Urteil des OLG Stuttgart vom 29.04.2010

OLG Stuttgart (einleitung des verfahrens, grundsatz der gleichbehandlung, getrennt lebende ehefrau, zpo, sachliche zuständigkeit, bewilligung, antragsteller, antrag, beschwerde, verfahrenseinleitung)

OLG Stuttgart Beschluß vom 29.4.2010, 12 W 17/10
Familiensache: Einreichung eines isolierten PKH-Antrages mit Klageentwurf zum
Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten als eine von der Überleitungsvorschrift des FGG-
Reformgesetzes erfasste Verfahrenseinleitung; Erfolgsaussicht bei sachlicher Unzuständigkeit nach
Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts
Leitsätze
1. Die Einreichung einer Antragsschrift zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in der die Klage nur als Entwurf
beigefügt wird, ist keine von der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG erfasste Verfahrenseinleitung.
2. Für den Fall, dass das Landgericht durch das am 01.09.2009 in Kraft getretene FamFG für die Klage
unzuständig geworden ist, fehlt es daher an der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen
Erfolgsaussicht.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen vom 3. März 2010
- 5 O 146/09 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
Gründe
A
1
Die Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er gegen seine von ihm getrennt lebende
Ehefrau Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich eines gemeinsam aufgenommenen Darlehens
geltend macht. Der Antrag ist am 14.05.2009 beim Landgericht eingegangen. Mit Beschluss vom 29.01.2010
hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht fehle, da das
Landgericht seit dem Inkrafttreten des FamFG am 01.09.2010 für die Klage nicht mehr sachlich zuständig sei.
Vielmehr sei nach §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet.
Die Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG sei auf einen isolierten Prozesskostenhilfeantrag nicht
anwendbar. Nachdem der Antragssteller den vom Landgericht angeregten Verweisungsantrag nicht gestellt hat,
wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 03.03.2010 wegen fehlender
Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen
Beschluss verwiesen.
2
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der der Antragsteller sein erstinstanzliche Begehren weiter
verfolgt. Er ist der Auffassung, dass aufgrund der Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das
Landgericht trotz des am 01.09.2009 in Kraft getretenen FamFG für die beabsichtigte Klage zuständig sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung verwiesen.
3
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
B
I.
4
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und wurde innerhalb der
Monatsfrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt.
II.
5
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die
beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO), weil es für die Klage nicht
sachlich zuständig ist.
6
1. Gemäß §§ 111 Nr. 10, 266 Abs. 1 Nr. 3 des am 01.09.2009 in Kraft getretenen FamFG handelt es sich bei
der beabsichtigten Klage auf Gesamtschuldnerausgleich wegen eines in der Ehezeit gemeinsamen
aufgenommenen Darlehens um eine Familiensache (OLG Braunschweig NJW 2010, 452), so dass die
sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben ist (§ 23a Abs. 1 GVG).
7
2. Der Umstand, dass nach dem zum Zeitpunkt des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrages geltenden
Rechts das Landgericht für die beabsichtigte Klage sachlich zuständig war, steht der Annahme der
Unzuständigkeit nicht entgegen.
8
a) Zwar besteht nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG die bisherige Zuständigkeit fort, wenn die Einleitung des
Verfahrens vor dem 01.09.2009 beantragt worden ist. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG stellt aber klar, dass
selbstständige Verfahren im Sinne von Absatz 1 nur solche sind, die mit einer Endentscheidung
abgeschlossen werden können. Endentscheidungen sind nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 FamFG
Entscheidungen, durch die der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird. Dies ist bei einer
Entscheidung über einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht der Fall, da im Fall der
Zurückweisung gleichwohl Klage erhoben werden kann oder grundsätzlich auch ein erneuter Antrag möglich ist.
Daher ist die Einreichung einer Antragsschrift zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in der die Klage nur als
Entwurf beigefügt wird, keine von der Vorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG erfasste Verfahrenseinleitung (so
auch OLG Braunschweig, NJW 2010, 452; Münchener Kommentar/Papst, ZPO, 3. Aufl., § 111 FGG-RG Rn. 5;
vgl. OLG Naumburg vom 26.03.2009 - 3 WF 66/09; anderer Ansicht allerdings OLG Celle vom 28.12.2009 - 17
W 100/09).
9
b) Anders als zum Teil vertreten, verstößt die Zurückweisung des Antrags nicht gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung bemittelter und unbemittelter Personen. Der Antragsteller hätte - worauf das Landgericht
hingewiesen hat - ohne zusätzliche Kosten die Verweisung an das Familiengericht beantragen können.
Dadurch wäre es allenfalls zu einer unerheblichen Zeitverzögerung gekommen. Zudem ist zu berücksichtigen,
dass die unbemittelte Person im Falle der Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG
einen nicht gerechtfertigten Vorteil hätte. So könnte nämlich der Antragsteller, wenn sein Begehren mit der
Begründung abgewiesen werden würde, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht, den Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut beim Familiengericht stellen. Damit hätte er eine zweite Möglichkeit,
mit seiner Rechtsauffassung durchzudringen, die einer bemittelten Person nicht zur Verfügung steht.
III.
10 Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rn. 55). Der Antragsteller
hat gemäß § 22 Abs. 1 GKG, KV 1812 die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen. Eine
Kostenerstattung scheidet aus (§ 127 Abs. 4 ZPO). Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht,
da ein Zulassungsgrund im Sinne von § 574 ZPO nicht vorliegt. Zwar weicht der Senat mit der vorliegenden
Entscheidung von der Rechtsauffassung des OLG Celle ab. Es ist aber zu berücksichtigen, dass diese
Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig ist, da es in naher Zukunft kaum mehr offene PKH-Verfahren geben
dürfte, bei denen die Anwendung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG in Frage steht (vgl. auch Musielak/Ball, ZPO, 7.
Aufl., § 543 Rn. 5a).