ankommt, ob sie hierzu rechtlich verpflichtet
gewesen wäre (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Urteil vom 14.03.2005 im Rechtsstreit 6 U 203/05 S. 31f).
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Selbst wenn die abzutretenden Ansprüche der Klägerin inzwischen uU verjährt wären (zu den Anforderungen siehe näher Urteil des Senats
vom 26.09.2005 im Verfahren 6 U 92/05; der Senat hält hieran trotz des Artikels Assmann/Wagner in NJW 2005, 3169ff fest), würde dies das
hier vertretene Ergebnis nicht beeinflussen, da die Verjährung an der Möglichkeit und damit Verpflichtung zur Abtretung nichts ändert. Erst recht
ist nicht erkennbar, warum die eigenen Ansprüche der Klägerin von einer solchen Verjährung, die die Dritten bislang noch nicht einmal
eingewendet haben, berührt sein sollten. Auch ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin verpflichtet gewesen sein sollte,
verjährungsunterbrechende Maßnahmen zu ergreifen statt sich ähnlich wie bei Gesamtschuldnern denjenigen auszusuchen, der die beste
Solvenz besitzt, und allein gegen ihn vorzugehen. Besteht schon keine objektive Pflicht des Verbrauchers, dann gibt es entgegen dem
Beklagtenvertreter auch kein Verschulden der Klägerin.
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2. Der Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin daneben auch noch einen Anspruch auf Verzinsung ihrer Zahlungen vor Eintritt des
Verzugs oder der Rechtshängigkeit habe (nach Berechnung der Klägervertreter 6.049,32 EUR, vgl. Anlage K 5 nach Bl. 25 d.A.), vermag sich
der Senat nicht anzuschließen.
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a. Bei der Rückabwicklung nach § 3 HWiG kann die Klägerin auf ihre an die Beklagte nach dem Darlehensvertrag als Zinsen erbrachte
Zahlungen Zinsen erst ab Verzugseintritt verlangen.
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Wie der Senat in dem unter Beteiligung der gleichen Parteivertreter und der Beklagten ergangenen Urteil vom 14.03.2005 (6 U 203/04) im
Einzelnen begründet hat, kommt eine solche Verzinsung auch in Ansehung des Urteils des XI. Zivilsenats des BGH vom 15.07.2003 (XI ZR
162/00) sowie der dort weiter zitierten Entscheidungen nicht in Betracht. § 3 Abs. 3 HWiG sah lediglich eine Verzinsung der Leistung des
Unternehmers vor, die von ihm erbrachte Leistung bestimmt den Vertragstyp und führte zu der etwas umständlichen Gesetzesformulierung. So
war dies vom Gesetzgeber gemeint und dies ist dem Gesetz hinreichend deutlich zu entnehmen, sonst hätte der Gesetzgeber einfach
formulieren können, dass für die gegenseitigen Leistungen ein Nutzungsentgelt zu entrichten sei. Die vom Senat vertretene Auffassung
entspricht der allgemeinen Meinung einschließlich der des II. und XI. Zivilsenats des BGH. Die Klägervertreter haben sich der
entgegenstehenden Meinung des Landgerichts auch erst in der Berufung angeschlossen. Dem Landgericht könnte daher - wenigstens im
Ergebnis - nur dann gefolgt werden, wenn Raum für eine analoge Anwendung bestände. Diese Auffassung hat zwar der XI. Zivilsenat des BGH
in den Urteilen vom 12.11.2002 (XI ZR 47/01 S. 13) und 15.07.2003 (XI ZR 162/00 S. 12f) entgegen dem II. Zivilsenat (Urteil vom 02.07.2001 II
ZR 304/00 S. 11f) vertreten, ihr ist aber bei der seit dem 14.06.2004 vom II. Zivilsenat des BGH praktizierten Lösung der Rückabwicklung des
Verbundes von vorneherein der Boden entzogen, da auch die Bank von ihrem Kunden keine Nutzungsvergütung erhält. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf das o.g. Urteil des Senats verweisen. Auf eine fälligkeitskongruente Verrechnung kommt es damit genauso wenig an wie
darauf, welche der Parteien ab wann schutzwürdig ist. Ein Rückgriff auf § 818 BGB - wie ihn das Landgericht erwägt - scheidet schon deshalb
aus, weil § 3 HWiG eine abschließende Sonderregelung gegenüber §§ 812ff BGB darstellt. Im Übrigen wäre der Rückforderungsanspruch (und
nicht nur der Verzinsungsanspruch) dann tatsächlich in weiteren Teilen verjährt, da § 11 Abs. 3 S. 3 VerbrKrG nur im umgekehrten Verhältnis
gilt und wegen der Besonderheiten der Tilgungsverrechnung in Abs. 3 S. 1 auch nicht analog übertragbar ist.
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Die Klägerin kann deshalb nur Verzugszinsen verlangen (§ 284 Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. das o.g. Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom
02.07.2001). Der Umstand, dass die Beklagte sich in der Klageerwiderung auf Zurückbehaltungsrechte hinsichtlich eventueller
Schadensansprüche gegen die Initiatoren ... und WGS GmbH, gegen die Mittelverwendungstreuhänderin ... GmbH, gegen den Vermittler und
gegen die Bundesrepublik Deutschland beruft, steht einer Verzinsung nicht entgegen. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts
nach § 273 BGB schließt zwar den Schuldnerverzug und den sich hieraus ergebenden Anspruch auf Verzinsung aus (Heinrichs in Palandt aaO
§ 273 BGB Rdnr. 20 und § 286 BGB Rdnr. 13), dies gilt aber nicht, wenn bereits vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechts Verzug oder
Rechtshängigkeit eingetreten war (aaO).
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b. Eine Verzinsung vor Verzugseintritt oder Rechtshängigkeit kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des von der Klägerin weiter geltend
gemachten Rückforderungsdurchgriffs (vgl. hierzu das ebenfalls unter Beteiligung der Beklagten ergangene und den Klägervertretern bekannte
Urteil des Senats vom 26.09.2005 im Verfahren 6 U 92/05 einerseits und die Beschlüsse des Senats vom 4.10.2005 und 08.11.2005 im
Verfahren 6 U 152/05 unter Beteiligung der Beklagten und beider Parteivertreter andererseits) in Betracht.
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Was eine Verzinsung des Rückforderungsdurchgriffsanspruchs selbst anbelangt, so findet über die Verweisungsnormen der §§ 9 Abs. 2 S. 4, 7
VerbrKrG ebenfalls § 3 HWiG Anwendung.
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Prinzipiell könnte zwar der der Beklagten entgegenzuhaltende Anspruch zu verzinsen sein. Abgesehen davon, dass die Klägerin zu den
erforderlichen Tatsachen nichts vorgetragen hat, könnte dies schon deshalb nicht zu weitergehenden Ansprüchen der Beklagten führen, weil
auch beim Rückforderungsdurchgriff das Trennungsprinzip zwischen Darlehens- und Erwerbsvertrag nicht aufgehoben wird (so besonders
deutlich: BGH II ZR 254/03 Urteil vom 29.11.2004 S. 6) und damit die Bank maximal in der Höhe haftet, in der die Klägerin Zahlungen aus
eigenem Vermögen an die Bank erbracht hat. Diese erhält sie aber schon mit dem Hauptsachebetrag vollumfänglich zurück.
100 c. Eine Verzinsung vor Rechtshängigkeit oder Verzugseintritt folgt weiter - soweit der Anspruch nicht ohnehin verjährt wäre - nicht aus dem von
der Klägerin behaupteten Anspruch gegen die Beklagte wegen eines angeblichen Direktanspruchs aus c.i.c.
101 Der Tatsachenvortrag der Klägerin begründet eine solche Haftung nämlich nicht. Wie der Klägervertreter richtig erkannt hat, kann die Beklagte
Aufklärungspflichten über die Mittelverwendung nur dann verletzen und hat dafür zu haften, wenn sie den Darlehensnehmer ausnahmsweise
über die Risiken der Mittelverwendung aufklären muss. Für die hierzu vom Klägervertreter herangezogene Fallgruppe unter dem
verfälschenden, weil verkürzenden Stichwort „konkreter Wissensvorsprung" genügt schon der Vortrag nicht, was indessen nicht weiter dargelegt
werden muss, weil dazuhin der Beweisantritt auf S. 24 der Klage nicht geeignet ist, den Nachweis der bestrittenen Kenntnis der Beklagten über
die Innenprovision und einen sittenwidrig überhöhten „Kauf"preis für den Fondsanteil zu führen. Aus der Kontingentfinanzierung kann eine
solche Kenntnis nämlich nicht folgen.
102 d. Schließlich schuldet die Beklagte auch nicht unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten Zinsen. Wie bereits ausgeführt, richtet sich die
Rückabwicklung wegen des HWiG nicht nach Bereicherungsrecht. Bereicherungsrecht käme dagegen zwar zur Anwendung, wenn die Beklagte
bei Abfassung des Darlehensvertrags gegen die Anforderungen des § 4 Abs. 1 S. 2 aF zu Pflichtangaben verstoßen und dies über § 6 Abs. 1
VerbrKrG zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags geführt hätte. Ein solcher Fehler liegt indes nicht vor, insb. nicht hinsichtlich der Angaben zu
zusätzlichen unbezifferten Kosten im Darlehensvertrag. Zwar könnten die vom Beklagtenvertreter angegebenen möglichen Kostenarten, auch
wenn ihre Höhe bei Abschluss des Darlehensvertrags nicht bekannt war, wenigstens genauer aufgeschlüsselt werden. Die nähere Analyse der
von der Beklagten angegeben Kosten ergibt aber, dass diese - es handelt sich nicht um einen Realkredit - nur dann entstehen, wenn die
Klägerin den Vertrag nicht erfüllt. Die hierdurch anfallenden Kosten sind aber nie anzugeben(z.B. Ulmer in Münchener Kommentar zum BGB 3.
Auflage § 4 VerbrKrG Rdnr. 41).
III.
103 Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
104 Der Senat hat für die Klägerin die Revision zugelassen, weil in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abschließend geklärt ist, ob,
ab welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe von den Anlegern an die Bank geleistete Zahlungen bei einer Rückabwicklung nach dem HWiG zu
verzinsen sind.
105 Eine Zulassung der Revision für die Beklagte ist nicht geboten. Die Rechtsfragen des Falls zur Hauptforderung sind - mit Ausnahme der Frage
der Zurechnung der Handlung des Vermittlers auf die Beklagte - entweder durch die zahlreichen, seit dem 14.06.2004 vom BGH entschiedenen
Fälle geklärt oder in der Rechtsprechung gar nicht und in der Literatur nicht ernsthaft streitig. Die Rechtsfrage der Zurechnung spielt aber keine
Rolle, weil sie nach allen in Betracht kommenden Vorschriften vorzunehmen wäre, auch nach dem vom II. Zivilsenat des BGH favorisierten §
123 Abs. 2 BGB. Weil sich die Beklagte in das Vertriebssystem hatte einbinden lassen, musste sie sich nach der Art des Zustandekommens der
Willenserklärung der Klägerin und nicht nur - wie dies der Beklagtenvertreter meint - nach dem Unterschriftsort selbst erkundigen. Denn der
Unterschriftsort stimmte zwar mit dem Sitz der WGS, aber eben auch mit dem Wohnort der Klägerin überein. Dass die Bank nicht erkannt hatte,
dass § 5 Abs. 2 HWiG später einschränkend ausgelegt werden würde und zwar auch für Fälle wie hier, auf die die Richtlinie nicht anzuwenden
ist, soll nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH unerheblich sein (Urteil vom 13.06.05 II ZR 222/03) und damit der Beklagten
zumutbar. Die Frage, ob die Haustürsituation noch fortgewirkt hat, ist eine Tatsachenfrage und daher der rechtlichen Klärung durch das
Revisionsgericht nicht zugänglich. Genau deswegen hat der XI. Zivilsenat des BGH im Rahmen der Zurückweisung der
Nichtzulassungsbeschwerde gegen das oben zitierte Urteil des OLG Jena ausgeführt, dass die dortigen tatrichterlichen Ausführungen
„Rechtsfehler“ nicht erkennen lassen.
106 Eine Zulassung der Revision hat auch nicht deshalb zu erfolgen, weil der XI. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 14.09.2004 vom II. Zivilsenat
abgewichen wäre. Dies könnte allenfalls im Bereich des Bereicherungsrechts der Fall sein und in Anbetracht der Antragstellung im dortigen
Verfahren kam es auch nicht darauf an, ob die Auszahlung an den Treuhänder zur Heilung nach § 6 Abs. 2 VerbrKrG führt. Dass er mit dieser
Entscheidung nicht allgemein vom II. Zivilsenat abweichen wollte, zeigt sich schon daran, dass er ansonsten dem Großen Zivilsenat hätte
vorlegen müssen.