Urteil des OLG Stuttgart vom 13.01.2004

OLG Stuttgart: beweiswürdigung, blutalkoholkonzentration, verkehr, trunkenheit, gerät, entziehung, meinung, verfügung, bak, rechtsberatung

OLG Stuttgart Beschluß vom 13.1.2004, 4 Ss 581/2003; 4 Ss 581/03
Trunkenheit im Verkehr: Eignung des Vortestgeräts Alcotest 7410 zum Nachweis der Mindest-BAK; Beweiswürdigung zur relativen
Fahrunsicherheit
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 01. September 2003 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts
zurückverwiesen.
Gründe
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Das Amtsgericht Waiblingen verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je
30,00 EUR.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die vorläufigen Erfolg hat.
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Auf die noch zulässig erhobene Sachrüge ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen wegen Rechtsfehlern in der Beweiswürdigung
aufzuheben.
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Das Gericht gelangt aufgrund der Angaben des Polizeibeamten T., der bei dem Angeklagten einen Atemalkoholtest durchgeführt hat, und des
Gutachtens des Sachverständigen B. zu der Überzeugung, dass der Angeklagte zur Tatzeit absolut fahruntüchtig war.
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1. Bei dem im Urteil aufgeführten Atemalkoholanalysegerät Alcotest 7410 handelt es sich um ein sogenanntes Vortestgerät, mit dem nach
allgemeiner Meinung der unmittelbare Nachweis einer Mindest-Blutalkoholkonzentration nicht geführt werden kann (Leipziger
Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 316 Rdnr. 47 und Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 316, StGB Rdnr. 52 a), sodass der mit
diesem Gerät festgestellte Messwert der Atemalkoholkonzentration des Angeklagten nicht zur Annahme einer absoluten
Fahruntüchtigkeit ausreicht.
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2. Schließt sich der Tatrichter der Beurteilung eines Sachverständigen an, muss er entweder die eigenen Erwägungen dazu oder aber die
Anknüpfungstatsachen und die Ausführungen des Sachverständigen wiedergeben, um dem Revisionsgericht die rechtliche Nachprüfung
zu ermöglichen (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., §§ 267 Rdnr. 16 und 261 Rdnr. 32). Das angefochtene Urteil teilt aber
insbesondere die Anknüpfungstatsachen des vorliegend hinzugezogenen Sachverständigen bzgl. des Befunds der
Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit allenfalls ansatzweise mit, was nicht ausreichend ist.
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3. Die festgestellten Indizien belegen daher zwar keine absolute Fahruntüchtigkeit des Angeklagten, allerdings entfaltet der Messbefund
des oben genannten Geräts Indizwirkung bei der Prüfung der relativen Fahrunsicherheit. Der Tatrichter kann daher in der ihm
vorbehaltenen freien Beweiswürdigung zum Urteil der relativen Fahrunsicherheit gelangen; dabei muss den gefundenen Indizien und
deren Gesamtwürdigung aber eine außergewöhnliche, überdurchschnittliche Überzeugungskraft innewohnen (Leipziger Kommentar a.
a. O., § 316 Rdnr. 96 ff.).
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Da zudem nicht ausgeschlossen ist, dass aufgrund entsprechender Befragungen und Ermittlungen noch weitere Indizien festgestellt
werden können, ist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen ist.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass bei einer Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt zur Bemessung der Schuld des
Täters in der Regel zumindest Feststellungen zu den Gegebenheiten der Fahrt, insbesondere deren Dauer und Länge, notwendig sind
(BayObLG NStZ 1997, 359).
10 Zu dem in der Revisionsbegründungsschrift enthaltenen Antrag, den Beschluss über die Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben, für den der
Senat nicht zuständig wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 111 a Rdnr. 14) bemerkt die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme
zu Recht, dass ein Beschluss nach § 111 a StPO in der vorliegenden Sache bisher nicht ergangen ist.