Urteil des OLG Stuttgart vom 24.09.2003

OLG Stuttgart: datum, vergleich, verfügung, gesetzeslücke, analogie, verzicht, fristverlängerung, rechtsberatung, rechtsverletzung, beschwerderecht

OLG Stuttgart Beschluß vom 24.9.2003, 13 W 49/03
Berichtigung eines protokollierten Prozessvergleichs: Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde
Leitsätze
Die sofortige Beschwerde gegen die Berichtigung eines protokollierten Prozessvergleichs ist nicht statthaft.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 21.8.2003 wird als unzulässig
verworfen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 3.000,00 EUR
Gründe
1 Mit der angefochtenen Entscheidung hatte das Landgericht das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.7.2003 dahin berichtigt, dass das
im protokollierten Vergleich enthaltene Zahlungsdatum 31. August 2003 statt 31. August 2004 lauten müsse. Die dagegen gerichtete sofortige
Beschwerde des Beklagten ist nicht statthaft (§ 572 Abs. 2 ZPO).
2 Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um eine Entscheidung
handelt, durch die ein Gesuch zurückgewiesen worden ist. Keine der Alternativen ist hier gegeben. § 164 ZPO, der die Protokollberichtigung
regelt, sieht eine Beschwerdemöglichkeit nicht vor. Ebenso wenig richtet sich die sofortige Beschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung.
Das Landgericht hat (von Amts wegen) abgeändert, ein Tätigwerden also gerade nicht abgelehnt.
3 Auch ein außerordentlicher Rechtsbehelf ist nicht gegeben. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 164 Abs.
2 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG). Sein Vortrag, die Verfügung des Landgerichts vom 6.8.2003, mit welcher den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme
zu der beabsichtigten Berichtigung bis 20.8.2003 gegeben worden war, habe ihn erst am 18.8.2003 erreicht, ist zwar nicht zu widerlegen. Doch
ergibt sich daraus keine Rechtsverletzung, zumal der Beklagte anwaltlich vertreten war. Wenn eine Stellungnahme innerhalb der verbleibenden
Frist nicht abgegeben werden konnte, bestand die Möglichkeit und auch Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten, das Gericht auf die lange
Postlaufzeit hinzuweisen und Fristverlängerung zu beantragen.
4 Auch ein Beschwerderecht entsprechend § 319 Abs. 3 ZPO ist nicht gegeben. Die Vorschrift ist nicht analog anwendbar. Das Oberlandesgericht
Hamm (MDR 1983, 410) hatte das zugelassen im Falle einer unzulässigen Berichtigung. Ein solcher Fall dürfte auch hier gegeben sein. Aus dem
Gesamtzusammenhang des Vergleichs ergibt sich zwar, dass nur das Datum 31.8.2003 Sinn macht. Doch steht zu vermuten, dass der Vergleich
mit dem Datum 31.8.2004 protokolliert wurde. Dieses Datum ergibt sich aus der handschriftlichen Vergleichsaufzeichnung der Vorsitzenden, die
sie unterschrieben und mit dem Vermerk "v.u.g." versehen hat. Auf der Protokollabschrift hat die (am Berichtigungsverfahren nicht beteiligte)
Urkundsbeamtin die Richtigkeit der Übertragung und damit des von ihr geschriebenen Datums 31.8.2004 bestätigt. Im Protokoll befindet sich am
Ende des Vergleichs außerdem der Vermerk "Vorgespielt und genehmigt". Allerdings kann die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht von einer
inhaltlichen Bewertung abhängen. Das ist eine Frage der Begründetheit.
5 Im Gesetz ist ein Rechtsmittel gegen eine Protokollberichtigungsentscheidung nicht vorgesehen. Von einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke
im Hinblick auf protokollierte Vergleiche ist dabei nicht auszugehen. Der Vergleich ist in den Protokollvorschriften ausdrücklich erwähnt und
bedacht (§§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 S. 1 ZPO). Gleichwohl hat der Gesetzgeber eine Rechtsmittelregelung bei Meinungsverschiedenheiten
über den Vergleichsinhalt nicht vorgesehen. Im Berichtigungsverfahren sollen alleine die für den Protokollinhalt verantwortlichen
Gerichtspersonen, die eigene Wahrnehmungen gemacht haben, entscheiden. Darüber hinaus ist ggf. Klärung in einem weiteren Rechtsstreit
herbeizuführen. Gegen die Zulassung der Analogie spricht weiter, dass Streitsituationen wie die vorliegende nicht nur im Falle eines Vergleichs
entstehen können und bedeutsam sind, sondern ebenso bei Anerkenntnis, Verzicht, Rechtsmittelverzicht und anderen prozessualen Handlungen
und Erklärungen. Gleichwohl sieht das Gesetz eine Beschwerdemöglichkeit nicht vor.
6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war dem geschätzten Interesse des Beschwerdeführers entsprechend
festzusetzen (§ 3 ZPO).
7 Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und weil eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur
Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen einen Protokollberichtigungsbeschluss bisher nicht vorliegt, zuzulassen (§ 574 Abs. 2 ZPO).