Urteil des OLG Stuttgart vom 28.02.2005

OLG Stuttgart: reisekosten, beschränkung, bindungswirkung, bedingung, rechtsberatung, verfügung

OLG Stuttgart Beschluß vom 28.2.2005, 15 WF 21/05
Prozesskostenhilfe: Erforderlichkeit der Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Anwalts
Leitsätze
Im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann einer Partei, die ihren Wohnsitz nicht am Ort des Prozessgerichts hat, ein Rechtsanwalt nur
dann mit der Beschränkung " zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" beigeordnet werden, wenn auch bei Beiordnung eines
ortsansässigen Anwalts keine weiteren Kosten wegen Vorliegens besonderer Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO entstehen würden. Die
uneingeschränkte Beiordnung beinhaltet jedoch keine Feststellung über die Erforderlichkeit von Reisekosten i.S.d. § 46 Abs. 2 RVG, da diese
Feststellung nicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe, sondern auf Antrag des beigeordneten Anwalts im Kostenfestsetzungsverfahren zu treffen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Esslingen vom 04.12.2004 (1 F 1368/04)
abgeändert
und Rechtsanwältin M. ohne einschränkende Bedingung beigeordnet.
Gründe
1 Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt, nachdem der Schriftsatz vom 10.12.2004 als Rechtsmittel gegen die eingeschränkte
Beiordnung zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts auszulegen ist.
2 Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
3 Das Familiengericht hat der Antragstellerin zu Recht eine Anwältin ihrer Wahl mit Kanzleisitz in G., somit außerhalb des Bezirks des Amtsgerichts
Esslingen, beigeordnet, § 121 Abs. 1 ZPO. Absatz 3 dieser Vorschrift bestimmt jedoch, dass ein nicht beim Prozessgericht zugelassener
Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Beiordnung eines sodann auswärtigen
Rechtsanwalts kommt deshalb nur in Betracht, wenn dadurch keine Mehrkosten entstehen. Da die Antragstellerin dadurch aber die Möglichkeit
verliert, neben einem ortsansässigen Rechtsanwalt einen weiteren Verkehrsanwalt nach § 121 Abs. 4 beigeordnet zu erhalten, kann der
auswärtige Rechtsanwalt nur dann mit der Beschränkung „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts“ beigeordnet werden, wenn
auch bei Beiordnung eines ortsansässigen Anwalts keine weiteren Kosten wegen Vorliegens besonderer Umstände im Sinne von § 121 Abs. 4
ZPO entstehen würden (BGH FamRZ 2004, 1362). Angesichts der geringen Entfernung zwischen dem Sitz des Gerichts und dem Sitz der
beigeordneten Rechtsanwältin liegt die Annahme der Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO eher fern.
4 Gleichwohl bedarf es im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einer Einschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen
Rechtsanwalts nicht, da bei Geltendmachung von Reisekosten und Abwesenheitsgeld durch die beigeordnete Rechtsanwältin der Kostenbeamte
nach allgemeinen Vorschriften eine Vergleichsberechnung anzustellen hat und die verlangten Kosten mit denjenigen verglichen werden, die
angefallen wären, wenn die Antragstellerin sich durch eine in Esslingen ansässige Rechtsanwältin hätte vertreten lassen und zumutbare
Informationsreisen von H. nach Esslingen unternommen hätte. Erst nach dieser Vergleichsberechnung, die naturgemäß erst am Ende des
Verfahrens gefertigt werden kann, wird sich feststellen lassen, in welchem Umfang notwendige und somit im Rahmen der Prozesskostenhilfe
erstattungsfähige Kosten angefallen sind.
5 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die uneingeschränkte Beiordnung keine Feststellung der Erforderlichkeit von Reisekosten der
beigeordneten Rechtsanwältin im Sinne des § 46 Abs. 2 RVG darstellt, da diese Feststellung nicht im Rahmen der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zu treffen ist, sondern auf einen gesonderten Antrag hin, zu dessen Stellung auch nicht die Partei, sondern nur die
beigeordnete Rechtsanwältin selbst antragsberechtigt ist (Gerold/Schmidt/Madert, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Aufl., Rz. 32 zu § 46). Aus
diesem Grund tritt auch keine Bindungswirkung für das spätere Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG ein.
6 Gem. § 127 Abs. 4 ZPO findet eine Kostenerstattung nicht statt.