Urteil des OLG Stuttgart vom 07.01.2008

OLG Stuttgart (grobe fahrlässigkeit, leichte fahrlässigkeit, fahrlässigkeit, unfall, südafrika, versicherungsschutz, unfallversicherung, schweres verschulden, versicherte person, unerlaubte handlung)

OLG Stuttgart Urteil vom 7.1.2008, 5 U 161/2007; 5 U 161/07
Unerlaubte Handlung: Verletzung eines Beifahrers bei einem vom Fahrer verursachten Verkehrsunfall
mit einem gemeinsam angemieteten Kraftfahrzeug in Südafrika; Haftungsausschluss für einfache
Fahrlässigkeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung bei nicht ausreichendem Versicherungsschutz;
Verstoß des Fahrers gegen ein im Ausland bestehendes Linksfahrverbot als grobe Fahrlässigkeit
gegenüber dem Beifahrer
Leitsätze
1. Von einem Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit im Wege ergänzender Vertragsauslegung im
Rahmen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses bzw. eines von einer Gefahrengemeinschaft getragenen
Auftragsverhältnisses ist auszugehen, wenn zwei deutsche Berufskollegen für 3 Monate gemeinsam eine
Fortbildung im Ausland (Südafrika) absolvieren, dort gemeinsam ein Kraftfahrzeug anmieten, dessen Kosten sie
sich teilen, und es zu einem von einem der beiden verschuldeten Unfall kommt, bei dem der andere als Beifahrer
verletzt wird.
Dies gilt auch dann, wenn im Ausland kein ausreichender Versicherungsschutz besteht.
2. Beruht der Unfall darauf, dass der Fahrer bei einer der ersten Fahrten gegen das im Ausland bestehende, ihm
ungewohnte Linksfahrverfbot verstößt, so liegt im Verhältnis zum Beifahrer, dem diese Umstände bekannt sind,
keine grobe Fahrlässigkeit vor.Die Revision wurde zugelassen und auch eingelegt.
Az. des BGH: VI ZR 28/08
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen
vom 05.06.2007 - 4 O 397/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert beider Rechtszüge:
Antrag Ziffer 1:
19.052,97 EUR
Antrag Ziffer 2:
20.000,00 EUR
Antrag Ziffer 3:
10.000,00 EUR
Summe:
49.052,97 EUR
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der
sich am 11.01.2004 in Südafrika ereignet hat und bei dem die Klägerin als Beifahrerin erheblich verletzt worden
ist.
2
Die Parteien, die sich 1999 beim Medizinstudium kennengelernt haben, fassten 2003 gemeinsam den
Entschluss, 3 Monate des damals für die Ausbildung als Arzt erforderlichen praktischen Jahres am ... -Hospital
der Universität von S ... in Südafrika zu verbringen. Nach der gemeinsamen Ankunft in Kapstadt mieteten die
Parteien auf den Namen der Beklagten bei der Mietwagenfirma ... am 02.01.2004 einen Pkw mit Schaltgetriebe
(VW Polo) unter Verwendung der Lufthansa-Kreditkarte der Beklagten an (Anl. K 20, Bl. 158/161 d.A.). Beide
hatten vereinbart, dass das Fahrzeug für die Dauer des Aufenthaltes in Südafrika ihnen gemeinsam zur
Verfügung stehen sollte, dass die hieraus resultierenden Kosten gemeinsam getragen werden und dass sie
sich beim Fahren abwechseln. Aus diesem Grunde wurde die Klägerin als weitere Fahrerin im Mietvertrag
eingetragen. Beide Parteien waren mit den in Südafrika geltenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz von
Verkehrsteilnehmern bei Personen- und Sachschäden nicht vertraut und gingen übereinstimmend davon aus,
es bestehe bei einem Unfall im Straßenverkehr eine dem Rechtszustand in Deutschland vergleichbare
Absicherung. Auf die Vereinbarung einer zusätzlich angebotenen Haftungsbeschränkung bzw.
Haftungsbefreiung für Schäden am Mietwagen („collision damage waiver“) verzichteten die Parteien, weil die
Beklagte angab, nach den Bedingungen ihres Kreditkartenvertrages zumindest vorübergehend über einen
Vollkaskoversicherungsschutz zu verfügen. Das von der Mietwagenfirma ebenfalls unterbreitete Angebot auf
Abschluss einer zusätzlichen Diebstahlsversicherung („theft loss waiver“) und einer privaten Unfallversicherung
(„personal accident insurance“) nahmen die Parteien - aus teilweise umstrittenen Gründen - nicht an.
3
Am 09.01.2004 unternahmen die Parteien einen Wochenendausflug von Kapstadt nach 7340 Citrusdal, bei dem
sie zwei weitere Personen mitnahmen. Hierbei wurde der Wagen von der Beklagten gesteuert. Bei der
Rückfahrt am 11.01.2004 bog die Beklagte im Bereich der Kreuzung A ... von einem Feldweg auf die N 7
National Road in Richtung Kapstadt ein unter Missachtung des in Südafrika geltenden Linksfahrgebotes, indem
sie den rechten Fahrstreifen befuhr. Kurze Zeit nach dem Abbiegevorgang kam es zu einer Frontalkollision mit
einem ordnungsgemäß auf der linken Fahrspur fahrenden Kraftfahrzeug.
4
Durch den Unfall wurden beide Parteien erheblich verletzt. Die auf dem Beifahrersitz sitzende Klägerin wurde
zwischen Sitz und Armaturenbrett eingeklemmt und konnte erst nach 1 Stunde von den Rettungskräften aus
dem Auto befreit werden. Sie erlitt hierbei insbesondere eine längsgradig offene trans- und supracondyläre
Femurtrümmerfraktur rechts, eine distale Unterarmfraktur links, eine hintere Beckenringfraktur mit transossärer
Os sacrum-Fraktur links, eine vordere Beckenringfraktur rechts, ein subkapsuläres Milzhämatom, eine
Platzwunde am Kopf im Bereich der linken Augenbraue über eine Länge von ca. 10 cm und eine Prellmarke am
Hals, verursacht durch den Sicherheitsgurt.
5
Die Klägerin wurde bis zum 20.01.2004 zur stationären Behandlung im N 1-City-Hospital aufgenommen, wo am
11.01.2004 die Trümmerfraktur am rechten Oberschenkel mit einem Fixateur externe versorgt wurde. Die
distale Unterarmfraktur links wurde mit einer Kirschnerdrahtosteosynthese therapiert. Nach einem
Rücktransport im Liegen per Flugzeug am 20.01.2004 schloss sich ein stationärer Aufenthalt in der B ... bis
zum 24.02.2004 an. Dort wurde am 23.01.2004 wegen der Femurtrümmerfraktur rechts eine LISS-
Plattenosteosynthese vorgenommen sowie eine minimalinvasive transartikuläre IS-Verschraubung des linken
hinteren Beckenrings sowie eine Schraubenosteosynthese am rechten Schambeinast mit insgesamt drei
Schrauben. Am 19.02.2004 wurde der Draht aus dem Unterarm entfernt. Eine stationäre
Rehabilitationsmaßnahme in ... war bis zum 23.03.2004 erforderlich. Bis zum 14.05.2004 dauerte die
ambulante Rehabilitation im Rehabilitationszentrum in S ... an.
6
Zum 31.05.2004 setzte die Klägerin ihre medizinische Ausbildung im praktischen Jahr fort. Im Rahmen der
stationären Behandlung in der B ... zwischen dem 04.07. und dem 06.07.2005 erfolgte eine Arthroskopie des
rechten Kniegelenkes sowie die Entfernung zweier Schrauben.
7
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz ihres durch den Unfall entstandenen materiellen Schadens in
Höhe von 19.052,97 EUR (Antrag Ziff. 1), die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von
mindestens 20.000,00 EUR (Antrag Ziff. 2) sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr
sämtlichen weiteren materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen (Antrag Ziff. 3). Sie trägt
vor, ein Student habe sie und die Beklagte zur Mietwagenfirma begleitet. Dieser habe dort zuvor ebenfalls ein
Fahrzeug angemietet und in seinem Mietvertrag, der damals vorgelegen habe, alle angebotenen
Zusatzversicherungen abgeschlossen gehabt. Vor der Anmietung des Unfallfahrzeuges habe die Beklagte
erklärt, bei einer Bezahlung mittels ihrer Kreditkarte bestehe nicht nur ein Sachschadensversicherungsschutz,
sondern auch ein Diebstahlsversicherungs- sowie ein privater (Insassen-) Unfallversicherungsschutz. Auf die
Richtigkeit dieser Angaben habe sie sich verlassen, weshalb - anders als im Vertrag des sie begleitenden
Studenten - insbesondere keine zusätzliche Unfallversicherung abgeschlossen worden sei. Über den
Kreditkartenvertrag der Beklagten seien aber in Wahrheit lediglich die Sachschäden am Mietfahrzeug versichert
gewesen.
8
Sie habe den Mietwagen auf der gemeinsamen Fahrt vom 11.01.2004 nicht steuern wollen, weil sie mit dem
Schaltgetriebe nicht vertraut gewesen sei. Die Beklagte sei vom Feldweg nach rechts in die National Road
eingebogen.
9
Der South African Road Accident Fund gewähre Verkehrsunfallopfern eine Entschädigung in Höhe von maximal
25.000,00 ZAR/ca. 3.250,00 EUR. Über die Versicherung der Mietwagenfirma, sofern eine solche bestehe,
seien Personenschäden nur bis zu einem Höchstbetrag von 250.000,00 ZAR je verletzter Person abgedeckt.
Eine Deckungszusage von einer südafrikanischen Versicherungsgesellschaft sei bislang nicht zu erhalten
gewesen.
10 Für die Annahme eines Haftungsausschlusses für einfache Fahrlässigkeit sei kein Raum. Der Umstand, dass
beide Seiten von einem mit dem deutschen Haftpflichtrecht vergleichbaren Haftpflichtschutz ausgegangen
seien, verbiete eine ergänzende Vertragsauslegung in diesem Sinne. Bei Kenntnis der wahren Rechtslage wäre
für einen zusätzlichen Versicherungsschutz gesorgt oder aber von der Anmietung abgesehen worden; zur
Vereinbarung eines Haftungsausschlusses wäre es nicht gekommen.
11 Die Frage, ob das Fehlverhalten eines Unfallbeteiligten als grob fahrlässig zu werten sei, beurteile sich nach
den am Unfallort geltenden Verkehrsnormen. Die Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig verursacht. Die
Klägerin bestreitet, dass eine mangelnde Erfahrung im Linksverkehr zum Unfall geführt hat.
12 Ihre materiellen Schäden (insbesondere Klinikkosten, Arzt- und sonstige Behandlungskosten, Transportkosten,
Verdienstausfall etc.) hat die Klägerin auf 19.052,97 EUR beziffert. Von einem gesundheitlichen Dauerschaden
sei auszugehen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 %. Die LISS-Platte sei noch nicht entfernt
worden, es bestehe in Zukunft die Gefahr einer Arthrose, die zu weiteren Erschwernissen führen könne. Wegen
der erlittenen immateriellen Nachteile sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR
angemessen. Auf Grund der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung des Schadens bestehe ein
Feststellungsinteresse für den geltend gemachten Feststellungsantrag.
13 Die Beklagte behauptet, vor bzw. bei der Anmietung des Fahrzeuges sei über eine (Insassen-)
Unfallversicherung nicht gesprochen worden, lediglich über einen zusätzlichen Vollkaskoversicherungsschutz.
Da ein solcher bei Bezahlung mit der Kreditkarte nach den Bedingungen ihres Kreditkartenvertrages (Anl. B 2,
Bl. 130/131 d.A.) mit einem geringen Selbstbehalt bereits gewährleistet gewesen sei, hätten sie vom
diesbezüglichen Angebot der Mietwagenfirma nicht Gebrauch gemacht. Richtig sei, dass die Parteien bei der
Anmietung eines Fahrzeuges von einem Studenten begleitet worden seien. Nachdem die Beklagte zunächst
hat vortragen lassen, dessen Mietvertrag habe bei den Vertragsverhandlungen vorgelegen und sei dahin
erläutert worden, so erfolge üblicherweise ein Vertragsschluss in Südafrika (vgl. Bl. 119 d.A.), wurde von der
Beklagten im weiteren Verlauf des Prozesses bestritten, dass dessen Mietvertrag vorgelegen habe (Bl.192
d.A.).
14 Die Klägerin habe den Mietwagen wegen des Schaltgetriebes und des Linksverkehrs nicht steuern wollen. Sie
sei vor dem Unfall nach links auf die National Road eingebogen. Der Zusammenstoß sei durch ihre fehlende
Fahrpraxis im Linksverkehr hervorgerufen worden. Es habe sich um ein Augenblicksversagen gehandelt.
Insgesamt sei der Verkehrsverstoß nicht als grob fahrlässig zu werten.
15 Sie ist der Auffassung, eine Haftung für einfache Fahrlässigkeit sei konkludent abbedungen worden. Über das
Mietwagenunternehmen bestehe ein Versicherungsschutz je verletzter Person über 250.000,00 ZAR (vgl. Anl.
B 4, Bl. 134/141 d.A.).
16 Die von der Klägerin in Anspruch genommenen privaten Behandlungen seien teilweise nicht erstattungsfähig,
weil kassenärztliche Leistungen hätten in Anspruch genommen werden müssen. Die behauptete Minderung der
Erwerbsfähigkeit wird von ihr bestritten, ebenso ein unfallbedingter Verdienstausfallschaden. Das
Schmerzensgeld sei übersetzt.
17 Das Landgericht hat mit Teil- und Grundurteil vom 05.06.2007 sowohl den Zahlungsanspruch als auch den
Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag
stattgegeben. Die Anspruchsgrundlagen und die Haftungsfolgen seien nach deutschem Recht zu beurteilen, die
Schuldfrage nach den am Unfallort geltenden Verkehrsvorschriften. Der streitgegenständliche Unfall sei von der
Beklagten in Anbetracht der zu berücksichtigenden subjektiven Seite der Verantwortlichkeit nicht grob
fahrlässig verursacht worden, weil die Beklagte den Linksverkehr nicht gewohnt gewesen sei. Eine
Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit lasse sich weder aus § 708 BGB noch aus einer
konkludenten Vereinbarung der Parteien ableiten. Die Risiken seien im vorliegenden Fall in gleichem Maße auf
beide Seiten verteilt gewesen. Jeder der Beteiligten habe ein erhebliches Interesse daran gehabt, dass der
jeweilige Fahrer die Sorgfaltsanforderungen im Verkehr auch ihm gegenüber in vollem Umfang wahrnehme und
bei einfacher Fahrlässigkeit hafte. Der Umstand, dass die Parteien möglicherweise vom Bestehen eines
Versicherungsschutzes ausgegangen seien, rechtfertige keine andere Betrachtung, da im Falle eines
Versicherungsschutzes ein Haftungsausschluss nicht im Interesse der Parteien gelegen hätte.
18 Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte eingelegte und begründete Berufung der Beklagten,
mit der sie ihren Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgt. Sie macht, ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzend
und vertiefend, geltend, sie habe wegen der kurzen Wegstrecke auf der Nationalstraße bis zum Unfall keine
Möglichkeit gehabt, den Verkehrsverstoß zu erkennen und zu korrigieren. Ein Ungleichgewicht bei der
Risikotragung habe deswegen bestanden, weil die Klägerin das Führen des Mietfahrzeuges wiederholt u.a.
auch mit der Begründung abgelehnt habe, dem Linksverkehr noch nicht gewachsen zu sein. Daher habe das
Haftungsrisiko ausschließlich sie getroffen. Bei Kenntnis des Umstandes, dass ein
Haftpflichtversicherungsschutz nach deutschen Maßstäben in Südafrika nicht besteht, hätte jede der beiden
Parteien als Fahrerin einen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit erwarten bzw. als Beifahrerin einen
solchen dem anderen Teil zugestehen müssen. Für einen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit
spreche das gemeinsam eingegangene Vertragsverhältnis, die Gefahrengemeinschaft der gemeinsamen Reise,
die Gefahr, im Falle gerichtlicher Auseinandersetzungen sich in einer fremden Rechtsordnung gegen
Ansprüche zur Wehr setzen zu müssen, ein besonderes Interesse der Klägerin daran, dass sie, die Beklagte,
den Mietwagen steuert sowie die Teilnahme im relativ ungewohnten Linksverkehr mit einem erheblichen
Unfallrisiko.
19 Den Vertrag, den der Student, der sie bei der Anmietung begleitet habe, habe sie nie gesehen. Sie wisse nicht,
zu welchen Konditionen dieser geschlossen worden sei und ob er eine Zusatzversicherung beinhaltet habe.
20 Die Beklagte beantragt,
21 das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Tübingen - 4 O 397/06 - vom 05.06.2007 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
22 Die Klägerin beantragt,
23 die Berufung zurückzuweisen.
24 Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil insoweit, als dieses einen konkludenten Haftungsausschluss
verneint hat. Sie hebt hervor, eine (Insassen-) Unfallversicherung sei nur deswegen nicht abgeschlossen
worden, weil die Beklagte behauptet habe, eine derartige Versicherung habe über ihren Kreditkartenvertrag
bestanden.
25 Besondere Umstände, die die Annahme eines Haftungsverzichtes rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Auf
Grund der unzutreffenden Angaben der Beklagten über einen bestehenden Versicherungsschutz sei auf eine
zusätzliche Absicherung verzichtet worden. Wegen der übereinstimmenden Vorstellung beider Parteien, über
einen ausreichenden Versicherungsschutz zu verfügen, könne mangels Regelungsbedarfes nicht per Fiktion
ein Haftungsausschluss konstruiert werden. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin als
Geschädigte das Risiko einer Verletzungshandlung durch die Beklagte als Schädiger auf sich habe nehmen
wollen, zumal diese auf die Schadensentstehung keinen Einfluss gehabt habe.
26 Die Beklagte habe nach dem Abbiegevorgang auf der National Road wenigstens ca. 200 m bis zum
Unfallereignis zurückgelegt, weshalb ein schwerwiegender Fahrfehler gegeben sei. Im Hinblick auf die objektive
Gefährlichkeit des Verhaltens der Beklagten sei von grober Fahrlässigkeit selbst für den Fall eines
Augenblicksversagens auszugehen. Die örtlichen Verhältnisse seien der Beklagten durch die Hinfahrt zum
Ausflugsort bekannt gewesen.
27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu
den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.
28 Die Klägerin hat auf die Hinweise des Senats im Termin vom 19.11.2007 mitgeteilt, der bei der Anmietung des
Mietwagens anwesende Student könne nicht namentlich benannt und der von diesem abgeschlossene
schriftliche Mietvertrag nicht beigebracht werden.
II.
29 Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin nicht zum Schadensersatz
verpflichtet. Zu Gunsten der Beklagten greift ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit ein, der sich
sowohl auf deliktische als auch auf mögliche vertragliche Ansprüche der Klägerin erstreckt, die sich aus dem
hier in Rede stehenden Verkehrsverstoß ergeben können. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der
Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden.
30 1. Es liegt ein zulässiges Grund- und Teilurteil vor. Im vorliegenden Fall werden die verschiedenen Ansprüche
der Klägerin (auf Leistung und Feststellung) aus dem gleichen tatsächlichen Vorgang abgeleitet und bilden
einen einheitlichen Klagegrund im Sinne von §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 260 ZPO. Dem ist jedoch durch den Erlass
eines Grundurteiles gemäß § 301 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Rechnung getragen worden, sodass die Gefahr
widersprüchlicher Entscheidungen im Teil- und Schlussurteil nicht besteht.
31 2. Ansprüche aus § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 230 StGB, § 253 BGB gegen die Beklagte wegen dem
Unfallereignis vom 11.01.2004 bestehen nicht.
32 a) Es ist deutsches Haftungsrecht anzuwenden. Der Anspruch der Klägerin unterliegt dem Deliktsstatut.
Deliktsstatut ist nach dem deutschen internationalen Privatrecht grundsätzlich das Recht des Tatortes als
diejenige Rechtsordnung, die den engsten räumlichen Bezug zur Sache aufweist (Art. 40 Abs. 1 Satz 1
EGBGB). Das Tatortrecht kommt aber dann nicht zur Anwendung, wenn Schädiger und Geschädigter zur Zeit
des Haftungsereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat hatten (Art. 40 Abs. 2 S. 1
EGBGB). Dann ist diese Rechtsordnung das sachnähere Recht. Dies ist hier der Fall, weil beide Parteien
deutsche Staatsangehörige sind und vor dem Zeitpunkt des Unfalles ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
begründet hatten. Dieser wurde durch die 3-monatige Ausbildung in Südafrika nicht beseitigt, weil es sich
insoweit um eine vorübergehende Abwesenheit gehandelt hat (OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.06.1961 - 4 W
58/61 - ... NJW 1961, 1586; BayObLG, Beschl. v. 23.07.1992 - 32 AR 102/92 - NJW 1993, 670).
33 Darüber hinaus wurde zwischen den Parteien eine konkludente Rechtswahlvereinbarung getroffen, die zur
Anwendung deutschen Rechts führt (Art. 42 EGBGB). Dies war schon in erster Instanz dadurch der Fall, dass
die Parteien dort übereinstimmend deutsches Recht für anwendbar hielten (BGHZ 98, 263, 274; BGH, Urt. v.
22.12.1987 - VI ZR 6/87 - NJW-RR 1988, 534). Gleiches gilt für die Berufungsinstanz.
34 Das Deliktsstatut hat grundsätzlich einen umfassenden Geltungsbereich. Es beherrscht Voraussetzungen und
Rechtsfolgen einer unerlaubten Handlung (BGH VersR 1960, 990, 991; Junker in Münchener Kommentar, 4.
Aufl., RN 199 zu Art. 40 EGBGB). Eine Einschränkung des Deliktsstatuts ergibt sich aus der Beachtung
örtlicher Verkehrsregeln und Sicherheitsvorschriften, die stets dem Recht des Unfallortes zu entnehmen sind
(BGH, Urt. vom 23.01.1996- VI ZR 291/94 - NJW-RR 1996, 732 m.w. Nachw.).
35 b) Unstreitig erlitt die Klägerin durch den streitgegenständlichen Unfall vom 11.01.2004 erhebliche
Gesundheitsverletzungen. Ebenso unstreitig ist die Beklagte für den von ihr verursachten Unfall verantwortlich,
weil sie das in Südafrika geltende Linksfahrgebot fahrlässig verletzt hat.
36 c) Jedoch ist davon auszugehen, dass die Haftung der Beklagten auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz
beschränkt ist.
37 aa) Ein Wille zum Haftungsausschluss kann sich konkludent aus den Umständen ergeben. Für einen
entsprechenden Willen der Parteien müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen; das Zurückgreifen auf den
Parteiwillen darf keine Fiktion sein (BGH, Urt. v. 11.02.1964 - VI ZR 271/62 - NJW 1964, 860; BGH , Urt. v.
08.01.1965 - VI ZR 234/63 - NJW 1965, 907). Ein Haftungsausschluss kann sich auch aus einer ergänzenden
Vertragsauslegung ergeben (BGH, Urt. v. 14.11.1978 - VI ZR 178/77 - NJW 1979, 414; BGH, Urt. v. 18.12.1979
- VI ZR 52/78 - NJW 1980, 1681). Sie kommt aber nur in Betracht, wenn feststeht, dass der Schädiger, wäre
die Rechtslage vorher besprochen worden, einen Haftungsausschluss gefordert und der Geschädigte diesen
billigerweise nicht hätte ablehnen dürfen (BGH a.a.O; BGH, Urt. v. 9.06.1992 - VI ZR 49/91 - NJW 1992, 2474).
Für die Beurteilung sind die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten von wesentlicher Bedeutung. Eine
Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern seinen Versicherer entlastet, entspricht in der Regel
nicht dem Parteiwillen (BGH, Urt. v. 13.07.1993 - VI ZR 278/92 - NJW 1993, 3067; BGHZ 39, 156, 158; OLG
Koblenz, Urt. v. 11.10.2004 - 12 U 1197/03 - NJW-RR 2005, 1048). Sie setzt vielmehr grundsätzlich voraus,
dass für den Schädiger, der gerade keinen Versicherungsschutz genießt, ein nicht hinzunehmendes
Haftungsrisiko gegeben wäre und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen
Haftungsverzicht des Geschädigten als besonders naheliegend erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 13.07.1993 -
VI ZR 278/92 - NJW 1993, 3067).
38 bb) Vor diesem rechtlichen Hintergrund lässt sich ein konkludenter Haftungsausschluss nicht aus einem
entsprechenden Willen der Parteien ableiten. Da sowohl die Klägerin als auch die Beklagte von einem dem
Rechtszustand im Inland vergleichbaren Versicherungsschutz ausgingen, hätte ein Haftungsverzicht nur den
Versicherer des Schädigers entlastet, was regelmäßig und auch im vorliegenden Fall nicht dem Parteiwillen
entspricht.
39 Ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit ergibt sich hier jedoch im Wege einer ergänzenden
Vertragsauslegung im Rahmen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses bzw. eines von einer
Gefahrengemeinschaft getragenen Auftragsverhältnisses (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1978 - VI ZR 178/77 - NJW
1979, 414). Denn hinsichtlich der tatsächlich in Südafrika bestehenden Versicherungsverhältnisse bei einem
Verkehrsunfall befanden sich beide Parteien in einem Irrtum. Nicht nur die Beklagte ging nach ihrem eigenen
Vortrag davon aus, dass in Südafrika ein dem hiesigen Rechtszustand entsprechender gesetzlicher
Versicherungsschutz eingreift, sondern auch die Klägerin, wie diese bei der informatorischen Anhörung im
Termin vom 19.11.2007 ausdrücklich bestätigt hat (Bl. 277 d.A.). In Wirklichkeit besteht in Südafrika keine
Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Vielmehr ist dort aufgrund der hohen Anzahl nicht
versicherter Personenkraftwagen im Straßenverkehr ein Verkehrsunfall-Fonds (South African Road Accident
Fund Act von 1996) eingerichtet worden, an den unschuldig an einem Verkehrsunfall beteiligte Geschädigte
Schadensersatzansprüche richten können und der durch die Benzinsteuer finanziert wird (vgl. dazu den Beitrag
zur aktuellen Entwicklung in der südafrikanischen Kraftfahrtversicherung in K-Forum 1/2006 der Münchener
Rück, S. 12/14). Allerdings ist der Schadensersatzanspruch für einen Mitfahrer in einem Fahrzeug, welches
den Unfall verursacht hat, auf 25.000,00 ZAR beschränkt (vgl. dazu Abschnitt 18 Abs. 1 lit. a) des Road
Accident Fund Act, abrufbar im Internet unter http://www.info.gov.za/gazette/acts/1996/a56-96.htm, sowie die
Erläuterungen der South African Law Commission, abrufbar unter http://www.saflii.org/za/other/zalc/dp/97/97-
Appendix-3.html). Dies entspricht bei einem Umrechnungskurs von 1 Rand = 0,11556 EUR zum Januar 2004
(gem. den Angaben des Bundesverbandes deutscher Banken zum Währungskurs, abrufbar unter
http://www.bankenverband.de/html/reisekasse/waehrungsrechner.asp) einem Betrag von ca. 3.000.- EUR.
Somit ist die Deckungssumme sehr gering. Ob ein Versicherungsschutz über die Mietwagenfirma bestand und
in welchem Umfang diese für entstehende Personenschäden eintreten würde, war bei Antritt der Fahrt für beide
Parteien im Einzelnen nicht überschaubar. Insbesondere war unklar, ob es - wie dann tatsächlich geschehen -
dazu kommen konnte, dass die Beklagte persönlich wegen des vollen Schadens belangt werden würde. Hinzu
kommt, dass beide Parteien, die sich schon seit geraumer Zeit kannten, gemeinsam die Absolvierung eines
Teiles ihrer medizinischen Ausbildung in Südafrika geplant und durchgeführt haben, dass sie durch ein
gemeinsam mit der Mietwagenfirma eingegangenes Vertragsverhältnis miteinander verbunden waren, dass sie
während des gemeinsamen Aufenthaltes in Südafrika im Allgemeinen und im Rahmen der dortigen
Verkehrsteilnahme im Besonderen eine Gefahrgemeinschaft bildeten und dass das Risiko, dort im
Straßenverkehr einen Personenschaden zu erleiden, durch den Linksverkehr in ganz erheblichem Maße erhöht
war (OLG Koblenz, Urt. v. 11.10.2004 - 12 U 1197/03 - NJW-RR 2005, 1048). Zu berücksichtigen ist zusätzlich,
dass die Gefahr bestand, im Falle gerichtlicher Auseinandersetzungen sich in einer fremden Rechtsordnung
gegen Ansprüche zur Wehr setzen zu müssen (OLG Köln, Urt. v. 19.09.2001 - 26 U 24/1 - MDR 2002, 150).
40 Hätten die Parteien ihren Irrtum sowie das besondere Haftungsrisiko bei einer Teilnahme am Straßenverkehr in
Südafrika gekannt und sich über die eventuellen Folgen eines Unfalles unterhalten, wäre zwischen den
Parteien billigerweise (§ 242 BGB) wechselseitig ein Haftungsverzicht für einfache Fahrlässigkeit vereinbart
worden. Unter den genannten besonderen Umständen hätte für die Beklagte kein vernünftiger Anlass
bestanden, sich dem Risiko einer persönlichen Haftung auszusetzen mit sich daraus ergebenden
weitreichenden nachteiligen Folgen. Gleiches gilt für die Klägerin. Bei Wertung dieser Umstände ist vielmehr
davon auszugehen, dass die Klägerin sich redlicherweise darauf hätte einlassen müssen, auf eine Haftung der
Beklagten für einfache Fahrlässigkeit zu verzichten oder von der Beförderung durch sie Abstand zu nehmen,
denn ansonsten hätte die Beklagte die Durchführung der Fahrt ohne zusätzlichen Versicherungsschutz
vernünftigerweise abgelehnt.
41 Offen bleiben kann, ob und inwieweit tatsächlich ein über die Mietwagenfirma abgeschlossener (teilweiser)
Versicherungsschutz für die Unfallschäden der Klägerin nach südafrikanischem Recht bestand oder nicht, was
anhand der von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Informationen nicht beurteilt werden kann. Zwar setzt
eine Haftungsbeschränkung im vorerwähnten Sinne grundsätzlich voraus, dass für den Schädiger, gerade weil
er keinen Versicherungsschutz genießt, ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko besteht. Ein solches ganz
erhebliches Haftungsrisiko war hier aber auch im Fall des Bestehens einer zusätzlichen Unfallversicherung
gegeben. Denn aus den Bedingungen der Personenunfall-Gruppen-versicherung bei der S ... , die
möglicherweise einen Versicherungsschutz für die Klägerin gewährt, geht hervor, dass die Entschädigung auf
250.000,00 ZAR (Medical Expenses) je versicherte Person beschränkt ist (vgl. Anl. B 4, Bl. 136 d.A.). Bei
Heranziehung des vorerwähnten Umrechnungskurses ergibt dies einen Betrag von knapp 30.000,00 EUR,
wobei ein Schmerzensgeld von der Versicherung nicht umfasst ist. In Anbetracht des massiv erhöhten
Risikos, in Südafrika im Straßenverkehr schwere Gesundheitsnachteile zu erleiden, und einer daraus
resultierenden existenzgefährdenden Haftung ist die Situation der Beklagten auch dann vergleichbar mit
derjenigen, in der kein Versicherungsschutz besteht. Gleiches gilt für die Absicherung durch den South African
Road Accident Fund.
42 Unerheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits ist, ob die Klägerin mit Rücksicht auf den Linksverkehr
zunächst Abstand davon genommen hat, das Mietfahrzeug zu steuern. Nach dem eigenen Vorbringen der
Klägerin wurde ein Führen des Mietwagens während des gemeinsamen Wochenendausfluges aufgrund des
Schaltgetriebes des Mietwagens abgelehnt. Daher bestand für die Klägerin durchaus ein Interesse daran, dass
die Beklagte das Steuer übernahm (OLG Koblenz, a.a.O.). Im Übrigen wollten sich die Parteien nach der
ursprünglich getroffenen Absprache beim Fahren abwechseln. Danach hätte jede der beiden Parteien in
austauschbarer Weise aus einem Unfall als Anspruchstellerin bzw. Anspruchsgegnerin hervorgehen können,
was ebenfalls für einen wechselseitigen Haftungsverzicht spricht.
43 Die Behauptung der Klägerin, durch eine Fehlinformation der Beklagten sei die Vereinbarung einer
Unfallversicherung verhindert worden, führt zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung. Dabei kann
dahinstehen, ob diese streitige Behauptung in der Sache zutreffend ist. Denn die Klägerin nahm - wie die
Beklagte auch - bei Abschluss des Mietvertrages an, dass bei einer Teilnahme am Straßenverkehr ohnehin ein
dem hiesigen Rechtszustand vergleichbarer Grundversicherungsschutz gewährleistet sei. Daher war nach der
Vorstellung der Klägerin die Erlangung eines zusätzlichen Unfallversicherungsschutzes nicht von
entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grunde konnte ihr rechtsgeschäftlicher Wille von einer möglichen
Fehlinformation durch die Beklagte nicht maßgeblich beeinflusst werden. Daraus folgt, dass die fragliche
Erklärung der Beklagten, über ihren Kreditkartenvertrag bestehe bereits ein Unfallversicherungsschutz, bei der
hier vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung außer Betracht zu lassen ist. Es ist daher auch nicht
von Relevanz, welchen Schutz gegebenenfalls die von der Mietwagenfirma offerierte Zusatzversicherung
geboten hätte und wie sie etwa betragsmäßig beschränkt gewesen wäre, was die Parteien nicht mitteilen
konnten.
44 Die weitere Argumentation der Klägerin, der Annahme eines Haftungsverzichts stehe entgegen, dass bei
Kenntnis der wahren Rechtslage für einen ausreichenden Versicherungsschutz gesorgt worden und nicht ein
Haftungsausschluss vereinbart worden wäre, geht fehl. Dass kein genügender Unfallversicherungsschutz zur
Deckung der durch den Unfall erlittenen Schäden besteht, bildet gerade den Anlass für eine ergänzende
Vertragsauslegung und ist ein unabänderliches Faktum, sodass sich die Frage einer Änderung der
Versicherungsverhältnisse nicht stellt. Vielmehr hat die ergänzende Vertragsauslegung nach der zitierten
Rechtsprechung auf der Basis der tatsächlichen Verhältnisse zu erfolgen.
45 cc) Ein Haftungsverzicht ist hier auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte den Unfall grob
fahrlässig verschuldet hätte. Zwar erstreckt sich ein stillschweigender Haftungsausschluss nicht auf grobe
Fahrlässigkeit und Vorsatz (OLG Köln, a.a.O.; OLG Hamm, Urt. v. 23.03.1998 - 6 U 191/97 - NJW -RR 1998,
1557; OLG Frankfurt, Urt. v. 18.11.1997 - 17 U 103/09 - NJW 1998, 1232). Angesichts des Unfallherganges ist
jedoch davon auszugehen, dass die Beklagte den Unfall nur durch einfache Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.
46 (1) Grob fahrlässig verhält sich, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
(BGHZ 10, 69; 89, 153). Das ist im Straßenverkehr im Allgemeinen dann der Fall, wenn sich ein
Verkehrsteilnehmer grob verkehrswidrig verhält (BGHZ 119, 147). Ob ein Fehlverhalten im Straßenverkehr als
grob anzusehen ist, beurteilt sich regelmäßig nach den am Tatort geltenden Verkehrsnormen, denn diese
liefern nicht nur die in der jeweiligen Verkehrssituation maßgebenden Verhaltensgebote, sondern - weil
untrennbar damit verbunden - auch den Sorgfaltsmaßstab, an dem das Verschulden eines Verkehrsteilnehmers
im Falle seines Versagens zu messen ist (BGH, Urt. v. 23.01.1996 - VI ZR 291/94 - NJW-RR 1996, 732).
Anders verhält es sich dann, wenn es um die Rechtsbeziehungen der Insassen eines Unfallfahrzeuges
zueinander geht. In solchen Fallkonstellationen rechtfertigt sich die Anwendung des Heimatrechts bzw. des
Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes in Durchbrechung des Tatortprinzips aus der Erwägung,
dass die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen zueinander - und damit auch die Sorgfaltspflichten des einen
gegenüber dem anderen - in dem Fahrzeug gewissermaßen mitgenommen haben (vgl. BGH, Urt. v. 21.02.1978
- VI ZR 58/77 - VersR 1978, 541).
47 Danach beurteilt sich die grobe Fahrlässigkeit hier nach deutschem Recht, denn die Beteiligten wurden nicht
erst im Zeitpunkt des Unfalles nur zufällig am Tatort zusammengeführt, sondern ihre Rechtsbeziehungen
werden durch den bereits früher begründeten sozialen Kontakt und den gemeinsamen Entschluss, eine
Ausbildung im Ausland miteinander zu absolvieren, geprägt.
48 Nach deutschem Recht sind bei der Frage, ob ein Verhalten als grob fahrlässig zu bewerten ist, auch
subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen (BGHZ 119, 249; 10,
17). Den Handelnden muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (BGH, Urt. v.
30.01.2001 - VI ZR 49/00 - NJW 2001, 2092; BGH, Urt. 12.01.1988 - VI ZR 158/87 - NJW 1988, 1265). Ein
Augenblicksversagen ist dabei in der Regel allerdings kein ausreichender Grund, um grobe Fahrlässigkeit zu
verneinen (BGHZ 119, 147; OLG Frankfurt, Urt. v. 08.02.1995 - 23 U 108/94 - NJW-RR 1995, 1368).
49 (2) Bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundsätze stellt sich das Fehlverhalten der Beklagten im
konkreten Fall nicht als grob fahrlässig dar. Unstreitig verfügte die Beklagte vor Antritt des gemeinsamen
Aufenthalts in Südafrika nicht über eine Fahrpraxis im Linksverkehr. Zwischen der Anmietung des Mietwagens
und dem Unfall liegt eine Zeitspanne von wenigen Tagen. Demnach hatte die Beklagte das Fahrzeug vor dem
Unfall nur verhältnismäßig wenig im ungewohnten Linksverkehr bewegt. Besondere Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang ferner dem Umstand beizumessen, dass sich die Beklagte nach einem Abbiegevorgang auf
der falschen rechten Fahrspur eingeordnet hat, was zu dem tragischen Frontalzusammenstoß geführt hat.
Gerade nach einem Abbiegevorgang im Kreuzungsbereich kann es bei geringer Fahrpraxis auf Grund
automatisierten Verhaltens im gewohnten Rechtsverkehr relativ leicht im ungewohnten Linksverkehr zu einem
Fahrfehler führen, wie er hier in Rede steht, ohne dass in subjektiver Hinsicht der Vorwurf eines schweren
Verschuldens gerechtfertigt ist (so auch OLG Koblenz, Urt. v. 11.10.2004 - 12 U 1197/03 - NJW-RR 2005,
1048). Nach der übereinstimmenden Darstellung beider Parteien im erstinstanzlichen Verfahren ereignete sich
der Unfall zudem in kurzer Entfernung vom Kreuzungsbereich (S. 3 der Klagschrift vom 11.12.2006 und S. 3
der Klagerwiderung vom 13.02.2007, Bl. 120 d.A.). Dabei war das entgegenkommende Fahrzeug unstreitig
wegen einer Kurve nicht aus der Distanz erkennbar. Aus diesem Grunde drängte sich der Fahrfehler für die
Beklagte nicht auf. Die Darstellung der Klägerin im Berufungsverfahren, die Beklagte habe sich vor dem
Unfallereignis bereits ca. 10 Sekunden auf der Gegenfahrbahn befunden und hierbei ca. 200 m zurückgelegt,
ändert hieran nichts. Denn hierbei handelt es sich ebenfalls noch um eine verhältnismäßig kurze Wegstrecke
bzw. Zeitdauer.
50 Soweit die Klägerin unter Verweis auf die im Termin vom 19.11.2007 vorgelegten Lichtbilder (Bl. 282/284 d.A.)
hervorhebt, die Beklagte habe nach dem Einbiegevorgang durch 2 auf der anderen Straßenseite angebrachte
Verkehrszeichen ihren Verkehrsverstoß bemerken können, vermag dies nach der Auffassung des Senats den
Vorwurf von grober Fahrlässigkeit nicht zu begründen. In tatsächlicher Hinsicht ist bereits fraglich, ob die
Beklagte zwei Verkehrszeichen passiert hat, weil der Vortrag der Parteien, ob die Beklagte nach links oder
nach rechts auf die N 7 abgebogen ist, nicht deckungsgleich ist und weil deshalb nicht sicher feststeht, dass
es sich bei der auf den Lichtbildern erkennbaren Einfahrt um diejenige handelt, die von der Beklagten befahren
wurde. Indessen kann auch dieser Punkt offen bleiben. Denn auch einem ansonsten aufmerksamen Fahrer
kann ein Einordnen auf der falschen Fahrspur selbst dann im ungewohnten Linksverkehr unterlaufen, wenn in
der Nähe zum Kreuzungsbereich eine Beschilderung vorhanden ist. In solch einer Situation ist sich der Fahrer
typischerweise seiner Pflichtverletzung gerade nicht bewusst, weshalb er nicht ohne weiteres auf
Verkehrszeichen reagiert, wenn diese nicht unmittelbar am Fahrbahnrand des von ihm selbst befahrenen
Fahrstreifens angebracht sind und sich ihm auch nicht sofort sein eigenes Fehlverhalten aufdrängt. Diese
besonderen Umstände lassen das Verhalten der Beklagten insgesamt in einem minder vorwerfbaren Licht
erscheinen.
51 3. Wegen des bestehenden Haftungsverzichts scheiden Ansprüche der Klägerin aus §§ 7, 18 StVG ebenfalls
aus.
52 4. Ansprüche der Klägerin wegen schuldhafter Verletzung von sich aus einem Vertrag über eine (Innen-
)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ergebender Sorgfaltspflichten auf Grund des Fahrfehlers nach §§ 280,
281 BGB kommen nicht in Betracht. Zwar ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH die
Haftungsbeschränkung nach § 708 BGB gem. ihrem Sinn und Zweck auf die gemeinsame Teilnahme im
Straßenverkehr unanwendbar (BGHZ 46, 313; 53, 352; 63, 57). Jedoch erstreckt sich ein Verzicht der Klägerin
auf eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit im Straßenverkehr auch auf gesellschaftsrechtliche
Schadensersatzansprüche, die auf einen solchen Sorgfaltspflichtverstoß bei der Teilnahme im Straßenverkehr
gestützt werden.
53 5. Die Klägerin hat eine unzutreffende Erklärung der Beklagten vor Abschluss des Mietwagenvertrages, für die
sie als Gläubigerin darlegungs- und beweisbelastet ist (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., RN 35 zu § 280 BGB mit
weiteren Nachw.), mit dem Inhalt, es bestehe über die Kreditkarte eine (Insassen-) Unfallversicherung, nicht zu
beweisen vermocht. Es liegt - insbesondere in Anbetracht der widersprüchlichen Einlassungen der Beklagten in
erster Instanz zum Mietvertrag des bei der PKW-Anmietung anwesenden Studenten und dessen Bedeutung als
Vorlage im Rahmen der Vertragsverhandlungen - zwar nahe, dass der Mietvertrag des Begleiters tatsächlich
vorgelegen hat. Daraus kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass die
Parteien die Frage des Bestehens einer Unfallversicherung über den Kreditkartenvertrag der Beklagten
mündlich besprochen haben und dass gerade aus diesem Grunde auf eine Zusatzversicherung verzichtet
wurde, zumal umstritten ist, zu welchen Konditionen der Begleiter seinen Vertrag abgeschlossen und ob er die
Zusatzversicherung gebucht hatte. Wie bereits angesprochen gingen beide Parteien davon aus, ohnehin
ausreichend versichert zu sein. Ihren Vortrag zur angeblichen Fehlinformation durch die Beklagte hat die
Klägerin nicht unter Beweis gestellt. Somit kann dieses Vorbringen nicht Grundlage einer deliktischen oder
vertraglichen Haftung der Beklagten sein.
III.
54 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55 Bei der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht wurde die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom
09.03.2007 (Bl. 142 d.A.) nicht berücksichtigt, weshalb diese zu korrigieren war.
56 Die Revision wird zugelassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Straßenverkehr dann, wenn kein
Gefälligkeitsverhältnis gegeben ist, ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung angenommen werden kann, ist von einer über den vorliegenden Einzelfall
hinausgehenden Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und bislang höchstrichterlich noch nicht hinlänglich
geklärt.