Urteil des OLG Stuttgart vom 14.04.2009

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OLG Stuttgart Beschluß vom 14.4.2009, 8 WF 30/09
Prozesskostenhilfe: Berücksichtigung der Grundsicherung als Einkommen und Berechnung der
Freibeträge einer allein erziehenden erwerbstätigen Mutter eines unter 7 Jahre alten Kindes
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der Rechtspflegerin beim Amtsgericht -
Familiengericht - Tuttlingen vom 2.12.2008
aufgehoben.
Es verbleibt bei der ratenfreien Prozesskostenhilfebewilligung vom 10.10.2006.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1.
1
Der Klägerin ist mit Beschluss vom 10.10.2006 für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe ohne
Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden.
2
Auf die Anfrage der Rechtspflegerin vom 20.10.2008 hat die Klägerin eine neue Erklärung über ihre
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 20.10.2008 mit entsprechenden Belegen vorgelegt. Zu
diesem Zeitpunkt hat die Klägerin vom Landratsamts - Sozialamt - T. Leistungen zur Grundsicherung für
Arbeitssuchende erhalten. Außerdem hat sie über Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 100
EUR verfügt. Daraus hat die Rechtspflegerin eine monatliche Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von 15 EUR
errechnet und mit Beschluss vom 2.12.2008 Zahlungen in dieser Höhe ab dem 20.12.2008 festgesetzt.
3
Gegen den ihr am 8.12.2008 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 19.12.2008 sofortige Beschwerde
eingelegt mit der Begründung, dass sich ihre finanzielle Situation verschlechtert habe. Seit dem 17. November
arbeite sie halbtags und sei weiterhin auf Hartz IV angewiesen.
4
Mit Beschluss vom 4.3.2009 hat die Rechtspflegerin der Beschwerde insoweit abgeholfen, als sie die im
Dezember 2008 fällige Rate gestundet hat. Im übrigen hat sie der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten
dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
5
Darüber hinaus hat sie die Prozesskostenhilfebewilligung vom 10.10.2006 mit Änderung vom 2.12.2008 ab dem
Monat März 2009 dahingehend abgeändert, dass die Klägerin ab dem 20.3.2009 monatliche Raten in Höhe von
60 EUR zu bezahlen hat.
6
Dieser Beschluss wurde der Klägerin am 13.3.2008 zugestellt. Hiergegen hat die Klägerin inzwischen ebenfalls
Beschwerde eingelegt. Insoweit hat die Rechtspflegerin über eine mögliche Abhilfe noch nicht entschieden.
2.
7
Das zulässige, insbesondere fristgemäße Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
8
Zu entscheiden war über die Zahlungsverpflichtung in den Monaten Dezember 2008, Januar 2009 und Februar
2009 in Höhe monatlicher Raten von 15 EUR. Ab März 2009 soll die monatliche Ratenzahlungsverpflichtung 60
EUR betragen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.
9
Im Dezember 2008 hatte die Klägerin Einkünfte in Höhe von 880,77 EUR: Erwerbseinkommen gem.
Lohnabrechnung für Dezember i. H. v. 674,16 EUR zuzüglich Leistungen des Landratsamts T. zur
Grundsicherung in Höhe von 206,61 EUR. Diese Leistungen sind als Einkommen im Sinn von § 115 Abs. 1
Satz 1 und 2 ZPO zu berücksichtigen, nachdem die Klägerin darüber hinaus Erwerbseinkünfte hat (Beschluss
des Bundesgerichtshofs vom 8.1.2008 - FamRZ 2008,781).
10 Von diesem Einkommen sind in Abzug zu bringen der Freibetrag für die Klägerin gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3
Ziffer 2 a) ZPO in Höhe von 386 EUR und der Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 1 b)
ZPO in Höhe von 176 EUR. Der weiterhin abzuziehende Freibetrag für die Tochter ... (270 EUR nach § 115
Abs. 1 Satz 3 Ziffer 2 b ZPO i. V. m. der Rechtsverordnung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) ist zu kürzen
um eigene Einkünfte des Kindes, im vorliegenden Fall sind das 117 EUR nach dem UVG. Im Ergebnis sind
damit für ... 153 EUR in Abzug zu bringen.
11 Wie sich den Bescheiden des Landratsamts T. entnehmen lässt, berücksichtigt dieses auch einen Mehrbedarf
der Klägerin gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II (entsprechend § 30 Abs. 3 Ziffer 1 SGB XII) in Höhe von 126,36
EUR im Hinblick darauf, dass bei der Klägerin ein unter sieben Jahre altes Kind lebt, für dessen Pflege und
Erziehung sie zu sorgen hat. Mit der Gewährung dieses Mehrbedarfs wird einer besonderen Belastung eines
alleinerziehenden Elternteils Rechnung getragen. Diese Leistung kompensiert besondere Belastungen im Sinn
des § 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und hat bei der Ermittlung der Höhe des Einkommens für die Berechnung der
Ratenzahlungsanordnung nach § 115 ZPO außer Betracht zu bleiben, ist somit, da sie in der oben genannten
Leistung bereits enthalten ist, in Abzug zu bringen (Beschluss des Kammergerichts vom 25.1.2007 - FamRZ
2007,9 115; vgl. auch MünchKommZPO/Motzer § 115 Rdnr. 46; Zöller/Philippi, ZPO , 27. Aufl. § 115 Rdnr.
39).
12 Weitere Abzüge sind zu machen für die Riester-Rente in Höhe von monatlich 5,25 EUR sowie die private
Haftpflichtversicherung und die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 4 EUR bzw. 20 EUR monatlich. Kein
Abzug ist vorzunehmen im Hinblick auf die Kosten für Telefon, Strom, Gas, Lebensmittel und Windeln, da sie
mit den Freibeträgen abgegolten sind. Die 35 EUR VWL werden vom Arbeitgeber direkt abgeführt und sind bei
dem in der Monatsabrechnung ausgewiesenen Auszahlungsbetrag bereits berücksichtigt. Kosten des
gegnerischen Anwalts können keine Berücksichtigung finden, solange hierauf noch keine Leistungen erbracht
werden.
13 Mietzahlungen sind nicht zu berücksichtigen, da diese direkt im Rahmen der Grundsicherung an den Vermieter
ausbezahlt werden.
14 Welche Leistungen zur Grundsicherung die Klägerin im Januar 2009 erhalten hat, ist den Anlagen nicht zu
entnehmen. Für Februar waren es nach dem Bescheid des Landratsamts vom 23.1.2009 117,56 EUR. Wenn
man davon ausgeht, dass die Klägerin auch im Januar einen ähnlichen Betrag erhalten hat, ergibt sich
zusammen mit ihrem Erwerbseinkommen für die Monate Januar und Februar ein durchschnittliches
monatliches Einkommen von 811 EUR. Im Hinblick auf die Abzüge gilt das oben ausgeführte. Damit verbleibt
auch für diese Monate kein für Ratenzahlungen einzusetzendes Einkommen.
15 Ab März 2009 ändern sich die Leistungen zur Grundsicherung erneut, so das ab diesem Zeitpunkt eine
Neuberechnung erfolgen muss.
3.
16 Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens nicht
statt (§ 127 Abs. 4 ZPO).