Urteil des OLG Stuttgart vom 14.12.2010

OLG Stuttgart: hauptsache, wertminderung, anteil, obliegenheit, teilzahlung, gegenpartei, prozesshandlung, rechtsberatung, sucht, abgabe

OLG Stuttgart Beschluß vom 14.12.2010, 13 W 64/10
Leitsätze
1. Ist ein Rechtsstreit von der klagenden Partei später als möglich und zumutbar in der Hauptsache für erledigt erklärt worden und sind dadurch
zusätzliche Kosten entstanden, ist dies zwar bei der nach § 91 a ZPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen und sind die zusätzlich
entstandenen Kosten der klagenden Partei aufzuerlegen. Doch überdehnte es jedenfalls im Regelfall die Obliegenheiten der klagenden Partei,
wenn von ihr verlangt würde, schon im Vorfeld der maßgebenden Antragstellung im Termin um etwaige Veränderungen der prozessualen Lage u.a.
im Hinblick auf der Gegenpartei ggf. günstige Kostengesichtspunkte besorgt zu sein und die einmal erfolgte Ankündigung einer Antragstellung in
einem vorbereitenden Schriftsatz sogleich zu korrigieren, bevor überhaupt Anträge nach § 137 Abs. 1 ZPO gestellt worden sind.
2. Zur Verteilung der für die nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung erfolgte Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens
entstandenen Kosten nach § 91 a ZPO.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung in Ziff. 2 der Entscheidungsformel des Urteils des Landgerichts Rottweil
vom 22.09.2010 - 6 O 34/10 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 2.000,00 EUR.
Gründe
A.
1
Die Beklagten wenden sich gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Rottweil vom 22.09.2010, soweit sie nach dieser als
Gesamtschuldner jeweils 2/3 der Gerichtskosten nach KV 1210 (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), der Kosten für die Einholung von
Sachverständigenbeweis sowie der anwaltlichen Terminsgebühren zu tragen haben.
2
Die Klägerin hat als Geschädigte eines Verkehrsunfalls mit ihrer am 03.05.2010 bei Gericht eingegangenen Klage die Beklagten auf
Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie hat Reparaturkosten i. H. v. 6.362,15 EUR, Sachverständigengebühren i. H. v. 811,94 EUR, eine
Wertminderung des Fahrzeugs i. H. v. 200,00 EUR, Nutzungsausfall i. H. v. 387,00 EUR sowie eine Kostenpauschale i. H. v. 26,00 EUR,
insgesamt also 7.787,09 EUR zzgl. Zinsen ab 23.04.2010 ersetzt verlangt, ferner Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt. Am
15.05.2010 haben die Beklagten einen Anteil von 2/3 der von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen i. H. v. insgesamt 7.787,09
EUR, jedoch ohne Berücksichtigung der Wertminderung i. H. v. 200,00 EUR sowie unter Zugrundelegung einer Kostenpauschale i. H. v. lediglich
25,00 EUR, insgesamt also 5.057,39 EUR ausgeglichen.
3
Nachdem sie mit Schriftsatz vom 18.05.2010 Klagabweisungsantrag angekündigt hatten, haben die Beklagten mit Klagerwiderungsschriftsatz
vom 21.06.2010 ausgeführt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei dem Grunde nach lediglich zu 2/3 berechtigt, auf die
zwischenzeitlich erfolgte Zahlung hingewiesen und der Klägerin anheimgestellt, hierauf prozessual zu reagieren. Darauf hat die Klägerin mit
Schriftsatz vom 06.07.2010 in der Sache erwidert, ohne die zuvor in der Klagschrift angekündigten Klaganträge zu verändern.
4
Im Termin am 28.07.2010 hat die Klägerin nach gescheiterter Güteverhandlung den Antrag gestellt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur
Zahlung von 7.787,09 EUR abzüglich bereits gezahlter 5.057,39 EUR zzgl. Zinsen ab 16.05.2010, ferner zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vom
23.04.2010 bis zum 15.05.2010 aus einem Betrag i. H. v. 7.787,09 EUR sowie zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu
verurteilen, und den Rechtsstreit im Hinblick auf die bezahlten 5.057,39 EUR für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung haben sich die
Beklagten im Termin angeschlossen und im Übrigen Klagabweisung beantragt.
5
Nach Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens im Anschluss an die Antragstellung im Termin vom 28.07.2010 hat das
Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich für
die Zeit vom 23.04.2010 bis zum 15.05.2010 aus einem Betrag i. H. v. 5.057,39 EUR sowie einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten zu bezahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht der Klägerin zu 1/3,
den Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3 auferlegt.
6
Das Landgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei dem
Grunde nach zu 2/3 gerechtfertigt. Die von den Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Höhe nach (betreffend Wertminderung und
Kostenpauschale) hat es für berechtigt gehalten. Die Kosten hinsichtlich des durch Zahlung erledigten Teils der Klagforderung hat das
Landgericht gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen den Beklagten auferlegt, da die Klage hinsichtlich des bezahlten Teils der Forderung
begründet gewesen sei. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.
7
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 27.09.2010 zugestellte Urteil des Landgerichts mit am 08.10.2010 beim Landgericht eingegangenem
Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, soweit darin die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen ist, jeweils 2/3 der Gerichtskosten nach
KV 1210 (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), der Kosten für die Einholung von Sachverständigenbeweis sowie der anwaltlichen Terminsgebühren zu
tragen. Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin habe es versäumt, rechtzeitig auf die Teilzahlung vom 15.05.2010 und den Hinweis im
Schriftsatz der Beklagten vom 21.06.2010 zu reagieren und den Rechtsstreit im Hinblick auf den bezahlten Teil der Klagforderung in der
Hauptsache für erledigt zu erklären. Das hätte nach Auffassung der Beklagten zur Folge gehabt, dass die anwaltlichen Terminsgebühren nicht
aus dem vollen Gegenstandswert i. H. v. 7.787,09 EUR entstanden wären, sondern aus einem geringeren; außerdem hätten sich die
Gerichtskosten bei rechtzeitiger übereinstimmender Teilerledigterklärung ermäßigt. Die Sachverständigenkosten schließlich habe die Klägerin
vollständig zu tragen, da im Moment der Erstattung des mündlichen Sachverständigengutachtens nur noch der Restbetrag der Hauptforderung i.
H. v. 2.729,70 EUR im Streit gestanden habe, im Hinblick auf den die Klägerin vollständig unterlegen sei.
8
Dementsprechend begehren die Beklagten die Abänderung der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts.
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Die Klägerin hält die Beschwerde für unbegründet und begehrt deren Zurückweisung, da die übereinstimmende Teilerledigungserklärung nicht
zu einer Verminderung der Kosten des Rechtsstreits geführt habe bzw. habe führen können.
10 Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.10.2010, auf dessen Begründung verwiesen wird, nicht abgeholfen.
11 Wegen des weitergehenden Parteivortrags verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze.
B.
12 Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
13 Die Beschwerde ist innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie nach § 567 Abs. 1 Nr.
1 ZPO i. V. m. § 91 a Abs. 2 ZPO statthaft.
14
1.
gebliebenen Teil nach § 91 ZPO zu entscheiden; soweit die einheitliche Kostenmischentscheidung im Urteil auf § 91 a ZPO gestützt ist, ist sie
gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO mit sofortiger Beschwerde anfechtbar, und zwar selbst dann, wenn die Aufteilung nach § 91 ZPO und § 91 a ZPO aus
der Kostenentscheidung nicht ersichtlich ist; das Beschwerdegericht kann die Kostenentscheidung nur nachprüfen, soweit sie den für erledigt
erklärten Teil der Hauptsache betrifft, also auf § 91 a ZPO beruht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91 a Rn. 54, 56).
15
2.
den Beklagten als Gesamtschuldner 2/3 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind, beruht die Entscheidung auf § 91 a ZPO, wie sich Ziff. 3 der
Entscheidungsgründe des Urteils zweifelsfrei entnehmen lässt. Gerade diese nach § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung ist mit der
sofortigen Beschwerde teilweise angegriffen.
II.
16 Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
17
1.
nicht zu beanstanden. Maßgebend ist insoweit im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang (vgl.
Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn. 24). Das Landgericht hat die erhobene Schadensersatzklage nach durchgeführter Beweisaufnahme dem
Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erachtet und ist dem Beklagtenvorbringen zur Schadenshöhe gefolgt; gegen diesen Ausgangspunkt
wenden sich die Beklagten nicht, Bedenken hiergegen sind auch nicht ersichtlich. Von hier aus hat das Landgericht hinsichtlich des durch
Zahlung erledigten Teils der Klagforderung den Beklagten grundsätzlich zu Recht nach § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auch
die Quotierung ist nicht zu beanstanden, da sie nahezu genau dem Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens entspricht.
18
2.
gewesen wäre, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt hier jedoch keine vom erwähnten
Ausgangspunkt abweichende Kostenverteilung.
19
a)
zusätzliche Kosten entstanden, ist dies bei der nach § 91 a ZPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen und sind die zusätzlich
entstandenen Kosten der klagenden Partei aufzuerlegen (vgl. BGH, Urteil v. 19.06.2007 - KVR 23/98 - Tz. 11; OLG Rostock, Beschluss v.
31.05.2006 - 3 W 36/06 - NJOZ in 2006, 2563; OLG Koblenz, Beschluss v. 28.03.1996 - 5 U 819/95 - Tz. 28; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn.
25; MünchKomm zur ZPO/Lindacher, 3. Aufl., § 91 a Rn. 60).
20
b)
im Termin am 28.07.2010 abgegeben hat. Das folgt - abgesehen davon, dass die übereinstimmende Teilerledigungserklärung unabhängig
davon, wann sie erfolgte, jedenfalls nicht zu einer Verringerung der bereits angefallenen drei Gerichtsgebühren führen konnte, weil die
Voraussetzungen für eine Ermäßigung nach KV 1211 Nr. 4 (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht erfüllt waren - schon daraus, dass die Klägerin
ungeachtet der Zahlung am 15.05.2010 und des Hinweises im Schriftsatz der Beklagten vom 21.06.2010 nicht gehalten war, bereits vor dem
Termin am 28.07.2010 die angekündigten Anträge schriftsätzlich abzuändern. Eine solche Obliegenheit traf die Klägerin nach Auffassung des
Senats schon deshalb nicht, weil § 91 a ZPO die Prozesshandlung in verschiedenen Formen zulässt und es der Beurteilung der Partei
überlassen bleiben muss, ob sie ihr Kosteninteresse in einer streitigen mündlichen Verhandlung über den Kostenantrag durchzusetzen sucht
(OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.08.1997 - 5 W 21/97 - Tz. 9; vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss v. 28.03.1996 - 5 U 819/95 - Tz. 32). Zudem
überdehnte es jedenfalls im Regelfall die Obliegenheiten der klagenden Partei, wenn von ihr verlangt würde, schon im Vorfeld der
maßgebenden Antragstellung im Termin (vgl. § 137 Abs. 1 ZPO) um etwaige Veränderungen der prozessualen Lage u.a. im Hinblick auf der
Gegenpartei ggf. günstige Kostengesichtspunkte besorgt zu sein und die einmal erfolgte Ankündigung einer Antragstellung in einem
vorbereitenden Schriftsatz sogleich zu korrigieren, bevor überhaupt Anträge nach § 137 Abs. 1 ZPO gestellt worden sind. Der sie treffenden
Obliegenheit genügte die Klägerin demnach dadurch, dass sie im Termin am 28.07.2010 ihre Anträge in angepasster Form stellte.
21
3.
zwischen den Parteien nur noch der Restbetrag i. H. v. 2.729,70 EUR im Streit gestanden, im Hinblick auf den die Klägerin vollständig unterlegen
sei, weshalb die Kosten des Sachverständigenbeweises allein der Klägerin aufzuerlegen seien.
22
a)
oder der ihm im schriftlichen Verfahren entsprechende Zeitpunkt, sondern der Sachstand bei Abgabe der Erledigungserklärungen (vgl. OLG
Frankfurt, Beschluss v. 28.08.1997 - 5 W 21/97 - Tz. 2; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn. 24, 26). Das schließt jedoch die Verwertung danach
ohnehin noch gewonnener Beweisergebnisse nicht aus (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn. 26). Die hier beanstandete
Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO ist dementsprechend nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils ergangen;
sie fand ihre Grundlage u.a. in dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises. Sie ist nur deshalb zu Lasten der Beklagten
ergangen, weil das Landgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, die Beklagten seien dem Grunde nach
zu 2/3 für den der Klägerin infolge der Verkehrsunfalls entstandenen Schadens einstandspflichtig.
23
b)
gekommen sein mag, weil die übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht den gesamten Streitgegenstand erledigten, sondern einen Teil
der Hauptforderungen nicht erfassten (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rn. 26), hier nicht, die vom Landgericht bestimmte Kostenquote zum
Nachteil der Klägerin abzuändern. Gegen eine solche Abänderung spricht schon, dass die Beklagten, wäre die Beweisaufnahme für sie
günstiger ausgefallen, davon bei der Verteilung der Kostenlast profitiert hätten. Ob eine andere Entscheidung geboten wäre, hätte das
Landgericht die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unabhängig vom Prozessergebnis allein aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung der
Beklagten bzw. aufgrund einer Einigung der Parteien über die Kostentragung getroffen (vgl. KV 1211 Nr. 4, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), hat der
Senat nicht zu entscheiden.
III.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Höhe des Beschwerdewerts entspricht der Summe der Gerichtskosten einschließlich
der Kosten des Sachverständigenbeweises sowie der anwaltlichen Terminsgebühren, die im Verfahren vor dem Landgericht angefallen sind und
im Hinblick auf die Abänderung der nach § 91 a ZPO getroffenen Kostenentscheidung mit der Beschwerde begehrt ist.
IV.
25 Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.