Urteil des OLG Stuttgart vom 30.09.2013

OLG Stuttgart: schweizer recht, wohnsitz in der schweiz, charakteristische leistung, culpa in contrahendo, gerichtsstand des erfüllungsorts, eintragung im handelsregister, geschäftsführer, software

OLG Stuttgart Urteil vom 30.9.2013, 5 U 50/13
Leitsätze
Tenor des Grundurteil des Oberlandesgerichts vom 30.9.2013:
Tritt ein Geschäftführer / Vorstand über Jahre hinweg neben einer existenten GmbH unter einer
nicht existenten AG im Rechtsverkehr auf und er erweckt so den Eindruck eines nicht existenten
Unternehmensverbands, so ist sein Handeln für die nicht existente AG nicht der GmbH als
unternehmensbezogenes Geschäft zuzurechnen.
Vielmehr haftet der Handelnde entsprechend § 179 BGB persönlich für die nicht existente AG.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.12.2012, Az:
24 O 6/12
aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Berufungsverfahrens, an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert der Berufung: 60.770,00 Euro
Gründe
I.
1 Die Klägerin verlangt vom Beklagten aus entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 1
BGB die Bezahlung von Softwareleistungen.
2 Die Klägerin entwickelt Software und arbeitete bereits seit 1995 mit der Firmengruppe der
K...(im Folgenden ...) zusammen, bestehend zumindest aus der ... OHG ...in, D. deren
Gesellschafterin ... ...Holding AG, eine Gesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in G...,
und der ...Südwest ... GmbH. Für sämtliche dieser Firmen trat durchgängig der Beklagte
als ihr Vertreter und dortiger Ansprechpartner auf.
3 Geschäftsidee der ... war die Entwicklung eines elektronischen Hotelinformations- und
Buchungssystems über Terminals an Raststätten und Flughäfen (H...). Zur Entwicklung
der Software war die Klägerin eingeschaltet. Nachdem die ...-Gruppe allerdings in
wirtschaftliche Schwierigkeit geraten war, wollte der Beklagte das Projekt H... über neue
Gesellschaften abwickeln.
4 Am 13.07.2005 gründete er die H... GmbH, eine GmbH Schweizer Rechts, deren
einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer er bis zum 02.03.2010 war und die sich
mittlerweile in Liquidation befindet.
5 Der Beklagte beauftragte die Klägerin in einer Reihe von Einzelaufträgen mit den
erforderlichen Programmierarbeiten für die H...-Terminals, wobei zwischen den Parteien
streitig ist, für welche Gesellschaft der Beklagte auftrat. Die Klägerin schickte die
Auftragsbestätigungen und Rechnungen jeweils an eine H... AG, Postfach, B...(Ort). Eine
Firma H... E... AG existiert nicht und zwar weder in B...(Ort) noch mit Sitz in der Schweiz.
Allerdings verwendete der Beklagte auf sie lautendes Briefpapier. Die H... E... AG war
zudem in Verzeichnissen und Anzeigen im Internet genannt. Auch sonst trat der Beklagte
im Geschäftsverkehr unter der Fa. H... E... AG auf. So schloss der Beklagte einen
Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter M... W...(Nachname) unter der Fa. H... E... AG ab. Er zog
2006 auch einen Wechsel zugunsten der Klägerin auf die H... E... AG unter Verwendung
eines auf sie lautenden Stempels. Jedenfalls am 10.07.2009 verschickte der Beklagte
zudem ein Fax mit der Kennung „H... E... AG“ (Anlage K 20).
6 Zahlungen auf die von der Klägerin gestellten Rechnungen erfolgten bis Mitte 2010
seitens der H... E... GmbH. Ab August 2010 wurden die Zahlungen eingestellt.
Streitgegenständlich sind zwölf Rechnungen 2008 beauftragter Programmierarbeiten mit
Daten vom 31.01.2008 bis 31.12.2010 in Höhe von insgesamt 60.770,00 Euro, auf die bis
heute lediglich weitere 2,77 Euro bezahlt wurden.
7 Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte sei jeweils für die H... E... AG aufgetreten,
diese sei bei allen Aufträgen als Vertragspartner erschienen. Der Beklagte habe schon im
Jahr 2004 einen ersten Auftrag im Namen der AG vergeben, sie habe am 20.09.2004 die
erste Rechnung an die H... E... AG in B...(Ort) geschickt. Da es die H... E... AG nicht
gegeben habe, sei der Beklagte selbst gem. § 179 BGB analog ihr Vertragspartner
geworden.
8 Durch das Erwirken des Eindrucks einer Firma mit dem höheren Haftungskapital einer AG
habe der Beklagte sie zudem dazu gebracht, der H... E... AG einen größeren
Lieferantenkredit durch Vorleistungen zu gewähren, als sie bei Kenntnis, dass in
Wirklichkeit nur eine GmbH existiert habe, gewährt hätte. Schon aus diesem Grund sei der
Verdacht des Betrugs begründet, jedenfalls liege eine erhebliche Vertragsverletzung vor,
wofür der Beklagte hafte.
9 Sie habe die Arbeiten jeweils ordnungsgemäß und mangelfrei erbracht. Der Beklagte
verwende über seine jetzige Fa. a...AG auch heute noch die von ihr entwickelte Software.
Bis Januar 2011 seien noch Protokolle über das Einspielen und Updaten von Software
durch Mitarbeiter des Beklagten erfolgt. Im Februar 2011 habe C... Ki..., ein Mitarbeiter des
Beklagten, einen Datenimport von Herrn Mü..., ihrem ehemaligen Geschäftsführer,
angefordert. Wenn die Software nicht gelaufen wäre, hätte dies keinen Sinn gemacht.
10 Die Klägerin hat erstinstanzlich vom Beklagten 60.770,00 Euro nebst Zinsen und
vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.
11 Der Beklagte ist der Klage mit Klagabweisungsantrag entgegen getreten.
12 Er hat die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart gerügt, da er
seinen Wohnsitz in der Schweiz habe und nach Art. 2 LugÜ dort in Anspruch zu nehmen
sei. Die AGB der Klägerin seien nicht wirksam in ein Vertragsverhältnis, aus dem er
persönlich in Anspruch genommen werden könne, einbezogen worden. Auch der
Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 LugÜ liege nicht in Deutschland, da
Herr Mü... regelmäßig Programmierungen am Geschäftssitz der H... E... GmbH in der
Schweiz vorgenommen habe.
13 In der Sache sei es so gewesen, dass er sich nie als Vertreter der nicht existenten H... E...
AG ausgegeben habe. Anfang 2007 habe es zwar Überlegungen gegeben, die H... E...
GmbH in eine AG umzuwandeln. In diesem Zusammenhang sei bereits ein Satz
Briefbögen gedruckt worden. Man habe sich aber gegen die Umwandlung der GmbH
entschieden. Die allenfalls vereinzelte Verwendung dieser Briefbögen sei versehentlich
erfolgt. Der Klägerin sei von Anfang an bekannt gewesen, dass hinter H... die H... E...
GmbH mit Sitz in der Schweiz stehe und keine andere Gesellschaft. Er habe immer nur als
Geschäftsführer der H... E... GmbH gehandelt, weshalb allenfalls die GmbH Schuldnerin
der geltend gemachten Forderung sei, jedenfalls nach den Grundsätzen des
unternehmensbezogenen Geschäfts. Sämtliche Korrespondenz mit dem damaligen
Geschäftsführer der Klägerin Mü... sei im Namen der H... E... GmbH geführt worden. Herr
Mü... sei darauf hingewiesen worden, dass die auf den Rechnungen angegebene
Gesellschaftsform falsch sei, die Klägerin habe aber keine Korrektur vorgenommen.
14 Die Rechnungen Nr. ...1156 über 813,96 Euro und Nr. ...1166 über 10.829,00 Euro seien
nie eingereicht worden und würden bestritten. Die Arbeiten der Klägerin seien zudem
mangelhaft. Deshalb hätte die Software auch nicht bei den H...-Terminals, die in den
letzten Jahren errichtet wurden, eingesetzt werden können. Es existiere mittlerweile eine
vollständig neue, von anderer Seite entwickelte Software, mit der die Terminals betrieben
würden. Die Mangelhaftigkeit der klägerischen Software sei auch ständig gerügt worden
(siehe beispielsweise Anlagen B 25 und B 26). Bei der Umsetzung in die Praxis habe die
Software nicht funktioniert.
15 Bezüglich der vor dem 31.12.2008 fällig gewordenen Forderungen werde die Einrede der
Verjährung erhoben.
16 Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
17 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat seine internationale Zuständigkeit
aufgrund von Art. 5 Nr. 3 LugÜ für gegeben erachtet. Auf den geltend gemachten Anspruch
sei deutsches Recht anzuwenden. Ein Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB analog scheitere
jedoch daran, dass der Beklagte nicht als Vertreter der H... E... AG aufgetreten sei. Er habe
vielmehr für die existente H... E... GmbH gehandelt, so dass die Klägerin Verträge mit
dieser Gesellschaft geschlossen habe. Nachdem über den genauen Vertragspartner nie
gesprochen worden sei, habe der Beklagte nach den Grundsätzen des
unternehmensbezogenen Vertreterhandelns die H... E... GmbH verpflichtet. Unschädlich
sei, dass der Vertragspartner der Klägerin unrichtig bezeichnet worden und dadurch
möglicherweise eine Fehlvorstellung bei der Klägerin ausgelöst worden sei. Eine Haftung
aus § 179 Abs. 1 BGB analog lasse sich auch nicht mit dem Argument begründen, dass
die Klägerin davon ausgegangen sei, mit einer höher kapitalisierten Gesellschaft zu
kontrahieren. Denn tatsächlich sei das Vertrauen des Rechtsverkehrs in eine AG nicht
erheblich größer als in eine GmbH. Der Geschäftsführer der Klägerin habe in der
mündlichen Anhörung angegeben, über entsprechende Fragen sich überhaupt keine
Gedanken gemacht zu haben.
18 Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Klagabweisung durch das
Landgericht. Die Beurteilung des Landgerichts, es liege kein Fall des § 179 BGB analog
vor, sei falsch. Der Beklagte habe planmäßig den Eindruck bei Kunden und Lieferanten
erwecken wollen, sie hätten mit einem international tätigen Konzern zu tun. Er habe in
betrügerischer Absicht sowohl bei Werbung im Internet, auf dem Briefpapier - das er
bereits seit 2004 verwendet habe -, bei der Unterzeichnung eines Wechsels und bei der
Vereinbarung eines Arbeitsvertrags eine Firma vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit nicht
gegeben habe. Die Klägerin wäre nicht mit einer so großen Summe in Vorleistung
getreten, wenn sie gewusst hätte, dass der Vertrag nicht durch eine AG, sondern nur durch
eine mit deutlich geringerem Grundkapital ausgestattete GmbH nach Schweizer Recht
geschlossen werden solle. Nach Schweizer Recht seien die Unterschiede in der
Kapitalisierung einer GmbH und einer AG noch deutlich größer als in Deutschland. Selbst
wenn § 179 BGB analog nicht greife, hätte das Landgericht eine Haftung wegen
Verschuldens bei Vertragsschluss und aus unerlaubter Handlung prüfen müssen.
19 Die Klägerin beantragt:
20 Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.12.2012, Az: 24 O 6/12 wird abgeändert.
21 Der Beklagte wird verurteilt, 60.770,00 Euro zuzüglich 4.797,17 Euro Zinsen bis zum
29.12.2011 sowie weitere Zinsen i.H.v. 8 Prozent über dem Basiszinssatz ab 30.12.2011
zu bezahlen sowie vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten i. H. v. 1.704, 50 Euro nebst
Zinsen i. H. v. 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2011.
22 Hilfsweise: Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.
23 Der Beklagte beantragt,
24 die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
25 Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Vertiefung seines bereits erstinstanzlich
gehaltenen Vortrags als richtig. Das Landgericht habe die entsprechende Anwendung des
§ 179 Abs. 1 BGB zu Recht verneint. Es stehe im Widerspruch zum schriftsätzlichen
Vortrag der Klägerin, wenn Herr Mü... in der mündlichen Anhörung ausführe, dass er sich
zu der Gesellschaftsform keine Gedanken gemacht habe. Außerdem sei die gelieferte
Software mangelhaft gewesen.
26 Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die
Sitzungsniederschrift vom 08.07.2013 Bezug genommen.
II.
27 Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch insoweit Erfolg, als der Klägerin dem Grunde nach
ein Anspruch gegen den Beklagten analog § 179 Abs. 1 BGB zusteht. Da der Streit über
den Betrag des Anspruchs jedoch nicht zur Entscheidung reif ist, ist das angefochtene
Urteil auf Antrag der Klägerin aufzuheben und die Sache an das Landgericht gemäß § 538
Abs. 2 Nr. 4 ZPO zurückzuverweisen.
1.
28 Zu Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit bejaht. Sie ergibt sich
bereits aus Art. 5 Abs. 1a i. V. m. b LugÜ. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts bei
Dienstleistungen nach Art. 5 Abs. 1b 2. Spiegelstrich LugÜ ist weit zu verstehen und
erfasst auch Werkleistungen (Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 11. Aufl.,
Art. 5, Rn. 42, 44). Der Gerichtsstand gilt auch für die Haftung Dritter für vertragliche
Ansprüche (vgl. zum gleichlautenden Art. 5 Abs. 1 EuGVO: Schlosser, EU-
Zivilprozessrecht, Art. 5, Rn. 6). Demnach ist zuständig das Gericht des Ortes, an dem die
Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden
müssen. Für die Bejahung dieser Voraussetzungen reicht die Schlüssigkeit des
Klägervortrags aus, wonach die wesentlichen Arbeiten am Sitz der Klägerin erbracht
worden sind. Im Übrigen ist auch mit der Begründung des Landgerichts unter dem
Gesichtspunkt des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ, der
auch für Fälle der culpa in contrahendo einschlägig ist, die internationale Zuständigkeit
des Landgerichts Stuttgart zu bejahen.
2.
29 Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, findet deutsches Recht Anwendung und
zwar unabhängig davon, ob der Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB als vertragliche oder
deliktische Haftung qualifiziert wird. Die Rom I-Verordnung gilt nur für
Vertragsverhältnisse, die ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Die Auftragserteilung
erfolgte vorher. Es ist daher bei vertraglicher Einordnung auf Art. 28 EGBGB a. F.
zurückzugreifen. Eine Rechtswahl haben die Parteien nicht getroffen. Nach Art. 28 Abs. 1
EGBGB a. F. unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten
Verbindungen aufweist. Das ist gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB a. F. der Staat, in dem die
Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses ihre Hauptverwaltung hat. Die charakteristische Leistung ist vorliegend
die Programmierung der Software, die von der Klägerin mit Sitz in Deutschland zu
erbringen war. Der lediglich pauschale Vortrag des Beklagten, der Geschäftsführer der
Klägerin, Herr Mü..., habe regelmäßig Programmierungen in der Schweiz vorgenommen,
ist dabei nicht geeignet, die Vermutung nach Art 28 Abs. 2 EGBGB a.F. zu entkräften.
Selbst wenn in der Schweiz Programmierungen vorgenommen worden sein sollten und es
einzelne Treffen gegeben haben sollte, ergäbe sich bei der nach Art. 28 Abs. 5 EGBGB
a.F. vorzunehmenden Betrachtung der Gesamtheit der Umstände nichts anderes (vgl. nur
BGH NJW 1999, 2443, wonach selbst bei Bauverträgen die Anknüpfung an die
Niederlassung des Werkunternehmers erfolgt; Palandt/Heldrich, BGB, 68. Auflage 2009,
Art 28 EGBGB Rn. 15 m.w.N.). Bei deliktischer Einordnung folgt die Anwendung
deutschen Rechts aus Art. 40 Abs. 1 EGBGB a.F. jedenfalls aus dem in Deutschland
liegenden Erfolgsort, auf den die Klägerin in ihrer Klagbegründung auch abgehoben hat.
3.
30 Der Klägerin steht gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch aus § 179 Abs. 1
BGB analog zu.
a)
31 Der Senat ist aufgrund der gesamten Umstände der Zusammenarbeit der Parteien davon
überzeugt, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin bewusst den Rechtsschein gesetzt
hat, es existiere ab 2004 eine H... E... AG und zwar nicht nur anstelle, sondern neben der
2005 dann gegründeten H... E... GmbH, und er die Klägerin im Zuge der
Geschäftsbeziehungen und auch bei der Erteilung der streitgegenständlichen
Programmierarbeiten für das Projekt H... Anfang 2008 durch sein Handeln bewusst in dem
Glauben gelassen hat, sie kontrahiere mit der nicht existenten H... E... AG und gerade
nicht mit der - der Klägerin auch bekannten - H... E... GmbH.
32 Der Beklagte ist entgegen seiner Behauptung nicht immer nur als Geschäftsführer der H...
E... GmbH aufgetreten. Hierfür spricht schon der Umstand, dass die Klägerin an die H...
E... AG adressierte Rechnungen aus dem Jahr 2004 (Anlagen K 19a = K 32) vorgelegt hat,
als es die H... E... GmbH (Eintragung im Handelsregister am 13.07.2005) noch gar nicht
gab. So mag es dann nach Gründung der GmbH tatsächlich zwar so gewesen sein, dass
zahlreicher Geschäftsverkehr, so insbesondere die vom Beklagten mit Anlage B 2
vorgelegte E-Mail-Korrespondenz mit dem Mitarbeiter M... W...(Nachname), auch über die
H... E... GmbH erfolgt ist und von dort auch zunächst die Bezahlung der Rechnungen der
Klägerin erfolgte. Hätte allerdings, wie vom Beklagten behauptet, die GmbH
Vertragspartner sein sollen, hätte es schon aus buchhalterischen und steuerlichen
Gründen nahegelegen, um Korrektur der von der Klägerin weiterhin an die H... E... AG
gestellten Rechnungen und um Ausstellung neuer Rechnungen an den richtigen
Schuldner zu bitten. Dies ist hier nicht geschehen. Der in der Klagerwiderung erfolgte
Vortrag, der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Mü..., sei darauf hingewiesen worden, dass
die Gesellschaftsform auf den Rechnungen falsch sei, ist nach Bestreiten der Klägerseite
nicht weiter konkretisiert und unter Beweis gestellt worden, so dass davon auszugehen ist,
dass es sich um eine reine Schutzbehauptung handelt. Vielmehr hat der Beklagte lediglich
beanstandet, die Klägerin solle ihre zunächst an die H... E... AG gerichteten Rechnungen
unter der Anschrift H... Str. ... in D... auf die Postfachadresse B...(Ort) umstellen und damit
bewusst weiterhin glauben lassen, dass eine AG als Haftungsobjekt existiere, und zwar
neben einer zwischenzeitlich zusätzlich gegründeten GmbH.
33 Die Situation stellte sich daher für die Klägerin bei der Auftragserteilung Anfang 2008
dergestalt dar, dass sie, insoweit unstreitig und vom ehemaligen Geschäftsführer der
Klägerin Mü... im Rahmen seiner Anhörung auch bestätigt, zwar von der Existenz auch
einer H... E... GmbH wusste, im Übrigen aber aufgrund der bisher und unverändert weiter
gewünschten Rechnungsstellung und Zusendung der Auftragsbestätigungen an die H...
E... AG davon ausgehen durfte (und ausging), es existiere eine H... E... AG und diese sei
ihr Vertragspartner. Dieser Eindruck wurde vom Beklagten noch dadurch verstärkt, dass er
in einer Mehrzahl von Fällen Briefpapier und Stempel einer H... E... AG verwendet hat,
wobei es zumindest vier verschiedene Briefpapiergestaltungen gibt (Anlagen K 9, K 18, K
19, K 19b). Die H... E... AG war zudem in Verzeichnissen und Anzeigen im Internet
genannt. So suchte die H... E... AG auf www.praktikum-service.de einen Praktikanten mit
BWL-Studium. In der Zeit vom 19.10.2004 bis 10.02.2005 wurde auf der Seite www.h...-
e...de unter der Rubrik „Kontakt“ eine H... E... AG mit Sitz in der Schweiz und eine
Zweigniederlassung in B...(Ort) genannt. Selbst einen Arbeitsvertrag schloss der Beklagte
unter der nicht existierenden AG ab (Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter W...(Nachname)
aus dem Jahr 2006, Anlage K 21). Außerdem zeichnete er einen Wechsel auf die AG
(Anlage K 35). Letztlich zeigt auch die mit Anlage K 20 vorgelegte Faxkennung, dass
selbst im Jahr 2009 noch unter Verwendung der AG operiert wurde. Angesichts der
Vielzahl der vorgelegten Unterlagen allein aus dem Geschäftsverkehr mit der Klägerin
vermag der Senat dem Beklagten deshalb keinen Glauben schenken, wonach lediglich
einmal versehentlich ein falscher Briefkopf verwendet worden sei. Dafür ist das Auftreten
unter der AG zu häufig und zu dauerhaft erfolgt.
b)
34 Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist auch unter Berücksichtigung der Grundsätze
des unternehmensbezogenen Geschäfts das Handeln des Beklagten nicht der H... E...
GmbH zurechenbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist zwar anerkannt, dass in
Fällen, in denen der Vertreter für eine tatsächlich existierende Person als Trägerin eines
bestimmten Unternehmens handelt und die von ihm vertretene Partei in dem Vertrag
lediglich unrichtig bezeichnet wird, der Wille der Parteien im Zweifel dahin geht, dass der
wahre Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll (BGH, Urteil vom 18.01.1996 - III ZR
121/95 = BGH NJW 1996, 1053 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftspartner
den Vertreter für den Betriebsinhaber hält oder sonst unrichtige Vorstellungen über die
Person des Betriebsinhabers hat (BGHZ 62, 216; 221; 64,11,15; 92, 259, 268; BGH NJW
1996, 1053, juris Rz. 13; Palandt/Heinrichs, BGB, 72. Auflage 2013, Rz. 2). Solche Zweifel
bestehen hier aber nicht. Vielmehr ist zur Überzeugung des Senats von einem eindeutigen
Willen der Parteien auszugehen, wonach nicht die GmbH, sondern die nicht existente H...
E... AG verpflichtet werden sollte. Denn der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich
von den dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Konstellationen dahingehend, dass
der Beklagte nicht nur lediglich nicht offenbart hat, nicht im eigenen Namen bzw. anstelle
eines nicht existenten Unternehmens für das einzig von ihm vertretene tatsächlich
existierende Unternehmen gehandelt zu haben, sondern, wie bereits dargelegt, bewusst
und nach außen ersichtlich gleichzeitig nebeneinander unter verschiedenen
Firmenbezeichnungen aufgetreten ist, um so den Eindruck zu erwecken, es gebe
verschiedene (haftende) Gesellschaften bzw. es handele sich um einen Konzern, zu dem
eine ganze Reihe verschiedener Unternehmen gehören, die im Rahmen eines
Gesamtkonzepts arbeitsteilig jeweils verschiedene Bereiche übernommen hätten (so
wurde auch dem früheren Geschäftsführer der Klägerin Mü...nach dessen
nachvollziehbaren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat [Protokoll vom
08.07.2013, Seite 7, Bl. 182 d.A.] die Zusammenarbeit der Gesellschaften erklärt). Soweit
der Beklagte einwendet, nicht er, sondern andere Mitarbeiter hätten den Rechtsschein in
Blick auf eine AG gesetzt, er sei nicht verantwortlich, handelt es sich auch insoweit um
eine offensichtlich unzutreffende Schutzbehauptung. Er war derjenige, der gegenüber der
Klägerin in der beschriebenen Weise gezielt aufgetreten ist, Briefpapier und Stempel der
AG verwendet und für diese einen Wechsel gezeichnet hat, statt als Geschäftsführer der
GmbH klarzustellen, dass diese Vertragspartner der Klägerin ist und es eine AG nicht gibt.
Das Handeln des Beklagten ist daher nicht der H... E... GmbH zuzurechnen, sondern
erfolgte willentlich und bewusst für die tatsächlich nicht existierende H... E... AG.
35 Auf diese Konstellation ist § 179 BGB entsprechend anzuwenden (vgl. BGHZ 63, 45; 91,
148; 105, 283; BGH NJW 1973, 798; BGH NJW-RR 2005, 1585; BAG ZIP 2006,1622;
Palandt, a.a.O., § 177 Rz. 3). Der Beklagte haftet - unbeschränkt (vgl. BGHZ 63, 45, juris
Rz. 16) - wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht, und zwar nach Wahl der Klägerseite auf
Erfüllung oder auf Schadensersatz.
4.
36 Nachdem der Beklagte schon aufgrund seines Handelns für eine nicht bestehende
juristische Person entsprechend § 179 Abs. 1 BGB haftet, bedarf es keiner weiteren
Erörterung der Fragen, ob auch aus der Falschbezeichnung der Rechtsform eine
(Rechtscheins-)Haftung des Beklagten analog § 179 BGB abgeleitet werden kann (so
BGH mit Urteil vom 12.06.2012 - II ZR 256/11 = NJW 2012, 2871, wenn für eine
Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit dem unrichtigen Rechtsformzusatz
„GmbH“ gehandelt wird) oder ob eine Haftung des Beklagten aus der sog.
Handelndenhaftung gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG/Art. 645 Obligationenrecht für
Schweizer Aktiengesellschaften in Betracht kommt.
5.
37 Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt. Soweit sich der Beklagte auf Verjährung
der Ansprüche der Klägerin, die vor dem 31.12.2008 entstanden sind, beruft, wurde die
dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB durch rechtzeitige Klagerhebung
gehemmt, § 204 Abs. 1 BGB. Der Eingang der Klage beim Landgericht erfolgte am
30.12.2011, die Zustellung an den Beklagten am 16.02.2012. Der zwischen Eingang der
Klage beim Landgericht und erfolgter Zustellung verstrichene Zeitraum von etwa 6
Wochen ist dabei noch als „demnächst“ i. S. v. § 167 ZPO anzusehen, da er allein der
erforderlichen Auslandszustellung in die Schweiz mit einhergehendem
Rechtshilfeersuchen sowie einer zuvor erfolgten gerichtsinternen Abgabe an die für
Streitigkeiten aus Softwareverträgen zuständige Kammer des Landgerichts und nicht von
der Klägerin als Zustellungsbetreiberin verursachten Zustellungsverzögerungen
geschuldet ist.
III.
38 Der Senat verweist die Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auf den Hilfsantrag der
Klägerin an das Landgericht zur Durchführung des Betragsverfahrens zurück. Der
Beklagte kann als Vertreter ohne Vertretungsmacht alle Einwendungen geltend machen,
die auch der Vertragspartner geltend machen könnte (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., §
179 Rn. 5). Die Auftragserteilung als solche Anfang 2008 ist unstreitig. Die Einwendungen
zu einzelnen Rechnungen sowie die vom Beklagten erhobenen Mängeleinreden und
damit zur Auftragshöhe sind allerdings beachtlich. Insoweit ist der Sachverhalt jedoch
bisher nur ungenügend aufbereitet. Hierzu ist neben der Frage, ob die Leistungen
mangelhaft sind, danach zu fragen, ob die Leistungen abgenommen worden und ggf. ob in
ausreichender Weise die Möglichkeit zur Nachbesserung gewährt und entsprechende
Fristen gesetzt worden sind, was es weiter aufzuklären gilt. Deswegen erscheint es
sachgerecht, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, um auch insoweit
den Parteien den Instanzenzug offen zu halten.
IV.
39 Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung erster Instanz vorzubehalten
(Zöller/Heßler, ZPO, 29. Auflage 2012, § 538 Rz. 58 m.w.N.). Das aufhebende und
zurückverweisende Urteil ist für vorläufig vollstreckbar zu erklären (OLG München, NZM
2002, 1032; Zöller/Heßler, a.a.O., § 538 Rz. 59).
V.
40 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat
keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des
Revisionsgerichts. Die Entscheidung beruht allein auf der Bewertung und den Umständen
des zugrunde liegenden Einzelfalls, insbesondere der Bejahung oder Verneinung der
Frage des Handelns des Beklagten für die GmbH.