Urteil des OLG Stuttgart vom 28.04.2009

OLG Stuttgart (geschäftsführer, gesellschaft, anmeldung, gründung, gründung der gesellschaft, vertretungsbefugnis, vereinfachtes verfahren, vertretung, befreiung, beschwerde)

OLG Stuttgart Beschluß vom 28.4.2009, 8 W 116/09
Vereinfachte Gründung einer Unternehmergesellschaft: Inhalt der Anmeldung zum Handelsregister
Leitsätze
Zur Anmeldung einer nach Musterprotokoll gegründeten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zum
Handelsregister.
Tenor
1.
24.2.2009
aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Registergericht - Ulm vom
19.12.2008
aufgehoben.
Das Amtsgericht - Registergericht - Ulm wird angewiesen, nach Änderung der Anmeldung der Antragstellerin zum
Handelsregister entsprechend der Rechtsauffassung des Senats, die Eintragung vorzunehmen, sofern nicht
weitere Eintragungshindernisse bestehen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
2.
Gründe
I.
1
Am 18.12.2008 meldete der Geschäftsführer der Antragstellerin die Gründung der Unternehmergesellschaft
(haftungsbeschränkt) ... zur Eintragung ins Handelsregister an. Die Gründung war nach Musterprotokoll (Anlage
zu § 2 Abs. 1a GmbHG) erfolgt.
2
Die Anmeldung beinhaltet folgende Vertretungsregelung:
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„II. Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt:
Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst
im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere
Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten.
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Diese Formulierung entsprach der vom Registergericht Ulm den ihm zugeordneten Notariaten mitgeteilten
Formulierung der Vertretungsregelung bei der Verwendung von Musterprotokollen, auf die sich die
Rechtspfleger geeinigt hatten.
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Dem fügte die Antragstellerin unter III. hinzu:
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III. Zum Geschäftsführer ist bestellt: Herr ..., geb. am ..., ....
Der Geschäftsführer ist befugt, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder mit sich als
Vertreter eines Dritten zu vertreten, vertritt ansonsten die Gesellschaft gemäß der allgemeinen
Vertretungsregelung.“
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Mit Zwischenverfügung vom 19.12.2008 beanstandete das Registergericht die konkrete Vertretungsregelung
unter Abschnitt III. Es führt aus:
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Es besteht folgendes Eintragungshindernis:
Bei der Gründung der Gesellschaft in einem vereinfachten Verfahren entspricht (auch laut
Bundesjustizministerium) die allgemeine Vertretungsregelung der konkreten. Eine abweichende konkrete
Vertretung gibt es hier nicht und eine solche ist auch nicht anzumelden.
Die Anmeldung ist bezüglich der konkreten Vertretungsregelung (grundsätzliche Befreiung des
Geschäftsführers .... von den Beschränkungen des § 181 BGB) zurückzunehmen.
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Mit ihrer gegen die Zwischenverfügung gerichteten Beschwerde machte die Antragstellerin geltend, dass die in
Ziff. 4 des Musterprotokolls enthaltene Regelung, wonach der Geschäftsführer von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit ist, keine Abweichung von der in § 35 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG vorgesehenen gesetzlichen
Vertretungsbefugnis enthalte. Die abstrakte Vertretungsbefugnis entspreche also der gesetzlichen
Vertretungsbefugnis mit der Konsequenz, dass der Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt sei, solange er
alleiniger Geschäftsführer ist. Gesamtvertretungsbefugnis bestehe, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt
sind.
10 Die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers sei durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich; ebenso
sei die Abberufung des „ Gründungsgeschäftsführers “ durch einfachen Gesellschafterbeschluss möglich, da
es sich bei der Bestellung des Geschäftsführers im Musterprotokoll um einen unechten Satzungsbestandteil
handle.
11 Bei der im Musterprotokoll enthaltenen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB handle es sich um
eine konkrete Vertretungsregelung ausschließlich für den “Gründungsgeschäftsführer“. Die Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB gelte nicht automatisch für einen weiteren Geschäftsführer. Bezüglich des
„Gründungsgeschäftsführers“ werde die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auch nicht mit der
Bestellung eines weiteren Geschäftsführers obsolet.
12 Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 24.2.2009 zurückgewiesen.
13 Die Besonderheit bei der Gründung nach Musterprotokoll bestehe darin, dass das Musterprotokoll nur einen
Geschäftsführer vorsehe, der zwingend von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei. Daraus und aus
der Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Ermächtigung für die Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB für alle Alleingeschäftsführer in der Mustersatzung getroffen habe und
insoweit eine allgemeine Vertretungsregelung vorliege. Soweit ein weiterer Geschäftsführer bestellt werde,
greife diese allgemeine Regelung nicht mehr, da diese Fallgestaltung im Musterprotokoll nicht geregelt werde.
Die allgemeine Vertretungsregelung sei dann aus § 35 Abs. 2 GmbHG zu entnehmen. Die Befreiung des
Gründungsgeschäftsführers bzw. des alleinigen Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB sei
beschränkt auf den Zeitraum, in dem er Alleingeschäftsführer ist. Wenn die Gesellschafter auch bei Bestellung
eines weiteren bzw. mehrerer Geschäftsführer einen Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB
befreien wollten, müssten sie hierzu eine entsprechende Satzungsregelung schaffen.
14 Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie im wesentlichen auf
ihren bisherigen Vortrag Bezug nimmt.
15 Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschriftsätze der Antragstellerin sowie die Entscheidung des
Landgerichts Bezug genommen.
II.
16 Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 27, 29 FGG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Registergerichts ist nicht ohne
Rechtsfehler.
17 Für die Gründung einer GmbH sieht § 2 Abs. 1 a GmbHG, eingeführt mit Wirkung vom 1.11.2008 durch Art. 1
MoMiG vom 23. 10. 2008, ein vereinfachtes Verfahren unter Verwendung des in der Anlage bestimmten
Musterprotokolls vor. Das Musterprotokoll ist ein Blankoentwurf einer notariellen Urkunde, der nach
Vervollständigung gem. §§ 8 ff BeurkG zu beurkunden ist. Die in dem vereinfachten Verfahren gegründete
Gesellschaft darf höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer haben, und es dürfen darüber
hinaus keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. Der Regelungsinhalt des
Gründungsprotokolls ist beschränkt auf die Mindestangaben nach § 3 GmbHG, ergänzt durch Regelungen zur
Vertretung und zum Gründungsaufwand. Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen und damit alle
Regelungen des GmbHG. Das Musterprotokoll stellt gleichzeitig Gesellschaftsvertrag, Bestellung des
Geschäftsführers und Liste der Gesellschafter dar (zu dem neuen GmbH-Recht s. a. Heckschen,
Gründungserleichterungen nach dem MoMiG , DStR 2009, 166; Verspay, MDR 2009, 117; Wicke, Gründung,
Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung, NotBZ 2009, 9; Böhringer, Das neue GmbH-Recht in der
Notarpraxis, BWNotZ 2008, 104; Wälzholz, Die Reform des GmbH-Rechts, MittBayNot 2008, 425; Katschinski/
Rawert, Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG;
Römermann, Die vereinfachte Gründung mittels Musterprotokoll, GmbHR Sonderheft Oktober 2008; Wachter,
GmbH-Reform: Auswirkungen auf die Gründung einer „ klassischen“ GmbH NotBZ 2008,361; Tebben, Die
Reform der GmbH - das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Weigl, Die
Geschäftsführerbestellung im Musterprotokoll gem. MoMiG und Änderungen der Bestellung und Vertretung,
notar 2008, 378).
18 Die Gründungsvoraussetzungen gelten auch für eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).
19 Die Registeranmeldung weist bei vereinfachter Gründung gegenüber einer Anmeldung im Normalverfahren
keine Besonderheiten auf. Anders als noch im Regierungsentwurf des MoMiG (Regierungsentwurf, BT-Drucks.
16/6140, Seite 21 f) ist ein gesetzliches Muster für die Anmeldung der im vereinfachten Verfahren gegründeten
Gesellschaft zum Handelsregister nicht vorgesehen (vgl. Böhringer a. a. O.). Nach § 8 Abs. 4 Nr. 2 GmbHG
und § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist in der Anmeldung anzugeben und in das Handelsregister einzutragen,
„welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben“. Dabei ist die für die Geschäftsführer abstrakt
geltende Vertretungsbefugnis anzugeben und darüber hinaus auch die konkrete Vertretungsbefugnis, soweit
diese für einzelne oder auch alle bestellten Geschäftsführer abweichend bestimmt ist (Wicke, GmbHG 2008, §
8 Rdnr. 18; Krafka/ Willer, Registerrecht, 7. Aufl. 2007, Rdnr. 949). Auch die Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB, also vom Verbot des In-Sich-Geschäfts für die Fälle des Selbstkontrahierens
und der Mehrfachvertretung ist ein Bestandteil der Vertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 3 GmbHG) und muss daher
allgemein oder im Einzelfall personenbezogen in der Anmeldung angegeben werden (Krafka/Willer a. a. O.
Rdnr. 952).
20 Bei der Gründung nach Musterprotokoll weicht die konkrete Vertretungsregelung jedenfalls im Hinblick auf §
181 BGB von dem abstrakt bestehenden Verbot von In-Sich-Geschäften und des Selbstkontrahierens ab. Das
Musterprotokoll, das auf die Gesellschaftsgründung durch maximal drei Gesellschafter und die Bestellung nur
eines Geschäftsführers beschränkt ist, enthält die Gestattung von In-Sich-Geschäften für den Fall des
alleinigen Geschäftsführers, weshalb hier entsprechend der Vorgabe im Musterprotokoll auch die Anmeldung
der konkreten Vertretungsbefugnis erforderlich ist. Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, soweit dieses
davon ausgeht, bei der im Musterprotokoll geregelten Vertretungsregelung handle es sich in Bezug auf § 181
BGB um eine allgemeine Vertretungsregelung, solange und soweit nur ein Geschäftsführer bestellt ist. Es
vertritt damit, ebenso wie das Registergericht eine Mindermeinung, der sich der Senat nicht anschließt (vgl. die
bereits oben zitierten Beiträge; die auf Anfrage des Registergerichts Stuttgart abgegebene Stellungnahme des
Bundesministeriums der Justiz vom 26.11.2008 hierzu ist nach Ansicht des Senats nicht eindeutig).
21 Der Wortlaut der Anmeldung wie sie das Registergericht und ihm folgend das Landgericht für korrekt halten,
nämlich: „ Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: ist nur ein Geschäftsführer bestellt,
vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter
eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft
durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten“ ist Ausdruck der vom Senat nicht geteilten Mindermeinung.
Denn danach wäre jeder Alleingeschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und nicht nur
der Gründungsgeschäftsführer. Dies entspricht jedoch nach Ansicht des Senats nicht den Vorgaben der
vereinfachten Gründung nach Musterprotokoll. Diese setzt voraus, dass die Gesellschaft einen namentlich
benannten Geschäftsführer hat, der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Treten später
Änderungen in der Geschäftsführung ein, sei es durch die Berufung eines anderen Alleingeschäftsführers oder
weiterer Geschäftsführer, so entfällt die dem Gründungsgeschäftsführer als alleinigem Geschäftsführer
vorbehaltene besondere Vertretungsbefugnis. Insofern folgt der Senat auch nicht der vom Beschwerdeführer
vertretenen Ansicht, dass die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers von den Beschränkungen des § 181
BGB für diesen auch dann fortbesteht, wenn er nicht mehr alleiniger Geschäftsführer ist. Vielmehr gilt dann die
allgemeine Vertretungsregelung des § 35 GmbHG, wonach die Geschäftsführer gemeinschaftlich zur
Vertretung der Gesellschaft befugt sind und Sonderrechte einzelner Geschäftsführer durch den
Gesellschaftsvertrag bestimmt werden müssen.
22 Zur Formulierung der Vertretungsbefugnis des Gründungsgeschäftsführers bei der Anmeldung der im
vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister gibt es im Schrifttum Vorschläge, die
im wesentlichen deckungsgleich sind ( z. B. Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung,
NotBZ 2009, 9; Katschinski/Rawert, Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP
2008,1999; Weigl, die Geschäftsführerbestellung im Musterprotokoll gem. MoMiG, notar 2008, 378). Sie sehen
einen allgemeinen Teil vor, der abstrakt die Vertretung der Gesellschaft dahingehend regelt, dass dann, wenn
nur ein Geschäftsführer bestellt ist, dieser die Gesellschaft allein vertritt und dann, wenn mehrere
Geschäftsführer bestellt sind, sie alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Konkret
wird dann mitgeteilt, wer zum ersten Geschäftsführer bestellt wurde und dass dieser die Gesellschaft gemäß
der allgemeinen Vertretungsregelung vertritt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.
23 Die Antragstellerin, die diese Formulierung ebenfalls für zutreffend hält, hat sich bereits dahin gehend geäußert,
dass sie bereit ist, ihre Anmeldung entsprechend zu ändern. Die Entscheidungen des Landgerichts und des
Registergerichts waren deshalb aufzuheben, und die Sache war dem Registergericht zur erneuten Bescheidung
der - entsprechend geänderten - Anmeldung unter Beachtung der Rechtsmeinung des Senats zurückzugeben.