Urteil des OLG Stuttgart vom 20.01.2005

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OLG Stuttgart Urteil vom 20.1.2005, 2 U 133/04
Wohnungseigentum: Wohnungsabschlußtüren als Gemeinschaftseigentum; Vorschußanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers für
Mängel an Gemeinschaftseigentum
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 03.06.2004 geändert.
2. a)Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.996,00 Euro zu bezahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
aus 4.500,00 Euro seit dem 16.10.2003 und aus 496,00 Euro seit dem 26.11.2003.
b)Im Übrigen wird die Klage unter gleichzeitiger Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgewiesen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen als Gesamtschuldner.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 5.000,00 Euro
Gründe
1
I. Die Berufung ist zulässig, der Sache nach überwiegend von Erfolg.
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A Zum einen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Klägerin, die an einem Vorschussanspruch zur Eigenerneuerung der Wohnungseingangstür
der von ihr von den Beklagten erworbenen Eigentumswohnung und der Beanspruchung eines Mietausfallschadens festhält.
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Die Klägerin beantragt:
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1. Das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen wird aufgehoben.
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2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.996,00 Euro zu bezahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz hieraus seit 16.10.2003.
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Hilfsweise:
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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 780,00 Euro zu bezahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
hieraus seit 16.10.2003, weitere 4.216,00 Euro an die Wohnungseigentümergemeinschaft K gasse .. zu Händen der
Wohnungseigentumsverwalterin, der Firma r-GmbH, H straße .., … N, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer F U.
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Die Beklagten beantragen:
10 Die Berufung wird zurückgewiesen.
11 Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung als richtig.
12 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.
13 B 1. Die von den Beklagten aufgeworfenen Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes als Berufungsgericht hat bereits
die Terminsverfügung des Vorsitzenden vom 16.08.2004 verbeschieden (vgl. BGH NJW 2003, 2686, 2687; 2003, 3278, 3279).
14 2. a) Wohnungsabschlusstüren sind unteilbar und nicht sondereigentumsfähig (Commichau in MüKo, BGB, 4. Aufl. [2004], § 5 WEG, 11 m.N.;
Grziwotz in Erman, BGB, 11. Aufl. [2004], § 5 WEG, 6; vgl. auch Hügel in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 5 WEG, 12). Zwar können gemäß § 5
Abs. 3 WEG die Wohnungseigentümer vereinbaren, dass Gegenstände des Sondereigentums gemeinschaftliches Eigentum sein sollen. Die
umgekehrte Regelung ist nicht möglich (OLG Hamm ZMR 1997, 193, 194; Hügel a.a.O. § 5 WEG, 16; Grziwotz a.a.O. § 5, 12). Eine unwirksame
Zuordnung von Vermögen des Gemeinschaftseigentums in der Teilungserklärung zum Sondereigentum kann in eine Vereinbarung über die
Tragung von Instandsetzungskosten umgedeutet werden (OLG Hamm a.a.O. 195; Grziwotz a.a.O. § 5 WEG, 12 m.N.).
15 b) Da danach die im Streit stehende Wohnungsabschlusstür zwingend als Gemeinschaftseigentum zu behandeln ist, gilt: Nach der (für das alte
Recht, nach dem sich vorliegend die Rechtslage beurteilt [vgl. Art. 229 § 5 EGBGB], maßgeblichen) Rechtsprechung des BGH ist der einzelne
Wohnungseigentümer zur selbstständigen, auch gerichtlichen Verfolgung der aus dem Vertragsverhältnis mit dem Veräußerer herrührenden, auf
Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gerichteten Ansprüche befugt. Er kann also - auch ohne Ermächtigungsbeschluss
durch die Gemeinschaft - von dem Veräußerer Nachbesserung - damit aber auch Erfüllung - und unter den Voraussetzungen des § 633 Abs. 3
BGB [a.F.] Ersatz seiner Aufwendungen für die Mängelbeseitigung sowie einen Vorschuss auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten
in voller Höhe verlangen. Die Klagebefugnis des einzelnen Eigentümers erstreckt sich dabei auch auf solche Mängel am
Gemeinschaftseigentum, die außerhalb des räumlichen Bereichs seines Sondereigentums liegen (BGH NJW 1988, 1718; Senat BauR 2003,
1394, 1395; vgl. zu allem: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdn. 478 m.umfängl.N.; ferner Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 634, 15;
Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. [2004], 11. Teil, 251, 257, 259 und 261). Unbestritten ist, dass der einzelne
Wohnungseigentümer von sich aus den Veräußerer hinsichtlich der Nachbesserung mahnen, also in Verzug setzen kann, um den Anspruch aus
§ 633 Abs. 3 BGB [a.F.] geltend machen zu können (BGH NJW 1988, 1718; Senat a.a.O. 1395; Werner/Pastor a.a.O. 478; Voit in Bamberger/Roth,
BGB [2003], § 631, 98; Palandt/Sprau a.a.O. § 634, 15). Der einzelne Wohnungseigentümer kann die Leistung des Vorschusses an sich
allerdings nur bei entsprechender Ermächtigung durch die Gemeinschaft verlangen (Senat BauR 2003, 1394, 1397; Palandt/Sprau a.a.O. § 634,
15; Koeble a.a.O. 261). Sonst ist die Leistung an alle gemeinsam zu erbringen (Voit a.a.O. § 631, 98 m.w.N.). Hat die
Wohnungseigentümergemeinschaft einen von der Vorgehensweise des einzeln klagenden Wohnungseigentümers abweichenden
bestandskräftigen Beschluss über die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten gefasst, so hindert dieser den einzelnen
Wohnungseigentümer daran, im Widerspruch dazu eigene Gewährleistungsvorstellungen zu verfolgen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 89 und
90; Voit a.a.O. 99; vgl. auch Senat a.a.O. 1396; Palandt/Sprau a.a.O. 15; Koeble a.a.O. 257; offen gelassen in BGH NJW 1988, 1718).
16 3. Vorschussanspruch.
17 a) Die Tür ist Gemeinschaftseigentum. Daran könnte auch die Teilungserklärung nichts ändern, weshalb es auf die Auslegung des dortigen § 2 c
oder § 8 nicht ankommt. Im Übrigen setzt § 8 Nr. 4 dieser Teilungserklärung gerade selbst voraus, dass "Abschlusstüren und dergleichen" dem
Gemeinschaftseigentum unterfallen, da sonst die Fassung als Ausnahmeregel, wonach diese Gegenstände aufgrund ihrer bloßen räumlichen
Nähe zum Sondereigentum der Instandsetzungspflicht des jeweiligen Sondereigentümers unterworfen werden, unverständlich wäre.
18 b) aa) Die Klägerin kann vorliegend auch Zahlung an sich selbst verlangen. Denn § 8 Nr. 4 Satz 3 und 4 der Teilungserklärung (K 1 = Bl. 8 bis 35,
dort Bl. 17/18) überträgt die Instandsetzung von "Abschlusstüren und dergleichen", die sich - und dies ist der Unterschied zu Satz 1 - im
räumlichen Bereich des Sondereigentums befinden, dem Eigentümer des betreffenden Sondereigentums auf seine Kosten. Damit muss aber
folgerichtig dem jeweiligen Eigentümer auch die Rechtsmacht eingeräumt sein, den Anspruch selbstständig, und zwar mit Zahlung an sich, zu
verfolgen. In dieser Regelung liegt mithin eine abstrakte Ermächtigungsvereinbarung.
19 bb) Diese Vereinbarung ist auch nicht durch einen konkreten und bestandskräftigen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die
Wahrnehmung von Gewährleistungsrechten in dieser konkreten Frage geändert worden, weshalb die Klägerin auch nicht an der vorliegenden
Rechtsverfolgung gehindert ist. Denn auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.06.2004 (BK 1 = Bl. 180 bis 181) sind keine
Beschlüsse gefasst worden, die in Widerspruch zu der Vorgehensweise der Klägerin stünden. "In Sachen Wohnungseingangstüren und
Änderung Türsturz" (TOP 7) wurde, weil in dem hier betroffenen Rechtsstreit noch kein Urteil vorliege, "beschlossen, diesen Punkt zu vertagen".
Die Beschlussfassung hinsichtlich der "Treppenhausschließung ..." (TOP 6) hält die Hausverwaltung nur an, eine Kostenermittlung bezüglich
eines Vorschlags einer Fachfirma zu veranlassen. Hinsichtlich der genauen Ausführung soll erst noch ein Gutachten eingeholt werden. Erst
danach soll der Verwaltungsbeirat entscheiden. Die baurechtlichen Erfordernisse sind noch gar nicht geklärt. Danach liegt auch kein Beschluss
der Gesellschaft über eine ganz bestimmte Ausführung der Treppenhausschließung vor, dem danach auch keine Bindung für die technische Art
der Nachbesserung der hier in Rede stehenden Wohnungseingangstür der Klägerin zukommen kann.
20 c) aa) Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten (Werner/Pastor a.a.O. 1584;
Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 633, 8 a).
21 bb) Der Sachverständige E hat festgestellt, dass sich das Türblatt wölbt (Beiakte Bl. 96 und 98). Die Türausführung wird auch ihrer klimatischen
Belastung nicht gerecht (dort Bl. 98). Folglich gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass ein neues Türblatt einzusetzen ist (dort Bl.
99), und veranschlagte die Kosten dafür auf 1.690,00 Euro (dort Bl. 100). Das Angebot H vom 11.9.2003 (Bl. 121) bestätigt nur ergänzend, dass
das Türblatt bei dieser klimatischen Beanspruchung untauglich ist. Im Übrigen müsse der Stahlrahmen, der keine thermische Trennung aufweise,
ebenfalls ersetzt werden, was Anschlussarbeiten erfordere, welche das Angebot mit 3.465,89 Euro brutto ausweist. Die Bezifferung der
Fliesenleger- und Gipserarbeiten durch die Klägerin mit 750 Euro hat keinen Angriff der Beklagten erfahren. Sie sehen zwar in der Zarge das
Problem und räumen ein, dass auch die Bodenanschlussschienen nicht fachgerecht verlegt sind (Bl. 91), weshalb diese und die Zarge erneuert
werden müssten (Bl. 92, 105; B 2 = Bl. 131). Der Senat kann von den Feststellungen des Sachverständigen E ausgehen, wonach das Türblatt
gewölbt und deshalb auszutauschen ist. Letztlich greifen die Beklagten jedenfalls nicht an, dass die Tür den gegenwärtigen klimatischen
Beanspruchungen nicht gewachsen ist. Der Prüfbericht vom 16.5.2000 (B 3 =Bl. 129 bis 130) ist für die konkrete Fragestellung ohne
Aussagegehalt. Dass jedenfalls - und unter Beifügung des Befundes des Sachverständigen E: auch - die Zarge (mit Anschlussarbeiten)
ausgetauscht werden muss, geben die Beklagten selbst vor, und führt im Ergebnis zum Angebot H, welches rechnerisch nicht angegriffen ist.
Dass irgendwann einmal irgendwie das Treppenhaus verglast werden soll, ist - wie ausgeführt - noch so wenig greifbar, dass sich die Klägerin
darauf mit duldender Hinnahme des Mangels schon nicht einlassen muss. Im Übrigen ist unstreitig geblieben, dass auch ein solchermaßen
verglastes Treppenhaus unbeheizt bleiben wird.
22 4. Mietminderungsschaden.
23 a) Ersatzfähiger Schaden aus dem Mangel oder seiner verzögerlichen Beseitigung ist auch etwa die eingeschränkte oder Nichtbewohnbarkeit
einer Wohnung und der damit verbundene Mietausfall durch Mietminderung (OLG Saarbrücken NZBau 2002, 98, 100 m.N.; Werner/Pastor a.a.O.
1690).
24 b) aa) Auch wenn dieser Anspruch aus § 635 BGB [a.F.] abgeleitet wird, so ist die Klägerin an seiner Geltendmachung gleichwohl nicht
gehindert. Zwar wäre sie in Anlehnung an die Ausführungen unter B 2 b zur eigenständigen Geltendmachung von Schadensersatz nicht befugt,
da nur der Wohnungseigentümergemeinschaft angesichts der grundsätzlichen Gemeinschaftsbezogenheit eines solchen Anspruchs die
Rechtswahlmacht und damit auch das Anspruchsverfolgungsrecht zusteht (zu allem wiederum Werner/Pastor a.a.O. 487 f, m.umfängl.N.).
Vorliegend ist aber zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, da die Behebung dieses
Schadens einer Nachbesserung nicht zugänglich ist, nicht erforderlich (Koeble a.a.O. 258; vgl. auch OLG Saarbrücken a.a.O. 99; OLG Dresden
BauR 2001, 1276 = NZM 2001, 773, 774). Damit stellt sich auch die Frage der Rechtsmacht für eine solche Fristsetzung oder nach dem
Erfordernis eines vorangehenden Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht (vgl. Koeble a.a.O. 261). Bedarf es ausnahmsweise
aber keiner Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, ist der einzelne Wohnungseigentümer klagebefugt und kann Leistung an sich verlangen
(OLG Dresden a.a.O. 774 [dort verauslagte Kosten für Sachverständigengutachten]; zust. Werner/ Pastor a.a.O. 488 FN 65), auch weil insoweit
eine die Rechtsmacht des einzelnen Wohnungseigentümers sperrende Gemeinschaftsgebundenheit fehlt.
25 bb) So liegt der Fall hier. Ein Schaden im Wege des teilweise Mietausfalles durch Mietminderung wegen des nicht behobenen Mangels erwächst
aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Vermögensverhältnisse des einzelnen Wohnungseigentümers nur diesem. Insofern fehlt die auch
Gemeinschaftsbezogenheit.
26 Die Höhe des Mietausfalles durch Mietminderung des Mieters der Klägerin ist unstreitig. Die in zweiter Instanz vorgenommene hilfsweise
Klageerweiterung kommt nicht zum Tragen, da der Hauptanspruch Erfolg hatte.
27 Damit ist auch dem Anspruch auf Mietminderungsschaden auf das Rechtsmittel der Klägerin hin zu entsprechen.
28 5. Abweichend vom Antrag kann dem Zinsbegehren ab 16.10.2003 nur im Umfang von 4.500,00 Euro entsprochen werden, da nur dieser Betrag
zu diesem Zeitpunkt angemahnt war (Bl. 76). Die Verzinsung des Restes folgt § 291 BGB.
29 II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 2, 708 Nr. 10, 711, 713, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.